Das 63. Capitel.
Wenn das Jüdel die kleinen Kinder nicht ruhen lässet / soll man dem Jüdel etwas zu spielen geben.

[104] Wenn ihr abergläubischen Weiber mir erst wüstet zu sagen, was das Jüdel vor ein Ding sey, se wäre es noch wohl eine Sache, die weiteres Nachsinnen gebrauchete; aber so ihr selbst nicht wisset / was es ist, wie könnet ihr ihme denn zu spielen geben? Damit aber ihr Thörinnen eurer Narrheit möchtet überwiesen werden, will ich den gantzen Qvarck beschreiben, was von eurem Narren-Spiel zu halten sey. Es begiebt sich mehrentheils bey denen kleinen Kindern von wenig Wochen, daß sie in währendem Schlaff die Aeuglein halb aufthun / die Aug-Aepffel in die Höhe wenden, als wolten sie nach etwas sehen, fangen an zu lächeln, und schlaffen denn wieder fort, oder heben auch wohl bald an zu weinen. Wenn nun die klugen Weiber solch Lächeln und Augenwenden der Kinder gewahr werden, sagen sie, das Jüdel spielte mit dem Kinde; auf daß nun aber das Kind hinfort hierdurch nicht ferner beunruhiget werde, geben sie folgenden klugen Rath: Es soll ein kleines neues Töpffgen, samt einem Qvirlgen / gekaufft, und so theuer bezahlet werden, als es geboten wird, darein wird von des Kindes Bade gegossen, und also auf den Ofen gestellet, damit soll das Jüdel spielen, und das Wasser heraus fletzschern, biß nichts mehr im Töpffgen sey. Die überklugen Weiber bedencken aber[105] nicht, daß erstlich ein gut Theil vom Wasser in das neue Töpffgen kriche, und das übrige auf dem warmen Ofen bald vertrockne. Wenn sie denn über ein- oder zwey Tage ihr eingegossen Bad nicht mehr finden, ey was wird da für ein Wunder-Werck draus gemacht, und muß es das Jüdel heraus gespielt haben; da sie doch leicht gedencken könten, wie es zugegangen sey, und daß sich auch das Wasser würde verlohren haben, wenn gleich nicht einmahl ein Kind im Hause wäre. Ferner blasen die närrischen Leute Eyer aus den Schäalen in des Kindes Brey / und der Mutter Suppe / und hängen solche hohle Eyer-Schaalen, samt etlichen Karten-Blätern und andern leichten Sachen mehr / an des Kindes Wiege mit Zwirn, daß es fein frey schwebe, wenn alsdenn die Thür aufgemacht wird, oder es gehet und bewegt sich iemand in der Stuben, also, daß diese am Faden schwebende Sachen durch die Lufft sich regen, da sagen die Weiber stracks: Man solle nur Achtung geben, wie das Jüdel mit den Sachen an der Wiegen spiele. Aber, ihr einfältigen Narren! wenn ihr nun gleich noch so viel dem so genannten Jüdel zu spielen gebet, so werdet ihr dennoch dem Kinde keine Hülffe thun, sondern ihr werdet das Kind eben noch, wie vorhin, lachen und mit denen Aeuglein spielen sehen. Sind demnach eure angegebenen Jüdels-Beschwerungen so wohl, als eure Hülffs-Mittel, lauter albere Possen, und ist weder Jüdel noch junges Hebreergen bey eurem Kinde, sondern das Lächeln und Augenwenden rühret her von einem innerlichen[106] Fresel, welchem ihr besser mit Marggrafen- oder rothen Hertz-Pulver abhelffen könnet.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 104-107.
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