3.

Der Gesundbrunnen

[130] Der Himmel lacht, es wehen warme Lüfte,

Die Gauen blüh'n ringsum mit Wein und Korne.

Hier schirmen Hügel vor des Nordwinds Zorne

Ein kleines Thal voll frischer Wiesendüfte.


Und es ergießt der Schooß der kühlen Klüfte

Heilsamen Trank in ewig regem Borne.

Da fällt mich die unheimliche, verworrne

Vorahndung an: hier sind auch Todtengrüfte.


Kannst du dich so, Natur, mit Mord besudeln?

Wie, oder war dir jede Kraft und Tugend

Vom unerbittlichsten Gestirn gebunden?


Ja, hier, wo selbst die Quellen Leben sprudeln,

Hat, in der Rosenfülle froher Jugend,

Mein süßes Leben seinen Tod gefunden.

Quelle:
August Wilhelm von Schlegel: Sämtliche Werke Band 1, Leipzig 1846, S. 130-131.
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