Erster Auftritt.


[272] Fiekchen. Cathrine.


CATHRINE. Nun! Jungfer, so komme, sie doch. Ich wäre schon wieder zurücke, wenn sie nicht so schliche.

FIEKCHEN. Sage mir doch, Cathrine, was sollte ich denn aus der Stube hier neben an holen? Ich gab nicht Achtung, was die Mama sagte.

CATHRINE. Ich denke, sie weis es.

FIEKCHEN. Närrinn! weswegen hätte ich dich denn mitgenommen? Ich dachte, du hättest es gehört: so solltest du mir es sagen.

CATHRINE. Ists das, so kann ich ihr nicht helfen.

FIEKCHEN. Ach! ich bin ganz müde. Kann Fortunat den Leuten nicht Noth machen! Die Mama, und ich, und du, wir haben alle zu thun.

CATHRINE. Ja! höre sie doch, Jungfer, was machen wir denn nun, wenn wir nicht wissen, was wir holen sollen?

FIEKCHEN. Lauf doch, und frage.

CATHRINE. Ja, die Mama würde mich anlassen! Höre sie, Jungfer Fiekchen, wir wollen eine Weile ausbleiben. Hernach wollen wir gehen und sagen, wir können es nicht finden: so muß doch die Mama es genauer beschreiben. Hernach gebe sie Achtung: so weis sie, was sie holen soll.

FIEKCHEN. Das ist doch ein vortrefflicher Rath, liebe Cathrine! So will ich mich hersetzen, und ein Bißchen ausruhen, und die Augen zumachen.

CATHRINE. Pfuy! schäme sie sich. In der Stube soll heute noch getanzt werden: und sie will hier faullenzen. Ach! wenn ich nur heute mittanzen dürfte. Ich habe recht lange nicht getanzt; ich wüßte mich bald seit einem Jahre nicht zu besinnen, wenn ich getanzt hätte. Das verzweifelte Ding, daß ich Jungemagd und Köchinn zugleich bin! Wenn die Jungemagd zu Tanze gehen will: so muß die Köchinn zu Hause bleiben. Und will die Köchinn gehen: so muß die[272] Jungemagd unterdessen das Haus hüten. So kömmt mein Jungfer Cathrinchen niemals zum Tanze.

FIEKCHEN. Ich möchte nur wissen, was du von dem Herumspringen hättest? Meinetwegen möchte kein Tanzmeister und keine Musik auf der Welt seyn. Die Tanzmeister brechen einem die Beine bald entzwey. Und wenn nur noch keine Musik wäre: so wäre auch keine Cadanz. So möchte man doch tanzen, wie es einem bequem wäre, wenn das Getanze ja seyn sollte.

CATHRINE. Nein! Jungfer Fiekchen, ich muß zum voraus tanzen, weil ich hernach nicht mittanzen kann. Komm sie her. Schäme sie sich! Wer wird denn so stille seyn? Tanze sie mit. Ich will Fortunat seyn: sey sie Jungfer Lieschen.

FIEKCHEN. Ach! laß mich gehen.

CATHRINE. Ihr Bruder tanzt alle Tage, und sie will gar nicht tanzen. Ich darf mich nicht auf der Stube sehen lassen: so heißt es: kommt her, Cathrine, tretet einmal daher, ich muß was aus dem Tanze probiren; ich vergesse ihn sonst ganz. Ich kann mich schon nicht recht darauf besinnen. Hört, ihr dummes Ding, hieher sollt ihr treten! Nun es ist gut, da stehe ich. Da fängt er an um mich herum zu springen. Nun geht daher! da springt er wieder. Nun dorthin! wieder gesprungen. Und wenn ich nicht davon liefe: so tanzte er den ganzen Tag um mich herum.

FIEKCHEN. Ach! liebe Cathrine, wenn ich nur schlafen könnte!

CATHRINE. Warte sie, Fiekchen, ich will ihr was auf der Laute vor, damit sie einschläft. Sieht sie!

FIEKCHEN. Ach! geh fort! geh! geh! ich wollte dich führen. Du könntest wohl einen Todten mit der Laute aufwecken, so jämmerlich klingts: geschweige denn, daß ich darüber einschlafen sollte.

CATHRINE. Ey! denke sie doch. Weis sie das? Man sollte die Leute nicht eher tadeln, bis mans besser machen kann. Es mag klingen, wie es will: es muß ihr schöne klingen, denn sie kanns nicht besser.

FIEKCHEN. Es liegt nur an mir, daß ich es nicht besser kann, als du: mein Bruder hat mich es lange lehren wollen. Aber es kostet so viel Mühe: drum will ich nicht.

CATHRINE. Aber Jungfer Fiekchen, wenn die Gäste kämen, und sähen mich mit der Laute da stehen: ich wüßte nicht, was ich thäte! Ins Futteral könnte ich sie so geschwinde nicht wieder legen.

FIEKCHEN. So thue sie doch weg.

CATHRINE. Ich glaube, daß ich aussehe, wie der dritte von den fünf Sinnen, die ihr Bruder gemalt hat. Wenn die Leute kämen: so dächten sie doch wohl, ich wäre das leibhaftige Gehör.

FIEKCHEN. Du wirst so lange thalen, bis sie kommen.[273]

CATHRINE. Sie ist auch gar zu nichts zu bringen, Jungfer Fiekchen. Tanzen muß ich heute einmal vor allemal. Nun! so will ich auch ganz allein tanzen, und die Musik selber dazu machen, wenn man gleich nichts davon hört. Das Ding muß artig aussehen.

FIEKCHEN. Die Gäste kommen! Sie kommen! Ich muß laufen.

CATHRINE. Zum Henker! was fange ich mit der Laute an? Ach! ich laufe mit samt der Laute davon.


Quelle:
Johann Elias Schlegel: Ausgewählte Werke. Weimar 1963, S. 272-274.
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