Das 5. Capitel.
Wen man flucht, so gehts gut.

[15] Das ist s.v. erstuncken und erlogen; abergläubischer Narr / wenn es so gut ginge / warum fluchest du denn? zwar / kein fluchen schadet nicht / und kein beten hülfft nicht / pfleget man zu sagen / und das will ich auch wohl glauben / denn wer nicht flucht /den wird auch der Fluch nicht schaden oder treffen. Wer den Stein in die Höhe wirfft / den fällt er auf den Kopff / und wo der Fluch ausgehet / da gehet er auch wieder ein. Die Fuhrleute sagen: wer schmieret / der fährt / ingleichen / wenn in einen Loche behalten bleiben / so glauben sie / wenn sie nur wacker fluchen /so gienge es / und ist doch alles beydes nicht wahr. Denn wer schmiert / der fährt nicht / sondern hält stille so lange er schmieret / wenn er aber fähret / so kan er nicht schmieren / sondern es muß schon geschmiert seyn / wornach er aber manchmahl so hastig zufähret /daß wohl alles in Drümmern gehet. Also gehts mit manchen Flucher auch /[15] er fluchet / daß es gehen soll /und gleichwohl gehets so lange er fluchet nicht / denn er fluchet eben darum / weil es nicht gehen will /wenn es aber nach vielen erschrecklichen fluchen endlich anhebt zu gehen / so gehts dann offt / daß es besser tügt / nehmlich / über Stock und Stein / daß alles zu Boden gehet.

Als ich einsmahls auf einer Reise begriffen war /und auf einer Landkutzsche saß / fuhr der Kutzscher unversthens in ein Loch / woraus er lange nicht kommen konte / da hätte einer das erschreckliche donnern und fluchen hören / welches aber alles vergebens war. Wir alle die auf den Wagen sassen / stiegen ab / und hulffen schieben und heben / es wolte aber nichts helffen / wie aber der Fuhrmann nach dem nechsten Dorff lauffen und Vorspanne holen wolte / kam in dem ein Studiosus, welcher auch mit auf dem Wagen gesessen / aus dem Busch / wohin er ein wenig aus naturlichen Trieb gegangen war / und fragte den Fuhrman: ob es noch nicht gehen wolte / der Fuhrmann konte ihn aber vor Fluchen und Zorn nicht ein Wort antworten. Hierauf sagte der Studiosus gantz ernsthafftig sehend: die Pferde können das schelten und fluchen nicht leiden / und werden euch so nicht von der Stelle gehen; ihr wisset eurer Pferde Weise selbst noch nicht[16] recht / was gilts / ich will sie bald springend machen; stieg alsobald auf den Wagen / nahm seine in einem Futral steckende Geige hervor / und sagte zum Fuhrmann: Nun treibt an / ich will geigen. Hiermit fing er an zu geigen / und wir alle schoben lustig drauf loß / und die Pferde zogen auch zugleich frisch an / damit gieng der Wagen aus dem Loche her aus / und wir fuhren in GOttes Nahmen gantz frölich unsere Strasse / und musten hertzlich über die kurtzweilige Begebenheit lachen / absonderlich / weil der Studiosus vorhero aufn Wagen so stille gesessen / als ob er nicht dreye zehlen könne / hernach aber ward er desto lustiger / und gab dem Kutscher zu bedencken /ob er denn Lust zum Tantzen oder Springen bekommen würde / wenn einer bey ihm stünde / und mit lauter Donnern und Blitzen in ihn hinein stürmete / und ihn verwünschte / daß er versincken möchte? also wären seine Pferde auch geartet / mit fluchen und donnern würde er sie nicht springend machen. Also sehet ihr / daß das Fluchen nicht hülfft; aber wenn gefiedelt wird / da möchte es noch eher zu Sprunge gehen / probatum est.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. Band 2, Chemnitz 1722 [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 15-17.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die gestriegelte Rocken-Philosophie
Die gestriegelte Rocken-Philosophie
Die gestriegelte Rocken - Philosophie