Eine kleine Erholung

[53] Wenn ich mich nicht sehr irre, so werden meine Leser eine kleine Erholung nötig haben; denn ich müßte doch verzweifelt schlecht erzählen, wenn nicht dabei das Blut in einige Wallung geraten und ein heimliches Feuer durch die Adern geschlichen wäre.

Wer's haben kann, wird wohl wissen, wie er sich helfen soll, und wer nichts hat, daß er nur zugreife, dem bezeuge ich mein herzliches Beileid. Nur wünsche ich ja nicht, daß er sein Feuer mit kalter Hand auslösche, sondern lieber mein Buch hinlege und mit seinem glühenden Gesicht und funkelnden Augen ein Mädchen aufsuche, das Mitleid mit ihm habe.

Ist Zeit und Gelegenheit dawider oder hast du dich etwa gar zum Mädchenhasser schon verstümmelt, so lies im ersten Falle mein Buch nicht, und im zweiten bist du es nicht wert, daß es dein bißchen übriggebliebenes Gefühl erweckt hat.

Mancher meiner Leser wird sich auch die Zeit zurückgerufen haben, wie er zuerst die Geheimnisse der Liebe erforschte und wird bedauert haben, daß es ihm nicht so leicht und mit so gutem Erfolge gelang und daß er nicht so schönen Lehrmeisterinnen in die Hände fiel.

Mancher wird auch vielleicht noch bis jetzt die feine Würze des Genusses entbehrt haben. Und mancher wird sich verwünschen und traurig sein Haupt auf einen Arm stützen, den er lieber um einen schönen weiblichen Nacken schlänge.

Es ist nun nicht anders; die Gaben sind verschieden ausgeteilt.[54]

Wie manches gute, feurige Mädchen fühlt ein unruhiges Sehnen und sinkt in Schwermut. Fragt sie, warum? Vielleicht weiß sie das selbst noch nicht oder sie wird errötend die Augen niederschlagen und ihr ängstlich wallender Busen wird euch das Warum beantworten.

Sucht aber nicht in jedem weiblichen Schöße gleiches Vergnügen und scheltet mich nicht gleich einen Lügner, wenn Ihr etwa jetzt einen weiblichen Körper an Euren Busen drückt und die Äußerung des Gefühls nicht so findet, wie ich sie beschrieben habe. Es ist nicht eine Rose wie die andere. Ich ward von Kunstverständigen in die Geheimnisse eingeweiht und meine fernere Erzählung wird es ausweisen, daß ich nicht überall meine Reibhand und noch weniger eine Brünette fand.

Doch über dies und das ein Mehreres, wenn mich meine Leser vorher in meinen ferneren Erfahrungen werden begleitet haben.

Quelle:
Gustav Schilling: Die Denkwürdigkeiten des Herrn v. H., Paris 1966, S. 53-55.
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