Das 46. Capitel.
So lange das Essen noch auf dem Tische prötzelt oder kochet / so lange wird die Köchin von ihrem Manne geschlagen.

[353] Sind die Weiber nicht rechte Marter-Höltzer und geplagte Creaturen! Sie mögen es fast machen und agreiffen, wie sie wollen, so haben sie doch entweder Zanck oder gar Schläge, und ist dahero zu verwundern / daß noch eine in der Welt bleibet, und nicht alle davon lauffen. Im vorigen Capitel entstehet ein Zanck, wenn sie platzigt Holtz in Ofen legen, hier bekommen die armen Dinger gar Schläge, wenn irgend das Essen zu heiß auf den Tisch gesetzt wird, da doch die eigensinnigen Männer selbst Ursach daran sind. Denn sie wollen nicht gern das Essen kalt essen, sondern es soll seine rechte Würme haben; und doch gleichwohl, wenn angerichtet wird, stehen die Männer manchmahl noch eine halbe Stunde vor der Thür und plaudern, dahero will die Köchin das rechte tempo treffen, und richtet siedend-heiß an, in der Meynung, es werde wohl die Hitze verlieren, ehe der Mann ausgeständert hät. Sie rufft ihn aber doch unter dessen mit einer finstern Mine, daß er doch möchte fortgehen, ehe das Essen wieder kalt werde. Wenn denn der Mann meynet, es werde gleich[353] Maul-recht seyn, und isset das heisse Essen ohngeblasen hinein, und verbrennet das Maul, so gehet es an ein Donnern und Hageln, und wenn die Frau oder Magd viel widerpelfert, so reguet es gar Schläge. Da trifft alsdenn der Punct ein: So lange das Essen auf dem Tische vor Hitze noch kochet, so lange wird die Köchin von ihrem Manne geschlagen. Wie aber der Köchin geschicht / welche keinen Mann hat, das weiß ich nicht; auch kan ich mich darein nicht finden, wie es zugehen mag / daß das Essen auf dem Tische kochen solle oder könne, wenn kein Kohl-Feuer darunter stehet? Denn ob gleich ein Essen noch so sehr kochte, so höret das Kochen doch auf, so bald die siedende Speise in ein ander Gefässe geschüttet wird, es wäre denn, daß das andere Geschirr auch gleichsam glühend-heiß sey. Wie nun denen geplagten Köchinnen und armen Weibern gerathen und geholffen werde, daß sie nicht so unschuldig geschlagen werden möchten, weiß ich keinen einfältigern Rath zu geben, als den:


Macht das Essen nicht zu heiß,

Auf daß euch der Mann nicht schmeiß.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 353-354.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die gestriegelte Rocken-Philosophie
Die gestriegelte Rocken-Philosophie
Die gestriegelte Rocken - Philosophie