Das 57. Capitel.
Wer des Nachts bey einer Wöchnerin wachet / die lege an iede Thür an der Stuben einen Strohhalm aus dem Wochen-Bette / so kan kein Gespenst / noch das Jüdel / noch dergleichen / in die Wochen-Stube kommen.

[113] Ich versichere euch alle / ihr abergläubischen Weiber! daß wo dergleichen stroherner Schutz-Engel oder Teufels Wächter an denen Thüren stehet / daselbst darff kein Gespenst[113] noch Poltergeist erst einziehen /sondern es ist der Teufel samt seiner Großmutter schon selbst allda wohnhafft / so wohl in der Stube /als auch vielmehr in euern abgöttischen Hertzen. Ihr GOttes-vergessenen Vetteln! was meynet ihr denn wohl / was ein Gespenst nach einem Strohhalm fragen werde? gedenckt ihr denn / daß die Poltergeister zu ihren Eingang eben Thüren haben müssen? Wahrlich keines weges / sondern solche böse Geister / die ihr fürchtet / die tragt ihr selbst in euern Busen muthwillig herum. Und wo ihr das erste Gebot aus euern Kinder Catechismo nicht besser lernet und beobachtet /als wie ihr bißhero gethan habt / so wird euch dermahleins der Teufel mit dem Stroh / womit ihr solche Abgötterey getrieben habt / die Hölle anzünden / da ihr denn viel zu spat eure Thorheit bereuen dürfftet. Drum bedenckt doch nur um GOttes willen / was ihr vor Thorheit vornehmt? Ihr stellet einen leblosen Strohhalm an die Thür / dieser soll dem Satan wehren / und dessen Eingang in die Wochen-Stube verhindern / und verlaßt euch hierauf mehr / als wenn 1000. H. Engel an der Thür ständen. Macht ihr denn solcher gestalt nicht den Strohhalm zu euern GOtt? habt ihr aber wohl euer lebtage eine eintzige Historie gehört /daß iemahls ein Heyde[114] in der Welt so toll Zeug vorgenommen habe? fürwahr mir ist dergleichen nicht bekannt. Von Christen aber erfährt man leider! täglich solche unvernünfftige und mehr als heydnische Abgötterey. Drum braucht doch eure von GOtt gegebene Vernunfft besser / und achtet ein andächtig Gebet höher / als solche ruchlose Aberglauben / sonst werdet ihr der Straffe GOttes nicht entgehen. Bedenckt doch / daß wenn Stroh aus einem Wochen-Bette die Krafft hätte die Gespenster zurück zu halten / ander Stroh aber thut dergleichen nicht / so muß ja solch Stroh die Krafft entweder von der Wöchnerin / oder von dem Kinde empfangen haben. Wenn nun dem so wär / so würde sich der Teufel und dessen Gespenster vielmehr vor einer Wöchnerin und ihrem Kinde selbst fürchten / und sich also nicht um des Strohes / sondern um des Kindes oder der Wöchnerin willen der Wochen-Stuben enthalten / und hättet ihr als Thoren und Narren das schwächste Gewehr für das stärckste erwehlet. Drum rathe ich euch treulich / daß ihr alle diese Abgötterey fahren lasset / und lieber mit dem Könige David sagt: Der GOtt Jacob ist unser Schutz /Sela.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. Band 2, Chemnitz 1722 [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 113-115.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die gestriegelte Rocken-Philosophie
Die gestriegelte Rocken-Philosophie
Die gestriegelte Rocken - Philosophie