Fünfter Auftritt


[341] Wallenstein. Terzky.


WALLENSTEIN in tiefem Nachdenken, zu sich selbst.

Sie hat ganz recht gesehn – So ists, und stimmt

Vollkommen zu den übrigen Berichten –

Sie haben ihren letzten Schluß gefaßt

In Wien, mir den Nachfolger schon gegeben.

Der Ungarn König ists, der Ferdinand,

Des Kaisers Söhnlein, der ist jetzt ihr Heiland,

Das neu aufgehende Gestirn! Mit uns

Gedenkt man fertig schon zu sein, und wie

Ein Abgeschiedner sind wir schon beerbet.

Drum keine Zeit verloren!


[341] Indem er sich umwendet, bemerkt er den Terzky und gibt ihm einen Brief.


Graf Altringer läßt sich entschuldigen,

Auch Gallas – Das gefällt mir nicht.

TERZKY.

Und wenn du

Noch länger säumst, bricht einer nach dem andern.

WALLENSTEIN.

Der Altringer hat die Tiroler Pässe,

Ich muß ihm einen schicken, daß er mir

Die Spanier aus Mailand nicht hereinläßt.

– Nun! der Sesin, der alte Unterhändler,

Hat sich ja kürzlich wieder blicken lassen.

Was bringt er uns vom Grafen Thurn?

TERZKY.

Der Graf entbietet dir,

Er hab den schwedschen Kanzler aufgesucht

Zu Halberstadt, wo jetzo der Konvent ist:

Der aber sagt, er sei es müd, und wolle

Nichts weiter mehr mit dir zu schaffen haben.

WALLENSTEIN.

Wie so?

TERZKY.

Es sei dir nimmer Ernst mit deinen Reden,

Du wollst die Schweden nur zum Narren haben,

Dich mit den Sachsen gegen sie verbinden,

Am Ende sie mit einem elenden Stück Geldes

Abfertigen.

WALLENSTEIN.

So! Meint er wohl, ich soll ihm

Ein schönes deutsches Land zum Raube geben,

Daß wir zuletzt auf eignem Grund und Boden

Selbst nicht mehr Herren sind? Sie müssen fort,

Fort, fort! Wir brauchen keine solche Nachbarn.

TERZKY.

Gönn ihnen doch das Fleckchen Land, gehts ja

Nicht von dem deinen! Was bekümmerts dich,

Wenn du das Spiel gewinnest, wer es zahlt.

WALLENSTEIN.

Fort, fort mit ihnen – das verstehst du nicht.

Es soll nicht von mir heißen, daß ich Deutschland

Zerstücket hab, verraten an den Fremdling,

Um meine Portion mir zu erschleichen.

Mich soll das Reich als seinen Schirmer ehren,

Reichsfürstlich mich erweisend, will ich würdig[342]

Mich bei des Reiches Fürsten niedersetzen.

Es soll im Reiche keine fremde Macht

Mir Wurzel fassen, und am wenigsten

Die Goten sollens, diese Hungerleider,

Die nach dem Segen unsers deutschen Landes

Mit Neidesblicken raubbegierig schauen.

Beistehen sollen sie mir in meinen Planen,

Und dennoch nichts dabei zu fischen haben.

TERZKY.

Doch mit den Sachsen willst du ehrlicher

Verfahren? Sie verlieren die Geduld,

Weil du so krumme Wege machst –

Was sollen alle diese Masken? sprich!

Die Freunde zweifeln, werden irr an dir –

Der Oxenstirn, der Arnheim, keiner weiß,

Was er von deinem Zögern halten soll.

Am End bin ich der Lügner, alles geht

Durch mich. Ich hab nicht einmal deine Handschrift.

WALLENSTEIN.

Ich geb nichts Schriftliches von mir, du weißts.

TERZKY.

Woran erkennt man aber deinen Ernst,

Wenn auf das Wort die Tat nicht folgt? Sag selbst,

Was du bisher verhandelt mit dem Feind,

Hätt alles auch recht gut geschehn sein können,

Wenn du nichts mehr damit gewollt, als ihn

Zum besten haben.

WALLENSTEIN nach einer Pause, indem er ihn scharf ansieht.

Und woher weißt du, daß ich ihn nicht wirklich

Zum besten habe? Daß ich nicht euch alle

Zum besten habe? Kennst du mich so gut?

Ich wüßte nicht, daß ich mein Innerstes

Dir aufgetan – Der Kaiser, es ist wahr,

Hat übel mich behandelt! – Wenn ich wollte,

Ich könnt ihm recht viel Böses dafür tun.

Es macht mir Freude, meine Macht zu kennen;

Ob ich sie wirklich brauchen werde, davon, denk ich,

Weißt du nicht mehr zu sagen als ein andrer.

TERZKY.

So hast du stets dein Spiel mit uns getrieben![343]


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 341-344.
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