Das 2. Capitel.
Wem von Läusen träumet, der bekömmt Geld / weil die Läuse Geld bedeuten.

[5] Es scheinet diese Deutung zwar gar weit her geholet zu seyn / der geneigte Leser aber soll wissen / daß die Traumdeuter dieses eben so weit herholen dürffen /denn wenn ich erwege / daß insgemein von einen reichen Geitzhalse gesagt wird: er wär ein reicher Knicker / ein Läuser der nicht gern etwas von seinem Uberfluß oder Reichthum ausgebe / ein karger knickiger Filtz / Syr. 4. v. 1. wie denn der Nahme Knicker /ohne Zweifel vom Lauseknicken herkommen wird; Auch ist bekannt / wenn die Kartenspieler einander das Geld abgewinnen / so sagen sie: ich habe den und den so viel abgelauset. Also kan man bald mercken /wie der Traum von Läusen / von der Traum-Maria aufs Geld appliciret wird. Hierbey aber ist billig noch eine heimliche Weißheit derer Traumdeuterinn zu beobachten / nehmlich / daß nur grosse Läuse Geld bedeuten / kleine Läuse aber bedeuten Schaden. Wie aber so? Resp. grosse Läuse bedeuten groß oder gut und gantz Geld / die kleinen Läuse aber nur Heller oder Bettel-Müntze / die sich einer nicht zu freuen hat / und solchergestalt kan es nicht fehlen / daß wem von kleinen Läusen träumet / dem bedeutets Schaden / daß er sich mit Bettel Müntze schleppen muß. Nun will ich zwar ietzt die Ursach nicht so genau ausforschen /warum ein reicher Geitzhalß /[6] ein lausigter Knicker /oder knickigter Lauser / genennet wird / und stelle es dahin / ob es vom Geld aufzehlen herkomme / welches mit dem Daumen aufs Zehlbret oder den Tisch geschnappt wird / in der Figur / als wie man eine Lauß zu knitzen pfleget. Gnug / daß wir hören / daß die tieff-erläuchterten Traumdeuter die Träume also auslegen / daß Läuse Geld bedeuten / lasse mich aber übrigens unbekümmert / aus was für einen Grunde sie es thun. Ich vergnüge mich aber damit / daß die H. Schrifft mich lehret: daß nicht alten Weibern / sondern GOtt allein die Auslegung der Träume zukomme / dahero bau ich auf Traum-Marien ihr fundament nichts / und kan dahero bey ihren thörichten Nachfolgern nicht unerinnert lassen / was massen nach der gesunden Vernunfft und vielen Erfahrung / ich ihnen durchaus nicht einräumen kan / daß ihre Traumdeutung richtig sey / denn wenn sie die Auslegung des Traums von grossen Läusen allezeit universaliter auf Geld-Einnahme machen / so machen sie keinen Unterscheid unter denen Personen die den Traum haben /noch unter der Zeit und Begebenheit; und dieses gehet durchaus nicht an / sonst würde allezeit folget müssen / daß einerley Traum auch einerley Bedeutung haben müste. Daß aber dieses nicht sey / erweise[7] ich daher: Dem Könige in Egypten traumete von sieben fetten-und sieben dürren Kühen / diese Kühe wurden von dem Joseph auf Jahre gedeutet / und waren die 14. Küh 14. Jahre. Daferne man nun / nach Art unserer ietzigen Traumdeuter / so universal-Auslegungen über die Träume machen konte / so müste folgen / daß auch allezeit / wenn iemanden von Kühen träumte /solche Kühe müsten Jahre bedeuten. item des Königes Mundschencken und obersten Becker / träumete auch / diesen von 3. weissen Körben / und jenen von einen Weinstock mit 3. Reben. Joseph deutete die 3. Reben und die 3. Körbe / auf drey Tage / und traff alles richtig ein. Wer ist aber wohl ietzt in der Welt /der mit Bestande der Wahrheit sagen kan / es hätte seit derselbigen Zeit von etliche 1000. Jahren / noch mehr Menschen von Kühen / weissen Körben und Weinreben getraumet / da die Kühe Jahre / die weissen Körbe aber samt denen Weinreben / Tage bedeutet hätten? Ich will den loben / der mirs beweisen wird. Ist demnach gar ein ungegründeter Beweiß /wenn irgend einen von grossen Läusen geträumet hat /und hat des Tages drauf Geld bekommen / daß eben der Traum müsse die Geld-Einnahme bedeutet haben. Denn es kan einer ja wohl das Geld ohne vorher gehabten[8] Traum / einnehmen / und auch wohl einen lausichten Traum haben / ohne nachfolgende Geld-Ein nahme. Und also überlege ein redlicher Christ nur /ob ein Mensch natürlicher Weise für sich selbst so geschickt sey / Träume auszulegen? ich halte es nicht dafür. Darum ihr alten Traum-Vetteln! lasset euch mit der Traumdeutung unverworren / oder ihr werdet zuletzt einen Lohn davon tragen / daß ihr dann sagen werdet: das hätten wir uns nimmermehr traumen lassen.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. Band 2, Chemnitz 1722 [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 5-9.
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