Sechster Auftritt.


[227] Frau Sylvesterinn. Fortunat.


FORTUNAT. Wenn er aber nun tausendmal kömmt: so kann ich doch nichts mit ihm anfangen.

FRAU SYLVESTERINN. Warum denn nicht?

FORTUNAT. Ich kann nichts anfangen, weil ich nicht weis, was ich anfangen soll.

SYLVESTERINN. Warum weist du denn nicht, was du anfangen sollst?

FORTUNAT. Fragen sie doch nicht so: ich weis es nicht, weil ich es nicht weis.

SYLVESTERINN. Ums Himmels willen! Ich habe nun den Mann gebethen, daß er dich zum Advocaten annehmen soll, und du weist nicht, was du anfangen sollst. Gott sey mir gnädig, wenn du den Mann in Schaden bringst!

FORTUNAT. Lassen sie mich doch sorgen! Ich will es schon erfahren.

SYLVESTERINN. Je! wie denn?

FORTUNAT. Ich will jemanden fragen.

SYLVESTERINN. Ach! frage doch ja! du lieber Sohn; der Herr Strom bringt mich sonst um.

FORTUNAT. Ich habe aber den ganzen Bettel vergessen. Werde ich mich wohl darauf besinnen können? Es war ja von Tüchern.

SYLVESTERINN. Nein! es war von Zeugen.

FORTUNAT. Nun lassen sie es seyn. Ich denke ja nicht, daß wegen der Zeuge eine andere Proceßordnung seyn wird, als wegen der Tücher.

SYLVESTERINN. Zeuge oder Tücher waren es gewiß. Was war es aber mit den Zeugen oder Tüchern?

FORTUNAT. Einer von beyden hatte sie gekauft. Ich weis aber nicht, ob der Kläger oder der Beklagte.[227]

SYLVESTERINN. Wie war es doch? Ich glaube, es war der Kläger? Nein! nein! es war Strom.

FORTUNAT. Es könnte wohl seyn!

SYLVESTERINN. Nicht doch: es war der Kläger.

FORTUNAT. Das könnte auch seyn.

SYLVESTERINN. Ach! wie ist mir denn? Ich merke auch gar nichts. Es war der Beklagte: der Beklagte? Nicht wahr?

FORTUNAT. Ja mich fragen sie nicht. Ich denke, sie wissen das Zeug. Ich habe mehr zu denken.

SYLVESTERINN. Mit einem Worte. Nein! ich will darauf sterben. Es war der Kläger und kein andrer Mensch. Der hat eine, zwey, drey, viere, nein drey Kisten Tücher von Stromen gehandelt, die von Görlitz kommen sollten. Nicht wahr? Und hernach kommen ihrer viere. Nicht wahr? Und da will der Kläger die vierte auch so wohlfeil haben, und Strom will nicht? Nicht wahr? Darüber haben sie einander verklagt.

FORTUNAT. Ich dächte ja, es müßte so gewesen seyn. Nicht wahr? Mama. Ja, es war so. Nicht wahr? Ach! sie sind auch gülden mit ihrem Gedächtnisse. Ich hätte mich auf das verwirrte Zeug nimmermehr besonnen. So wars. Gewiß, so wars. Nun will ich geschwind gehen, und jemanden fragen.

SYLVESTERINN. Kind, itzund wird es zwey schlagen. Du versäumst den Minister.

FORTUNAT. Ach nein! Mama. Den Minister versäume ich gewiß nicht. Es ist mir gar zu viel daran gelegen, kein Advocat zu seyn.

SYLVESTERINN. Hernach möchtest du auch wohl gerne was anders seyn, damit du kein Secretär seyn dürftest.

FORTUNAT. Es ist wahr, Mama. Für mich ist beydes ein Uebel. Aber man muß doch wohl das kleinste nehmen.

SYLVESTERINN. Aber eben darum, damit du Secretär wirst, sollst du nicht weggehen.

FORTUNAT. Sorgen sie doch nicht so. Ich bin ja den Augenblick wieder da. Wenn ich von einem Ende der Stadt bis zum andern laufen müßte; so wollte ich wieder da seyn. Sie sind gar zu sorgsam.

SYLVESTERINN. Und Strom kömmt unterdessen; und wenn du nicht da bist: so mag ihn der Henker halten, und nicht ich.

FORTUNAT. Ich komme ja gleich wieder, Mama. Den Augenblick komme ich wieder.

SYLVESTERINN. Nein! ich lasse dich nicht gehen. Hernach habe ich tausend Noth. Ist denn gar kein Mittel? Du lieber Himmel! weist du denn gar nicht, was du machen sollst?

FORTUNAT. Ich soll den Krieg Rechtens befestigen.[228]

SYLVESTERINN. Ey! das habe ich in dem deutschen Buche gesehen, daß ich da draußen unter deinem Bette hervornahm und aufhub. Das Ding klingt artig. Es gefiel mir gleich, da ich es las. Den Krieg Rechtens befestigen! Fortunat, siehst du. Da weist du ja nun, was du machen sollst.

FORTUNAT. Ja! daß ich ihn befestigen soll, das weis ich wohl, aber nur nicht, wie ich ihn befestigen soll.

SYLVESTERINN. Je nun! lieber Fortunat: so sieh doch nur in das Buch.

FORTUNAT. Ey! der Henker müßte mich reiten, daß ich in das alte verdrießliche Buch sehen sollte. Ich wollte lieber tausendmal durch die Stadt laufen. Lassen sie mich nur gehen, Mama.

SYLVESTERINN. Aber komme doch ja bald wieder, Fortunat. Ich will selber unterdessen gehen, und in das Buch sehen. Wenn ich nur die Bücher für dich lesen könnte! du solltest ein Advocat werden, der gleichen weit und breit nicht ist.

Quelle:
Johann Elias Schlegel: Ausgewählte Werke. Weimar 1963, S. 227-229.
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