Das 73. Capitel.
Man soll die kleinen Kinder nicht mit blossen Füssen auf den Tisch treten lassen / denn sie bekommen davon böse Füsse.

[307] Ein klein Kind, das noch ins Küssen und Windeln gewickelt wird, das wird wenig auf den Tisch tantzen gehen, und tritt demnach nicht mit blossen Füßgen auf den Tisch: Ein grösseres aber, das anfängt zu lauffen, das lernet auch nicht auf dem Tische sondern auf der Erden lauffen, und solcher gestalt ist dieses wohl eine vergebliche Sorge. Jedoch trägt sichs zuweilen zu, daß die Kinder-Weiber mit denen Kindern, wenn sie sie in ein ander Kissen einbinden wollen, manchmahl ein wenig spielen, solche nackend in die Höhe heben, und sie, aus Spaß, mit denen Füßgen lassen auftreten, bey welcher Begebenheit sie es denn wohl in Acht nehmen, daß das Kind ja nicht mit denen Füßgen auf den blossen Tisch kömmt, in Besorgung, daß es alsdenn böse Füsse bekommen würde; legen demnach allezeit eine Windel oder ein Kissen unter. Nun ists zwar eben nicht übel gethan,[307] daß man ein solch zartes Kind mit seinem noch gantz knorpelichen weichen Füßgen nicht lässet auf einen harten, zuweilen auch wohl kalten steinernen Schie fer-Tisch auftreten. Daß aber eigentlich und ohnfehlbar ein Kind von solcher wenigen Auffussung auf den blossen Tisch solte böse Füsse bekommen, und hingegen eine schlechte untergelegte Windel solches verhüten könne, ist eine recht lächerliche und sehr einfältige Meynung. Denn woferne man besorget seyn will, ob würde das Kind, mit seinen noch weichen und zarten Füßgen, sich auf dem harten Tische Schaden thun, so kan eine dünne einfache Windel, welche gewöhnlich untergelegt wird, ja gantz und gar nichts austragen, und kömmt mir nicht anders für, als die eintzige Feder / welche Eulenspiegel unter seinem Kopff geleget hatte, um darauf weich zu liegen. Will man aber vorgeben / ob läge offt eines und das andere auf dem Tische / als Nadeln, Messer und dergleichen, darein ein Kind leicht treten / und sich Schaden thun könne; so will ich dargegen zu bedencken geben, ob es nicht dißfalls besser sey, man lasse das Kind auf dem blossen Tische auftreten, da man doch siehet, ob es auf etwas schädliches tritt oder nicht; als daß man die Windel unterbreite, und demnach nicht in Acht nehme, was manchmahl schädlichs darunter verborgen liegt, daß das Kind in Fuß stechen kan. Ist demnach der super-klugen Weiber ihre unzeitige Fürsorge gar weit gefehlet, weil an und für sich selbst ein reiner Tisch keine Ursach geben kan, daß ein Kind, das bloß darauf auffusset / solle um deswillen böse Füsse bekommen
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Wenn die Kinder nicht mit Schaden

Sonst am Füßgen sind beladen,

Wird solch Treten nicht mißlingen,

Das dem Kind solt Böses bringen.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 307-309.
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