Achter Auftritt.

[316] Faust, Rosalinde. in einer Geistermaske


FAUST. Aber wo seid ihr? Ich höre eure Stimme, aber ich seh' euch nicht.[316]

ROSALINDE. Du hast gerufen? was willst du?

FAUST. Wer bist du? –

ROSALINDE. Rufst du die Geister, und erkennst sie nicht?

FAUST. Aber warum du allein? ich hörte der Stimmen viel.

ROSALINDE. Auch sind sie alle hier – nur unsichtbar.

FAUST. Warum nicht sichtbar?

ROSALINDE. Weil du an mir genug hast. Doch wenn du mich nicht brauchen kannst, so wird einer nach dem andern in sichtbarer Gestalt deine Befele erwarten.

FAUST. Nun, woher namst du deinen Flug?

ROSALINDE. Neunmal so viel Stunden tief, als die Welt steht, won' ich unter der Erde – da hört ich deinen Ruf, schlug mit meinem Flügel ein paar Sonnen aus einander, dekte mit einem Süden, mit dem andern Osten; ris ein paar Miriaden Fixsterne aus ihrer Axe, und schmetterte eine ganze Nachwelt ins Nichts. Wärend meines Flugs dacht ich, daß ich dir nicht in meiner nächtlichen Gestalt erscheinen dürfte: ein einziger Blik würde dich zermalmt, und alle deine Gebeine zertrümmert haben. So dacht ich, und fülte, daß ich den Saturn auf dem Rükken trug; ich schüttelte ihn ab, und da blieb ich dann mit der Fußsole an einer Wolke hangen, die nam ich statt eines Mantels um, und so komm ich zu dir.[317]

FAUST. Ha, du bist ein Teufel: ich kenne dich an deinem Pralen.

ROSALINDE. Pralen? Soll ich im Wirbelwind über dich faren? Zerstreuen dein Gebein hinauf zum Jupiter, bis hinab zum Orkus? soll ich? Ohnmächtiger, sprich mit mehr Ehrfurcht, wenn du zu Geistern redest.

FAUST. Du bist kein schlechter Teufel, du drohst auch.

ROSALINDE. Drohen? Im Nu mach ich wahr, was ich sagte. Nicht ein Stäubchen deines Leibes, nicht ein Quentchen deines Bluts sollst du übrig behalten. Will die Erde zusammenwikkeln, wie Leinwand, brüllen, daß der Donner Westwindssäuseln dagegen sein soll, und der Sturm leises Rauschen eines seidenen Gewandes. Rede mit Ehrfurcht Sklav, oder zittere.

FAUST. Nun der Teufel verläugnet sich doch nie: Worte, wie Meereswogen, und Gedanken, wie Sandkörner. Aber las doch einmal sehen, was du kannst, zaubre einmal ein Elisium her.

ROSALINDE. Sachte, Herr Doktor, der Teufel ist so einfältig nicht, machts nicht, wie ihr Menschen. Ihr kramt neue Künste, neue Spinngewebe von Weisheit gleich aus, ohne einen andern Grund, als euch sehn zu lassen. Wir nicht.

FAUST. Was willst du denn, daß ich tun soll?[318]

ROSALINDE. Schwöre, daß du mein sein willst, mein sein willst nach zwölf Jahren. Schreib das, mit deinem Blut zeichn' es hin – dann bin ich zu deinen Diensten.

FAUST. Teufel, was willst du? dir schwören, dein zu sein! meinst du, ich rase?

ROSALINDE. Gerast hast du lange, gerast, als du mich riefst: das Geschöpf fodert Schöpfung vom Geschöpf; der Sterbliche will Unsterblichen befelen, ist das nicht Raserei?

FAUST. Ich glaube gar, du predigst.

ROSALINDE. Ja, und Besserung; und lernst du sie vom Teufel nicht, so lernst du sie nimmer. Aber der Kontrakt – –

FAUST. Ist will nicht.

ROSALINDE. Nun so bleib, was du bist: las dich auslachen. Denn, ausposaunen will ichs im Nordsturm, daß du ein Narr bist, ein feiger, elender Narr; der nicht einmal das Herz hat, eine Narrheit, die er angefangen, zu vollenden. Niedrige, unmännliche Seele!

FAUST. Spotte, so viel du willst, ich unterschreibe nicht. Geh, ich verlange deine Dienste nicht; meine Seele ist frei, und soll frei bleiben.

ROSALINDE. Ist sie? armer Mensch, und habe dich doch schon so gewis. Einen Atemzug gieb dem Teufel, und du entkommst ihm nicht mehr; er fast dich, und sollts beim lezten Röcheln sein.[319] Schon lange hatt' ich deine Seele beim Schopf, ich gab dir deine Rasereien ein, spielte dir das Manuskript in die Hände – ich. Elender, kannst du mir noch entgehen?

FAUST. Aber wenn ich nun nicht will, nicht unterschreiben will, was für Recht hast du?

ROSALINDE. Was für Recht? Also, daß du mich für nichts, und wider nichts von meinem Felsentron herauf riefst, mich entrissest dem Jubelklang der Donner da unten, dem Brüllen der erschlagenen Geister, das rechnest du für nichts? Meinst, könntest mich wieder mit einer langen Nase heimschikken? Glaub, Satan steht um keine so arme Menschenseele auf, wenn er ihrer nicht gewis ist. Gut, unterschreib nicht. Aber stürzen will ich dich in 'n Staub, schlagen dich mit Wunden und Eiterbeulen; dich zum Ekel aller Menschen, zum Spott der Knaben, und zum Ekel der alten Weiber machen. Willst du das? – Schreibst du aber: so bist du Herr über die ganze Welt; herschest über Meer und Land; bist zwölf Jahr lang das Staunen der Erde; bist Schöpfer; wirst geschmeichelt von Weibern; wirst angebetet von Sklaven, die dir den Staub von den Füssen lekken. Wäle!

FAUST betäubt. Ich wäle! Gieb her. Unterzeichnet. Und was nun?

ROSALINDE. Nichts!

FAUST. Nichts?[320]

ROSALINDE. Geduld – Ein König über die Welt ist nicht so gleich gemacht. Bist du Doktor aller Fakultäten, und weist das nicht?

FAUST. Teufel, ich begreife dich nicht.

ROSALINDE. Das glaube ich, Teufel und Weiber sind ein Studium, das den grösten Weisen zum Narren machen kann. – Merk dirs. Vor izt leb wol. Mitternacht komm ich wieder. Fort ihr Geister! Rosalinde ab.

UNSICHTBARER CHOR.

Wieder zur Höllen,

Ihr lüftgen Gesellen!

Er ist geschlossen,

Mit Blute beflossen

Der festliche Bund.

FAUST.

Wo seid ihr Schatten?

Wo schwebt ihr, ihr Schatten?

Wo seid ihr, ihr Lieben?

Ich hab ihn geschrieben

Den festlichen Bund.

UNSICHTBARER CHOR.

Wir habens vernommen,

Sind darum gekommen;

Jezt faren wir wieder

Zur Hölle hernieder,

Zum rasselnden Schlund.[321]

FAUST.

Doch müst ihr mir halten,

Ihr Geistergestalten,

Den Bund, der geschlossen,

Mit Blute beflossen;

Müst halten den Bund.

UNSICHTBARER CHOR.

Wir werden ihn halten

Wir Flammengestalten!

Juchheia zur Höllen,

Ihr lüftgen Gesellen,

Zum rasselnden Schlund!


Der Chor schweigt, Faust steht wie im tiefen Erstaunen, nimmt sein Manuskript und versinkt in Nachdenken. Der Vorhang fällt.
[322]

Quelle:
Schink, Johann Friedrich: Der neue Doktor Faust, eine Plaisanterie mit Gesang in zwei Aufzügen. In: Zum Behuf des Teutschen Teaters, Erster Beitrag, Graz 1782, S. 303–337, S. 316-323.
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