Das 63. Capitel.
Wenn man Bier brauet / soll man einen guten Strauß grosser Brennesseln auf den Rand des Böttigslegen /so schadet der Donner dem Biere nicht.

[385] Hiervon wird man finden in des Herrn Paulini nur kürtzlich heraus gegebenen kleinen Bauren Physica, p. 48. ingleichen gedencket dessen Herr D. Pacovius in seinem Herbario, p. 419. daß diese Nessel deswegen Donner-Nessel genennet würde, weil die Leute sie zur Zeit, wenn es donnert, zum Biere legten. Nun ist zwar nicht ohne, daß die schweflichten sauren Dünste bey entstehenden Gewittern, wenn sie in das junge Bier schlagen, dasselbe gar leichte verderben können, und dahero niemand zu verdencken ist, wenn er hinwieder natürliche Praeservativ-Mittel gebrauchet: Ob aber die grossen Nesseln sufficient sind, daß sie durch das blosse Beyliegen die sulphurischen Dünste des Gewitters zurücke zu halten vermögen? will mir so schlechterdings nicht glaublich fürkommen, iedoch will ich es auch nicht verneinen, sondern will hiermit denen, die dieses Mittel gebrauchen / und doch die Ursach nicht wissen, wie dieses Kraut seine Hülffe vollbringe, nur melden, daß sie es nicht mit abergläubischen Augen ansehen / und vermeynen sollen, das Wetter müste sich, aus sonderbaren Ursachen, vor diesen Nesseln gleichsam fürchten, als wie man närrischer Weise glaubt / daß sich der Teufel vor dem[386] Weyrauch fürchte; nein! sondern wo ja diese Nessel etwas effectuiret / (welches ich doch noch in Zweifel zu ziehen Ursach finde,) so muß es geschehen, daß sie die sauren schweflichen Dünste / welche durch Entzündung des Blitzes in der Lufft erreget werden, nicht in das Bier lassen, sondern / wegen ihrer alkalischen oder laugenhafften Art, gedachte Schwefel-Dünste an sich ziehen, und mit sich vereinigen, daß sie solchergestalt sich nicht in das Bier begeben, und dasselbe versäuren können. Alleine, die Ursach, die mich noch an dieser Sache zweifeln machet /ist folgende: Die Nesseln sollen auf den Rand des Bottigs gelegt werden. Wenn nun die Lufft durch ein Donner-Wetter, oder vielmehr durch das Blitzen, mit einer salpetrischen und schwefelischen Säure auf die Art angesteckt ist, als wie etwan ein Logiament, in welchem man Schwefel angezündet hat, (iedoch ist zu mercken, daß, weil der Schwefel und Salpeter in der Lufft viel subtiler und reiner ist, als der gemeine, so sind auch die davon durch den Blitz erregten Dünste viel subtiler und durchdringlicher, als die von gemeinem Schwefel und Salpeter,) so wird ja diese saure Lufft nicht nur auf der Seite / allwo die Nesseln liegen, her gezogen kommen, und sich in die Nesseln begeben, sondern es ist die gantze Revier der Lufft, allwo das Gewitter gewesen, damit erfüllet, und möchte also um und um der Rand des Bottigs mit solchen Nesseln belegt seyn, so würde doch die Lufft von oben in den Bottig fallen können. Dannenhero ich einem Brauenden lieber rathen[387] wolte, daß er bey entstehenden Gewitter sein Bier bestmöglichst für der Lufft verwahre; iedoch hat es manchmahl die Bewandniß mit dem Brauen daß man das Bier nicht zudecken darff, und ist demnach ein Glück, wenn ein auf dem Bottig stehendes Bier, bey entstehenden Donner-Wetter nicht Anstoß leiden soll, und werden die Nesseln solch besorgendes Unheil schwerlich verhindern können.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 385-388.
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