Zehnter Auftritt


[467] Vorige. Buttler.


TERZKY.

O sieh da! Buttler! Das ist noch ein Freund!

WALLENSTEIN geht ihm mit ausgebreiteten Armen entgegen und umfaßt ihn mit Herzlichkeit.

Komm an mein Herz, du alter Kriegsgefährt!

So wohl tut nicht der Sonne Blick im Lenz,

Als Freundes Angesicht in solcher Stunde.

BUTTLER.

Mein General – Ich komme –

WALLENSTEIN sich auf seine Schultern lehnend.

Weißt dus schon?

Der Alte hat dem Kaiser mich verraten.

Was sagst du? Dreißig Jahre haben wir

Zusammen ausgelebt und ausgehalten.

In einem Feldbett haben wir geschlafen,

Aus einem Glas getrunken, einen Bissen

Geteilt, ich stützte mich auf ihn, wie ich

Auf deine treue Schulter jetzt mich stütze,[467]

Und in dem Augenblick, da liebevoll

Vertrauend meine Brust an seiner schlägt,

Ersieht er sich den Vorteil, sticht das Messer

Mir listig lauernd, langsam, in das Herz!


Er verbirgt das Gesicht an Buttlers Brust.


BUTTLER.

Vergeßt den Falschen. Sagt, was wollt Ihr tun?

WALLENSTEIN.

Wohl, wohl gesprochen. Fahre hin! Ich bin

Noch immer reich an Freunden, bin ich nicht?

Das Schicksal liebt mich noch, denn eben jetzt,

Da es des Heuchlers Tücke mir entlarvt,

Hat es ein treues Herz mir zugesendet.

Nichts mehr von ihm. Denkt nicht, daß sein Verlust

Mich schmerze, o mich schmerzt nur der Betrug.

Denn wert und teuer waren mir die beiden,

Und jener Max, er liebte mich wahrhaftig,

Er hat mich nicht getäuscht, er nicht – Genug,

Genug davon! Jetzt gilt es schnellen Rat –

Der Reitende, den mir Graf Kinsky schickt

Aus Prag, kann jeden Augenblick erscheinen.

Was er auch bringen mag, er darf den Meutern

Nicht in die Hände fallen. Drum geschwind,

Schickt einen sichern Boten ihm entgegen,

Der auf geheimem Weg ihn zu mir führe.


Illo will gehen.


BUTTLER hält ihn zurück.

Mein Feldherr, wen erwartet Ihr?

WALLENSTEIN.

Den Eilenden, der mir die Nachricht bringt,

Wie es mit Prag gelungen.

BUTTLER.

Hum!

WALLENSTEIN.

Was ist Euch?

BUTTLER.

So wißt Ihrs nicht?

WALLENSTEIN.

Was denn?

BUTTLER.

Wie dieser Lärmen

Ins Lager kam? –

WALLENSTEIN.

Wie?

BUTTLER.

Jener Bote –

WALLENSTEIN erwartungsvoll.

Nun?[468]

BUTTLER.

Er ist herein.

TERZKY UND ILLO.

Er ist herein?

WALLENSTEIN.

Mein Bote?

BUTTLER.

Seit mehrern Stunden.

WALLENSTEIN.

Und ich weiß es nicht?

BUTTLER.

Die Wache fing ihn auf.

ILLO stampft mit dem Fuß.

Verdammt!

BUTTLER.

Sein Brief

Ist aufgebrochen, läuft durchs ganze Lager –

WALLENSTEIN gespannt.

Ihr wißt, was er enthält?

BUTTLER bedenklich.

Befragt mich nicht!

TERZKY.

O – Weh uns, Illo! Alles stürzt zusammen!

WALLENSTEIN.

Verhehlt mir nichts. Ich kann das Schlimmste hören.

Prag ist verloren? Ists? Gesteht mirs frei.

BUTTLER.

Es ist verloren. Alle Regimenter

Zu Budweis, Tabor, Braunau, Königingrätz,

Zu Brünn und Znaym haben Euch verlassen,

Dem Kaiser neu gehuldiget, Ihr selbst

Mit Kinsky, Terzky, Illo seid geächtet.


Terzky und Illo zeigen Schrecken und Wut. Wallenstein bleibt fest und gefaßt stehen.


WALLENSTEIN nach einer Pause.

Es ist entschieden, nun ists gut – und schnell

Bin ich geheilt von allen Zweifelsqualen,

Die Brust ist wieder frei, der Geist ist hell,

Nacht muß es sein, wo Friedlands Sterne strahlen.

Mit zögerndem Entschluß, mit wankendem Gemüt

Zog ich das Schwert, ich tats mit Widerstreben,

Da es in meine Wahl noch war gegeben!

Notwendigkeit ist da, der Zweifel flieht,

Jetzt fecht ich für mein Haupt und für mein Leben.


Er geht ab. Die andern folgen.[469]


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 467-470.
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