Das 22. Capitel.
Wer einen Sandwisch stiehlt, und legt denselben den Hünern in ihr Fressen / so legen die legen die Hüner nicht weg / und werden auch nicht behext.

[261] Weil der Scheuerwisch gestohlen ist / so muß er wohl helffen / denn mit stehlen dienet der Mensch nicht GOtt / denn GOTT hat das Stehlen verbothen / sondern es dienet der Mensch dem Satan. Ob nun zwar ein Sandwisch nichts importirt / so ist es doch ein Diebstahl / und thut der / der einen Sandwisch stiehlt / eben auch Sünde wider das siebende Gebot GOttes /denn das Stehlen ist absolutè verbothen / es sey viel oder wenig. Woher nun ein gestohlner / und nicht eben auch ein eigenthümlicher Sandwisch / soll die Krafft haben / daß wenn er in der Hüner Fressen gelegt wird / diese nicht weglegen sollen / weiß ich nicht / und glaubs auch nicht. Die aber / die es glauben / die wissen die Ursach so wenig als ich / und[261] dennoch glauben sie es / weil es ihnen also gelehrt ist worden. Es ist erschröcklich zu hören / daß die meisten Menschen mehr geneigt sind zu glauben / daß das / was dem Satan zu Liebe geschicht / dem Menschen noch mehr Nutzen bringe / als das / was nach dem Willen des lieben GOttes geschicht. Wenn man nun schlecht hin spräche: Ein Sandwisch / in der Hüner Fressen gelegt / macht / daß die Hüner nicht weg legen so glaubts niemand. Da es aber heißt: ein gestohlner Sandwisch / da muß es ohne des Geyers Danck wahr seyn / und ist doch erlogen. So wird sich auch für einem Sandwisch keine Hexe scheuen / sondern / wenn das Verhängniß GOttes da ist / so muß ergehen / was GOtt verhengt / und wenn 1000. Sandwische über einander lägen / und wären gleich alle gestohlen. Kurtz / der Articul ist erlogen; iedoch will ich versuchen / wenn das stehlen nicht darzu kommt / ob aus diesem Pünctgen irgend noch ein Bauer-Morale könne gezogen werden. Ein Sandwisch soll in der Hüner Fressen gelegt werden; was ein Sandwisch ist /braucht keines fragens / nehmlich ein Wisch / womit die Mägde zu scheuren pflegen. So nun ein solcher Sandwisch nach dem täglichen Gebrauch allemahl in der Hüner ihren Haber oder Gerste gelegt wird / so wird die Magd[262] allezeit erinnert / den Hünern Futter zu geben; und so die Hüner zu rechter Zeit ihr Futter bekommen / so gehen sie nicht in der Nachbarn Gärten und Höfe zu naschen / und tragen also die Eyer nicht weg / sondern legen sie zu Hause an beqveme Oerter. Dieses würcket aber nicht der Sandwisch / sondern die ordentliche Fütterung / fällt also das schändliche Stehlen des Sandwisches von sich selbst hinweg. Mit dem behexen hat es gleiche Bewandniß; denn wenn die Hüner fein zu Hause bleiben / und nicht den Nachbarn zu Schaden in die Gärten / oder Pflantzen-Beete lauffen / so hat manche zauberhaffte Nachbarin nicht Gelegenheit / aus Rache die Hüner zu bezaubern / oder wie es genannt wird / zu behexen.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. Band 2, Chemnitz 1722 [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 261-263.
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