Das 31. Capitel.
Wenn eine Sechswöchnerin aus einem Brunnen Wasser holet / so versieget oder vertrocknet der Brunnen.

[325] Da habt ihrs, ihr Frauen Wöchnerinnen! merckts, und bleibt in euern Wochen-Stuben, biß sechs Wochen um sind, denn ihr sehet selbst, und sagts auch selbst /daß sich die Elementa vor euch entsetzen, und zurück weichen. Es ist nur wenig Wochen, daß eine alte bey nahe siebtzig jährige Trompe dieses mich gantz gewiß hat bereden und mit ihrem eigenen Exempel erweisen wollen, daß als sie einsmahls in Wochen gelegen, und heraus an den Brunnen gegangen wäre, Wasser zu holen, so wäre hernach solcher Brunnen vertrocknet, daß hinfort kein Tropffen Wasser darinnen angetroffen worden wäre. Ob ich nun zwar zwar wohl glauben kan, daß eine Qvelle kan aussen bleiben, aus unterschiedlichen natürlichen Ursachen, wie viele Exempel an aussengebliebenen Gesund- und andern Brunnen es beweisen; so kan ich aus natürlichen Ursachen doch nicht finden, daß eine Wasser-Qvelle schlechterdings um deßwillen soll zurück treten, wenn eine Wöchnerin davon schöpffet. Denn obgleich von Rechts-wegen eine Wöchnerin sich inne halten,[325] und nicht unter die Leute oder die Gemeine gehen soll, so kan es bey armen Leuten doch nicht so stricte zugehen, daß sie nicht nach verflossenen zwey oder drey Wochen in ihrem Hofe oder Garten eine Kanne Wasser holen solten. Und wie gehet es denn zu bey denen Soldaten-Weibern im Felde, welche sich wahrhaftig nicht so genau an Himmel halten können, sonder wohl des andern Tages heraus und fort müssen? daher habe ich mich bey einer Soldaten-Frau, welche etliche Campagnen mit gethan hat, dieses Puncts halber befraget / welche zur Antwort gab, daß diese Meynung s.v. erstuncken und erlogen sey; und hätte sie zwey Jahr hernach in Pohlen, aus einem solchen Brunnen, woraus sie zwey Jahr vorher, als eine Wöchnerin, geschöpffet wieder Wasser geholet. Also habe ich zwey contraire Zeugen: erstlich das alte Weib, welche bezeuget, daß der Brunnen / woraus sie als eine Wöchnerin Wasser geholet, vertrocknet sey: Zum andern das Soldaten-Weib, welche gleichsam mit ihrem eigenen Exempel das contrarium erweiset. Welcher soll ich von diesen beyden nun glauben? Ich glaube allen beyden. Der ersten glaube ich, daß der Brunnen, daraus sie in Sechswochen Wasser geholet, hernach vertrocknet sey, aber nicht um ihrentwillen, sondern aus andern natürlichen Ursachen, die keines weges von ihr hergerühret sind Der andern kan ich auch gar leichte glauben, weil sie nicht Ursach geben können, daß die Qelle und Gänge des Brunnens vertrocknen oder sich verstopffen[326] müssen. Also lasse ich beyden Weibern Recht; alleine der vorhabende Aberglaube bleibt ewig erlogen.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 325-327.
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