Das 5. Capitel.
Man soll in zwölff Nächten nicht brechen / sonst verderben die Aepffel und Birn.

[221] Die Schaar der Abergläubigen Narren / geben vor: Wenn in denen zwölff Tagen / von Weyhnachten biß H.z. Königtage / würde Flachs gebrecht / so verdürben Aepffel[221] und Birn; da doch der Verstand dieser Rubric nur in einen Schertz bestehet / und zwar in folgenden Verstande: Man soll in zwölff Nächten nicht brechen / nehmlich die Aeste von denen Obst-Bäumen / denn wenn man diese abbricht / so können in nachkommenden Sommer keine Früchte daran wachsen. Die lieben Bauer-Nymphen aber / welche gemeiniglich ein Lungen-Muß vor einen Kühfladen ansehen / verstehen das Flachs-brechen / dadoch ursprünglich die Rede nicht von Flachsbrechen gewesen ist / auch nicht seyn kan / weil der Flachs mit dem Obst-Bäumen gar nicht zu vergleichen ist. Dieweil aber alles Vornehmen / ja alles Dichten und Trachten / bey dem meisten Bauersleuten auf Aberglauben gerichtet ist / so muß ohne des Geiers Danck / das Flachs brechen / wenn es in zwölff Christ Nächten geschicht / eine Ursach seyn / daß hernach die Aepffel und Birn verderben. Ja / ich wolte es gern glauben /wenn sie die vom vorigen Herbst noch vorhandenen Aepffel und Birn meinten / diese können und müßen ohnedem nun bald verderben / oder faulen / weil nun bald der Safft wieder in die Bäume tritt / da alle alten Baum Früchte die Kräffte und den Geschmack verlieren / es mag in zwölff Nächten seyn Flachs gebrecht worden oder nicht. Ist also auf diesen Punckt[222] nicht zu bauen / sondern wird mit folgenden in die Zahl der Närrischen Aberglauben gerechnet.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. Band 2, Chemnitz 1722 [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 221-223.
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