Das 46. Capitel.
Wenn man unter einer Stange hingegehet / auf welcher Hüner sitzen / und man wird von einer Henne beschmissen / so bedeutets Unglück; wenn es aber vom Hahne geschicht / so bedeutet es Glück.

[119] Freylich ist es kein Glück wenn einen die Hüner bestulgängeln, und können die Hüner mehr verrichten, als ein Hahn, denn der Hüner sind viel, aber nur ein eintziger Hahn; denn zwey Hähme leiden einander nicht auf einer Stange. Ob nun zwar einerley Vortheil draus entstehen wird / es beschmeisse einen ein Hahn oder eine Henne, denn von beyden werden die Kleider auf einerley Weise besudelt; dennoch wird gesagt, als sey es ein Glück, wenn einen der Hahn unter einer Heerde Hüner s.v. beschmeissete. Es mag aber diese Rede nicht proprie zu verstehen seyn, als ob man vom Hahnen-Koth etwas glückliches zu gewarten hätte, sondern weil nur ein Hahn unter viel Hünern sitzet, so ist es eine gewöhnliche Redens Art, daß man das, was seltsam heist, mit dem Nahmen Glück oder glücklich benennet. Zum Exempel, es hätte ein Weib eine Mandel Aepffel in einem Sacke / worunter ein eintziger ein faules Fleckgen hätte, es solte aber einer in Sack greiffen, und einen Apffel nehmen, so kan er sagen: Wenn das Glück gut ist, so ergreiffe ich wohl eben den faulen Apffel. Also kan man auch hier sagen: Es sind auf der Stange lauter Hüner, und nur ein eintziger bahn, und so ich darunter hingehe, kan mir leicht eine Henne etwas auf meine Kleider thun, und wenn das[120] Glück gut ist / trifft mich wohl der Hahn selbst auf den Buckel. Wem nun das Glücke gefället, dem gönne ichs lieber, als mir selbst; es soll Glück seyn, möchte aber vielmehr Kleck heissen, weil der Koth mehr beklecket, als beglücket. Aus daß aber die abergläubischen Weiber sehen mögen, daß sie sich in ihren Irrthum, was sonderlich anlanget diesen Punct, gantz verkehrt erzeigen, so setze ich ihnen alle Eyer, sowohl vom Hahn, als von Hünern, für, um zu sehen, ob sie lieber nach denen krummen Hahnen-Eyern, oder nach denen runden Hüner-Eyern greiffen werden? Und da ich schon voraus gewahr werde, daß sie über die ersten die Nasen rümpffen, und nach denen letztern greiffen, so bitte ich sie alle / die auf den ietzt vorhabenden Glaubens-Punct etwas halten, daß sie mir doch sagen wollen, woher der Hahnen-Koth s.v. vor dem Hüner-Kothe einiges Glück bedeuten könne? Denn es nicht genug ist, daß man eine Sache närrisch genug aussinnet, sondern man muß das Fürgeben auch erweisen: Ehe und bevor sie mir aber etwas hiervon erweisen, werde ich, und niemand von gesunder Vernunfft, nicht zu bereden seyn / daß das allergeringste an diesem Vorgeben wahr sey.


Ich lieb, was Hüner legn, und lob derselben Eyer,

Der Hahnen kochgee Glück das ist, war auch nicht theuer,

Doch nehm dasselbe hin, wem es so sehr beliebet,

Weils doch so manchen Sinn, so viel als Köppffe, giebet.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 119-121.
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