Das 86. Capitel.
Einer Aalruppe den Kopff abgebissen / gedorret und gepülvert / einem Kinde solchen vor der Tauffe eingegeben / dienet wider die Schwerenoth.

[394] Bey dieser Kunst finde ich allerhand Bedencklichkeiten / als erstlich: Wer soll der Aalruppe den Kopff abbeissen / weil es ein eckler Biß ist / dafür dem tausenden grauen wird / zu mahl / da es ohne dem ein Fisch ist / dafür viele Leute einen Abscheu haben / davon zu essen / wenn er aufs beste gleich gesotten ist / (ohnerachtet es ein delicater Fisch ist) denn er hat forn einen breiten abscheulichen Kopff / wie eine Kröte /iedoch setze ich den Fall / es findet sich iemand / dem nicht dafür grauet / den Kopff abzubeissen / wenn er denn abgebissen ist / so soll er zum andern gedörret werden / welches so geschwinde nicht geschehen kan / wegen seiner vielen in sich habenden Feuchtigkeit. Es sey aber auch / daß dieses so grosse Schwürigkeit nicht gebe / so wird es doch zum dritten noch mehr Schwürigkeit mit dem pulverisiren geben / denn zu geschweigen / daß es lauter Haut und breite zähe Gräten hat / die sich nicht gern lassen subtil machen / so giebt auch das tronige und fette Gehirn wiederum Hinderniß / daß es nicht wohl mag zu trocknen Pulver gemacht werden. Ja ob es auch übel und böse pulversirt ist / wie will man dann vierdtens einem neugebohrnen Kinde ein so grosses Pulver einbringen? fürwahr /[395] ich möchte es mit keinem Kinde wagen / sondern besorgte üble Suiten die drauf kommen dürfften. Diese Besorgung will ich aber ietzo alle bey seite setzen / und nur dieses fragen: warum soll denn das Kind solch Pulver / sehe es getaufft wird / einnehmen und nicht auch nach erlangter Tauffe? wenn diese Kunst einem gewissen singulairen Freund zu Ohren käm / würde er sagen: dieses sey ein Mysticum, weil er alle närrische Handlungen Mystica nennet / ohnerachtet ein Mysticum seinem Magen ein Böhmisch Dorff seyn dürffte; es ist auch dieses kein Mysticum, sondern ein scandalöses Beginnen / unter welchem eine Verkleinerung der Krafft der heiligen Tauffe verborgen steckt / denn warum soll das Pulver vor Erlangung der Tauffe mehr fruchten / da das Kind noch nicht dem Gnaden-Bunde GOttes einverleibt ist / sondern des Satans Bild noch an sich hat / als hernach /da es in der Tauffe dem Teufel und alle seinen Wercken und Wesen abgesagt hat? sicherlich / mir daucht / daß dieses ein verdeckt Essen für den Satan sey /und kan von keinem redlichen Christen erfunden seyn. Zudem / so kan auch niemand / der es an seinem /Kinde gebraucht hat / versichert seyn / daß es geholffen / weil ja nicht alle Kinder die Schwerenoth bekommen / dahero niemand kan gewiß seyn / ob[396] von Natur ein Kind von diesem Ubel frey bleibe / od' ob es dieses abergläubische Mittel gethan habe.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. Band 2, Chemnitz 1722 [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 394-397.
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