Vierzehender Auftritt.

[300] Jungwitz. Richard. Frau Praatgern.


PRAATGERN.

Nun! was denn? Was wollten sie mir thun?

Hier bin ich.

JUNGWITZ.

Ey! man spricht ja nicht von ihnen.

PRAATGERN.

Nun!

Die wollt ich – – –

JUNGWITZ.

Rüsten sie sich doch nicht gleich zum Streiten;[300]

Wer ihnen was will thun, den muß der Teufel reiten.

PRAATGERN.

Herr Richard, aber sie sind warlich auch ein Mann,

Den jeder, was er will, getrost bereden kann.

Was fehlt Charlotten denn? Ich muß wol besser wissen,

Wie Jungfern in der Stadt erzogen werden müssen.

Ich bin es auch nicht längst gewesen.

RICHARD.

Ey! und ich,

Ich weiß auch was sich schickt.

PRAATGERN.

Die Moden ändern sich,

Und ihre Tochter ist recht nach der neusten Mode.

RICHARD.

Das wird Chinesisch seyn, sie sitzt, wie ein Pagode.

PRAATGERN.

So sagen sie mir doch, was sie sonst machen soll.

RICHARD.

Sie soll gesprächig seyn.

PRAATGERN.

Gesprächig? das ist toll.

Die Jungfern, hört nur an, will er gesprächig machen.

Ey! wollen sie nicht auch, sie sollen gar mit lachen.

RICHARD.

Warum nicht?

PRAATGERN.

Pfuy!

RICHARD.

Warum? He!

PRAATGERN.

Weil sie Jungfern sind.

Wird man hernach zur Frau, so giebt sich das geschwind.

JUNGWITZ.

Dann redt man desto mehr.

PRAATGERN.

Mich dünkt ja, daß ich rede.

JUNGWITZ.

Dann kriegt man auch Verstand.

PRAATGERN.

Itzt bin ich gar nicht blöde.

Als Jungfer sprach ich nichts.

RICHARD.

Weiß sie das noch genau?

JUNGWITZ.

So wurden sie vielleicht um desto lieber Frau.

PRAATGERN.

Nein! sollten wir so jung die Töchter reden lehren,

Wer würde denn hernach gern auf uns Frauen hören.

JUNGWITZ.

So? so? ist das der Grund?

PRAATGERN.

Kurz! hören sie nur an.

Zu zeigen, daß gleichwol Charlotte reden kann:

So soll Herr Jungwitz nur noch einmal mit ihr sprechen,

Und hat sie nicht Verstand. Gut! dann so kann er brechen.

RICHARD.

Was sagen sie dazu?

JUNGWITZ.

Das geh ich endlich ein.

PRAATGERN.

Ich wette, sie soll bald ein recht Orakel seyn.

RICHARD.

Indeß laß ich ihn hier, Herr Jungwitz, ich muß gehen,

Mit meiner Tochter mich ein wenig zu verstehen.[301]


Quelle:
Johann Elias Schlegel: Ausgewählte Werke. Weimar 1963, S. 300-302.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die stumme Schönheit
Die stumme Schönheit

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Unsühnbar

Unsühnbar

Der 1890 erschienene Roman erzählt die Geschichte der Maria Wolfsberg, deren Vater sie nötigt, einen anderen Mann als den, den sie liebt, zu heiraten. Liebe, Schuld und Wahrheit in Wien gegen Ende des 19. Jahrhunderts.

140 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon