Das 33. Capitel.
Eine zur Execution oder Scheiter-Hauffen geführte Hexe soll man nicht auf die blosse Erde lassen.

[328] Dieses ist sicherlich eine sehr albere und einfältige Meynung, worbey weder Vernunfft noch einiges Judicium zu spüren ist. Was soll doch der Auftritt auf die blosse Erde der Hexe wohl helffen können? oder was wird es wohl (wie man sich doch närrischer Weise träumen lässet) an der Execution verhindern können? Sicherlich im allergeringsten nichts. Denn die Erde ist des HErrn, und so die Hexe sich vom[328] Satan zu GOtt bekehret, so ist sie ja des HErrn, und leidet hier bey der Execution ihr Recht im Nahmen des HErrn, so wird sie ja dürffen die Erde betreten, die so viel tausend gottlose Höllen-Brände tragen muß. Wäre es aber ja eine unbußfertige und verstockte Vettel, von welcher man sagen möchte, sie wäre nicht werth, daß sie die Erde trüge, so könnte man ja eben auch in diesem Verstande sagen: Sie sey auch nicht werth, daß sie die Lufft genösse, oder daß sie die Sonne bescheine. Da nun aber GOTT seine Sonne über Böse und Fromme scheinen, auch alle Elementa einem ieden zu gute kommen lässet; so ist es ja nicht möglich, daß man einer Hexe könne die Erde entziehen. Denn ob gleich gewöhnlicher massen die Hexen nicht zu Fuß nach ihrer Gerichts-Stelle oder Executions-Platz gehen / sondern auf einem Karn geführet werden, so sage mir doch einer, was er denn aus dem Karn vor ein ander Element als Erden machen will? daß die Hexe ja solcher gestalt auf Erden sitzet, wenn sie auf dem Karn sitzet. Wolte aber einer hinwieder einwenden / es sey der Karn nicht blosse Erde, sondern könne noch in andere Elementa zertheilet werden, wie in der Chymie leichte zu erweisen wäre; so antworte ich, daß solcher gestalt auch die also genannte blosse Erde gleichfalls in der Chymie könne in andere Elementa zertheilet werden, welches ich leichte erweisen könnte. Zu dem, so möchte ich wissen, warum man denn in diesem Fall die Erde denen andern Elementen gleichsam vorziehen will? man hält[329] ja das Feuer auch vor ein Element (wiewohl ichs nicht dafür erkennen kan) warum muß denn das Feuer den Leib der Hexe gar verzehren? Die Lufft ist auch ein Element, wer kan aber der Hexe die Lufft verbieten? Vor Alters hat man eine betrügliche Probe gehabt, ob eine eine Hexe sey oder nicht, wenn man die Leute gebunden und ins Wasser geworffen hat: sind sie untergesuncken / so hat man sie unschuldig erkannt; sind sie aber oben aufgeschwommen, so hat man ihnen den Process gemacht, ob wolte das Wasser sie, als Hexen, nicht leiden, sondern stieß sie gleichsam von sich / dahero müsten sie von dem / dem Wasser contrairen Element, nehmlich dem Feuer, verzehret werden. Wie aber diejenigen, die so Gewissen-loß geurtheilet haben, dermahleins für GOttes Richterstuhl bestehen werden? weiß ich nicht. Ists nicht wahr? über die Seele einer Hexe ist kein Mensch auf der Welt zu gebieten mächtig genug, daß also niemand der Hexen ihrer Seelen kan den Erdboden verbieten; Was aber ihr Leib anbelanget, so wird ja die Asche davon durch den Brand vielmehr der Erden einverleibet, und kan ihr also die Erde nicht entzogen werden. Weiß ich demnach nicht / warum man die Hexen nicht will auf die Erde lassen. Hierauf will man mir aber zur Ursach angeben, daß, so die Hexen auf die Erde gelassen würden, so könnten sie sich unsichtbar machen, und also entkommen Alleine das albere Geschwätze hat nicht den allergeringsten Grund, sintemahl man nicht ein einzig Exempel wird wissen, daß iemahls eine Hexe[330] auf solche Art oder durch dieses Mittel entkommen sey? Ich selbst habe in meiner Jugend unterschiedliche Hexen verbrennen sehen, theils zu Arnstadt, theils zu Ilmenau, theils zu Schwenda, einem adelichen Dorffe, zwischen Arnstadt und Ilmenau gelegen, unter diesen wurden etliche begnadiget, und erst enthauptet, alsdenn verbrannt, diese wurden bey der Gerichts-Stelle auf die Erde gelassen, und wie ein anderer armer Sünder enthauptet; wenn sie nun durch die Berührung der Erden hätten entkommen können, würde es keine von ihnen unterlassen haben. Aber, gleich wie selten einer Lügen abgebrochen, sondern vielmehr derselben zugesetzt wird; also wird von derer Hexen ihrem Thun das allermeiste gelogen, und dieser ietzt untersuchte Punct ist nur bewiesener Massen auch nicht wahr.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 328-331.
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