Das 19. Capitel.
Wenn ein Weib zu Bette gehet / und grüsset die Sterne am Himmel / so nimmt ihr der Geyer oder Habicht kein jung Huhn.

[200] Dieses glauben die albern abgöttischen und abergläubischen Weiber, und practiciren es auch; Wenn sichs alsdenn begiebt, daß ihnen ihre jungen Hüner unverletzt bleiben, so vermeynen sie, daß wahrhafftig der Gruß, den sie an die Sterne gethan, solchen Schutz zuwege gebracht habe. Hieran aber hat der Teufel seinen sonderlichen Wohlgefallen, daher er mit Fleiß verhüten hilfft, daß der Habicht kein jung Huhn von denen erhasche, derer Frauen die Sterne gegrüsset haben; Hingegen derer ihre / die solches nicht gethan haben, hilfft er, so viel ihme GOtt zulässet, desto mehr verderben, nur darum / daß er den abgöttischen Wahn bey denen Weibern möchte vermehren. Aber die albern Narren möchten doch ein wenig überlegen, wie abgeschmackt und thöricht ihr Vornehmen sey, und der Satan denen ihren gesunden Verstand beraubet haben müsse, die solche Narren-Possen glauben unb practiciren. Denn der rechte und wahre Verstand[200] dieses ihres Glaubens-Artickels ist also beschaffen: Zu der Zeit, wenn ein Weib Abends zu Bette gehet, da die Sterne am Himmel zu sehen sind, so ist es finster; wenn sie nun die sichtbaren Sterne grüsset, so nimmt ihr der Geyer oder Habicht kein jung Huhn, denn die Gluck-Henne sitzet zu der Zeit drüber, und ist auch in der finstern Nacht kein Geyer anzutreffen, der eines nehmen könne. Ist also freylich wahr, daß der Habicht ihr kein jung Huhn nimmt, wenn sie zu Bette gehet, oder wenn sie die Sterne am Himmel grüssen kan. Auf folgenden Tag aber hat sie dessen keinen Bürgen.


Kan auch wohl ein Peter Sqventz

Einen solchen Reverentz

In dem Spiele machen,

Als die Weiber Abends-Zeit

Mit dem Grusse sind bereit?

Dessen man muß lachen.

Sie begrüssen nicht den HErrn,

Sondern nur desselben Stern,

In besonderm Glauben,

Daß darum der Geyer nicht

Ihnen, wie sonst offt geschicht,

Ein jung Huhn soll rauben.

Aber sie sind unbedacht,

Denn ja ohndem in der Nacht

Kein Geyr ist vorhanden;

Aber wenn ein ander mahl

Holt der Geyr eins aus der Zahl,

Bestehn sie mit Schanden;

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 200-201.
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