Man benutzt die Gelegenheit

[208] Ich hatte zwei Monate gefastet, als ich in Lyon ankam. Warum, weiß ich selbst nicht. In dem Hotel, wo ich wohnte, hatte ich ein sehr niedliches Weibsbild bemerkt und fühlte Neigung für sie. Sie war mir näher als ich glaubte; ihr Zimmer stieß an meine Kammer und bloß durch eine dünne Bretterwand geschieden, in der noch dazu eine Tür sich befand. So bequem als möglich.

Wie ich eines Tages das Licht auslösche, bemerke ich ziemliche Spalten und gleich neben meinem Bette ein großes Astloch, weil das Dämchen noch Licht hatte. Ich war neugierig, legte mein Auge an dasselbe, und siehe da – eine außerordentlich niedliche nackende Figur steht vor dem Spiegel und steckt die Haare los.[208]

Es wäre mir nicht möglich gewesen, im Bett zu bleiben. Nur war die Frage, wie ich zu meiner schönen Nachbarin kommen sollte.

Es war schon etwas spät. Indes warf ich mich geschwind in mein Nachtkleid und ging hinaus, ob vielleicht noch ihr Mädchen zu sprechen wäre. Eben trat sie aus dem Zimmer.

»Schönes Kind, könnte ich wohl nur zwei Worte mit ihrer Gebieterin sprechen?«

Das Mädchen sah mich an –

»Oder ist's schon zu spät? Es ist aber dringend.«

In einigen Minuten kam sie wieder.

»Madame erwartet Sie.«

»Ich trat herein, machte einige Entschuldigungskomplimente, die sehr artig erwidert wurden, und entdeckte ihr, mit den zärtlichsten Ausdrücken, was ich durch die Wand gesehen und was das für eine unbeschreibliche Wirkung auf mich gemacht hätte.

Sie sprang auf und sprach von Infamie und der Himmel weiß, wovon.

Ich nahm sie in meine Arme. Sie hatte nur einen langen Schlafrock umgeworfen und wie durch ein Ungefähr kam meine Hand auf ihre bloße volle Brust.

Madame, ich liebe, und könnten Sie wirklich zürnen, daß Ihre unvergleichlich interessante Figur einen so großen Eindruck auf mich gemacht hat, so müßten Sie sehr hart sein.«

Ich ließ sie nicht zu Worte kommen, küßte jeden Laut von ihrem Munde und drohte, nicht eher aufzuhören, bis sie besänftigt wäre.

Sie fing endlich an überlaut zu lachen und[209] sicherte auf Ehre, daß ihr noch kein Franzose eine so drollige Liebeserklärung gemacht hätte, und des Sonderbaren wegen wollte sie mir ihre Gunst schenken. Jetzt aber sollte ich mich entfernen, weil ihr Mädchen mich hier wüßte; allein morgen –

»Ich gehe, Madame, und hier (indem ich die Tür nach meiner Schlafkammer aufriegelte) komme ich wieder.«

»Weil es sich so fügt, will ich nicht die Grausame spielen.«

Sie schellte und ihr Mädchen begleitete mich auf mein Zimmer und schien in meinen Augen zu forschen, was ich wohl Wichtiges ihrer Frau gesagt haben möchte.

Ich war also bald wieder bei meiner lieblichen Französin. Wir wurden bekannt und wußten nichts von Zeremonien.

Bereitwillig ließ sie sich den Schlafrock ausziehen und erwiderte jede Tändelei mit vieler Grazie.

So erhaben hatte ich noch keine Grotte der Wollust gesehen; denn, wenn sie aufrecht stand, leuchtete der rötliche Eingang hervor. Der Tempel selbst war außerordentlich schlüpfrig, hatte einen geräumigen Eingang und Gott Hymen war so stark beleibt, wie ich ihn noch nie zu Gesicht bekommen hatte.

Man hatte mir erzählt, daß die Französinnen überaus schlüpfrig wären, und die erste, die ich in meine Arme schloß, bestätigte dies.

So wie ich den Kampf begann, war sie ganz Unruhe unter mir. Bald legte sie einen, bald beide Schenkel über mich, drückte mich, schlug mich; bald bewegte sie sich geschwind, bald zog sie sich zurück, daß mein Amor nurhalb eindrang, und bald hielt sie sich in die Höhe, daß er ganz in die Tiefe geriet, und so waren ihre Hände auch in beständiger Bewegung.

Wie endlich ihr Reiz aufs höchste stieg, so stotterte sie unaufhörlich:

»Ah! – je ne peus plus! Ah! Ah! – je me meurs! Ah! Ah! Ah! Vi – vite! vite!«

Ich konnte mich des Lachens nicht enthalten; allein sie ließ sich nicht stören und plapperte fort, bis ihr die Sprache ganz verging.

Als ich sie am Morgen verließ, versicherte sie mir mit außerordentlicher Freude, daß ich ein so braver Kavalier sei, der keinem Franzosen etwas nachgäbe. –

Sonderbar, daß auch hierin diese Nation sich vorzüglich glaubt.

Quelle:
Gustav Schilling: Die Denkwürdigkeiten des Herrn v. H., Paris 1966, S. 208-211,213.
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