Achter Auftritt


[373] Gräfin kommt zurück. Thekla.


GRÄFIN.

Was war das, Fräulein Nichte? Fi! Ihr werft Euch

Ihm an den Kopf. Ihr solltet Euch doch, dächt ich,

Mit Eurer Person ein wenig teurer machen.

THEKLA indem sie aufsteht.

Was meint Ihr, Tante?

GRÄFIN.

Ihr sollt nicht vergessen,

Wer Ihr seid und wer er ist. Ja, das ist Euch

Noch gar nicht eingefallen, glaub ich.

THEKLA.

Was denn?

GRÄFIN.

Daß Ihr des Fürsten Friedland Tochter seid.

THEKLA.

Nun? und was mehr?

GRÄFIN.

Was? Eine schöne Frage!

THEKLA.

Was wir geworden sind, ist er geboren.

Er ist von altlombardischem Geschlecht,

Ist einer Fürstin Sohn!

GRÄFIN.

Sprecht Ihr im Traum?

Fürwahr! Man wird ihn höflich noch drum bitten,

Die reichste Erbin in Europa zu beglücken

Mit seiner Hand.

THEKLA.

Das wird nicht nötig sein.

GRÄFIN.

Ja, man wird wohltun, sich nicht auszusetzen.[373]

THEKLA.

Sein Vater liebt ihn, Graf Octavio

Wird nichts dagegenhaben –

GRÄFIN.

Sein Vater! Seiner! Und der Eure, Nichte?

THEKLA.

Nun ja! Ich denk, Ihr fürchtet seinen Vater,

Weil Ihrs vor dem, vor seinem Vater, mein ich,

So sehr verheimlicht.

GRÄFIN sieht sie forschend an.

Nichte, Ihr seid falsch.

THEKLA.

Seid Ihr empfindlich, Tante? O! seid gut!

GRÄFIN.

Ihr haltet Euer Spiel schon für gewonnen –

Jauchzt nicht zu frühe!

THEKLA.

Seid nur gut!

GRÄFIN.

Es ist noch nicht so weit.

THEKLA.

Ich glaub es wohl.

GRÄFIN.

Denkt Ihr, er habe sein bedeutend Leben

In kriegerischer Arbeit aufgewendet,

Jedwedem stillen Erdenglück entsagt,

Den Schlaf von seinem Lager weggebannt,

Sein edles Haupt der Sorge hingegeben,

Nur um ein glücklich Paar aus euch zu machen?

Um dich zuletzt aus deinem Stift zu ziehn,

Den Mann dir im Triumphe zuzuführen,

Der deinen Augen wohlgefällt? – Das hätt er

Wohlfeiler haben können! Diese Saat

Ward nicht gepflanzt, daß du mit kindscher Hand

Die Blume brächest, und zur leichten Zier

An deinen Busen stecktest!

THEKLA.

Was er mir nicht gepflanzt, das könnte doch

Freiwillig mir die schönen Früchte tragen.

Und wenn mein gütig freundliches Geschick

Aus seinem furchtbar ungeheuren Dasein

Des Lebens Freude mir bereiten will –

GRÄFIN.

Du siehsts wie ein verliebtes Mädchen an.

Blick um dich her. Besinn dich, wo du bist –

Nicht in ein Freudenhaus bist du getreten,

Zu keiner Hochzeit findest du die Wände[374]

Geschmückt, der Gäste Haupt bekränzt. Hier ist

Kein Glanz, als der von Waffen. Oder denkst du,

Man führte diese Tausende zusammen,

Beim Brautfest dir den Reihen aufzuführen?

Du siehst des Vaters Stirn gedankenvoll,

Der Mutter Aug in Tränen, auf der Waage liegt

Das große Schicksal unsers Hauses!

Laß jetzt des Mädchens kindische Gefühle,

Die kleinen Wünsche hinter dir! Beweise,

Daß du des Außerordentlichen Tochter bist!

Das Weib soll sich nicht selber angehören,

An fremdes Schicksal ist sie fest gebunden,

Die aber ist die Beste, die sich Fremdes

Aneignen kann mit Wahl, an ihrem Herzen

Es trägt und pflegt mit Innigkeit und Liebe.

THEKLA.

So wurde mirs im Kloster vorgesagt.

Ich hatte keine Wünsche, kannte mich

Als seine Tochter nur, des Mächtigen,

Und seines Lebens Schall, der auch zu mir drang,

Gab mir kein anderes Gefühl als dies:

Ich sei bestimmt, mich leidend ihm zu opfern.

GRÄFIN.

Das ist dein Schicksal. Füge dich ihm willig.

Ich und die Mutter geben dir das Beispiel.

THEKLA.

Das Schicksal hat mir den gezeigt, dem ich

Mich opfern soll, ich will ihm freudig folgen.

GRÄFIN.

Dein Herz, mein liebes Kind, und nicht das Schicksal.

THEKLA.

Der Zug des Herzens ist des Schicksals Stimme.

Ich bin die Seine. Sein Geschenk allein

Ist dieses neue Leben, das ich lebe.

Er hat ein Recht an sein Geschöpf. Was war ich,

Eh seine schöne Liebe mich beseelte?

Ich will auch von mir selbst nicht kleiner denken,

Als der Geliebte. Der kann nicht gering sein,

Der das Unschätzbare besitzt. Ich fühle

Die Kraft mit meinem Glücke mir verliehn.

Ernst liegt das Leben vor der ernsten Seele.[375]

Daß ich mir selbst gehöre, weiß ich nun.

Den festen Willen hab ich kennenlernen,

Den unbezwinglichen, in meiner Brust,

Und an das Höchste kann ich alles setzen.

GRÄFIN.

Du wolltest dich dem Vater widersetzen,

Wenn er es anders nun mit dir beschlossen?

– Ihm denkst dus abzuzwingen? Wisse, Kind!

Sein Nam ist Friedland.

THEKLA.

Auch der meinige.

Er soll in mir die echte Tochter finden.

GRÄFIN.

Wie? Sein Monarch, sein Kaiser zwingt ihn nicht,

Und du, sein Mädchen, wolltest mit ihm kämpfen?

THEKLA.

Was niemand wagt, kann seine Tochter wagen.

GRÄFIN.

Nun wahrlich! Darauf ist er nicht bereitet.

Er hätte jedes Hindernis besiegt,

Und in dem eignen Willen seiner Tochter

Sollt ihm der neue Streit entstehn? Kind! Kind!

Noch hast du nur das Lächeln deines Vaters,

Hast seines Zornes Auge nicht gesehen.

Wird sich die Stimme deines Widerspruchs,

Die zitternde, in seine Nähe wagen?

Wohl magst du dir, wenn du allein bist, große Dinge

Vorsetzen, schöne Rednerblumen flechten,

Mit Löwenmut den Taubensinn bewaffnen.

Jedoch versuchs! Tritt vor sein Auge hin,

Das fest auf dich gespannt ist, und sag Nein!

Vergehen wirst du vor ihm, wie das zarte Blatt

Der Blume vor dem Feuerblick der Sonne.

– Ich will dich nicht erschrecken, liebes Kind!

Zum Äußersten solls ja nicht kommen, hoff ich –

Auch weiß ich seinen Willen nicht. Kann sein,

Daß seine Zwecke deinem Wunsch begegnen.

Doch das kann nimmermehr sein Wille sein,

Daß du, die stolze Tochter seines Glücks,

Wie ein verliebtes Mädchen dich gebärdest,

Wegwerfest an den Mann, der, wenn ihm je[376]

Der hohe Lohn bestimmt ist, mit dem höchsten Opfer,

Das Liebe bringt, dafür bezahlen soll!


Sie geht ab.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 373-377.
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