Vierter Auftritt


[364] Vorige. Thekla welche schnell hervortritt.


Spart Euch die Mühe, Tante!

Das hört er besser von mir selbst.

MAX tritt zurück.

Mein Fräulein! –

Was ließen Sie mich sagen, Tante Terzky!

THEKLA zur Gräfin.

Ist er schon lange hier?

GRÄFIN.

Jawohl, und seine Zeit ist bald vorüber.

Wo bleibt Ihr auch so lang?

THEKLA.

Die Mutter weinte wieder so. Ich seh sie leiden,

– Und kanns nicht ändern, daß ich glücklich bin.

MAX in ihren Anblick verloren.

Jetzt hab ich wieder Mut, Sie anzusehn.

Heut konnt ichs nicht. Der Glanz der Edelsteine,

Der Sie umgab, verbarg mir die Geliebte.

THEKLA.

So sah mich nur Ihr Auge, nicht Ihr Herz.

MAX.

O! diesen Morgen, als ich Sie im Kreise

Der Ihrigen, in Vaters Armen fand,

Mich einen Fremdling sah in diesem Kreise!

Wie drängte michs in diesem Augenblick,

Ihm um den Hals zu fallen, Vater ihn

Zu nennen! Doch sein strenges Auge hieß

Die heftig wallende Empfindung schweigen,

Und jene Diamanten schreckten mich,

Die wie ein Kranz von Sternen Sie umgaben.

Warum auch mußt er beim Empfange gleich

Den Bann um Sie verbreiten, gleich zum Opfer

Den Engel schmücken, auf das heitre Herz

Die traurge Bürde seines Standes werfen!

Wohl darf die Liebe werben um die Liebe,

Doch solchem Glanz darf nur ein König nahn.

THEKLA.

O! still von dieser Mummerei. Sie sehn,

Wie schnell die Bürde abgeworfen ward.


Zur Gräfin.


Er ist nicht heiter. Warum ist ers nicht?

Ihr, Tante, habt ihn mir so schwer gemacht![365]

War er doch ein ganz andrer auf der Reise!

So ruhig hell! So froh beredt! Ich wünschte,

Sie immer so zu sehn, und niemals anders.

MAX.

Sie fanden sich, in Ihres Vaters Armen,

In einer neuen Welt, die Ihnen huldigt,

Wärs auch durch Neuheit nur, Ihr Auge reizt.

THEKLA.

Ja! Vieles reizt mich hier, ich wills nicht leugnen,

Mich reizt die bunte, kriegerische Bühne,

Die vielfach mir ein liebes Bild erneuert,

Mir an das Leben, an die Wahrheit knüpft,

Was mir ein schöner Traum nur hat geschienen.

MAX.

Mir machte sie mein wirklich Glück zum Traum.

Auf einer Insel in des Äthers Höhn

Hab ich gelebt in diesen letzten Tagen,

Sie hat sich auf die Erd herabgelassen,

Und diese Brücke, die zum alten Leben

Zurück mich bringt, trennt mich von meinem Himmel.

THEKLA.

Das Spiel des Lebens sieht sich heiter an,

Wenn man den sichern Schatz im Herzen trägt,

Und froher kehr ich, wenn ich es gemustert,

Zu meinem schönern Eigentum zurück –


Abbrechend und in einem scherzhaften Ton.


Was hab ich Neues nicht und Unerhörtes

In dieser kurzen Gegenwart gesehn!

Und doch muß alles dies dem Wunder weichen,

Das dieses Schloß geheimnisvoll verwahrt.

GRÄFIN nachsinnend.

Was wäre das? Ich bin doch auch bekannt

In allen dunkeln Ecken dieses Hauses.

THEKLA lächelnd.

Von Geistern wird der Weg dazu beschützt,

Zwei Greife halten Wache an der Pforte.

GRÄFIN lacht.

Ach so! der astrologische Turm! Wie hat sich

Dies Heiligtum, das sonst so streng verwahrt wird,

Gleich in den ersten Stunden Euch geöffnet?

THEKLA.

Ein kleiner, alter Mann mit weißen Haaren

Und freundlichem Gesicht, der seine Gunst

Mir gleich geschenkt, schloß mir die Pforten auf.[366]

MAX.

Das ist des Herzogs Astrolog, der Seni.

THEKLA.

Er fragte mich nach vielen Dingen, wann ich

Geboren sei, in welchem Tag und Monat,

Ob eine Tages- oder Nachtgeburt –

GRÄFIN.

Weil er das Horoskop Euch stellen wollte.

THEKLA.

Auch meine Hand besah er, schüttelte

Das Haupt bedenklich, und es schienen ihm

Die Linien nicht eben zu gefallen.

GRÄFIN.

Wie fandet Ihr es denn in diesem Saal?

Ich hab mich stets nur flüchtig umgesehn.

THEKLA.

Es ward mir wunderbar zumut, als ich

Aus vollem Tageslichte schnell hinein trat,

Denn eine düstre Nacht umgab mich plötzlich,

Von seltsamer Beleuchtung schwach erhellt.

In einem Halbkreis standen um mich her

Sechs oder sieben große Königsbilder,

Den Szepter in der Hand, und auf dem Haupt

Trug jedes einen Stern, und alles Licht

Im Turm schien von den Sternen nur zu kommen.

Das wären die Planeten, sagte mir

Mein Führer, sie regierten das Geschick,

Drum seien sie als Könige gebildet.

Der äußerste, ein grämlich finstrer Greis,

Mit dem trübgelben Stern, sei der Saturnus,

Der mit dem roten Schein, grad von ihm über,

In kriegerischer Rüstung, sei der Mars,

Und beide bringen wenig Glück den Menschen.

Doch eine schöne Frau stand ihm zur Seite,

Sanft schimmerte der Stern auf ihrem Haupt,

Das sei die Venus, das Gestirn der Freude.

Zur linken Hand erschien Merkur geflügelt,

Ganz in der Mitte glänzte silberhell

Ein heitrer Mann, mit einer Königsstirn,

Das sei der Jupiter, des Vaters Stern,

Und Mond und Sonne standen ihm zur Seite.

MAX.

O! nimmer will ich seinen Glauben schelten[367]

An der Gestirne, an der Geister Macht.

Nicht bloß der Stolz des Menschen füllt den Raum

Mit Geistern, mit geheimnisvollen Kräften,

Auch für ein liebend Herz ist die gemeine

Natur zu eng, und tiefere Bedeutung

Liegt in dem Märchen meiner Kinderjahre,

Als in der Wahrheit, die das Leben lehrt.

Die heitre Welt der Wunder ists allein,

Die dem entzückten Herzen Antwort gibt,

Die ihre ewgen Räume mir eröffnet,

Mir tausend Zweige reich entgegenstreckt,

Worauf der trunkne Geist sich selig wiegt.

Die Fabel ist der Liebe Heimatwelt,

Gern wohnt sie unter Feen, Talismanen,

Glaubt gern an Götter, weil sie göttlich ist.

Die alten Fabelwesen sind nicht mehr,

Das reizende Geschlecht ist ausgewandert;

Doch eine Sprache braucht das Herz, es bringt

Der alte Trieb die alten Namen wieder,

Und an dem Sternenhimmel gehn sie jetzt,

Die sonst im Leben freundlich mitgewandelt,

Dort winken sie dem Liebenden herab,

Und jedes Große bringt uns Jupiter

Noch diesen Tag, und Venus jedes Schöne.

THEKLA.

Wenn das die Sternenkunst ist, will ich froh

Zu diesem heitern Glauben mich bekennen.

Es ist ein holder, freundlicher Gedanke,

Daß über uns, in unermeßnen Höhn,

Der Liebe Kranz aus funkelnden Gestirnen,

Da wir erst wurden, schon geflochten ward.

GRÄFIN.

Nicht Rosen bloß, auch Dornen hat der Himmel,

Wohl dir! wenn sie den Kranz dir nicht veletzen.

Was Venus band, die Bringerin des Glücks,

Kann Mars, der Stern des Unglücks, schnell zerreißen.

MAX.

Bald wird sein düstres Reich zu Ende sein!

Gesegnet sei des Fürsten ernster Eifer,[368]

Er wird den Ölzweig in den Lorbeer flechten,

Und der erfreuten Welt den Frieden schenken.

Dann hat sein großes Herz nichts mehr zu wünschen,

Er hat genug für seinen Ruhm getan,

Kann jetzt sich selber leben und den Seinen.

Auf seine Güter wird er sich zurückziehn,

Er hat zu Gitschin einen schönen Sitz,

Auch Reichenberg, Schloß Friedland liegen heiter –

Bis an den Fuß der Riesenberge hin

Streckt sich das Jagdgehege seiner Wälder.

Dem großen Trieb, dem prächtig schaffenden,

Kann er dann ungebunden frei willfahren.

Da kann er fürstlich jede Kunst ermuntern,

Und alles würdig Herrliche beschützen –

Kann bauen, pflanzen, nach den Sternen sehn –

Ja, wenn die kühne Kraft nicht ruhen kann,

So mag er kämpfen mit dem Element,

Den Fluß ableiten und den Felsen sprengen,

Und dem Gewerb die leichte Straße bahnen.

Aus unsern Kriegsgeschichten werden dann

Erzählungen in langen Winternächten –

GRÄFIN.

Ich will denn doch geraten haben, Vetter,

Den Degen nicht zu frühe wegzulegen.

Denn eine Braut, wie die, ist es wohl wert,

Daß mit dem Schwert um sie geworben werde.

MAX.

O! wäre sie mit Waffen zu gewinnen!

GRÄFIN.

Was war das? Hört ihr nichts? – Mir wars, als hört ich

Im Tafelzimmer heftgen Streit und Lärmen.


Sie geht hinaus.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 364-369.
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