Das 48. Capitel.
Am Tage Abdon soll man den Schilff aus denen Teichen schneiden / und die Dornen aus denen Feldern rotten / so wachsen solche nicht wieder hervor.

[258] Ich glaubs. Denn wer an diesem Tage einem alten Weibe / das Hitze in Augen hat, und besorget, daß der kalte Brand darzu schlagen möchte, den Kopff biß unter die Nasen-Löcher ablöset, den versichere ich /daß er hierdurch der Hitze steuern werde, daß sie nicht weiter überhand nehmen wird / und das Weib wird vor dem kalten Brande frey bleiben. Der Tag Abdon ist auf den 30. Julii gefällig; nun wolle man nur bedencken, wie weit der Schilff zu solcher Zeit in seinem Wachsthum gekommen sey, oder wie reiff er alsdenn schon ist? so wird man bekennen müssen, daß, wenn er zu solcher Jahres-Zeit abgeschnitten wird, von Natur nicht wieder wachsen kan, weil die Krafft aus der Wurtzel in den Schilff gegangen, und beym Abschneiden tritt das Wasser hinein und macht in der entkräffteten Wurtzel eine Fäulung, dadurch sie vergehet. Jedoch erhalten sich gleichwohl noch solche Zäserlein, die übers Jahr wieder ausschlagen. Und dergleichen[258] Bewandniß hat es auch mit denen Dornen, wenn sie im Julio oder Augusto ausgegraben werden. Es ist bekannt, daß im Frühlinge die fette Weitzen-Saat mit Sensen und Sicheln abgehauen und geschnitten wird / welches die Bauern Weitzen-Schrepffen nennen und dieser Weitzen wächset aufs herrlichste wieder in die Höhe; Alleine, es versuche es einer, und schneide ihn ab, wenn er blühet, so wird er nimmer mehr wieder in die Höhe wachsen / denn der Kopff und Hertz sind hinweg. Wenn einem Krebse die Scheeren gebrochen werden, bleibt er wohl lebendig, aber wenn ihm der Kopff zerdruckt wird, muß er sterben: Also kan freylich der aufgewachsene Schilff /wenn er zu der Zeit, da er schon ausgewachsen hat, mit Strumpff und Stiehl, so zu reden, abgeschnitten wird, nicht wieder wachsen. Damit aber die abergläubische Rotte gleichwohl ihrem Vorgeben ein scheinbares Färbgen anstreiche, so haben sie, nicht ohne Ursach, den Nahmens-Tag Abdon benennen wollen, an welchem der Schilff soll abgeschnitten, und die Dornen ausgegraben werden; denn Abdon heisset ein Verderber, und soll dahero solches Nahmens halber der an diesem Tage abgeschnittene Schilff verderben. Aber wer nur ein wenig Buchstabiren gelernet hat, der siehet wohl, daß nicht der Tag / um deß darinnen gefälligen Nahmens willen, solche Krafft habe, sondern daß die späte Jahres-Zeit solches verhindere, und mag die Ausrottung solcher Dinge vor- oder nach dem Tage Abdon geschehen, e.g. auf Jacobi, als welcher 6. Tage vorher gefällt,[259] und so viel heisset, als ein Tag des Untertreters; oder am Tage Apollonaris, welcher mit Abdon einerley Bedeutung hat; am Tage Gustavi, und so fort. Und so man diesen Männern wolte Weiber zu Gehülfinnen geben, so würden Anna, Martha und Christina sich gut darzu schicken. Ist demnach auf den Tag Abdon gantz nicht zu reflectiren.


Abdon ist nicht allein der Mann,

Der Dorn und Schilff verderben kan;

Apollonaris kan es auch,

Jacobus hat auch den Gebrauch /

Daß er die Sachen untertritt,

Und wenn Frau Anna auch mit schnitt,

So würd es haben gleiche Krafft,

Denn aus den'n Wurtzeln ist der Safft.

Und wenn auch gleich Frau Martha käm,

Und alles fein zusammen nähm,

So würde sie doch leiden müssen,

Daß es Gustavus trät mit Füssen.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 258-260.
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