Lebens-Geschichte der Persianischen Printzeßin[411] Mirzamanda aus Candahar

recht gründlich erzehlen soll, so werden mir meine allerwerthesten Zuhörer nicht übel beuten, daß ich mich genöthiget sehe, um dieselbe desto deutlicher vorzutragen, mit erzehlung meiner eigenen Lebens-Geschichte den Anfang zu machen. Es halten demnach zwar weine allerwerthesten Freunde, wie ich vernehme, mich vor eine gebohrne Holländerin, weil nur die Holländische Sprache unter allen andern Sprachen am besten vom Munde gehet, denn meine angebohrne Mutter-Sprache habe fast gantz und gar verlernet, ich will ihnen aber aufrichtig sagen: daß ich eine gebohrne Deutsche und aus dem Fürstenthum Halberstadt gebürtig bin, in welchem meine Eltern zu damahligen Zeiten, als ich gebohren worden, (welches denn vor etwa 46. bis 48. Jahren geschehen seyn mag, denn ich weiß das Jahr und den Tag meiner Geburt so eigentlich nicht) ein adeliches Ritter-Gut gepachtet gehabt, und sich, wie ich nachhero von andern vernommen, anfänglich einige Jahre hin bey dieser Pachterey sehr wohl befunden; Zu meiner Eltern Unglück aber streifften zur selbigen Zeit eine gewisse Art Leute nicht nur in diesem, sondern auch vielen angrentzenden Ländern herum, welche Ziegeuners, auch Tatars genennet wurden, sich aber nächst dem Bettel-Stabe, mit Wahrsagen, Zeichen-deuten und allerley lusen Händeln, hauptsächlich aber mit Rauben und Stehlen nähreten; da denn meine Eltern zu verschiedenen[412] mahlen von diesem Raub-Gesindel recht empfindlich bestohlen wurden. Wie nun von der hohen Obrigkeit ein sehr strenger Befehl ergieng, dieses Volck, als Vogelfreygemachte Leute zu erkennen, und deren so viel, als man nur habhafft werden könte, entweder gleich auf dem Platze zu tödten, oder dieselben in die Gefängnisse zu verschaffen; als ließ sich mein Vater aus Verbitterung gegen dieses Volck oder Leute, nebst andern mehr, Tag und Nacht äuserst angelegen seyn, die Zigeuner oder Tatarn auf das allerhefftigste zu verfolgen, derowegen, als er ihnen fast alle Tage nachgesetzt, ihrer 3. auf die Köpffe geschossen, und 6. oder 8. in die Gefängnisse geliefert, musten wir mit Schmertzen erfahren, daß wenige Nächte hernach unser Haus in vollen Flammen stund, und aus dem Grunde abbrandte. Dieses hätte noch hingehen mögen, allein die Tatern mochten unter sich beschlossen haben, meinen Vater noch weit empfindlicher zu kräncken, derowegen, als sie wahr genommen, daß mein Vater seine 2. Kinder, nemlich mich und meinen 16. jährigen Bruder, in ein ohnweit von unserm Hofe gelegenes Bauer-Haus brachte, damit wir uns daselbst von dem gehabten Schrecken erholen, und vor fernerer Gefahr beschützt und gesichert seyn möchten, fielen sogleich 10. bis 12. der grimmigsten Tatarn in dieses kleine Bauer-Häuslein ein, kriegten so wohl mich, als meinen Bruder bey den Kollern, banden unsere Hände und Füsse mit Stricken, und schleppten uns, nachdem wir lange genug um Hülffe geschryen, weiter aber keine andere Hülffe herbey kommen sahen, als 2. alte Weiber[413] und 3. Kinder, hinten durch den Garten auf das freye Feld hinaus, allwo sie uns beyden die Mäuler mir Tüchern zustopften, damit wir nicht ferner Hülffe schreyen möchten. Hierauf, da sich, wie wir beobachteten, eine gantze Compagnie halb zu Pferde und halb zu Fusse auf dem Platze versammlet hatte, banden sie uns auf Pferde, und reiseten in schneller Eile mit uns von dannen, blieben aber, wie ich bemerckte, niemahls in der geraden Strasse, sondern nahmen allerhand Umwege, bis wir endlich, nachdem unterwegs noch viele Tatars zu uns gestossen, auch wir des darauf erfolgten Tages unsere Sicherheit in den allerdunckelsten Gebüschen gesunden, in der auf selbigen Tag folgenden sehr finstern Nacht das so genannte Gotteslager vor der Stadt Wolffenbüttel erreichten, allwo sich, wie ich bemerckte, unsere Gesellschafft in 3. Gasthöfe vertheilete, und die Abrede unter einander nahm, daß wir morgen mit anbrechendem Tage auf Braunschweig zu reisen wolten.

Wir armen beyden Geschwister konten zwar wohl freylich das uns zugestossene Unglück niemanden anders, als unserm leiblichen Vater Schuld geben, weiln er in Verfolgung der Tatarn gar allzu hitzig gewesen; jedoch hier war weiter nichts zu thun, als daß wir uns mit Gedult in unser Verhängniß schickten, und vor unsere Eltern beteten. Inmittelst wurden wir von unsern Tatarn im Gasthofezum – – aufs allerherrlichste und kostbarste bewirthet und verpflegt, hatten unsere besondere Stube und Cammer, worinnen 2. wohlgemachte Betten stunden, und einen Tatar-Jungen, wie auch ein Tatar-Mägdgen zu unserer Bedienung, es wurde uns aber[414] bey Verlust unseres Lebens anbefohlen, mit den Wirths-Leuten kein eintziges Wort zu reden, viel weniger ihnen, oder jemand anders unsern Zustand zu klagen; woferne wir aber stille und klug leben wolten, so solten wir unser Glück nicht übersehen können. Weiln wir nun, aus Furcht unser Leben einzubüssen, dem strengen Befehle gehorsameten, so kam gleich des dritten Morgens ein Schneider mit seiner Frau, welcher meinem Bruder und mir das Maaß zu neuen Kleidern nahm, ingleichen kam ein Schuster, welcher mir und meinem Bruder das Auslesen unter seiner Waare gab, deren er einen starcken Vorrath in 2. Körben herbey bringen ließ, da denn ich mir 3. Paar Pantoffeln und Schuhe, mein Bruder aber sich eben so viel auslesen muste. Binnen zweyen Tagen stellete sich der Schneider wieder ein, und brachte vor meinen Bruder ein rothes Scharlachenes sauberes Kleid, dessen Camisol und Bein-Kleider starck mit goldenen Tressen bordirt waren; Nächst diesem noch ein anderes grünes Kleid, dessen Camisol und Bein-Kleider mit Silber bordirt, ausser diesen beyden aber noch ein Strapazier-Kleid.

Ich vor meine Person bekam gleichfalls 2 gantz neue Kleider, roth und grün, und über diese noch ein Altags Kleid zum Strapazieren, alles nach der neuesten Mode gemacht, da hingegen mein Bruder noch 2. gantz neue Schlaf Röcke bekam, nemlich einen damastenen und einen etwas schlechtern zur Strapaze. Auser diesem empfieng mein Bruder einen Degen mit einem silbernen Griffe und zubehörigem Gehange, ein sauber beschlagenes Spanisches[415] Rohr, 2. bordirte Hüthe, Peruquen und sonsten alles, was vonnöthen ist, einen Cavalier aus die Parade zu stellen. So wurde uns auch weisse Wäsche, und zwar die allerfeineste mit darunter, 6. sach gereicht. Wir armen Kinder wusten uns, wie man leicht erachten kan, in unser Schicksal nicht zu finden, vielweniger dasjenige zu begreiffen, was der Himmel mit uns vorhatte, anbey kränckten wir uns über weiter nichts so sehr, als daß wir mit allen donen Leuten so zu uns kamen, und mit uns handelten, kein eintzig Wort sprechen durfften, denn unsere bestellte Aufseher gaben noch viel ärger auf unsere Augen und Mäuler Achtung, als wie die Schieß-Hunde zu thun pflegen. Die Tatars liessen uns eines Abends sagen, daß wir beyde Geschwister uns folgenden Morgen auf das allersauberste ankleiden solten, weiln sie doch gern sehen möchten, was sie vor Creaturen bey sich führeten, wie nun zu dem Ende etliche Aufwärter und Bediente früh Morgens, und zwar fast vor Anbruch des Tages zu uns kamen, und uns weckten, auch von den Füssen an bis auf die Häupter bedieneten, so sahen wir uns recht gezwungener Massen, ehe etwas weiters darauf erfolgen möchte, dem gnädigen Befehle Gehorsam zu leisten, liessen uns also, alle beyde heraus schniegeln und putzen, wie man sagt, die Ochsen. Nachdem es nun gemeldet worden, daß wir in Gala-Habit befindlich wären, kamen 4. der ältesten Tatarischen Manns-Personen, und eben so viel alte Weiber die ich in meinen Gedancken vor Hexen und Zauberinnen erkannte, als worinnen ich mich vielleicht auch nicht[416] betrogen habe, und nahmen uns beyde in Augenschein, bezeigten auch ihr Vergnügen auf eine seltsame Art, nur aber dieses war so wohl meinem Bruder, als mir zuwider, ja es gereichte uns fast zum Eckel, daß sie uns so gar sehr öffters umhalseten und küsseren. »Sehet ihr nun, ihr lieben Kinder! (sagte die eine alte Hexe) daß wir euch glücklich gemacht haben? aber dieses ist noch nichts gegen das, was euch noch beschehret und zugedacht ist. Folget nur uns, so kan es euch nicht fehlen, vor allen Dingen aber haltet die Mäuler zu, und plaudert nichts von demjenigen aus, was ihr etwa gesehen und gehöret habt.«

Wir hatten hierauf beyderseits die besondere Gnade, daß uns die ältesten und vornehmsten Tatarn vor diesesmahl an ihre Taffel zogen, welche recht Fürstlich angerichtet war; in folgenden Tagen aber wurde uns nur in unserer Stube der Tisch gedeckt, und es speiseten allezeit 3. Tatarische Mannes- auch eben so viele alte Weibs-Personen mir uns, jedoch die Speisen und Geträncke waren Mittags und Abends allezeit herrlich und kostbar, ja, wir durfften nur kühnlich fordern, was wir etwa sonsten besonderes verlangeten, so war alles in möglichster Geschwindigkeit herbey geschafft. Meinem Bruder, welcher ohngeachtet er noch ein einfältiger Knabe war, kamen die spitzfindigen Gedancken in den Kopf, daß er von einer alten Tatars-Frau begehrte, ihm zum Zeitvertreibe einige geistliche Protestantische Bücher zu verschaffen, um sich darinnen in seinem Christenthume zu üben, worbey er ihr versprach,[417] daß sie das erste und beste Gold-Stück, welches er bald zu empfangen verhoffte, von ihm zur Danckbarkeit haben solte. Nein, mein Sohn! (versetzte hierauf die alte Hexe, indem sie einen grossen Beutel mit Gold-Stücken heraus zohe, und vor meinen Bruder auf den Tisch legte) ich brauche eure Gold-Stücken nicht, leset euch aber nebst eurer Schwester hier so viel von dem Meinigen aus, als ihr etwa zu eurer Lust zu gebrauchen gedenckt, denn ich weiß gewiß, daß die Zeit nicht weit entfernt ist, da ihr mir diese Gold-Stücke gedoppelt und dreyfach wieder bezahlen werdet, ihr möget auch nehmen, so viel ihr nur wollet. Protestantische Bücher aber will ich euch gleich holen lassen, und sonderlich die Deutsche Bibel, nebst zwey Geber- und Gesang Büchern. Mein Bruder und ich stutzten über dieser alten Hexe Reden, es wolte aber keines von uns beyden sich an ihrem Geld-Beutel vergreiffen, weßwegen sie ungedultig zu werden schien, den Geld-Beutel ausschüttete, und uns 12. halbe Pistoletten zuzehlete, auch sogleich einen Pasch-Würffel nebst einer Spiel-Karte herbey brachte, und sagte: Nun, meine Kinder, spielet um diese Rechen-Pfennige, ich will doch meine Lust haben, zu sehen, wer unter euch beyden dieselben zusammen bringen und gewinnen wird, und wer sie gewinnet, dem follen sie alle von mir geschenckt seyn.

Wir armen Gefangenen spieleten zwar beyderseits mit schweren Hertzen einige Spiele, so wohl nach unserer annoch kindischen Art mit Karten und[418] Würffeln, da denn die alte Hexe sehr genau auf eines jeden Glück und Unglück Achtung gab, endlich aber, da fast über 2. bis 3. Stunden mit dem Spielen zugebracht waren, kamen die Bücher angezogen, als nemlich nicht allein die Bibel, sondern auch andere vortreffliche Protestantische Bücher, alle in saubere Bande eingebunden, und verguldet auf dem Schnitt, weßwegen wir uns die Spiel-Gedancken aus dem Hertzen und Köpffen verjagten, und uns uber die Bücher hermachten. Ohngeachtet nun mein lieber Bruder alles zusammen gebracht, mithin der Alten ihre 12. halben Pistoletten wieder zuzehlete, so wolte diese doch dieselben gar nicht annehmen, sondern sagte: Hebet diese Dinger auf, meine Kinder! bis euch die Lust zum Spielen wieder ankömmt.

Solchergestalt verlieffen 6. bis 8. Wochen, da wir alle Tage wohl lebten, von den alten Tatarn oder Zigeunern aber sehr selten einige zu sehen bekamen, als daß wir etwa dann und wann von zweyen oder dreyen besucht wurden, die uns denn allezeit die grösten Liebkosungen erwiesen, wormit uns aber wenig gedienet war, denn wir hätten weit lieber gesehen, daß man uns unsere Freyheit gegeben, da uns denn nicht verdrießlich fallen sollen, den Rückweg zu unsern Eltern mit dem Bettel-Stabe zu suchen.

Endlich wurden wir, nachdem die Stunde unserer Erlösung herangenahet, in den Mitternachts-Stunden von den Tatarn in unserm Schlaffe gestöhret und aufgeweckt, mit dem Andeuten, daß wir uns in aller Eile ankleiden und fertig machen[419] solten, mit ihnen nach Braunschweig zu reisen, damit wir diese grosse schöne Stadt auch zu sehen bekämen. Niemand war hurtiger und vergnügter, als mein Bruder und ich, indem wir dieses höreten, da uns an Veränderung der Lufft gar viel gelegen, und wir die Hoffnung hatten, daß sich bey der Gelegenheit auch unsere Umstände vielleicht ändern könten. Wir fanden uns demnach bald auf dem Platze ein, und bemerckten, daß 6. bis 8. zugemachte Kutschen daselbst befindlich, in deren eine wir alle beyde steigen musten, auser diesen aber sahen wir etliche 20. Mann zu Pferde, worunter viele waren, die die kostbarsten Kleider und schönstes Pferde-Zeug führeten. Es giengen also, nachdem wir ein gestiegen waren, die Kutschen in der allerschnellesten Eile über Stöck und Steine, bis wir fruh Morgens bey Aufgang der Sonnen einen an der Strasse liegenden grossen Gast-Hof erreichten, in welchem wir beyde sahen, daß wir uns nicht mehr unter Tatarn, sondern vielmehr unter den vornehmsten Cavaliers und Dames befanden, welche sich alle auf das allerpropreste angekleidet, auch von dem Wirthe und allen den Seinigen aufs demüthigste empfangen, und auf das allerkostbarste tractiret wurden. Meines Behalts hielten wir uns eben nicht gar zu lange in diesem Gast-Hofe auf, ich kan aber auch nicht sagen, wie und wenn wir von dannen abgefahren sind, vielweniger, was mir und meinem Bruder zugestossen war, denn wir konten am Müd- und Mattigkeit kaum stehen, vielweniger ein Auge offen halten. Unterdessen, da wir uns nach einiger[420] Zeit einiger Massen ermuntert hatten, erfuhren wir von den Wirths-Leuten, daß wir uns in Braunschweig befänden, und daß alle unsere Geferten, so wohl männliches als weibliches Geschlechts, in die Gefängnisse gebracht wären, auch meistentheils in Ketten und Banden sässen. Nachdem wir nun dieses Schicksal mit Schrecken vernommen, und nach unserer Einfalt einiger Massen überlegt, kamen die Gerichts-Diener, und holeten auch mich und meinen Bruder, nebst allen bey uns habenden Sachen ab, als welche uns doch noch von den Tatern waren zurück gelassen worden. Man legte uns alle beyde augenblicklich in Ketten und Banden, und wir wurden auf schwere und scharffe Articul befragt, wie wir aber in allen Stücken die reine lautere Wahrheit aussagten, so wurde erstlich in unser Vaterland geschrieben, um zu erfahren, ob wir auch in allen Stücken richtig wären; wie nun dieserhalb vor uns gute und gewünschte Briefe zurück kamen, so wurden wir zwey armen Sünder zwar frey gesprochen, allein es schmertzte uns doch nicht wenig, daß wir gantzer 14. Tage unschuldiger Weise in Ketten und Banden sitzen müssen. Jedoch in Betrachtung dieser und aller unserer Umstände, war die Obrigkeit so barmhertzig, uns nicht allein alle Bagage zu lassen, die uns von den Tatarn geschenckt worden, sondern es bekamen noch über dieses mein Bruder und ich ein jedes 100. spec. Ducaten ausgezahlt, mit der Verwarnung, daß wir uns je ehe je lieber aus dem Staube machen, und unsere Personen in weitere Sicherheit bringen möchten,[421] womit wir uns endlich noch so ziemlich befriediget befanden.

Allein, es wird ihnen vielleicht nicht entgegen seyn, wenn ich melde, daß, wie wir hernach erfahren, sich unsere Taters durch die Thore gantz listiger Weise eingeschlichen, indem sie die Nahmen unbekannter Cavaliers, ja gar Gräflicher Personen angenommen; Es war aber dieses sehr frühzeitig offenbar, sie aber vor Spitzbuben, Räuber. Diebe, Mörder und dergleichen erkannt worden, wie denn wenig Tage hernach ihrer etliche nach andern Städten ausgeliefert worden, allwo sie ihren verdienten Lohn mit Schwerd-Streich, Hängen, Rädern und dergleichen nach kurtzen Processen empfangen. Noch muß ich melden, daß, nachdem sie befragt worden, was sie denn hätten mit uns beyden Geschwistern anfangen wollen? ihre Aussage diese gewesen: daß sie uns alle beyde nach Amsterdam führen wollen, um uns an 2. Türckische See-Räuber, die sich unter verdeckten Nahmen daselbst aufhielten, und ihre guten Freunde wären, zu verkauffen, um vor unsere Personen ein gut Stück-Geld zu erhalten, sonderlich vor meine Person / weilen ich zu derselben Zeit noch nicht mannbar, sondern ohngefehr nur 14. Jahr alt war. Hierbey hatten sich, nachdem sie dieses alles auf der Folter bekannt, sehr viele Briefe gefunden, die sie mit den Türckischen See-Räubern in Amsterdam gewechselt. Nun hielt sich damahls ein Evangelisch-Lutherischer Kauffmann in Braunschweig auf, welcher sein Haupt-Contoir in Amsterdam hatte, dieser wurde geruffen, und ihm die Briefe[422] gezeigt, als in welchen grausame Bosheiten und andere der Handelschafft sehr nachtheilige Sachen zu lesen waren. Der Kauffmann machte sich eine grosse Freude daraus, daß er hinter dieses Geheimniß gekommnen war, demnach aber sogleich fertig, auf das allereiligste nach Amsterdam zu reisen. Wie nun aber dieser redliche Mann meine und meines Bruders Umstände erfahren, ließ er uns zu sich kommen, und sagte: Meine Kinder! ich habe von euren betrübten Umständen viel erfahren; allein verzaget nicht, sondern vertrauet auf GOtt und auf mich, denn ich will euch alle beyde an Kindes-Statt auf und annehmen, mit mir nach Amsterdam führen, ohne daß es euch das geringste kosten soll, daselbst aber, so lange ihr fromm, getreu und redlich seyd, euer Glück nechst göttlicher Hülffe dergestalt machen, als ihr dasselbe bey euren leiblichen Eltern und Freunden wohl Zeit eures Lebens nimmermehr finden werdet.

Meinem Bruder und mir kam dieser ansehnliche, schöne und liebreiche Mann nicht anders vor, als ein uns vom Himmel zugeschickter heiliger Engel GOttes, weßwegen wir uns kein langes Bedencken nahmen, mit ihm zu reisen, sondern ihm die Hände unter Vergiessung vieler Freuden-Thränen küsseten, auch wenig Tage hernach mit ihm die Reise nach Amsterdam antraten, die wir in gewöhnlicher Zeit zurück legten, und gesund und frisch daselbst anlangten. Unser Versorger hielt uns bey allen Gelegenheiten nicht anders, als ob wir seine leiblichen Kinder wären, aber es war ein bejammerns-würdiger, ja, fast unersetzlicher Schade[423] vor uns, daß dieser redliche Mann kaum 6. oder 8. Wochen nach unserer Ankunfft, nachdem er, wie ich sicher glaube, von seinem bösen Weibe und dann auch den häuffigen Schuldnern einen allzugrossen Theil von Gifft und Galle einschlingen müssen, sich auf das Krancken-Bette legte, und binnen 3. Tagen gesund und tod war.


Dergestalt hatte sich die Sonne unseres Glücks auf einmahl wieder unter die trüben Wolcken versteckt, denn unsers Wohlthäters Eheweib, welches der Geitz-Teufel gantz und gar besessen hatte, wolte uns nicht einmahl das Unserige heraus geben, geschweige denn das, was uns ihr verstorbener Mann in seinem Testament vermacht hatte, als welches sich auf 800. Holländische Gulden belieff; Jedoch der Priester an der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amsterdam war so gütig, vor uns zu sorgen, so, daß wir nicht allein das Unserige, sondern auch die ererbten 800. Fl. ausgezahlt bekamen. Nun hieß es: wo weiter hin? Allein, da wir zu sorgen kaum angefangen hatten, hatte der Himmel schon vollkommen für uns gesorgt, indem der Priester mich in sein Haus nahm, um seiner Frauen aufzuwarten, die ebenfalls eine gebohrne Deutsche war, und sich ungemein liebreich gegen mich erzeigte; meinen Bruder aber brachte eben dieser wackere Priester bey einen Rechts-Gelehrten oder Procurator, indem mein Bruder die Feder, so wohl in Lateinischer als Deutscher Sprache, schon gantz geschicklich führen konte, vor der Holländischen Sprache aber war ihm so wenig[424] bange, als mir, weilen diese einem Deutschen zu lernen gar nicht schwer fällt.

Demnach waren wir alle beyde abermahls versorgt, denn mein Bruder sagte mir, so offt wir zusammen kamen, daß er die beste Zeit hätte, und bey jetzigen Jahren sich kein besseres Glück wünschen möchte. Mit mir hatte es eben dergleichen Beschaffenheit, denn ich wurde von meiner Frau Pastorin nicht etwa als Magd, sondern als eine leibliche Schwester, ja fast so gut, als ihr eigen Kind gehalten. Das allerschönste und vortrefflichste bey der gantzen Sache war dieses, daß mich der Priester täglich fast vom Morgen bis in die Nacht im Christenthum herum tummelte, und der gestalt fest darinnen setzte, daß ich einem jeden von unsern Protestantischen Glaubens-Articuln vollkommene Rede und Antwort zu geben mich noch jetzo im Stande befinde. O Himmel! hätte ich doch nur diese guten Tage und Zeiten in stiller Gemüths-Ruhe ertragen können! aber so ließ ich mich den Satan verblenden, der es dahin brachte, daß ich mich mit einem Schiffs-Officier, welches ein ungemein schöner Mensch war, auch etliche 1000. Fl. werth aufzuweisen hatte, ehrlich verlobte, und darbey versprach, die Reise nach Ost-Indien mit ihm anzutreten, welches alles er denn durch seine gantz ausserordentliche Schmeicheleyen, indem er ein gebohrner Franzose war, so weit brachte, jedoch, GOtt sey noch jetzo davor Danck gesagt, niemahls den Zweck in Erlangung seiner wollüstigen Absichten bey mir erreichen konte, sondern ich speisete ihn jederzeit damit ab, daß ich mich[425] vorjetzo nicht weiter mit ihm einlassen würde, bis ich sähe, wo meines Bleibens wäre. Er führete sich demnach, als er meinen harten Ernst vermerckte, jederzeit sehr vernünfftig auf, da aber die Zeit kam, daß er unter Seegel gehen solte, that er mir solches zu wissen. Wie ich nun zwar noch Zeit genug übrig gehabt hätte, mich anders zu besinnen, und mein ihm gethanes Versprechen zurück zu ruffen, so weiß dennoch bis diese Stunde nicht eigentlich, wie mir zur selben Zeit zu Muthe war, ja ich glaube sicherlich, es muste mich dieser Mensch bezaubert haben, daß ich nicht von ihm ablassen konte, packte derowegen bey nächtlicher Weile alle meine Habseligkeiten ein, und begab mich damit zu meinem Liebsten, ohne vorhero Abschied weder von meiner Herrschafft, noch von meinem Bruder zu nehmen.

Es war mein Liebster ungemein erfreut, daß ich mein Wort gehalten hatte, und zu ihm gekommen, denn seinem Sagen nach, war ihm die Zeit schon allzu lang worden; wir giengen auch bald darauf unter Seegel, und nahmen die ordentliche Strasse nach Ost-Indien zu, allein Sturm, Wetter und Wind kehreten sich nicht an unsere vorgesetzte Ordnung, sondern unterbrachen dieselbe bald, indem sie uns von der ordentlichen Ost-Indischen Strasse bald ab, bald nach ihren wütenden Wellen hin und her, und endlich gantz auser der ordentlichen Strasse, an die Persianischen Küsten trieben, jedoch, ehe wir dieselben erreichten, zerscheiterten alle unsere 3. Schiffe, die damahls mit einander in Compagnie reiseten.[426] Ich hatte nicht allein den jämmerlichen Anblick, meinen vor wenig Tagen angetrauten Mann von einem Schiffs-Stücke herunter zu stürtzen, und ertrincken zu sehen, sondern muste mir auch gefallen lassen, daß ich von unsern besten Sachen kaum den 4ten Theil zu Lande bringen und retten konte; Allein es halff mir auch dieses nichts, denn die Herren Persianer, welche schon von ferne gesehen hatten, was in dasiger Gegend vorgangen war, führeten sich nicht allein so unhöflich auf, alles das, so wir doch schon zu Lande gebracht, als ob es ihr Eigenthum wäre, hinweg zu nehmen, sondern auch mich, nebst noch 3. andern jungen Europæern in die Sclaverey zu führen.

O! wie winselte, seuffzete und weinen ich unterweges, auf der ziemlich langen Strasse bis nach Candahar, und beklagte also nunmehr erst viel zu spät, daß ich nicht bey meinen lieben Priesters-Leuten in Amsterdam geblieben wäre, wenn ich aber nun vollends an meinen lieben Bruder gedachte, als welcher ein besser Theil, als ich, erwehlt hatte, so wolten sich meine Thränen-Quellen fast durch nichts verstopfen lassen. Die 16. Persianer, die des Fürsten von Candahar Unterthanen waren, und uns 4. Arrestanten zwischen sich inne führeten, bezeugten sich inzwischen gantz höflich und freundlich gegen uns, machten nicht allein kurtze Tage-Reisen von 2. bis 3. Deutscher Meilen, sondern verpflegten uns auch unterwegs, wo nur etwas zu bekommen war, mit den allerbesten Speisen und Geträncke, gaben uns auch mehr des besten Persianischen Weins zu trincken, als Wasser,[427] welches wir nur verstohlner Weise trincken musten. Nachdem wie aber (die Rast-Tage mit eingeschlossen) fast einen gantzen Monat auf der Reise zugebracht, gelangeten wir endlich auf einem Lust-Schlos se des Fürsten von Candahar an, welcher eben damahls auf demselben nebst seiner Gemahlin residirte. Er bezeigte ein besonderes Vergnügen über die jungen wohlgewachsenen Europæer, mich aber stellete er seiner Gemahlin vor, die, als sie durch einen Dollmetscher von mir vernommen, wer ich sey, und wie meine Umstände beschaffen wären? mir so gleich die gnädige Erklärung that: ich solte mich beruhigen, und vor gar nichts sorgen, sondern in ihren Diensten bleiben, da sie denn auf das allermöglichste und beste vor mein Wohlergehen sorgen wolte.

Es war diese Dame eine unvergleichlich schöne und liebreiche Fürstin, ja, fast eben so schön, als ihre dermahlen sich auf dieser Insul befindende Tochter Mirzamanda. Wie ich nun dieser Fürstin Leutselig-und Gütigkeit wegen sogleich des ersten Tages überführet wurde, indem sie gantz und gar kein demüthiges Bezeigen von mir erdulten wolte, so gewann ich dieselbe recht von Hertzen lieb, sie aber machte mich in wenig Tagen würcklich zu ihrer Haus-Hosmeisterin, nachdem der Fürst, ihr Gemahl, denen 3. mitgebrachten wohlgewachsenen Europæern unter seiner Leib-Guarde Officiers-Plätze gegeben, und dieselben vorhero recht reichlich beschenkt, auch mir ein Geschencke an Gold- und Silber-Werck zuschickte, das wenigstens 500. Holländische Gulden werth zu schätzen war. Bey[428] dem allen aber blieb der Neid und die Verfolgung des übrigen Fürstlichen Frauenzimmers nicht lange aussen, indem sie sahen, daß ich in vielen Stücken ein Vor-Recht vor ihnen hatte, auch mehr befehlen durffte, als diese oder jene. Jedoch ich betete fleißig, verrichtete alles mir anvertraute mit der grösten Treue und Redlichkeit, bemühete mich im übrigen, auf alle mögliche, aufrichtige und wohl erlaubte Art, mir die Gunst und Gnade meiner Herrschafft, durch Leistung getreuer Dienste, zu zuwenden. Hierinnen fehlete ich denn auch nicht, sondern der Dollmetscher, welcher ein gebohrner Holländer, Protestantischer Religion war, versicherte mich dessen zum öfftern, welches ich auch ohne dem, daraus abmercken konte, da mich so wohl der Fürst, als die Fürstin von Zeit zu Zeit mit den kostbarsten Geschencken fast überhäufften.

Niemand stund mir mehr im Wege, als 2. verfluchte Persianische Weiber, welche Anbeterinnen des Feuers waren, und der Fürstin die Schwartzkünstlerey lernen solten, worzu sie ein gantz besonderes Belieben trug, es auch binnen weniger Zeit sehr weit darinnen brachte, so, daß sie manchen lustigen Possen anstifften konte. Unter andern kam dem Fürsten einsmahls an, bey dem allerschönsten Sommer-Wetter spazieren zu fahren, da aber die Fürstin nicht mitfahren wolte, sondern sich damit entschuldigte: daß es binnen wenig Stunden gewaltig zu regnen anfangen würde; wolte sich der Fürst von dieser Spazier-Fahrt dennoch nicht abhalten lassen, sondern nahm ein gewisses Fräulein, auf welches er vor vielen andern[429] gantz besonders viel hielte, zu sich auf den offenen Wagen, weßwegen die Fürstin, vielleicht aus Eifersucht, sprach: »Fahret nur hin, aber nicht gar zu weit, denn ich will euch bald dergestalt baden, daß ihr bald zurück kommen, und euch trocknen sollet.«

Der Fürst war also kaum eine halbe Stunde Weges fortgefahren, als die Fürstin allen ihren Bedienten, so viel deren nur zugegen waren befahl, daß ein jedes ein mit Wasser angefülletes Geschirr herbey bringen solte, und zwar je grosser, je besser. Wir gehorsameten demnach alle ihrem Befehle, und brachten eine gewaltige Anzahl grosser und kleiner mit Wasser angefülleter Geschirre, setzten dieselben auf den Platz, so wie sie nach einander folgten, hin, da denn die Fürstin sprach »wir solten es alle so machen, so wie sie es machte.« Hierauf trat sie vor das allergröste Wasser-Faß, sprengete mit beyden Händen das Wasser heraus, und gen Himmel zu; Wir thaten alle dergleichen, und nachdem die Gefässe 3. mahl wieder voll gefüllet worden, und alles Wasser heraus gesprenget war, sagte sie: »Nun höret auf, meine Kinder! denn sonsten möchten wir die beyden Verliebten wohl gar ersäuffen, ein jeder gehe nun nur hin, und thue sich in Küche und Keller nach seinem Appetite etwas zu gute, denn auf Heute ist euch von mir alles vergönnet und erlaubt.«

Es befand sich keiner unter allen Hof-Bedienten, so wohl männlichen als weiblichen Geschlechts, der sich diesen letztern Befehl der Fürstin deutlicher erklären zu lassen gesonnen gewesen, sondern es[430] gieng ein jeder hin, und that sich emmahl was rechts zu gute, der liebe Fürst aber nebst seiner Fräulein kamen erstlich nach Verlauffe zweyer Stunden zurück, und sahen beyde aus, wie die gebadeten Katzen, worüber die Fürstin ein hefftiges Hohn-Gelächter aufschlug, allein, da der Fürst vielleicht bemercken mochte, daß er sich in etwas gegen seine Gemahlin vergangen hätte, machte er vor dieses mahl aus der gantzen Sache einen höflichen Spas oder Schertz, und ließ sich auf das kalte Bad in eine warme Bad-Stube bringen, auch darinnen gut pflegen, käm aber dennoch so wohl als seine Fräulein in dreyen Tagen nicht ordentlicher Weise zur Taffel, vielweniger in der Fürstin, als seiner Gemahlin, Zimmer.

Als dieser Streich kaum vergessen war, begab sich bald eine andere Geschichte: Denn da der Fürst eine grosse Jagd angestellet, ließ derselbe bey seiner Gemahlin anfragen ob es ihr beliebte, mit ihm in einem offenen Wagen zu fahren, um diese Jagd-Lust mit anzusehen? Hierauf ließ die Furstin zur Antwort melden, wie sie bereit und willig darzu sey, indessen sähe sie lieber, wenn ihr Herr Gemahl die Fräulein N. zu sich auf seinen Jagd-Wagen nähme, da sie denn mit ihrem Frauenzimmer seinem Jagd-Wagen nachfolgen wolte, und zwar in einem zugemachten Wagen. Es wurde demnach die Fräulein N. genöthiget, mit dem Fürsten auf seinem Jagd-Wagen zu fahren, es ließ aber diese zurück melden, wie sie es vor eine besondere Gnade erkennen würde, wenn sie die Erlaubniß erhielte, daß sie vor diesesmahl der Jagd zu Pferde[431] reutend beywohnen dürffte. Demnach wurde ihr der Wille gelassen, sie erschien also zu Pferde, der Fürst aber mir dem Jagd-Wagen, auf welchem er einen Cavalier an seine Seite genommen, die Fürstin hingegen in einem zugemachten Wagen, in welchem ich und noch 2. Frauenzimmer, als ihre Vertrauten bey ihr fassen. Wie nun die Fräulein M. im vollen Gallop auf uns zugeritten kam, so wurde sie von der Fürstin angeruffen und gefragt: Warum sie sich nicht besserer Bequemlichkeit gebraucht, und sich zu dem Fürsten in den Jagd-Wagen gesetzt, dem Cavalier hergegen das Pferd zum Reuten überlassen hätte? Hierauf gab das Fräulein gantz höhnisch zur Antwort: Ich fürchte mich vor diesem Jagd-Wagen, weilen besorge, daß ich etwa noch einmahl möchte gebadet werden; will also lieber reuten, denn so schiesset das Wasser desto geschwinder vom Cörper ab. »Warte! warte! (sagte die Fürstin zu uns, die wir bey ihr in dem Wagen sassen) ich will dich reuten lernen, gebt nur Achtung, meine Lieben! was vor eine artige Reuterey vorgehen soll.« Hierauf nahm die Jagd ihren Anfang, und es wurde viel Wildpret erlegt, jedoch die Fräulein N. welche sich gantz besonders angelegen seyn ließ, ihre Künste sehen zu lassen, und derowegen ihr Pferd auf das hefftigste strapazirte, stürtzte unvermuthet mit demselben, so, daß sie auf der Erden liegen blieb, ehe ihr nun die herzu eilenden Jäger noch zu Hülffe kommen konten, kam ein entsetzlich grosser Bär aus dem Gebüsche hervor gesprungen, kroch mit seinem dicken Kopffe dem Fräulein zwischen[432] die Beine, und huckte sie dergestalt auf seinen Rücken, daß sie ordentlicher Weise auf ihm reuten muste, und also trug sie dieser grosse Bär erstlich über 300. Schritte weit fort, gieng auch nicht etwa langsam oder bedachtsam, so, wie andere Bären zu gehen pflegen, sondern er eilete nicht anders, als wenn jemand mit einer Knoten-Peitsche hinter ihm drein wäre. Die Fürstin hätte vor Lachen fast zerbersten mögen, als sie dieses Schau Spiel sahe, und rief immer zum Wagen heraus: Reut zu! Reut zu! Im Gegentheil waren nicht allein der Fürst, sondern auch alle Jäger dergestalt in ein Schrecken gerathen, daß sie nicht wusten, was sie thun solten, denn Feuer auf den Bär zu geben, oder mit Pfeilen nach ihm zu schiessen, schien ihnen gar kein Rath zu seyn, weilen sie noch leichter das liebe Fräulein, als den Bär verwunden, oder gar tödten können. Derowegen machten sie ein gräßliches Geschrey, und bliesen in ihre Jagd-Hörner, allein, je öffters sie dieses wiederholten, je besser sich der Bär auf das Lauffen begab, eben als wenn er die Sporn bekäme. Endlich aber, nachdem der Bär seine Reuterin accurat 1000. halbe Manns-Schritte getragen hatte, warff er sie ab, ließ sie liegen, und begab sich wieder in den dicken Wald hinein.

Nun lieff, was Beine hatte, um zu erfahren, ob das gute Fräulein N. noch lebte, oder sich zu Tode geritten hätte, allein wir traffen sie zwar noch lebendig, jedoch in einer starcken Ohnmacht liegend an, weßwegen sie in unsern Wagen getragen, mit starcken Gewässern und Balsamen fast[433] halb gebadet, und endlich sehr schwach und kranck nach Hause gebracht wurde.

Eben dieser Fräulein begegnete einige Zeit hernach noch ein reckt poßierlicher Streich, und zwar dergestalt: Der Fürst, welcher einige Officiers und vornehme von Adel beyderley Geschlechts zu sich eingeladen, beredete dieselben gegen Untergang der Sonnen, da die allerangenehmste Witterung war, mit ihm und seiner Gemahlin Lustwandeln zu gehen, wie sie nun einen besonders grünen Platz antraffen, so befahl der Fürst, daß einige der kostbarsten Erfrischungen herbey gebracht werden solten, ingleichen etliche Sofa, wie nicht weniger einige Teppiche, um sich dar auf nieder zu lassen.

Als nun dem Befehle gehorsamet worden, setzte der Fürst selbst der Fräulein N. einen Sofa zu seiner lincken Hand, weilen seine Gemahlin ihm bereits zur rechten saß; allein das Fräulein drehete sich erstlich eine lange Weile um den ihr gesetzten Sofa herum, und schlich sich endlich mit guter Art gar davon hinweg. Da sie wieder zurück kam, nöthigte sie der Fürst nochmahls, sich neben ihn zu setzen, da die übrigen Gäste fast Circkel-rund um ihn und seine Gemahlin herum sassen und lagen, jedoch das eigensinnige Fräulein verschmähete den Sofa abermahls, weßwegen der Fürst einen kostbaren Türckischen Teppich zu seinen Füssen ausbreitete, ein Polster darauf legte, und sie bat, daß sie bey ihm möchte sitzen bleiben; aber, wie gesagt, der Eigensinn dieser Fräulein wolte auch dieses nicht zulassen, sondern sie nahm[434] ihr Schnupf-Tuch heraus, breitete dasselbe über einen frisch aufgeworffenen Maulwurffs-Hauffen, und sagte dabey: dieses soll mein Platz seyn, worauf ich sitzen will. Die Fürstin fieng hierüber gantz hertzlich zu lachen an, und sagte: »Liebe Fräulein! auf ihrem Platze möchte ich wohl nicht sitzen, denn ich traue den Maulwürffen nicht gar allzu viel zu.« Hierauf gab das Fräulein zur Antwort: »Wenn Maulwürffe drinnen sind, und etwas mit mir zu thun haben wollen, so mögen sie heraus kommen, und sich zeigen.« Nach diesen ausgesprochenen Worten schlich sich die Fürstin auf wenige Minuten bey Seite, und da ich ihr nachfolgte, bemerckte ich, daß sie sich ein etwa Fingers-langes Pflöckgen von einem grünen Busche abschnitt, und eben dieses Pflöckgen practicirte, (die Fürstin,) mit guter Art und in möglichster Geschwindigkeit in den unter der Fräulein Schnupf-Tuche bedeckten Maulwurffs-Hauffen, da denn, ehe 3. Minuten vergiengen, immer ein Maulwurff nach dem andern unter dem Schnupf-Tuche hervor gekrochen kam, und der Fräulein unter den Kleidungen hinauf lauffen wolte, worüber denn das gute Fräulein hefftig zu schreyen und zu kreischen anfieng. Es wurden aber endlich der Maulwürffe so viel, die in dem Creyse, den wir geschlossen hatten, herum lieffen, daß man sie fast nicht mehr zählen konte, darbey war lustig anzusehen, daß, wenn mit einer Spitz-Ruthe oder Stabe nach ihnen geschlagen wurde, sich diese Art von Maulwürffen augenblicklich in die Lufft erhoben, und wie die Fleder-Mäuse davon flogen. Es[435] war dieses nun zwar ein Haupt-Spas, allein das gute Fräulein hatte sich dennoch über die Maulwürffe dergestalt erschreckt und verwandelt, daß sie viele Tage das Bette hüten muste; man bekam sie auch gar nicht zu sehen, bis auf den Tag, da unsers Fürsten Geburts-Tag in gröster Pracht gefeyert wurde, da sie denn in einem besondern Haupt-Schmucke erschien, welcher von Stroh geflochten war, auf die Art, wie in Deutchland und Holland die Schaub- oder Regen-Huthe gemacht sind, es hatte aber dieser Haupt-Schmuck die Gestalt eines sehr grossen runden Huthes, auf welchem eine ebenfalls von Stroh geflochtene Crone bevestiget war, im übrigen war diese Kopff-Machine mit Reyher- und andern Federn, auch Bändern von allerhand Farben, dergestalt ausgezieret, daß man sich billig über diesen Aufsatz verwundern, ich auch selbst bekennen muste, daß er recht niedlich war, und dem Fräulein ungemein wohl anstunde. Die Fürstin aber, so bald sie das Fräulein in einem solchen Aufputze sahe, hätte sogleich vor Gifft und Galle bersten mogen, ja sie biß nicht selten recht die Zähne aus Bosheit zusammen, weilen sie sich wegen der Stroh Crone und den bunten Federn und Bändern eine gantz wiederwärtige und verdrießliche Vorstellung in ihren Gedancken machte, zumahlen, da sie eine ungemein eifersüchtige Dame war.

Mittlerweile erschien das Fräulein N. mit diesem ihrem Haupt-Putze bey der Taffel, und der Fürst ließ sich durch Stellungen und Worte so viel vernehmen, daß ihm noch niemahls, weil er[436] gelebt, ein Aufputz eines Frauenzimmers besser gefallen und vergnügt hätte, als dieser, weßwegen er denn sogleich nach aufgehobener Taffel der Fräulein ein kostbares mit Jubelen besetztes Hals-Band, ingleichen ein paar dergleichen Arm-Bänder und einen Diamantenen Ring von grossem Werthe verehrete.

Nun ist leicht zu erachten, daß dergleichen Beginnen bey der Fürstin eben kein besonderes gutes Geblüte müsse verursacht haben; Allein sie wuste ihre Gemüths-Bewegungen, um die Lust des Fürsten und aller seiner Bedienten nicht zu stöhren, vor diesesmahl dergestalt klüglich zu verbergen, daß man dey ihr eben keine sonderliche Veränderung merckte.

Es begab sich aber an eben diesem Tage noch etwas gantz besonderes, denn da wir alle, so viel unserer nur bey Hofe waren, durch eine lange Allée spazierten, an deren Ende eine von Marmor-Steinen erbauete Capelle befindlich, in welcher die Andacht verrichtet, und vor das fernere Glück und Leben des Fürsten geopfert werden solte; so führete der Fürst zu erst seine Gemahlin an der Hand, der Ober-Hofmeister aber die Fräulein von N. und das andere Frauenzimmer wurde dem Stande nach von Cavaliers oder Personen ihres gleichen der Capelle zugeführet, so, daß alles Paar-weise gieng. Wie wir aber das Ende der Allée erreicht, auf einem grossen grünen Platze, etwa eine Viertel-Stunde stehen blieben, und erwarteten, bis uns von, den Dervis der Eintritt angekündiget werden solte, sahen wir in der Lufft über uns einen[437] grossen Geyer daher geflogen kommen, welcher sich erstlich etliche Minuten in der Lufft herum schwenckte, nachhero aber, wie ein Blitz, hernieder fuhr, und der Fräulein von N. den Feder-Huth zusamt der Stroh-Crone vom Haupte riß, auch selbige in gröster Geschwindigkeit in die Lufft führete, seinen Flug aber nach dem Indianischen Meere zu nahm, mithin gar bald aus unsern Augen verschwand.

Ohngeachtet nun das Fräulein sich über diesen Possen sehr bestürtzt und verdrüßlich erzeigte, indem sie mit blosem Haupte in die Capelle gehen und opffern muste, so hätte doch dieser Possen noch hingehen mögen, und leicht verschmertzt werden können, wenn nicht ein anderer noch weit häßlicherer Possen darauf erfolget wäre; denn da sie aus der Capelle auf dem Rückwege begriffen war, senckte sich ein fürchterlicher Drache fast bis zu ihrem Haupte hernieder, und besalbete sie mit Kuh-Miste dergestalt, daß sie nicht aus den Augen sehen konte, wie denn auch ihr Führer nicht verschonet blieb, sondern einen ziemlichen Theil Küh-Mist auf seinem Haupte und Kleidern aufzuweisen hatte.

Diese Begebenheit hatte sich die gute Fräulein dergestalt zu Gemüthe gezogen, daß sie in eine tödliche Kranckheit verfiel, so, daß an ihrem Aufkommen gezweiffelt wurde, jedoch nach Verkauff einiger Wochen ließ sie sich zwar wieder öffentlich sehen, begab sich aber bald auf die Reise nach ihren Eltern, da man denn nach der Zeit die Fürstin noch einmahl so vergnügt als vorhero sahe, ohngeachtet der Fürst, unter dem Vorwande den bevorstehenden[438] den Feldzug gegen den Myriwegs besorgen zu helffen, ebenfalls eine Reise, wie er sagte, nach Ispahan antrat, und zu baldiger Zurückkunfft schlechte Hofnung machte.

So bald als nun der Fürst fort war, zog die Fürstin, als eine sehr kluge und vernünfftige Frau, ihre Hofhaltung fast bis über die Helffte in die Enge, danckte auch viele Bedienten ab, denen sie eben nicht sonderlich gewogen war, was aber sonsten ihren Kleider-Staat, die Taffel und das übrige anbelangete, so kam dennoch alles Fürstlich heraus, denn sie lebte propre und delicat, ließ auch ihren Bedienten nichts ermangeln, sondern gab denenselben zum öfftern fast überflüßig, was sie vonnöthen hatten. Sonsten aber hatte sie wenigen Zuspruch von hohen Personen, als welches ihr denn eben nicht ungelegen war, unterdessen kam doch bisweilen ein Fest-Tag, da sie sich mit ihren Cavaliers und Dames vergnügte, sonsten aber war ihr Haupt-Vergnügen der Garten-Bau und dann und wann die Tagd, auser diesen aber lebte sie in ihrem Schlosse sehr stille und ruhig, und war mehr und öffterer in ihren Zimmern, als auser demselben anzutreffen.

Bey solcher Gelegenheit hatte ich zum öfftern das Glück, gantze halbe Tage bey ihr zu zubringen, und zwar gantz allein in ihrem Zimmer, da wir denn die Zeit mit allerley nützlichen Gesprächen zubrachten. Wie ich aber mich versichert sahe, daß sie eine gantz besondere Gunst und Gnade vor vielen andern, auch so gar vor ihren Landes-Leuten, auf mich geworffen, und gerne sahe, wenn ich[439] dreuste und offenhertzig mir ihr redete, mir auch niemahls etwas übel nahm, wie sie mir denn dieses alles in Holländischer Sprache, welche sie zu der Zeit nur noch verstümmelt redete, zum öfftern sehr liebreich zu vernehmen gab, so nahm mir vor, es zu wagen, ihr einen besondern Vortrag zu thun.

Demnach stämmete ich einstmahls, als ich gantz alleine bey ihr im Zimmer war, einen Arm unter den Kopf, und ließ etliche Thränen aus meinen Augen fallen, denn sie hatte mir vorhero gantz offenhertzig viel von ihren Glücks- und Unglücks-Fallen erzehlet. Wie nun die Fürstin mich fragte: warum ich Thränen vergösse? und wer mir etwas zu Leide gethan hätte? gab ich sogleich zur Antwort: mir hat niemand das geringste zu Leide gethan, diese Thränen aber, die ich jetzo fallen lasse, fliessen aus einem Jammer-vollen Hertzen und mitleidenden Augen, beklage anbey nichts mehr, als dieses, daß Ew. Durchl. nicht das Glück haben, eine Christin zu seyn, da sich denn Dieselben in vielen Stücken weit besser fassen und trösten würden.


Was? (fuhr hierauf die Fürstin als halb erzürnt auf) wer hat euch gesagt, daß ich keine Christin wäre? fraget den Jacob, den Keller-Meister, der wird mir Zeugniß geben, daß ich eine getauffte Christin bin, und das heilige Abendmahl von einem Holländischen Protestantischen Schiffs-Prediger schon dreymahl empfangen habe, nach der Zeit aber haben sich meine Umstände dergestalt verändert, daß ich dieser grossen[440] Glückseligkeit bis hieher nicht wieder theilhafftig werden können.


Ich fiel demnach vor der Fürstin nieder auf die Knie, küssete vor Freuden den Saum ihres Kleides, und weinete dabey recht bitterlich, worauf sie mich in die Höhe hub, und mir mehr als 10. Küsse gab, aber dabey befahl, daß ich gleich von Stunde an zu dem Keller-Meister Jacob (den sie meinen Landesmann hieß, weil er ihr Dollmetscher in Holländischer und andern Sprachen war) hingehen, und ihres Christenthums wegen mich weiter bey ihm erkundigen, diese folgende Nacht aber bey ihr in ihrem Zimmer bleiben solte.

Dieser Jacob erzehlete mir nun, nachdem ich ihm den Befehl von unserer Fürstin überbracht, rechte Wunder-Dinge von dieser Fürstin, welche ich nachzusagen mich zwar wohl im Stande befinde, allein es möchte vielleicht die Geschichte dadurch allzu weitläufftig gemacht werden, darum will aus dessen Munde nur kürtzlich so viel melden, daß diese Fürstin, als eine Printzeßin eines benachbarten grossen Fürsten, zwar als eine Heydin gebohren, und als eine Anbeterin des Feuers erzogen worden, allein der Himmel hätte sie durch besondere Wege, da sie ohngefehr 12. bis 13. Jahr alt gewesen, auf ein Holländisches Schiff geführet, welches sie, aller Persianer Art nach, so wohl von aussen als von innen mit gröster Verwunderung beschauet, und sich auf das alleräuserste darüber vergnügt, jedoch über alles weiter nichts mehr, als über den andächtigen Gottesdienst der Christen, weßwegen sie denn gleich gebeten, daß man die Güte haben, und sie[441] mit nach Holland nehmen mochte, und war gantz heimlich, weiln sie Gold und Juwelen zu Bezahlung ihrer Reise-Kosten zur billigen Genüge herbey bringen wolte; Allein, da man ihr die Gefahr vorgestellet, welche aus dieser Sache, wenn man ihr gleich sonsten gern willfahren wolte, entstehen könte, indem es vielleicht aller auf dem Schiffe befindlicher Menschen Leben auser dem Verlust der Güther kosten könte, so hätte sie sich nur ausgebeten, daß man sie zu einer Christin machen möchte. Wie nun der Prediger ihr gemeldet, daß dieses eine Sache, die so leicht nicht angienge, indem sie erstlich getaufft, hernach in den Christlichen Glaubens-Articuln unterrichtet werden müste, so wäre sie zwar davon gegangen, jedoch, nachdem sie sich bey ihren getreuen Wald-Leuten etliche Tage verborgen aufgehalten, wieder zurück auf das Schiff gekommen, allwo sie die heilige Tauffe und nach hinlänglichem Unterricht wegen der Christlichen Glaubens-Articul, auch zum erstenmahle das heilige Abendmahl, selbiges auch nach der Zeit noch 2. mahl empfangen, indem sich das Schiff noch etliche Monate in selbigem Hafen aufgehalten, jedoch, weiln vielleicht eine Verrätherey bey der gantzen Sache vorgegangen, indem die Printzeßin nach der Zeit nicht wieder zum Vorscheine gekommen wäre, welches aber seine andern gantz besondern Ursachen gehabt hätte, so wären die Holländer zwar in gröster Gefahr gewesen, unglücklich gemacht zu werden, allein die Sache hätte sich endlich noch verschlichen, nachdem auf allen ausländischen Schiffen die schärffste Visitation der Printzeßin wegen geschehen,[442] welche Printzeßin denn von ihrem damaligen Liebsten, als dem jetzigen Fürsten von Candahar, gewisser Ursachen wegen, wäre auf die Seite gebracht, und auf ein bestes Schloß in Verwahrung gesetzt worden.

Jacob erzehlete mir binnen wenig Stunden noch viele seltsame Begebenheiten dieser Fürstin wegen, die ich aber vorjetzo verschweigen, und nur dieses melden will, daß die Fürstin, nachdem sie ihren Gemahl schon geheyrathet, ihm, dem Jacob, zum öfftern im Vertrauen gesagt, wie sie sich auf dieser Welt nichts mehr wünschte: als nur noch ein eintzigmahl getaufft zu werden, und auch das heilige Abendmahl nur noch ein eintzigmahl zu geniessen, worauf sie gern und willig sterben, und ihre Seele dem gecreutzigten Christo anbefehlen wolte, weilen ihr Zeit ihres Lebens nicht besser zu Muthe und ums Hertze gewesen, als da sie getaufft worden und das heilige Abendmahl empfangen hätte. In diesem Stücke nun hätte er, nemlich der Jacob, seinem wenigen Verstande nach, zwar ihr vielen Unterricht gegeben, was nicht allein vor ein Unterscheid zwischen den beyden Sacramenten, nemlich der heiligen Tauffe und des heiligen Abendmahls wäre, indem die Christen nur ein eintzigmahl getaufft zu werden brauchten, nachhero aber als bußfertige Sünder das heilige Abendmahl, so offt als sie ihr Gewissen drückte, verlangen und geniessen könten; inmittelst aber käme es bloserdings auf den wahren seligmachenden Glauben an Christum und dessen Verdienst an, wenn man die Seligkeit erlangen wolte. Wie nun Jacob bezeugte, daß[443] er ihr, als ein einfältiger Protestantischer Christ nicht mehr, als so viel beybringen können, so hätte sich die Fürstin doch jederzeit dergestalt eifrig und er picht darauf erwiesen, daß er sich darüber verwundern müssen. Derowegen bat er mich, auf den kleinen Grund, den er in der Fürstin Hertzen und Gewissen geleget, ferner fort zu bauen, vor allen Dingen aber dahin bedacht zu seyn, daß sie die Persianischen 2. Zauber-Weiber, als Anbeterinnen des Feuers, mit guter Art von sich schaffte, da wir denn allebeyde nebst noch einer dritten Person binnen kurtzer Zeit eine rechte gute Christin aus ihr machen wolten.

Demnach hatte mir Jacob bey meiner ersten Besuchung zur Zeit mehr als genug gesagt. Als ich demnach zu behöriger Stunde mich bey meiner Fürstin einstellete, und dieselbe auskleiden helffen, befahl sie mir, da die andern weggiengen, noch etwas zu verweilen, indem sie noch ein und andere Haus-Geschäffte mit mir zu überlegen hätte; allein, es war weit gefehlt, denn so bald die andern fort waren, fiengen wir ein christliches Gespräch an, da sie mich denn zu allererst fragte: ob ich mit dem Jacob ihrentwegen gesprochen, und da ich solches mit Ja beantwortete, führete sie mich in ihr geheimes Zimmer, und brachte nicht allein eine Holländische Bibel, sondern auch noch mehrere Protestantische Bücher, alle sehr sauber eingebunden, herbey, und sagte: Diese Bücher verwahre ich besser, als alle meine Kleynodien und Schätze, weiln ich in Gegenwart anderer Personen darinnen zu lesen mich nicht getrauen darff, derowegen muß zum öfftern die Mitternachts-Stunden[444] mit zu Hülffe nehmen, nur ungestöhrt und gantz alleine zu seyn; Nunmehro aber (sagte sie weiter) habe ich keine Furcht mehr, denn wenn ich ja darüber betroffen werden solte, so will ich sagen, daß es eure Bücher wären, die ich nur bisweilen zum Zeitvertreibe durchblätterte. Inmittelst werde mich, da ihr nun bey mir seyd, eiferiger, als jemahls, bemühen, mich im wahren Christenthume zu üben, um eine vollkommene Christin zu werden, denn ich will durchaus nicht als eine Heydin sterben, nach meinem Tode aber, wenn es meine Feinde erfahren haben, mögen sie mit meinem Cörper machen, was sie wollen.

Dieser Vorsatz und die übrige Aufführung der Fürstin strengeten mich dahin an, daß ich mein Leib und Leben gern und willig vor sie gelassen hätte; unterdessen fiössete ich ihr aber immer bey guter Laune diejenigen Lehren ein, welche mir mein lieber Amsterdamer Priester in das Hertz und in den Kopf gesetzt hatte, welche denn immerzu bey ihr Statt funden; nur aber hatte ich zu bedauern, daß mir die Persianischen Zauber-Weiber immerzu in den Weg traten, und gemeiniglich dasjenige verderbten, was ich, als eine einfältige Christin, in der Fürstin Hertzen gesäet und gepstantzet hatte.

Wenige Nächte darauf, nachdem die Persianischen Zauberinnen der Fürstin fast nicht von der Seigte gekommen, ließ mich dieselbe ziemlich späte zu sich ruffen, da sie mir denn treuhertzig offenbarete, daß ein gewisser benachtbarter Pr. – – bey Gelegenheit des Abwesens ihres Mannes dasjenige zu erhaschen suchte, warum er sich schon seit einiger Zeit viele vergebliche[445] Mühe gegeben. Derowegen solte ich doch bey ihr bleiben, und nur mit ansehen, wie sie diesen verliebten Ehebrecher abfertigen wolte, möchte aber nur sagen, in was vor Gestalt er vor uns erscheinen solte, ob: als ein Ochse, Löwe, Bär, Hirsch, oder anderes wildes Thier, oder als ein Vogel von dieser oder jener Art? da sie denn sich mit ihrer Kunst sogleich nach mir richten, und ihren Liebhaber, den sie aber nimmermehr lieben wolte, sogleich in der Mitternachts-Stunde zur Stelle schaffen wolte. Ohngeachtet ich nun die Fürstin hierbey gantz inständigst bat, diese Possen, zumahlen in Abwesenheit ihres Herrn Gemahls, bleiben zu lassen, so ließ sie doch nicht ab, mich zu quälen, bis ich, (da sie sich hoch und theuer verschworen, daß mir nicht das geringste Leid wiederfahren solte) endlich sagte: Ey! so lassen Sie ihn in der Gestalt eines Papagoyen kommen, damit sie doch nur etwas mit ihm sprechen können. Worauf sie mir zur Antwort gab: Versteckt euch hinter die Tapeten, und wartet nur eine eintzige halbe Stunde, so soll er da seyn. Ihrem Befehle gehorsamete ich, und versteckte mich hinter die Tapeten, ward auch gewahr, daß, nachdem sie ein grosses Fenster eröffnet, und selbst noch etliche Wachs-Lichter angezündet hatte, ein Papagoy zum Fenster herein gehüpft kam, und sich fein säuberlich auf der Fürstin Nacht-Tisch setzte, auch ohngenöthiget allerley Arten von Confituren in seinen krummen Schnabel nahm, und dieselben verschlunge, ja er entblödete sich nicht, nachdem ihm die Fürstin eine ziemlich grosse silberne Schaale voll Wein eingeschenckt, erstl. hertzhafft zu trincken, hernach sich darinnen zu baden. Ich vor meine Person[446] konte mich des lauten Lachens fast nicht mehr enthalten, da aber der Papagoy und die Fürstin mit einander zu schwatzen anfiengen, spitzte ich die Ohren, und hörete gantz lustige Begebenhetten, hielt mich aber so still, als nur immer möglich war, bis der Papagoy in die Schaale hackte, mitlerweile auch noch viele Stücke Confect zu sich genommen hatte, da ihm denn die Fürstin die Schaale noch einmahl voll schenckte, woraus er sich erst dicke und satt soff, hernachmahls zum andernmahle badete, sodann auf der Fürstin weiß gemachtes Bette zuflog, und dasselbe ziemlicher Massen verunreinigte; allein die Fürstin nahm sogleich ihren weissen Stab klopffte damit 3. mahl auf den Tisch, da denn der Papagoy sogleich, wie eine Taube zum Fenster hinaus flog, weiln er zumahlen vielleicht mein Husten hinter den Tapeten mochte vernommen haben.


Wie gefiel euch diese Begebenheit? (fragte mich die Fürstin) Ich konte nun nicht anders sagen, als daß ich über den Papagoy und dessen Aufführung hätte hertzlich lachen müssen. Ihr habt wohl recht, (redete die Fürstin weiter) gewisser Ursachen wegen hätte ich ihn wohl einiger Massen züchtigen sollen, allein es mag ihm vor diesesmahl geschenckt seyn, doch Morgen Nachmittags sollet ihr eure Lust sehen, wie ich die geilen Böcke und brünstigen Hirsche züchtigen kan und will: Denn es haben so wohl der Jazzan, als der Arab-Ogli, als welche ihr alle beyde wohl kennet, mich dahero fast täglich mit unkeuschen Briefen gequälet, und verlangt, daß ich ihnen[447] einen geheimen Zutritt und gehorsamste Aufwartung bey mir zu machen vergönnen möchte. Um nun diese geilen Ehren-Diebe los zu werden, so habe sie auf Morgen beyde zu einer gewissen Stunde in das im grossen Garten befindliche Lust-Haus bestellet, als in welchem ich mich zu einer bestimmter Stunde wolte antreffen lassen, es weiß aber keiner von des andern Suchen und Verlangen, ohngeachtet sie beyde auf einerley Schand-Wegen gehen. Wenn sie nun kommen, so sollet ihr, meine liebe Anna, eure Lust sehen, wie ich diese Bösewichter bezahlen will.


Demnach begab sich die Fürstin des andern Tages gleich nach der Mittags-Mahlzeit in das Lust-Haus des grossen Baum-Gartens, und lockte zugleich 12. bis 16. grosse, mittelmäßige und kleine Hunde hinter sich her, die sie alle zusammen in das unterste grosse Zimmer des Lust-Hauses einsperrete, die Fürstin aber gieng mit mir höher hinauf, allwo wir denn einige herbey geschaffte Erfrischungen zu uns nahmen, und die Ankunfft der Herren Liebhaber abwarten wolten, ihnen auch unter vielen Schertz-Worten beständig entgegen sahen. Wie nun der Fürstin die Zeit etwas zu lang zu werden begunte, so gieng sie selbsten hin, und machte die grosse Hinter-Thür des Baum-Gartens auf, worbey ich bemerckte, daß sie viele kleine Pflöckgen schnitzte, und dieselben nicht allein bey der Thür-Swelle, sonden auch hie und da in die Erde einschlug.

Endlich kam sie zu mir in das obere Zimmer[448] herauf zurück, befahl, daß Caffée vor sie zubereitet werden solte; wie nun dieses aber schon geschehen war, so tranck sie etliche Tassen, und gab unterdessen beständig Achtung auf die Thür, worauf wir denn gar bald einen ungemein grossen Hirsch, der ein vortreffliches Geweyhe auf seinem Kopfe trug, eintreten sahen. Sehet, liebe Anna! sagte die Fürstin, das ist der Arab-Ogli; aber lasset ihn nur näher kommen, bis der Bock Jazzan auch eingetreten ist. Dieses geschahe nun nach Verlauff ewta einer Stunde, da den Jazzan, so bald er nur die Thür-Schwelle überschritte, sich sogleich in einen Stein-Bock verwandelte. Beyde Thiere machten sich einander entgegen, u. es schien mir nicht anders, als ob sie ordentlicher Weise mit einander Sprache hielten. Jedoch die Fürstin vergönnete ihnen nicht lange Zeit, sondern gieng hinunter in das unterste Zimmer, wo die Hunde eingesperret waren, tipfte jeden Hund mit ihrem weissen Stabe auf den Kopf, und ließ nachhero die Hunde auf einmahl alle heraus, da denn im Garten eine solche Kater-Jagt entstunde, daß ich, die ich oben an einem kleinen Gatter-Fenster saß, mich fast hätte mögen zum Narren lachen. Diese Jagd währete fast über 2. Stunden, bis so wohl der Hirsch und der Stein-Bock, als die Hunde gantz abgemattet und ermüdet auf dem Platze liegen blieben. Endlich aber, nachdem so wohl der Hirsch, als der Stein-Bock ihren Rückweg genommen, kamen auch die Hunde, nachdem ihnen die Fürstin ein Zeichen mit einem Jagd-Hörnlein gegeben, gantz unbeschädigt zurück, so wohl wie ihr gesagtes Wild denn ebenfalls unverletzt[449] geblieben, und sich auf ihre Strassen begeben hatte.

Diese Jagd mag ich wohl den Haupt-Spas nennen, welchen ich jemahls in meiner gantzen Lebens-Zeit gehabt, ja, ich hatte mich würcklich über das Springen des Hirsches und des Stein-Bocks dergestalt zu Schande gelacht, daß ich es nachhero fast in 8. Tagen nicht verwinden konte.

Dergleichen lustige Streiche spielete die Fürstin in nachfolgenden Tagen und Zeiten noch viel mehrere, die ich aber vorjetzo eben nicht auf das Tapet bringen will, weilen meine Geschichts Erzehlung sonsten gar zu weitläufftig werden möchte; da ich sie aber eines Abends in gröster Andacht bey der Bibel und andern christlichen Büchern sitzend antraff, und die Fürstin mich fragte: »Nun, meine liebe Anna! wie hat euch meine bisherige Aufführung gefallen?« so gab ich ihr zur Antwort: Ungemein wohl, gnädigste Fürstin, allein wie stimmer Christus und Belial zusammen? Sie wollen eine getauffte Christin seyn, und heissen, und treiben doch so viele Wercke, woran der Satan den grösten Theil hat, das Christenthum aber Gefahr läufft. Ich schlug ihr hier auch das Capitel in der Bibel auf, worinnen gemeldter Spruch, benebst der gantzen Geschichte zu lesen ist, und hielt ihr dabey eine kleine Buß- und Gesetz-Predigt, wie ich dieselbe von meinem lieben Amsterdamer Priester sehr öffters gehöret hatte, da sie denn auf einmahl angelobte, diese Zauber-Possen hinführo bey Seite zu legen und die Schwartz-Künstlerinnen unter einem guten Vorwande, mit[450] reichlichen Geschencken begabt, von sich zu schaffen. Dieses gelobte sie mir mit Thränen an, hielt auch ihr Wort, denn die Persianischen Zauber-Weiber und Anbeterinnen des Feuers wurden mit guter Manier fortgeschickt, worauf sich denn die Fürstin zu meinem allergrösten Vergnügen angelegen seyn ließ, das Christenthum auf das allerfleissigste auszuüben, nach der Zeit aber den Jacob nebst seiner Frau, die ebenfalls eine Protestantin war, und mich zu ihren Vertrauten erwehlete.

Demnach machten wir binnen wenig Wochen, unserer Einfalt nach, aus der Fürstin eine rechte gute Christin denn sie lebte dergestalt ordentlich und stille, daß an ihrem gantzen Lebens-Wandel nichts auszusetzen war. Ihr Vergnügen aber suchte sie zu gewissen Zeiten auf der Jagd und bey dem Garten-Bau, als worinnen ich ihr zur Verbesserung desselben verschiedene Anweisungen gab, die ihr nicht allein sehr wohl gefielen, sondern sie spürete auch gar bald die Lust und den Nutzen davon.

Unvermuthet kam der Fürst, ihr Gemahl, von Ispahan zurück, bezeigte sich ungemein vergnügt, seine Gemahlin in so gutem Wohlstande und besserer Verfassung anzutreffen, brachte auch derselben recht ungemein kostbare Geschencke mit; ja auch die allergeringsten Bedienten wurden von ihm sehr reichlich beschenckt. Er hielt sich damahls 2. gantzer Jahre in seiner Residentz bey seiner Gemahlin auf, und binnen dieser Zeit wurde gegenwärtige Printzeßin Mirzamanda von meiner werthen Fürstin zur Welt gebracht. Als nun jetzt gemeldter Fürstin die Geburts-Schmertzen ankamen,[451] und zwar in einem mitten im Walde gelegnen grossen Jagd-Hause, verlangte sie mit aller Gewalt, daß ich bey ihr bleiben solte; ob ich nun zwar vorschützte: wie ich eine Frau wäre, die wohl einen Mann, aber doch niemahls ein Kind gehabt hätte, mich also zu dergleichen Begebenheiten gantz und gar nicht schickte, so muste doch der Fürstin Wille er füllet werden, und ich fast gezwungener Weise, um nicht etwa die Ungnade des Fürsten zu verdienen, bey der Fürstin bleiben, welche gantz heimlicher Weise nach dem Jacob und seiner Frau schickte, und dieselben zu sich beruffen ließ. Nachdem nun Jacob nebst seiner Frauen in denen Mitternachts-Stunden sich bey ihr eingestellet, ließ sie diese beyden sogleich zu sich in ihr Zimmer kommen als in welchem ich mich gantz allein zu ihrer Aufwartung befand, nahm das kaum vor 48. Stunden glücklich zur Welt gebohrne Kind aus der Wiege heraus, gab es mir auf die Arme, und sprach: Ich beschwöre euch alle 3. Personen bey dem allmächtigen GOtte und der gantzen Hochheiligen Dreyfaltigkeit, daß ihr drey Personen mir dieses mein neugebohrnes Kind, auf Christi Blut und Gerechtigkeit, nach Christlicher Art und Weise tauffen sollet, und dessen Tauff-Zeugen werden wollet, indem ich durchaus nicht haben will, daß diese meine Tochter als eine Anbeterin des Feuers, der Sonne, Mond, Sterne, oder anderer Getzen soll auferzogen werden.


Hierauf nahm ich die kleine Mirzamanda mit uns in ein kleines Neben-Zimmer, allwo sie Jacob[452] nach heiligem Gebrauche tauffte, und ihr den Nahmen Christiana beylegte, den Heyden zu Gefallen nenneten wir sie aber jedennoch immer noch Mirzamanda, und zwar aus Furcht.

Mitlerweile war keins von den Heyden das geringste von dieser Begebenheit gewahr worden, und die Fürstin beschenkte den Jacob und seine Frau ungemein reichlich, nachdem ich ihr meinen Bericht wegen der glücklich abgelauffenen Tauffe abgestattet hatte. Ich hatte das Glück, Kinder-Frau bey dieser jungen artigen Printzeßin zu werden, und hatte 3. Kinder-Mägde unter meinem Befehle, die das Kind nach meiner Verordnung auf das allerbeste und behutsamste warten und pflegen musten.

Der Fürst hatte eine ungemeine Freude bey dem Anblicke dieser seiner schönen Tochter, allein er konte dieselbe nicht lange geniessen, indem er abermahls nach Ispahan zu reisen sich gezwungen sahe, da er denn länger aussen blieb, als wir gedachten, endlich aber plötzlich zurücke kam, und die unangenehme Zeitung mitbrachte: Was Massen es alle Umstände nicht anders erforderten, als daß er selbstē mit zu Felde, und dem Feinde entgegen gehen müste. Demnach wurde sein Feld- und Kriegs-Geräthschafft gleich in geschwinder Eille zu rechte gemacht; die Fürstin aber wolte damahls sich nicht aus dem Siñe reden lassen, ihrem Gemahle zu folgen, ohngeachtet sie ihr säugendes Kind hatte, welches kaum ein und ein halb Jahr alt war, ihr Gemahl auch ihr selbsten aufs beweglichste zusprach, nur dißmal noch mit ihrem Kinde zu Hause zu bleiben, weiln sie sich gantz und gar keiner Gefahr zu besorgē hätte; Allein, weiln[453] sie so gesinnet war, daß ihr der Wille, der einmahl in das Hertz und Kopf gestiegen war, durchaus erfüllet werden muste, so hatte sie ehe keine Ruhe, bis man ihre Feld-Reise-Geräthschafft auch zu rechte machte, da sie denn ihrem Gemahle, so zu sagen, auf dem Fusse nachfolgte, ich aber benebst der kleinen Printzeßin musten auch mitreisen. Die Reise zwar war eben nicht allzu beschwerlich, indem wir abwechselten, und uns bald in Wagens, bald auf Camele oder Elephanten setzten, nach Gefallen aber in Sänfften konten tragen lassen; allein es gefiel mir dennoch nicht, hergegen stellete sich die junge Printzeßin dergestalt lustig und munter dabey an, als ob sie zum Reisen gebohren wäre. Es gieng aber in diesem Feld-Zuge sehr scharff her, und vor uns am allerschärffesten: denn da unsere Völcker eines Morgens von den Feinden geschlagen und zerstreuet worden, kamen von den Unseringen viele um den Wagen herum, worinnen die Fürstin und die kleine Printzeßin fassen, die ich auf meinem Schoosse und in meinen Armen hatte, welche uns insgesamt warneten, ja nicht weiter zu fahren, woferne wir nicht ein Raub der Feinde seyn wolten, die gleich hinter ihnen wären; gaben anbey den Rath, daß wir lieber aussteigen, und uns in dem dicken Gebüsche verbergen solten. Die erschrockene und beängstigte Fürstin, nachdem sie auf ihr Fragen: ob ihr Gemahl noch lebte, berichtet worden, daß er noch gesund sey, und sich dem Feinde immer noch tapfer wiedersetzte, fassete den jählingen Schluß, aus dem Wagen zu steigen, und sich in das dicke Gebüsche zu begeben. Indem sie nun ausstieg, befahl sie mir,[454] ihr mit dem Kinde auf dem Fusse nachzufolgen, auch eine Flasche Wein, nebst der eingepackten kalten Küche und etwas Confect hinter ihr herzutragen, indem sie recht sehr durstig und hungrig wäre. Ich machte mich sogleich fertig, ihr zu folgen, und traff die gute Fürstin auf einem grossen Steine unter einem grünen Strauche sitzend an, gab ihr ihre liebe Tochter in die Arme, welche sie sogleich an ihre Brust legte, ich aber ließ mich unter dem Steine zu ihren Füssen vieder, und legte mein Haupt in ihren Schooß. Kaum war dieses geschehen, da ein schneller Pfeil aus dem gegen über stehenden Gebüsche heraus geflogen kam, und accurat über meinem Haupte in der Fürstin schöne Brust fuhr, so, daß ich fast vom Haupte bis zu den Füssen mit ihrem Fürsten-Blute gefärbt, ja recht eingetränckt wurde, denn sie war ein sehr vollblütiges Frauenzimmer.

Das allerjämmerlichste Spectacul, dergleichen ich Zeit meines Lebens niemahls mit Augen gesehen, und worbey mir selbsten das Hertz im Leibe recht blutete, fiel mir dergestalt empfindlich, daß ich von einer würcklichen Ohnmacht befallen wurde, zumahlen, da ich, indem ich meine Augen noch in etwas empor hub, beobachtete, daß die kleine ebenfalls mit Blut befärbte Mirzamanda mit beyden Händen, und zwar aus äusersten Kräfften, beschäfftiget war, den Pfeil aus ihrer Mutter Brust heraus zu reissen, weßwegen ich denn vollends in eine so starcke Ohnmacht gerieth, daß ich von meinen Sinnen nicht wuste, und weder sehen noch horen konte.[455]

Jedoch nach Verlauff etwa einer halben Stunde, begunten sich meine Geister in etwas wieder zu ermuntern, da ich denn gewahr wurde, daß nicht allein der Fürstin, sondern auch meine, ja so gar der kleinen Printzeßin Kleider ausgesucht, jedoch aber, wieder hingeworffen wurden. Ihrer 4. von den Feinden aber hatten die besondere Gefälligkeit, den schönen Cörper der Fürstin auf etliche mit ihren Säbeln abgehauene grüne Reiser auf ein grünes Plätzgen zu legen, und denselben mit noch mehr grünen Laub-Reisern zu bedecken, und zwar sehr starck. Dieses gefiel mir in so weit gantz wohl, da aber einer von den Feinden kam, und mir das Kind aus den Armen riß, auch mit demselben davon eilete, folgte ich ihm auf dem Fusse nach; Es begegneten mir zwar einige feindliche Soldaten, welche sich über meinen seltsamen blutigen Habit verwunderten, jedoch mich ohngehindert gehen liessen, so, daß ich beobachten konte, in welche Hütte das Kind getragen wurde. So bald ich demnach dieses gewahr worden, machte ich mich gantz dreuste in die Hütte hinnein, indem ich mich darauf verließ, daß ich noch ungemeine kostbare Kleinodien, Diamanten, und andere Edelgesteine, oben in dem Neste meiner Haare, unter der Haube, verborgen hatte, als worauf sich vermuthlich unsere Plünderer nicht mochten besonnen haben. Wie ich nun die Sache weiter untersuchte, so befand es sich, daß meine Printzeßin in die Hütte einer feindlichen Officiers-Frau gerathen, deren Mann von mittelmäßigem Range war, so bald mich aber das kleine Ding nur zu sehen bekam,[456] hörete es nicht auf zu ruffen: Ah, mi Anna! Ah, mi Anna! Die Leute verwunderten sich ungemein über den Verstand dieses Kindes, wolten also unter der Hand von mir erforschen, wem dieses Kind zugehörete; jedoch, da ich in vielen Tagen nicht vom Hintertheile einer Henne gespeiset hatte, müste mich ein thörichter Geist regiert haben, wenn ich gesagt hätte: daß diß die eintzige Printzeßin des Fürsten von Candahar wäre. Nein! das that Frau Anna nicht, sondern, weilen ich befürchtete, daß man vielleicht ein etwa allzu starckes Löse-Geld vor diese kleine Printzeßin fordern möchte, so sagte ich, sie wäre die Tochter eines Obristen von der Reuterey, welcher, wie ich schon vernommen, im letzteren Treffen geblieben, ihre Mutter aber nachhero durch einen unvermutheten Pfeil-Schuß getödet worden.

Zu meinem Glück ließ sich ein Jude im Lager erblicken, da ich denn bey Nachts-Zeit mein Nest aufmachte, und 3. Diamanten von ziemlichem Werth heraus langte, diese 3. Diamanten nehete ich sogleich in meinen lincken Ermel, trennete hernach in Gegenwart aller Anwesenden und des Juden dieselben wieder heraus, und sagte: Dieses ist es alles, was ich und mein Kind von der Plünderung übrig behalten haben; der Jude aber verliebte sich sogleich in die Diamanten, und bezahlete mir dieselben noch so ziemlich, dergestalt, daß ich nicht allein von selbigem Gelde unsere Zehrungs-Kosten bey der Officiers-Frau, sondern auch diejenigen voraus bezahlen konte, die mich von da an bis Candahar zu begleiten, sich von selbsten[457] angaben, welchen ich noch dreymahl so viel zu geben versprach, als ich ihnen schon gegeben hatte, woferne sie uns nur glücklich hin, nach Candahar, brächten.

Der Himmel halff, daß wir diese beschwerliche Reise nach vielen zurück gelegten Tagen und Nächten glücklich überstunden, indem kein Fuhrwerck zu bekommen war, und ich mit dem Kinde zu Fusse nicht wohl fortkommen konte. Den Fürsten traffen wir zu Hause an, und er stellete sich über den Verlust seiner Liebste, nachdem ich ihm alle Begebenheiten recht umständlich erzehlet, fast untröstlich an, doch bemerckte ich, daß die Fräulein von N. in wenig Tagen wieder bey Hofe zum Vorscheine kam, weilen aber dieses mich nichts angieng, als war meine Haupt-Sache die Printzessin, welche der Herr Vater als seinen Aug-Apfel liebte, auf das allerbeste zu warten und zu pflegen; wie nun der Fürst nicht allein meine Treue und Fleiß, sondern auch die besondere, ja gantz ungemeine Liebe, welche seine eintzige Tochter gegen mich hegte, in Betrachtung zog, so gab er dieser seiner Tochter einen eigenen Pallast ein, bestellete mich zur Hofmeisterin und Pflegerin über dieselbe, wie auch noch mehrere Bediente, und richtete im übrigen die Hofstadt dieser kleinen Tochter dergestalt ein, daß ich dieselbe mit einem Worte, Fürstlich nennen will.

Bey meiner kleinen untergebenen Printzeßin versäumete ich also nichts, ihr das Christenthum sogleich in der zarten Jugend einzuflössen, weßwegen ich denn, so viel als nur immer möglich war,[458] die Heydnische Bedienung von ihr abhielt und zurücke trieb, hergegen den Jacob nebst seiner Frauen, und noch einer am Hofe befindlichen Protestantischen Christin an mich zog, mit deren Beyhülffe ich ihr nicht allein die Holländische Sprache so ziemlicher Massen reden lernete, hauptsächlich aber im Christenthume unermüdet unterrichtete, denn Jacob war ein Mann, der, so zu sagen, fast einen Priester und Prediger vorstellen konte. Demnach erlernete die Printzeßin immer nach und nach die auserlesensten christlichen Gebete und Psalmen auswendig sprechen, mit Singung ein- oder anderer geistreicher Lieder durffte es sehr selten wagen, weilen die Heyden sogleich die Ohren darüber spitzeten, unterdessen lehrete ihr Jacob das Lesen, Schreiben und Rechnen, wobey sie denn ihren ungemeinen Verstand zu unserm Vergnügen dergestalt blicken ließ, daß wir in eine erstaunliche Verwunderung darüber geriethen. Unter allen Tugenden aber, welche diese Printzeßin gleich in ihrer zarten Jugend von sich blicken und spüren ließ, war die Verschwiegenheit wohl eine von den vornehmsten Haupt-Tugenden: denn sie hatte dergestalt reinen Mund zu halten gelernet, daß sie alles dasjenige, was ihr auszusagen verboten wurde, bey sich behielt, eben als wenn es in einen Stein eingegossen wäre.

Der Fürst wohnete nicht allein allen Feldzügen bey damahligen schweren Kriegen in eigener Person bey, und kam offtermahls sehr starck verwundet zurück, so bald er aber nur halwege ausgeheilet war, nahm er immer eine weite Reise nach[459] der andern vor, so, daß wir uns seiner Gegenwart wenig zu erfreuen hatten.

Mittlerweile lieffen die Jahre eines nach dem andern dahin, und Mirzamanda wurde endlich mannbar, da denn der Fürst, als er einstmahls plötzlich wieder von Ispahan zurück kam, sich über ihre schöne Person und gantze Aufführung ungemein erfreuete. Er beschenckte nicht allein mich, sondern auch alle Bedienten dergestalt reichlich, daß wir fast darüber erstauneten, rühmte und lobete anbey unsern Fleiß und Bemühung wegen guter Auferziehung seiner eintzigen liebsten Tochter über alle Massen, und versicherte uns seiner fernern beständigen Gnade.

Meine Person bildete sich vor allen andern so wohl auf das beygelegte Lob, als wegen der empfangenen kostbaren Geschencke nicht wenig ein, und sahe mit Vergnügen, daß der Fürst mit seiner eintzigen liebsten Tochter auf das allerzärtlichste, und zwar bey allen Gelegenheiten umgieng.

Allein, das Spiel bekam binnen wenig Wochen ein gantz anderes Ansehen, denn, nachdem der Fürst seine Printzeßin nicht allein sehr öffters mit sich auf die Jagd, sondern auch zu andern Lustbarkeiten genommen, wolte er sie bey gewissen Fest-Tagen auch dahin zwingen, seinem Abgötter-Dienste mit beyzuwohnen, und sonderlich das Feuer und die Sonne, Mond und Sterne anzubeten; wie sich nun die Printzeßin dessen in vielen Stücken geweigert hatte, seinen Willen zu gehorsamen, so wurde der Fürst zornig, so wohl über die Printzeßin, als mich, und ließ uns alle beyde[460] in unsern Zimmern mit davor gestellten Wachten gefänglich verwahren, nachdem er zu der Printzeßin diese Worte gesprochen: »Wo ich mich nicht irre, so wirst du gantz gewiß eine Christin seyn, und ich will darhinter kommen, wer dich darzu gemacht hat, denn das Christenthum hat deine Mutter um ihr annoch sehr junges Leben gebracht.«

Anfänglich wurde mir angst und bange, jedoch, da ich mich mit der Printzeßin in einem Zimmer befand, welches nur durch eine leichte Tapeten-Wand in etwas unterschieden war, wir auch die kostbarsten Speisen und Geträncke, ingleichen sonsten alles, was wir verlangten, im Uberflusse bekamen, fassete ich mir auf einmahl einen Muth, in Hoffnung, wenn auch die gantze Sache heraus käme, und blos auf mich allein geschoben würde, mir der Hals dennoch dieserwegen eben nicht könte gebrochen werden, es wäre denn, daß Gewalt vor Recht gienge. Jedoch meine Sorgen und Bangigkeiten waren deßfalls vergebens, denn der Fürst gewöhnete sich bald an, daß er alle Abende zur Printzeßin kam, und das Schach-Spiel mit ihr spielete, als in welchem Spiele sie ungemein fertig und glücklich war. Bey dieser Gelegenheit aber hatte der Satan sein Spiel, und verleitete den Fürsten dahin, daß er seiner leiblichen Tochter Unzucht zumuthete, derselben auch unter den grösten Schmeicheleyen und grossen Versprechungen seine hefftige Liebe antrug, und um die Erfüllung seines Willens auf das allersehnlichste anhielt. Wie ich nun über diese Begebenheit recht erstaunete, so fand mich doch bald auf das allerkräfftigste[461] getröstet, da ich vernahm (denn ich konte durch ein verborgenes Schau-Loch alles sehen und hören, was in der Printzeßin Zimmer vorgieng) daß sie die Versuchungen ihres Vaters, vornemlich aber des Teufels, mit einem heldenmüthigen Geiste von sich abschlug. Was Massen sie den christlichen Glauben angenommen, bekennete sie freymüthig und darbey dieses, daß sie niemand sonsten mehr und hefftiger darzu verleitet hätte, als ihre unglücklicher Weise verstorbene leibliche Mutter, und der auch noch in ihrem Tode zu Gefallen wolte sie eine Christin bleiben, bis an ihr Ende, man möchte auch mit ihr machen, was man nur immer wolte, indem sie gewiß glaubte, daß ihre Mutter, die eines zwar schmertzlichen Todes gestorben, dennoch aber gantz gewiß in der seligen Ewigkeit sich befinden müsse; weilen dieselbe, so lange bis ihr der letzte Athem ausgegangen, immer die beyden Worte: JEsus! CHristus! ausgeruffen, und eben dieses wäre ja der Mann, der alle Menschen, die an ihn glaubten, selig machen könte.

In diesem Stück begieng die Printzeßin keine Lügen, denn so bald der Pfeil der verstorbenen Fürstin in die Brust fuhr, rief sie gleich zu dreyen mahlen JEsus! JEsus! Christus! und wiederhohlete diese Worte so lange, bis ihr der letzte Athem entgieng, dannenhero ich diese Fürstin eben nicht gäntzlich verdammen kan, zumahlen, da ihre übrige Lebens-Art in allen Stücken sehr wohl eingerichtet war, ausgenommen, was die Possen-Spielereyen aus der Schwartzen- Kunst anbetrifft,[462] weßwegen, wenn ich ihr dann und wann wohl öffters das Gewissen rührete, sie mir aber zur Antwort gab: Ihr sehet ja, liebe Anna! das dieses nur ein Narren-Werck und Gauckel-Spielerey ist, womit ich zwar einen und den andern zuweilen am Leibe, jedoch niemahls gefährlich, geschweige denn an der Seele beleidige, mithin, da das allermeiste von meinen Künsten und Wissenschafften natürlich zugehet, ich aber mit den bösen Geistern gantz und gar keine Gemeinschafft habe, so kan dieses eben nicht allzu sehr wider das Christenthum streiten. Jedoch (sagte sie denn öffters im rechten Ernste) ich kan ja alle diese Narrens-Possen ohne besondern Hertzens-Zwang bleiben lassen.

Damit ich aber in meiner Geschichts-Erzehlung den Krebs-Gang vermeide, und nicht wieder auf das schon vorhin gemeldete gerathe, so will nur dieses weiter berichten; daß der Fürst über die tapfermüthigen und hertzhafften Worte, die seine Tochter in gröstem Eifer vorbrachte, dergestalt in Zorn gebracht wurde, daß er plötzlich von seinem Sofa aufstund, und sich von dannen, nach seinem Zimmer begab, ohne, wie er sonsten zu thun pflegte, der Printzeßin einen Kuß auf eine geruhige Nacht zugeben. Mir fieng schon, ehe ich mich noch zu Bette legte, etwas Ubels zu träumen an, doch, da ich mich hingelegt hatte, kam die Printzeßin, scharrete sich bey mir ein, und klagte mit weinenden Augen die nie erhörten Versuchungen ihres leiblichen Vaters, welchen sie zwar entgegen gesetzt, daß dieses, was er von ihr verlangte, eine so wohl bey[463] Christen, Heyden, Juden, ja auch bey den allerungezogensten Völckern, eine verda te und verfluchte Sache sey, allein, er bliebe immerzu auf diesem Vorurtheile bestehen: »daß, wer den Baum gepflantzet hätte, der habe auch das Recht, die ersten Früchte davon zugeniessen etc.« Wie ich nun aber vollkommen überzeugt wurde, daß die Printzeßin einen recht gräulichen Abscheu vor diesem Laster, nemlich der Unzucht, hauptsächlich aber der Blutschande hatte, so stärckte ich dieselbe in ihrem Glauben, und zeigte ihr nach meiner Einfalt, daß dieses eine allen göttlichen, weltlichen und natürlichen Gesetzen und Rechten platterdings zuwider lauffende Sache sey. Weßwegen sie mir auch mit heissen Thränen angelobt, sich auf solche Art nimmermehr bethören zu lassen, sondern in diesem Stück ihrem Vater jederzeit den alleräusersten Wiederstand zu thun, und wenn es auch ihr Leben kosten solte.

Folgenden Morgens wurde Mirzamanda befehliget, sich in schneller Eile anzukleiden, und zu rechte zu machen, weilen sie mit dem Fürsten, ihrem Herrn Vater, ausfahren solte. Sie gehorsamete, nahm Abschied von mir, und ihre Fahrt gieng nach einem uralten Heyden-Tempel zu, bey welchem ein solenner Götterdienst und Opferung angestellet war, die Printzeßin aber ließ sich in keinem Stücke, weder durch gute, noch durch Droh-Worte des Fürsten, dahin bewegen, auch nur die geringste Ceremonie mit zu machen, sondern sie führete sich, so wie ich, gantz stille und gelassen darbey auf, wolte auch nicht einmahl etwas[464] von der Heydnischen Opfer-Mahlzeit geniessen, indem sie sich aus gewissen Ursachen ein Gewissen darüber machte.

Noch selbigen Abends, da der Fürst kaum nach Hause gekommen war, kam er alsobald in der Printzeßin Zimmer herauf gegangen, und stellete seine Tochter recht sehr scharff zur Rede, und zwar um dessentwegen, daß sie nicht alles mitgemacht, und sich so bezeigt, wie er selber gethan hätte; Die Printzeßin gab hierauf gantz freymüthig zur Antwort: Mein Vater und Fürst! du wollest mir alles das, was ich des vergangenen Tages verfehlet, zu Gnaden halten, und mir dieserhalb Vergebung angedeyhen lassen. Denn mir, als einer getaufften Christin, ist nicht erlaubt, auch den geringsten Götzen-Dienst zu begehen, vielweniger den Götzen zu opfern, oder von der dieserwegen von den Heyden angestelleten Mahlzeit etwas zu geniessen, wie mich denn die heilige Schrifft dieses lehret, zumahlen, da ich in meiner heiligen Tauffe durch den Mund und Zungen meiner 3. Tauff-Zeugen, dem Teufel so wohl, als allen seinem Werck und Wesen gäntzlich abgesagt, anbey mich verbindlich gemacht, weiter an nichts zu glauben als an die hochheilige Dreyfaltigkeit, nemlich, Vater, Sohn und heiligen Geist; ferner aber meine Lebens-Art so einzurichten, wie sie mir in der heiligen Bibel, als dem wahren Worte GOttes, vorgeschrieben ist.

So bist du denn schon getaufft? (fragte der erzürnte Fürst weiter:) Ja, mein Fürst und Vater! (versetzte ihm die Printzeßin) ich bin[465] getaufft im Nahmen der Hochheiligen Dreyfaltigkeit, anbey auf CHristi Blut und Gerechtigkeit. Wer hat dich getaufft? (fragte der Fürst noch ferner) Das hat Jacob gethan, und zwar auf ausdrücklichem Befehl meiner seligen Mutter (erwiederte die Printzeßin) und eben dieser Jacob, nebst seiner Frauen, und meiner Anna, als meiner Pflege-Mutter, die mir bis hieher viel Gutes erwiesen, sind die Zeugen meiner christlichen heiligen Tauffe.


Uber diese verwegenen und dreusten Reden wurde der Fürst dergestalt verdrießlich, daß er abermahls gantz zornig von seinem Sofa aufsprung, weiter kein Wort sagte, sondern stillschweigend davon gieng. Da uns aber des andern Tages die Mittags-Mahlzeit, welche in einer Schüssel voll mit Wasser gekochtem Reiß und etwas Brod und Wasser bestunde, durch die Bedienten herbey gebracht wurde, erfuhren wir von ihnen, daß der Fürst gestern Abend noch gantz spät den Jacob und seine Frau in Ketten und Banden schliessen, auch in ein wohl verwahrtes Gefängniß legen lassen. Bey so gestalten Sachen hatten ich und meine Mirzamanda keine besonders geruhige Nacht, zumahlen die Abend-Mahlzeit eben nicht besser, als die Mittags-Mahlzeit gewesen war; jedoch es fanden sich unter den Bedienten noch etliche Getreue, welche uns nicht allein alles, was wir bedurfften, und zwar auf mancherley listige Art zuschafften, sondern auch von allem dem, was bey Hofe vorgieng, Nachricht brachten.[466]

Des Fürsten Zorn, da er seine eintzige Tochter, so zu sagen, mit blosem Wasser und Brod gespeiset, verschwand aber binnen 3. Tagen, da er denn gantz freundlich kam, und sie zu einem neuen Schach-Spiele mit ihm zu spielen nöthigte; von den alten Geschichten und Begebenheiten gedachte er gar nichts, endlich aber fragte er, wo denn die Anna wäre? wie nun die Printzeßin antwortete: daß dieselbe in einem Neben-Zimmer vielleicht schon schlieffe, so fieng er abermahls an, seine Gemüths-Regungen bey der favorablen Nacht-Zeit zu Tage zu legen, und die Printzeßin dahin zu verleiten, seinen geilen Begierden Gehör zu geben, um sogleich seinen Willen zu erfüllen; Allein, die hertzhaffte Printzeßin stund auch diesen Kampf mit himmlischer Hülffe ritterlich aus, bis er sie nach noch vielen gebrauchten Schmeicheleyen endlich mit gröstem Ungestüm beängstigte, und das, was er in Güte nicht erhalten konte, nunmehro mit stürmender Faust zu erobern trachtete. Der Printzeßin Hülffe-ruffen war vergebens, indem ich mich scheuete, ihr, wegen der vor unserer Thür stehenden Wache, zu Hülffe zu kommen; derowegen hörete ich nur noch dieses, daß die Printzeßin sagte: Wäre es doch kein Wunder, wenn sich der Cörper meiner seligen Mutter noch in der Erden umwendete, und ein Donner-Wetter erregte, welches einen so gottlosen Vater und mich unschuldige Tochter sogleich im Augenblicke verderbete! die ich durchaus keine Hure, vielweniger eine Blutschänderin werden,[467] sondern lieber als eine Christin leben und sterben will.

Kaum hatta Mirzamanda diese Worte (bey deren Anhörung mir die Haare fast zu Berge stunden) ausgeredet, da sogleich ein entsetzlicher Donnerschlag geschahe, und 2. Donner-Keile in unserm Zimmer aus einem Winckel und Ecke in die andere lieffen, auch dergestalt im Zimmer herum schwärmeten, daß wir insgesamt gedachten, dieses wäre die letzte Stunde unseres Lebens. Als aber nach Verlauff etwa einer haben Stunde, Blitz Donner, Hagel, Regen und ein grausamer Sturm-Wind sich nicht mehr hören, sehen, noch spüren liessen, wurden wir zwar einiger Massen wieder lebendig, befanden aber, daß der Fürst auf dem Faul-Bettgen ohnmächtig ausgestreckt lag, dessen Leib-Hund aber, welcher unter dem Tische lag, war dergestalt von den herum schweiffenden Donner-Keilen verletzt worden, daß er nicht auf den Beinen stehen konte, sondern so zugerichtet, daß er hinweg getragen werden muste, wie denn dieser sein Leib-Hund auch wenige Stunden nach dieser Begebenheit verreckte. Der Fürst hingegen wurde, nachdem wir ihn mit starcken Gewässern und Balsamen wieder zu sich selber gebracht, auf eigenes Verlangen in sein Schlaf-Gemach geführet.

Mir war gleich nicht wohl bey der Sache, indem ich gedachte, daß der ohne dem zornige und erschrockene Fürst uns das Bad würde austragen lassen; da wir aber gedachten, daß er vielleicht so bald nicht wiederkommen würde, kam er sogleich des zweyten Vormittags darauf, und brachte den[468] Jacob nebst seiner Frauen mit, da er denn zu seiner Tochter sagte: »Siehe! diese habe ich noch deinetwegen begnadigt, du solt mir aber durchaus keine Christin bleiben, weilen ich etwas gantz anderes zu meinem und deinem Nutzen mit dir vorhabe, und wenn du mir nicht folgen wilst, so kostet es dir dein Leben.«

Als er dieses gesagt, muste sogleich ein Scheerer herein in das Zimmer treten, welcher der Printzeßin alle ihre schönen schwartzen Haare von dem Haupte abschneiden und abscheeren muste. Sie hielt gedultig stille, wie ein Lamm, da aber dieses geschehen, trat eine verfluchte alte Persianische Schwartzkünstlerin, die ich sehr wohl kannte, in das Zimmer herein, welche in jeder Hand ein Bügel-Eisen hatte, welche alle beyde fast halb glüend zu seyn schienen.

Demnach sagte der Fürst zu seiner Tochter: Siehe! weil du wider mein Wissen und Willen mir Wasser getaufft bist, so will ich dich nunmehro zu meinem Vergnügen mit Feuer tauffen lassen. Hierauf gab er der alten verfluchten Bestie einen Winck, und sagte öffentlich, daß sie ihr Amt redlich verrichten, sich an nichts kehren, und seine Tochter gar im geringsten nicht verschonen solte. Demnach fieng das verfluchte Weib der Printzeßin Kopf dergestalt mit dem halb glüenden Eisen zu bügeln an, daß ich fast darüber in Ohnmacht gesuncken wäre, zumahlen, da die Printzeßin unter währenden Bügeln 3. laute Schreye that. Jedoch, weil sie einen recht heldenmüthigen Geist hatte, so erhohlete sie sich[469] bald wieder, wir aber sahen in der Kürtze auf dem Kopfe verschiedene ziemlich grosse Brand-Blasen auflauffen, weßwegen wir ihr denn ihre Haube aufsetzen wolten; allein, sie wolte es durchaus nicht leiden, sondern stund im blosen Kopfe auf, gieng auf ihren Herrn Vater zu, und küssete ihm die Hand. Dieser sprach zu ihr: Siehe, meine Tochter! nun bist du mit Feuer getaufft, und diese Feuer-Tauffe, ob sie dir gleich etwas schmertzlich gewesen, soll dir doch wohl besser gerathen und nutzen, als die schlechte Wasser-Tauffe. Hierauf versetzte die hertzhaffte Printzeßin: Ich habe die Hoffnung zu meinem Erlöser, JEsu CHristo, daß mir diese marterhaffte Feuer-Tauffe an meiner Seelen-Seligkeit nicht schaden, sondern er mich, vermöge seines Wortes, durch die Wasser-Tauffe und den wahren Glauben an ihn, den ich in meinem Hertzen hege, nach meinem Tode zu sich in sein Paradieß nehmen werde.

Man sahe es dem Fürsten an seinen Augen an, daß er über diese Antwort seiner Tochter vor Zorn, Gifft und Galle fast hätte platzen und bersten mögen, jedoch er gieng gantz stillschweigend fort, und wie wir aus den Fenstern sehen konten, in dem Blumen-Garten in tieffen Gedancken spatziren herum.

Wenige Stunden nach dieser Begebenheit, da meine Augen noch lange nicht trocken waren, wurden uns beyden so viel der besten Speisen und Wein zugebracht, daß sich mehr als 10. Personen damit[470] sättigen können. Wir verschmäheten dieselben nicht, sondern gaben alles unsern Aufwärtern und der Wache-Preiß, da aber ein Artzt ankam, und sich meldete, die Printzeßin an ihrem Brand-Schaden zu verbinden, wiese sie denselben mit den Worten ab: diese Tauffe, wenn sie nicht gantz und gar vom Teufel wäre, müste wohl von sich selbst den zurückgelassenen Schaden heilen; sie wuste aber wohl, daß ich noch eine ziemliche grosse Büchse voll Brand-Salbe stehen hatte, welche ich übrig behalten, da ich mir kurtz vorhero mit heissem Wasser den gantzen Schenckel verbrandt.

In nachfolgenden Tagen wurden uns ebenfalls die besten Speisen und Geträncke zugeschickt, worbey wir erfuhren, daß der Fürst abermahls eine weite Reise, (ohne Zweifel aus Gewissens-Angst) angetreten, jedoch hinterlassen hätte, uns Zeit seiner Abwesenheit auf das allerschärffste zu bewachen, bis er nach seiner Zurückkunfft andere Mittel ausfinden würde.

Die Printzeßin war froh, da sie erfuhr, daß ihr tyrannischer Vater weggereiset wäre, noch weit vergnügter aber wurde sie, als eines Abends der getreue Jacob nebst seiner Frauen in unser Zimmer eingetreten kamen, als welche die Schild-Wächter mit Gelde so wohl, als mit Wein-Flaschen bestochen hatten. Wir hielten insgesamt ein vertrauliches Gespräch mit einander, da er sich denn gegen uns erklärete, daß, weilen in dem Haupt-Hafen dieses Reichs einige Holländische Schiffe vor Ancker lägen, er seine Baarschafften[471] zusammen nehmen, und nebst seiner Frau nach Europa überschiffen wolte, indem er schon einige Anstalten darzu gemacht, wären nun wir zum mitreisen geneigt, so wolte ersehen, daß er uns mit forthelffen könte: denn er merckte wohl, daß es so wohl vor die Printzeßin, als vor mich höchst gefährlich wäre, länger allhier zu bleiben, vorjetzo aber könne er uns als ein Wein-Händler wohl forthelffen. Man sagt sonsten im gemeinen Sprichworte: Wer gerne tantzt, dem ist leichte gepfiffen, und dieses traff bey mir ein, denn ich kan nicht läugnen, daß ich mich hertzlich nach Europa sehnete, und vielleicht wieder in mein Vaterland zu kommen verhoffte, indem ich einen ziemlichen Schatz an Kleinodien, Diamanten und andern kostbaren Edelgesteinen gesammlet, welchen ich meistentheils der Freygebigkeit meiner seligen Fürsten zu dancken hatte. Wie nun die Printzeßin diesen meinen Entschluß gewahr wurde, fiel sie mir zu Füssen, und bat mich mit heissen Thränen, sie mit nach Europa unter die Christen zu nehmen, denn sie wolte sich und mich mit Kostbarkeiten dergestalt beladen, daß wir alle beyde schwer und sauer genug daran zu tragen haben solten. Ohngeachtet ich nun dieses Vornehmen der Printzeßin als ein allerhöchst gefährliches Werck vorstellete, indem es erstlich sehr schwer halten würde, durch die Wachen zu kommen, vor das andere, wenn man uns auf der Flucht ertappte, unser Leben in der allergrösten Gefahr stünde, so ließ sie sich doch von ihrem Vorhaben nicht abwendig machen. Als wir demnach 3. Tage und Nächte auf unsern Knien gelegen, und GOtt mit[472] heissen Thränen gebeten, daß er unsere Flucht befördern, und uns glücklich Europa bringen möchte, so wagte es die Printzeßin, und gab zweyen Heydnischen Mägden eine wichtige Geld- Summe, daß sie mit uns ihre Kleider vertauschten, indem die Printzeßin vorgab, daß sie, um nur an die frische Lufft zu kommen, eine Wallfahrt auf 3. Tage nach dem uralten Heyden-Tempel thun, und hernach wieder zurück kommen wolte. Es war dieses allerdings ein recht verzweiffelter Anschlag und Vorhaben zu nennen, allein da Jacob auch die Wache nicht nur mit Gelde, sondern auch mit vielen Wein-Flaschen abermahls bestochen, ja alle unsere Wächter mit dem besten Weine dergestalt begeistert hatte, daß sie fast von ihren Sinnen nicht wusten, kamen wir in den Mitternachts-Stunden glücklich durch die Wache und zum Schlosse hinaus. Jedennoch hatte der Satan sein Spiel, daß wir des rechten Weges, den uns Jacob abgezeichnet hatte, auf welchem wir ihn und seine Frau antreffen solten, verfehleten, uns in einem dicken Gebüsche verirreten, und endlich folgenden Morgens durch die Jäger des Arab-Ogli gefunden, erkannt, und als Gefangene auf das Schloß ihres Herrn gebracht wurden.

Demnach geriethen so wohl ich, als die Printzeßin in die alleräuserste Verzweiffelung, weilen wir wohl wusten, daß dieser Arab-Ogli vor einiger Zeit ein unglückseliger Buhler der Fürstin gewesen. Wie ich nun aber am allerbesten ausreden konte, auf was Art ihn dieselbe abgefertiget hatte, so wurde mir desto banger um das Hertze,[473] ja ich vermeynete nicht anders, als daß wir unsern baldigen Tod, wenigstens aber ein sehr schweres Gefängniß würden zu hoffen haben; Allein, das Schicksal fügte es gantz anders, denn ob ich zwar in dem Letzteren nicht gefehlt, indem uns Arab-Ogli auf eins seiner vestesten Schlösser brachte, so ließ er doch die Printzeßin, nachdem er ihrer Person wegen vollkommene Kundschafft eingezogen, auf das allerbeste verpflegen, worbey denn ich auch eben keine Noth litte.

Wenige Tage hernach schickte Arab Ogli zwey gantz vernünfftige Weiber an die Printzeßin, welche ihr gantz höflich und geschickt vorzutragen wusten, wie sich dieselbe ja nicht einbilden solte, daß sie eine solche Gefangene wäre, vermittelst deren er, der Arab Ogli, da er mit dem Fürsten von Candahar in einigem Streite und Wiederwillen lebte, etwa seinen Hohn oder Schimpff zu rächen gesonnen wäre. Nein! keineswegs; derowegen solte sie nur gutes Muths seyn, und alles fordern und befehlen, womit ihr gedienet werden könte, denn Arab-Ogli würde gegen Abend selbsten kommen, sie zu besuchen, bey solcher Gelegenheit aber sich deutlicher gegen sie, die Printzeßin, erklären.

Ob nun schon diese letztere so wohl, als ich, wünschten, uns lieber in dem wilden Walde, oder in einer Wüsteney zu befinden, als mit dem Feinde des Fürsten von Candahar fernerweit etwas zuthun zu haben, so sahen wir uns doch halb gezwungener Weise gemüßiget, in die Zeit zu schicken, und ihm den Zutritt zu vergönnen, als welchen wir ihm, wenn wir es bey dem Lichte betrachteten,[474] ohnedem nicht verwehren konten, indem wir uns ja in seiner Gewalt befanden.


Demnach kam Arab Ogli Abends nach der Taffel, da wir in unserm Zimmer bereits die Wachs-Kertzen angezündet hatten, und weilen er die Printzeßin bey ihrem Nacht-Tische sitzend, und in einem geistlichen Buche lesend antraff, so warff er sich gleich augenblicklich zu ihren Füssen hin, und redete dieselbe meines Behalts ohngefehr mit folgenden Worten an: »Printzeßin Mirzamanda! ihr stehet in der falschen Einbildung, als ob ihr meine Gefangene wäret; allein hierinnen irret ihr euch viel zu sehr, denn weilen ihr die Königin und Beherrscherin meines Hertzens, so bin ich im Gegentheil eurer Gefangener, ja euer allerunterthänigster Sclave, und zwar von der Stunde an, da ich das Glück gehabt, eure Anbetens-würdige Person, als das vollkommene, ja noch weit schönere Ebenbild eurer gestorbenen Mutter zu erblicken. Glaubet ja nicht, daß ich Schuld bin an eurer so genannten Gefangenschafft, oder es meinen Jägern anbefohlen habe, euch aufzuheben, und zu mir zu führen. Nein! ich betheure nochmahls bey dem Zeugniß aller Götter und allen dem, was heilig über und um uns heist, daß ich ein solches nicht gethan: da aber das Glück eure Person unverhoffter Weise in meine Verwahrung geführet, so sehe ich solches als eine gute Vorbedeutung an, durch diese eure Person mit eurem Durchl. Vater, dem Fürsten von Candahar, bald vollkommen[475] vereinigt zu werden, und zwar durch eine glückselige Vermählung zwischen euch und mir.«

Mirzamanda schickte sich damahls, meinen Gedancken nach, ziemlicher Massen in die Zeit, indem dieselbe den Arab-Ogli von der Erden aufzohe, und ihm eine und andere kleine Schmeicheleyen erwiese, auf die Haupt-Sache aber gab sie zu diesem erstenmahle eine fast gantz spröde heraus kommende Antwort; jedoch, der in sie allzu hefftig verliebte Ogli vermeinete vielleicht, daß sie es nach und nach schon etwas näher geben würde. Demnach besuchte er sie nicht nur auf das allerfleissigste, sondern versuchte auch durch die allerkostbarsten Geschencke, vortrefflichste Bewirthung und allerhand Schmeicheleyen sie dahin zu bewegen, ihn zu lieben; ja, er ließ aus unserm Zimmer 2. Felder ausschlagen, und 2. Treppen anlegen, vermittelst deren wir, und zwar durch die eine oben hinauf in eine grosse Gallerie steigen, und uns aus den vielen Fenstern weit und breit umsehen, mithin frische Lufft schöffen könten. Aufer dieser oben hinaus lauffenden Treppe, wurde noch eins an dere in die Tieffe angelegt, wobey er uns die Freyheit gab, so offt als es uns nur immer gefällig wäre, hinunter in den grossen Baum- und Lust-Garten zu steigen, in welchem Garten denn auch verschiedene wilde Thiere, als Löwen, Leoparden, Tygerthiere und dergleichen andere wilde Bestien mehr in ordentlichen vor sie erbaueten Gehäusen aufbehalten wurden, ohne diese unbeschreibliche Menge der grossen und kleinen Vögel von allerhand Arten. Zuweilen, wenn Arab-Ogli selbsten[476] in das Lust-Haus kam, worinnen sich die Printzeßin befand, ließ sich in etwas von ferne bald eine sanffte, bald aber eine starcke Musique hören. An den herrlichsten Erfrischungen war kein Mangel, vielmehr der gröste Uberfluß, und mit wenig Worten zu sagen, so suchte sich Arab-Ogli der Printzeßin auf alle nur ersinnliche Art dergestallt gefällig zu machen, daß sie ihm ihr Hertz schencken, und zu ihrem zukünfftigen Ehe-Gemahl erwehlen solte; Allein die Printzeßin wurde bey allen seinen Liebkosungen und Schmeicheleyen von einer Zeit zur andern immer unempfindlicher, ja, sie konte den Arab-Ogli fast nicht mehr vor ihren Augen sehen. Endlich besonne sich dieser noch auf ein Mittel, um sie zur Liebe zu reitzen, indem er die besten Comœdianten bestellete, welche auf der Gallerie die verliebtesten Schau-Spiele spielen musten, da denn nicht allein die Printzeßin, sondern auch ich, ohne von jemanden gesehen zu werden, alles was vorgestellet wurde, beobachten konte. Da aber auch dieses nichts bey der Printzeßin verfangen wolte, im Gegentheil sie diese Narrens-Possen nach wenig Tagen gar nicht mehr anzusehen würdigte, wurde Arab-Ogli endlich verdrießlich, ja, so zu sagen, gäntzlich in den Harnisch gejagt, weßwegen er der Mirzamanda nachhero, so offt er sie besuchte, nicht halb so freundlich begegnete, als vorhero. Bald darauf legte er derselben einige Briefschafften vor, welche ihr Vater, als der Fürst von Candahar, (seinem Sagen nach) eigenhändig solte geschrieben haben, und in welchen Briefen Mirzamanden von ihrem Vater[477] anbefohlen wurde, das Beylager mit dem Arab-Ogli, als seinem neuen werthen Freunde, und liebsten Schwieger-Sohne, auf das allereiligste zu vollziehen, indem er bald selbsten kommen und sie besuchen wolte; Allein Mirzamanda merckte den Betrug und die List, weilen sie ihres Vaters Hand und Siegel besser kannte; weßwegen sie sich gegen den Arab-Ogli nochmahls weigerte, dem väterlichen Befehle zu gehorsamen, sondern es so lange anstehen zu lassen versprach, bis ihr Vater selbsten käme, und ihr das Wort in den Mund gäbe.

Hiermit war dem Fasse der Boden eingestossen, denn Arab-Ogli gieng nur nach der Thüre des Zimmers, und murmelte viele Worte mit der davor stehenden Wache, welche wir aber nicht alle vernehmen konten, bis endlich etwa eine Stunde hernach der Fürst von Candahar, als der Printzeßin Vater, in unser Zimmer herein gebracht wurde; jedoch in einer sehr jämmerlichen Gestalt, und über dieses alles noch, daß er eiserne Ketten und Banden an Armen und Beinen trug. Hier solte nun die Ehe-Stifftung geschlossen werden; allein, nachdem die Prinßeßin eine kleine Ohnmacht überstanden, sagte sie so wohl zu ihrem Vater, als dem Arab-Ogli, daß sie viel lieber des allerbittersten Todes sterben, als des Arab-Ogli Gemahlin werden wolte.

Der Fürst, ihr Vater, versetzte hierauf: »Siehe, meine Tochter! wir sind unter die Hände unserer Feinde gerathen, ob uns die Götter wieder daraus erretten wollen, solches müssen wir[478] abwarten; ich aber, als Vater, zwinge dich zu keiner unanständigen Heyrath, sondern überlasse dir deßfalls deinen eigenen Willen, weilen ich versichert bin, daß es dir am Verstande nicht fehlet.«

Arab-Ogli mochte sich zwar über diese Worte nicht wenig ärgern, allein er gieng nochmahls zum Zimmer hinaus, und redete mit der darvor stehenden Wache, kam auch bald wieder zurück, und etwa eine 4tel Stunde hernach wurde der Fürst von der Wache mit seinen tragenden Ketten abgefordert und zurück geführet. In den Mitternachts-Stunden kam Ogli abermahls in der Printzeßin Zimmer, und suchte dieselbe mit den allerglättesten Worten zu seiner Liebe zu bewegen; da aber dieses geschehen, zumahlen, da sie ihren Vater in Ketten und Banden gehen und hinweg führen sehen, so war sie fast in eine kleine Raserey gerathen, dergestalt, daß sie dem Arab Ogli die schändlichsten Reden anzuhören gab. Dieser, ohngeachtet man meynen sollen, er würde sich zur Ruhe begeben, und Mirzamanden auf dißmahl zu Frieden lassen, unterstunde sich dennoch derselben auf das allerhefftigste zuzusetzen, ja! seine Geilheit trieb ihn so weit, sie mit Gewalt darzu zu zwingen, auch alle Kräffte daran streckte, seinen verfluchten Zweck zu erreichen, allein Mirzamanda wehrete sich auch dergestalt, daß ich mich nur verwundern muste, wo sie die Stärcke und Kräffte herbekam, sich diesem starcken Manne zu widersetzen. Endlich ruffte sie mich um Hülffe an, allein ich war kaum durch die halb eröffnete Thür in ihr Zimmer hinein[479] getreten, als mich Arab-Ogli mit gröster Gewalt zu Boden warff, so, daß ich die Beine in die Höhe kehren muste, und mich weiter fast nicht besinnen konte; doch hörete ich noch so viel, daß er zur Printzeßin sagte: »Siehe! weil du meinen Willen nicht erfüllen wilt, so will ich deinen Vater vor deinen Augen erwürgen lassen.«

Mit Endigung dieser Worte ergriff er die Printzeßin in der Mitte des Leibes, stieß die Thür auf, so auf den grossen Saal gieng, und trug dieselbe dadurch hinaus. Ich war einiger Massen wieder zu mich selbst gekommen, derowegen folgte ich ihnen auf dem Fusse nach, bis auf den grossen Saal, da ich denn so viel vernahm, daß Arab-Ogli denen daselbst befindlichen Wächtern befahl, daß sie seinen Befehl, ohne einen Augenblick zu versäumen, ausrichten solten.

Demnach wurde sogleich der gute Fürst herbey gebracht, ihm in der Geschwindigkeit eine Schnur um den Hals geworffen, und er damit erdrosselt, so, daß er sich auf dem Boden, ohne einen Laut von sich zu geben, zu Tode zappeln muste. Hergegen machte Mirzamanda ein desto grösser Geschrey, hielt sich aber auf diesem unglückseligen Platze nicht lange auf, sondern eilete in ihr Zimmer zurück. Was halff aber dieses? denn Arab-Ogli folgte ihr auf dem Fusse nach, warff sie abermahls mit der grösten Gewalt nieder, drohete ihr auch mit einem entblöseten Dolche, sie damit zu erstechen, woferne sie sich nur im allergeringsten ferner wiedersetzen würde. Jedoch die behertzte Mirzamanda runge dem Ehren-Schänder den[480] Dolch glücklich aus den Händen heraus, und versetzte ihm in gröster Geschwindigkeit 8. bis 10. Stiche in die Brust und in den Unterleib, so, daß er gar bald darnieder sanck, und seinen Geist aufgab.

Ich hätte sogleich in Ohnmacht sincken mögen, da ich durch mein Gucke-Loch diese jämmerliche Mord-Geschichte mit ansahe, allein der Printzeßin erstaunliches Zeter- und Mord-Geschrey trieb nicht allein diese zurück, sondern lockte auch etliche Mann von der Wache herbey, welche sogleich die Thür eintraten, um zu sehen, was vorgienge. Wie nun diese Mannschafft sahe, welchergestalt sich ihr Herr auf dem Boden in seinem Blute herum weltzete, lieffen sogleich einige derselben zurück, um diese Begebenheit der Schwester des Arab-Ogli zu berichten: denn es hatte dieser geile Herr weder Frau, noch Kinder, sondern sich schon eine lange Zeit daher mit Huren beholffen. Gemeldte Schwester des Arab-Ogli blieb erstlich eine lange Weile stehen, als ob sie versteinert wäre, nachdem sie dieses Spectacul erblickt hatte; endlich aber that sie ihren Mund auf, und sagte: »Printzeßin Mirzamanda! welcher böse Geist hat euch verleitet, diesen meinen Bruder, als einen regierenden Fürsten, auf so grausame Art zu ermorden? Mirzamanda gab hierauf zur Antwort: Ich habe einen vermaledeyeten Nachsteller und Räuber meiner Ehre, welche aber der Himmel mir bis hieher dennoch erhalten hat, mit seinem eigenen Dolche ermordet, und zwar ohne andere Beyhülffe, mit meiner eigenen Faust;[481] ob er ein regierender Fürst, oder euer Bruder sey, darum bekümmere ich mich wenig, weilen ich, als eine gebohrne Printzeßin wegen dieser meiner begangenen That hauptsächlich niemanden anders, als dem Dreyeinigen GOtte, und zwar als eine getauffte Christin, Rede und Antwort zu geben, mich schuldig zu seyn, versichert halte.«

Die Schwester des Arab-Ogli erholete sich einiger Massen wieder von dem gehabten Schrecken, führete sich, nachdem sie etwas Wein und Confect zu sich genommen hatte, ungemein liebreich und artig gegen Mirzamanden auf, ersuchte auch dieselbe, ihr noch in ein ander Neben-Zimmer zu folgen. Diese that es, und ich hörete, daß beyde in Geheim bis zu Aufgang der Sonnen ein recht vertrauliches Gespräch unter einander führeten; So bald aber solchergestalt der Tag angebrochen war, kamen viele Männer mit Gewehr in unser Zimmer herein getreten, die Mirzamanden und mich in eiserne Ketten und Banden schliessen liessen, hernachmahls in ein wohlverwahrtes Gewölbe brachten, welches gleich unter unserm Zimmer und unter der Treppe war, durch welche wir in den Garten hinab steigen konten. So bald wir in diesem seltsamen Behältnisse angelanget, sprach ich zu meiner Printzeßin: Nunmehro wird uns wohl unser letzteres Brod schon gebacken seyn; Diese aber gab gantz freymüthig zur Antwort: Glaubet es nicht, meine liebe Anna! wir werden nicht sterben, sondern leben bleiben müssen, um des HErrn Werck zu verkündigen.[482]

Mittlerweile ließ uns die Schwester des Arab-Ogli mit den allerbesten Speisen und Geträncken versehen, welche allemahl credentzt wurden, damit wir uns nicht etwa einen Eckel oder gar die Einbildung machen möchten, als ob etwa Gifft darinnen befindlich wäre, ja, die Printzeßin offenbarete mir das gantze Gespräch, welches sie mit der Schwester ihres Feindes gehalten, und weilen diese nunmehro die regierende Fürstin wäre, so wolten wir unverzagt und gutes Muths seyn, zumahlen, da sie gewiß versichert worden, daß es nicht ihr Vater, sondern ein anderer Missethäter, von der Gestalt des Fürsten von Candahar gewesen sey, welchen Arab-Ogli blos ihr, der Printzeßin, zum Schrecken erdrosseln lassen. Ich ließ mir vor meine Person alles vorschwatzen, so viel sie nur immer wolte, unterdessen aber wurde wenige Tage hernach Mirzamanda vor ein peinliches Hals-Gerichte auf den grossen Saal gefordert, auf das allerschärffste ausgefragt und verhört; worauf ihr, als einer Mörderin des regierenden Fürsten, das Urtheil dermassen ausgesprochen wurde: daß sie auf einem 12. Ellen hohen Scheiter-Hauffen lebendig verbrand werden solte.

Nach angehörtem Urtheil hielt Mirzamanda in Persianischer Sprache eine Rede, die bald eine Stunde lang währete: denn es waren mehr als 5. bis 600. Menschen auf dem Saale versammlet, jedoch gieng erstlich alles gantz stille zu; nachhero aber that diese ihre bewegliche Rede unter so vielen Personen verschiedene recht Bewunderns-würdige Würckungen: denn manche fiengen zu heulen[483] und zu schreyen an; manche schlugen die Hände über den Köpffen zusammen, klatschten auch wohl darbey; noch manche stampfften mit den Füssen auf die Erde, und spyen nach der Decke und den Wänden des Saales zu. Demnach wuste Mirzamanda so wenig, als ich, zu begreiffen, was wir uns unsers fernern Schicksals wegen zu getrösten hätten. Jedoch die nunmehro regierende Fürstin ließ uns beyde durch eine sichere Wache in unser voriges Zimmer begleiten, folgte auch bald nach, und unterredete sich abermahls mit Mirzamanden, bis der Tag fast anbrechen wolte. Aus ihren Reden vernahm ich so viel, daß der Fürstin der Tod ihres gottlosen Bruders eben nicht allzu nahe gieng, denn sie tröstete Mirzamanden auf das allerliebreichste, und sagte zuletzt: Es wird zwar vor euren Augen gleich morgendes Tages ein Scheiter-Hauffen gemacht werden, allein darauf sollet ihr, meine Schwester! so wenig kommen, als eure Frau, die ihr bey euch habt, sondern ich muß nur einigen meiner mißvergnügten Unterthanen einen blauen Dunst vor die Augen machen; an eurer Stelle aber will ich zwey Mordbrennerinnen auf den Scheiter-Hauffen bringen, und verbrennen lassen; Ihr hingegen sollet durch mich zu gehöriger Zeit in Sicherheit gebracht werden, weil ich die Christen weit mehr liebe, als die Heyden.

Leichtlich ist es zu erachten, daß, da nach dem Abgange der Fürstin wir unsere Ruhe suchten, selbige jedoch keinesweges geniessen konten, vielmehr die wenigen Schlaf-Zeits-Stunden mit tausend[484] sorgsamen Grillen hinbrachten, indem wir uns auf der Fürstin, als einer Heydnischen Printzeßin, Wort eben so sehr nicht verlassen konten, mithin zwischen Furcht des Todes und des Lebens schwebeten und zwar auf eine solche jämmerliche und schmertzhaffte Art, nemlich auf einem Scheiter-Hauffen verbrannt zu werden. Allein wir wendeten uns mit einem andächtigen Gebete zu dem Allmächtigen, damit er dieser Heydnischen Fürstin Hertz regieren, und unser Leben erhalten wolle. Dieses Gebet wurde erhöret; Denn ohngeachtet wir mit dem allergrösten Schrecken den abscheulich hohen Scheiter-Hauffen aufrichten sahen, so wurden wir doch bald getröstet, weilen die Fürstin in unser Zimmer kam, und Mirzamanden verschiedene Kleynodien von hohem Werthe einhändigte, anbey sagte: »Nehmet dieses wenige, meine wertheste Schwester! auf den Nothfall mit auf die Reise, denn ich habe euch zwey Pilgrims-Kleider machen lassen, auch schon zwey Mägde bestellet, welche mit zweyen Körben, die mit Lebens Mitteln angefüllet sind, euch die richtige Strasse zur Clause des frommen und heiligen Einsiedlers Urbani zeigen sollen; welcher heilige Mann, wenn ihr nur einen Gruß an ihn von mir bringet, alles mögliche anwenden wird, euch in Sicherheit zu schaffen. Derowegen haltet euch bereit und reisefertig: denn ich will euch selbst in der Mitternachts-Stunde abholen, und durch die kleine Hinter-Thür des grossen Gartens führen, allwo die beyden Mägde eurer warten sollen; Haltet euch also nicht auf, sondern[485] setzt eure Reise in möglichster Geschwindigkeit fort, denn gleich mit Anbruch des Tages wird der Scheiter-Hauffen angezündet werden, der dem Mordbrennerinnen, keines Weges aber vor euch zur Bestraffung, auf meinen Befehl, aufgeführet worden.«

Nachdem die Fürstin unser Zimmer verlassen, fielen Mirzamanda und ich auf unsere Knie nieder, und wiederholeten das Gebet zu dem allmächtigen GOtt, welches denn auch erhöret wurde: Denn die Fürstin kam in der Mitternachts-Stunde, nahm von Mirzamanden unter sehr vielen Küssen den allerzärtlichsten Abschied, und führete uns beyde in eigener Person in Begleitung zweyer Mägde durch den grossen Garten zur Hinter-Thür hinaus, allwo wir andere 2. Mägde, die Körbe aufgehuckt hatten, antraffen, und mit denselben, nach nochmahls genommenem zärtlichen Abschiede von der Fürstin, unsere Reise antraten, und zwar dem Scheine einiger Fackeln, so hie und da am Wege aufgestellet waren, entgegen eileten, so lange bis der Tag anzubrechen begunte, da wir denn bald ein grosses Feuer-Zeichen am Himmel gewahr wurden, und daraus nicht anders urtheilen konten, als daß selbiges von dem angezündeten Scheiter-Hauffen herrührete, weiln sich solches eben über selbiger Gegend zeigte. Wir wünschten also denen Mordbreñerinnen eine glückliche Himmelfahrt, und setzten unsern Weg durch einen grossen dicken Wald auf das allereiligste fort, welchen wir nach gethanen zweyen starcken Tage-Reisen endlich nur von ferne noch hinter unserm Rücken liegen sahen. Die beyden Mägde, welche die[486] Körbe mit den Lebens-Mitteln trugen, stelleten sich ermüdeter an, als Mirzamanda und ich, weßwegen, da diese Printzeßin vermerckte, wie die faulen Mägde eben keine besondere Lust bezeigten, weiter mit uns zu gehen, einer jeden Magd einen diamantenen Ring nebst 2. Händen voll allerley güldener und silberner Müntz-Sorten gab, und sie damit umzukehren beurlaubte; jedoch musten sie uns den meisten Theil der Lebens Mittel zurück lassen, als welche wir selbsten, so gut wir nur immer konten, in unsere langen Pilgrims-Kleider einpackten.

Ob nun schon der fürchterliche dicke Wald glücklich von uns zurück gelegt war, und wir unsern fernern Weg nach dem grossen Gebürge zu nahmen, als welches Gebürge, so zu sagen die Gräntz-Scheidung des Groß-Mogulischen-Gebiets ist; so geriethen wir binnen 4. Tagen, jedoch gantz ohnvermerckt, in eine weit grössere Gefahr, nemlich in eine gantze Sand-See, welche wir kaum übersehen konten, und zum öfftern bis über die Knie darinnen baden musten. Mein Rath war, umzukehren, und uns viellieber wieder in den dicken Wald zu begeben, allwo wir doch einige frische Wasser Bächlein, ingleichen gute Kräuter und Wurtzeln zu unserer Nahrung antreffen könten, indem unsere Lebens-Mittel auf die Neige gehen wolten; Allein Mirzamanda war nicht zurück zu bringen, sondern badete immer im Sande fort, bis wir endlich die Haut von unsern Schenckeln dergestalt abziehen konten, als ob dieselbe mit siedenden Wasser verbrandt wäre. Ja, wir konten bey Tags-Zeit auf dem Sande, wegen grosser Hitze, weder stehend noch liegend, die geringste[487] Rast noch Ruhe geniessen, bis wir endlich, nachdem wir wohl gezehlet, daß es seit unserer Abreise schon 12. mahl Nacht worden, und die Sonne darauf wieder hervor gekommen war, in diesem Sand-Meere auf eine kleine so genannte Insul geriethen, die uns nicht allein ein halb verwelcktes grünes Gras, sondern auch eine hell- und klare Wasser-Quelle vor Augen stellete, als mit welchem letztern uns am allermeisten gedienet war, weilen der Durst fast noch unerträglicher, als der Hunger werden wolte; ja sich muß es nur bekennen, daß wir zu dreyen verschiedenen mahlen, ehe wir gäntzlich verschmachten wolten, eine jede ihr eigenes Wasser aus einer bey uns habenden güldenen Schaale getruncken. Wir hielten auf dieser kleinen Insul, nach meiner Rechnung, über zwey mahl 24. Stunden Rast, labten uns aus der Quelle, und zogen hernach die dicksten Gras-Stauden aus der Erde, bissen die Wurtzeln mit gröstem Appetite davon ab, und fülleten damit unsere beyden hungrigen Magen, legten uns hierauf bey eintreten der Nacht zur Ruhe, und schlieffen bis zu Aufgang der Sonnen dergestalt vergnügt und unbesorgt, als ob wir uns in einem fürstlichen Zimmer und in den allerschönsten Betten befänden, auch von einer getreuen Wache wohl verwahret würden.

Da wir nur solcher Gestalt wohl ausgeruhet, und uns recht erquickt und gelabet hatten, brachten wir noch einen halben Tag zu, um die besten Wurtzeln und grünen Stauden, die uns wegen ihrer Unschädlichkeit wohl bekannt waren, auszuziehen, und dieselben in Vorsorge wegen des etwa künfftig herannahenden[488] Hungers zu verwahren. Auch fülleten wir jede von den zwey ledigen Flaschen, worinnen vor der Zeit Wein gewesen war, vorjetzo mit Wasser, aus der schönen klaren Quelle, begaben uns also mit diesem Proviant von neuen auf die Reise nach dem Gebürge zu.


Vier gantzer Tage musten wir noch im Sande baden, ehe unsere Füsse ein vestes Land finden konten, und mittlerweile kam uns unser Proviant an Kräutern, Wurtzeln und Wasser recht herrlich wohl zu statten, indem wir sonsten wegen der fast unerträglichen Hitze ohnfehlbar hätten verschmachten müssen. So bald wir aber am Abende des 4ten Tages ein vestes Land gefunden, erblicktē wir auch auf einer Berges-Höhe ein hellbrennendes Feuer: weßwegen wir, der uns gemachten Beschreibung nach, dieses Werck nicht etwa vor ein Heydnisches Feuer, sondern als die Einsiedlerey des frommen Einsiedlers Urbani einbildeten, und in Gedancken vorstelleten; welche letztern uns denn, wie wir hernach erfahren, auch nicht betrogen hatten; Allein es war uns der grossen Mattigkeit wegen gantz unmöglich, die Höhe des Berges, auf welchem das Feuer noch immerfort brandte, zu erklettern, weßwegen wir denn an der Mitte desselben liegen blieben, in einen tieffen Schlaf verfielen, und nicht ehe, als durch den Anblick der aufgehenden Sonne ermuntert wurden. Demnach kletterten wir beyde matte und ermüdete Personen mit Händen und Füssen den Berg vollends hinauf, sahen das angemachte Feuer annoch brennen, fanden aber in der Clause oder Hütte weder Hund,[489] noch Menschen, bis wir um die Clause herum giengen, und einen Mann mit einem grossen weissen Barte (der ihm fast bis an die Gürtel-Stätte reichte) antraffen, welcher beschäfftigt war, mit einer Schauffel und Hacke ein tieffes Grab in die Erde zu machen.

Wir beteten zu GOtt, creutzigten und segneten uns alle beyde, giengen hierauf gantz dreuste auf den alten Greiß zu, und fragten ihn: warum er es sich so sauer werden liesse, ein solches tieffes Loch in die Erde zu graben, indem wir wohl sähen, daß er sehr bey solcher Arbeit schwitzte, dieser Berg aber vielleicht wohl zu hoch sey, um etwa einen Brunnen zum Wasser-Schöpffen darauf, einzugraben.

Hierauf öffnete der alte Greiß seinen Mund, und sagte zu mir: Liebe Schwester in Christo, dem Welt Heylande, erzeige mir den Gefallen, und wische mir den Schweiß von meinem Angesichte ab, sodann will ich ferner mit euch reden, weiln ich wohl weiß, daß deine Gefertin die Printzeßin Mirzamanda von Candahar, und du ihre Pflege-Mutter bist.

Ich erstaunete ziemlicher Massen über die Worte dieses Mannes, jedoch, da er den Nahmen Christi nur einmahl genennet, hielt ich ihn dennoch vor keinen Heyden oder Anbeter des Feuers und anderer Götzen; machte mir derowegen kein Gewissen, ihm den Schweiß aus seinem Angesichte mit einem reinen weissen Tüchlein abzuwischen; Mirzamanda aber gieng inzwischen etwas auf die Seite, kam jedoch bald wieder zurück, da sich denn[490] der Greiß auf eine grüne Grase-Banck niederließ, und also zu uns redete: »Ihr glaubt, meine lieben Kinder! daß ich etwa einen Brunnen graben will, um jederzeit frisches Wasser zu haben, allein dieses fehlet mir nicht, weiln etwa nur 20 bis 30 Schritte hinter dieser meiner Clause das allervortrefflichste Wasser aus einem kieselharten Felsen mir entgegen gesprungen kömmt, Ich will euch aber dieses sagen, daß das Loch, welches ich seit gestern und heute ausgegraben, mein Grab bedeuten soll. Meinen Geferten habe ich bereits vor einem halben Jahre begraben, weiln derselbe eines natürlichen und sanfften Todes gestorben war; Mir aber hat der Himmel wissen lassen, daß ich durch die Hände einer verfolgten Christlichen Printzeßin entweder beerdigt werden, oder dieselbe aus diesem Reiche in die Christenheit schaffen solte. Nun habe ich euch allen beyden schon seit etlichen Tagen daher mit sonderbarem Verlangen entgegen gesehen: denn ich weiß alle eure Umstände und Geschichte, welche mir in meinem grossen Spiegel gezeigt worden, so offt ich denselben vor mich gesetzt. Mittlerweile aber, da ich eure beschwerliche Reise gesehen, hat mir der Himmel offenbaret, daß ich zwar mein Grab machen, jedoch binnen Jahres-Frist noch nicht sterben, sondern nach Verlauff einiger Zeit mit euch eine Wallfahrt nach der Insul Ceylon, zu dem Grabe Adams, als unsers allerersten Vaters, thun soll, allda werden wir sodann ein Holländisches Schiff antreffen, dessen Patron auf Befehl einer höhern Macht uns einnehmen, und in die Christenheit führen wird, (denn ihr könnet[491] mir sicher glauben, daß ich ein so genannter natürlicher Sohn eines grossen Europæischen Printzen bin, nachdem aber dieser mein Vater gestorben, bin ich vor nunmehro 112. Jahren durch seine hinterlassenen Erben aus meinem Vaterlande vertrieben worden, und habe mich wunderlicher Weise in der Welt herum getummelt, so wohl zu Lande, als zu Wasser. Endlich nach vielen ausgestandenen Drangsalen und Gefährlichkeiten ließ mich als einen Römisch Catholischen Christen gelüsten, den Franciscaner-Münchs-Orden anzunehmen, da es denn nachhero mein Schicksal dergestalt gefügt, daß ich, nebst noch 2. anderen meiner Mit-Brüder in dieses Königreich Persien gerathen, allwo wir unsern äusersten Fleiß anwendeten, die Heyden zu dem wahren GOtte der Christen zubekehren, hergegen von der Abgötterey und sonderlich von der Anbetung des Feuers abwendig zu machen; allein, da die Heyden dieses unser Vorhaben vernahmen thaten sie uns allen dreyen nicht allein die gröste Schmach und Schande, sondern auch zum öfftern sehr viele Marter an, und endlich wurde unser dritter Mann von den Heyden gar zu Tode geschlagen; weßwegen wir armen erschrockenen zwey übrig gebliebenen Brüder uns eiligst auf die Flucht begaben, um, sonderlich bey damahligen schweren Kriegs-Zeiten, ihren Händen zu entrinnen, da uns denn der Himmel auf dieses Gebürge führete, welches, ob es gleich von aussen sehr fürchterlich, wüste und wilde zu seyn scheinet, jedennoch von innen gantz angenehm und lustig ist. Derowegen baueten wir beyde geschworne[492] Brüder sogleich eine Clause auf diese Stätte, unter welcher aber 4 in Stein gearbeitete Keller befindlich sind, und lebten in den ersten Jahren sehr schlecht und elend, nemlich von blosen Kräutern, Wurtzeln und wilden unschmackhafften Früchten, worbey uns die vortreffliche Wasser-Quelle sehr wohl zu statten kam; nach der Zeit aber haben sich aus einigen, in dem jenseitigen Groß-Mogulschen Gebiete gelegenen kleinen Städten und Dörffern immerzu Leute bey uns eingefunden, weiln wir alle beyde die Gaben hatten, zu weissagen, Krancke gesund zu machen, auch dann und wann einige besondere Wunder zu thun. Also sind wir nachhero von diesen Leuten nicht allein mit guten Speisen und Geträncken versorgt, sondern auch mit allerhand Arten von Geschencken fast überhäufft worden, bis endlich, wie ich schon gemeldet, mein Mit-Bruder ohngefehr vor einem halben Jahre gestorben, und von mir begraben ist. Nunmehro habe ich einen stumm und taub gebohrnen Mann zu meiner Bedienung, welcher mich wöchentlich 2. oder 3. mahl besucht, und zusiehet, ob ich auch noch lebe. Dieser bringet mir alles zu, was ich zur höchsten Nothdurfft brauche, und ohngeachtet er taub und stumm ist, so verstehet er doch an den Zeichen, so ich ihm gebe, alles auf das allergenaueste, was ich von ihm haben will, als wovon ihr die Proben sehen sollet, denn er wird heute, oder längstens Morgen gewiß kommen, und mir frischen Proviant bringen.«

Nachdem der alte Greiß diese seine Rede vollendet, nöthigte er uns beyde nur ihm in seine Clause[493] zu kommen, und als wir ihm gefolgt, Mirzamanda aber etwas bekü ert und traurig aussahe, sprach er zu derselben: »Ich weiß es, Printzeßin, daß ihr vor jetzo um eures Vaters wegen bekümmert und traurig seyd; allein sorget vor ihn nicht, denn ich will euch gleich zeigen, daß er noch wohl, gesund und lustig lebt.«

Hierauf stieg er hinunter in einen Keller, und brachte ein grosses, rundes, klar und hell geschliffenes-Glas herauf, welches über 2. Spannen hoch, in der Mitte aber über 3. Finger dicke war. Dieses Glas setzte er vor Mirzamanden auf den Tisch nieder, hieng ein weisses Tuch an die gegen über stehende Wand, schrieb der Printzeßin Nahmen und etliche Characters mit Kreite vor derselben auf den Tisch, da wir denn mit gröster Verwunderung sahen, wie sich auf dem weissen Tuche der Fürst von Candahar mit der offt genannten Fräulein von N. auf einem Jagd-Wagen sitzend, dergestalt ordentlich zeigten, als ob beyde mit einem Mahler-Pinsel abgeschildert wären. Dergleichen Proben machte er auf Verlangen der Mirzamanda noch einige, that auch weiter nichts mehr bey der gantzen Sache, als daß er dann und wann die Characters und Zeichen mit der Kreite veränderte. Endlich, da wir diese Lust über 2. Stunden gehabt, sprach er: »Nun, meine Kinder! will ich euch meinen taub und stumm gebohrnen Aufwärter vorstellen, gebt wohl Achtung darauf, ob derselbe nicht, ehe es Morgen Mittag wird, in eben der Gestalt, als ihr ihn jetzo sehen werdet, vor euren Augen erscheinen soll, denn ich will noch 3. Characters mehr darzu machen, damit er mir nicht über die Mittags-Stunde aussen[494] bleiben darff. Habt Acht! ob mein Frantz nicht kommen, und mich besorgen wird, denn ich habe ihn, ohngeachtet er taub und stumm ist, dennoch dem heiligen Francisco zu Ehren getaufft, ihm auch durch Zeichen sehr viele christliche Lehren und Einbildungen vom Christenthume beygebracht, und also ist dieser mein getreuer Frantz kein Heyde, sondern ein guter Christ.«

Wie nun Mirzamanda und ich durch die grosse Crystalle sahen, daß sich an der weissen Wand ein Mann zeigte, welcher einen ziemlich grossen Korb auf dem Rücken trug, über welchen auch ein langer Queer-Sack gelegt war, und er auser dem noch in der einen Hand einen ledernen Schlauch, in der andern aber ein Fisch-Netz hatte, worinnen sich lebendige Fische und Krebse befanden, so wurden wir über diesen Mann, der ein graues Kleid und einen schönen Persianischen Huth auf seinem Hauptem blicken ließ, fast zum hertzlichen Lachen bewogen.

Da nun Urbanus dieses gewahr wurde, fieng er, als ein gantz freundlicher Mann, den sein silberfarbener Bart gantz und gar nicht verstellete, indem die hochrothen Wangen sehr fein darunter hervor schimmerten, selbsten mit zu lachen an, und sagte: Sehet, meine lieben Schwestern! dieses ist die Gestalt meines Frantzens, in welcher er sich Morgen bey guter Zeit darstellen wird. Ihr aber werdet diesen Abend bey einer Flasche Wein mit kalter Küche mit mir vorlieb nehmen müssen, weilen ich heute keine warmen Speisen habe kochen können.

Ohne ferneres Reden stieg er abermahls auf einer[495] andern Treppe in die Tieffe hinunter, und brachte nach und nach das schönste Brat-Werck von allerley Fleisch und Fischen, anbey Citronen, Capern, Limonien und andere eingemachte Sachen an statt des Zugemüses und Salats herauf, hiernächst 4. solche vortreffliche Cocos-Nüsse, dergleichen ich von Grösse Zeit meines Lebens nie gesehen habe, und woran wir beyde uns ungemein labten. Urbanus bezeigte sein Vergnügen auf vielerley Art, da er sahe, daß wir uns seine Tractamenten so wohl schmecken liessen, langete derowegen 3. Flaschen von dem allerangenehmsten Palmen-Sect herbey, und nöthigte uns jederzeit auf das allerhefftigste, ihm Bescheid im Trincken zu thun. Wir führeten uns aber hierbey sehr behutsam auf, weiln uns dieser Wein etwas stärcker, als andere geringere Weine zu seyn, vorkommen wolte. Wie wir uns aber mit Speisen und Geträncken genugsam gesättiget hatten, räumete Urbanus selbsten alles vom Tische ab, brachte hergegen das Bild des gecreutzigten Heylandes nebst noch mehr als 12. bis 16. andern Bildern, die alle wie kleine Statuen von lautern Golde gegossen waren, setzte diese Statuen alle nach ihrer Ordnung auf den Tisch, fiel nieder auf die Knie, und verrichtete sein christliches Tisch- und Abend-Gebet in Persianischer Sprache. Da wir nun höreten und verstunden, daß er lauter heilige, andächtige und christliche Worte vorbrachte, liessen wir uns gleichfalls neben ihn auf die Knie nieder, und beteten zu GOtt, eine jede nach ihres Hertzens-Andacht und Anliegen. Nach Verlauff etwa einer guten Stunde richtete sich Urbanus und auch wir[496] beyden wieder in die Höhe, er aber sagte: »Nun, meine Schwestern! will ich euch ein Stück meines Lebens-Wandels erzehlen.«

Er that dieses, und weiln weder die Prinzessin, noch ich, so gar besondere Lust zum Schlaffe hatten: als höreten wir ihm mit Vergnügen zu, indem er, so zu sagen, rechte Wunder-Geschichte vorbrachte, bis der Tag fast anzubrechen schien, denn weiln er uns etliche Persianische Decken und Polster aufgebreitet hatte, so schlieffen wir bey ihm weit ruhiger als auf der Sand-Insul.

Kaum war die Sonne aufgegangen, da Urbanus, wie wir mit unsern noch halb schläffrigen Augen gewahr wurden, alle seine güldenen Bilder um den gecreutzigten Heyland herum setzte, sich mit dem heiligen Creutze vielmahl segnete, und hernach sein Morgen-Gebet kniend verrichtete, dergleichen auch wir beyde nach unserer Art und Andacht zugleich mit thaten. Als dieses geschehen, gieng Urbanus zur Clause hinaus, blieb über eine gute Stunde lang aussen, und brachte endlich einen ziemlich grossen Kessel voll gekochten Caffee nebst einem Huthe Zucker unter seinem Arme herein getragen. Wie genossen ein vieles von diesem edlen Geträncke, und zwar mit gröstem Appetite, aus güldenen Schalen, worauf er uns ein anderes starckes Geträncke darreichte, um das Caffee-Wasser, seinem Sagen nach, damit nieder zu schlagen, welches er selbsten erstlich etliche mahl credentzete. Nachdem wir nun auch von diesem etwas zu uns genommen, ging Urbanus an sein Schau-Fenster, rief Mirzamanden[497] und mich, und sagte zu uns: »Gucket mir zur Liebe doch alle beyde hinaus, ob ihr etwa die Person besser mit euren jungen, als ich mit meinen alten Augen erkennen möchtet, welche auf meine Clause daher zugegangen kömmt!« Als wir nun beyderseits hinaus guckten, sahen wir gleich, daß es der Frantz in Leibs- und Lebens-Grösse, auch in allen Stücken so beschaffen war, wie er sich gestern im Kleinen an der weissen Wand dargestellet hatte. Derowegen rieffen die Prinzeßin und ich fast zu gleicher Zeit: Lieber Vater, diese Person ist ohnfehlbar euer Frantz. »Ja! er ist es,« (gab Urbanus zur Antwort) »aber lasset ihn näher kommen.« Wenige Minuten hernach kam also der Frantz, welchen Urbanus erstlich in die untersten Keller führete, allwo er seine Sachen abpacken, und ihm von allen Dingen durch Zeichen seinen Bericht abstatten muste. Wir sahen dieses alles wohl mit an, konten aber aus ihrer beyder Zeichen-Sprache nicht das geringste verstehen, wurden jedoch gewahr, daß Frantz in seinem Korbe das beste und schönste Fleisch von allerley Art, nebst Fischen, Krebsen und noch viel mehreren Lebens-Mitteln mitbrachte, auch jegliches an gehörigen Ort und Stelle zu schaffen wuste.

Demnach hatten wir folgendes Abends eine recht Fürstliche Mahlzeit zu verzehren. Nach deren Einnehmung verrichtete Urbanus abermahl seinen Gottesdienst, und erzehlete hernach der Prinzeßin und mir noch ein Stück von seinem Lebens-Lauffe, welches alles ich dergestalt in mein Gedächtnis[498] gefasset, daß ich es ihm, so zu sagen, von Punct zu Puncte nach erzehlen wolte, wenn es anders die Zeit litte.

Andern Tages meldete uns Urbanus, daß er seinen Frantz nochmahls fortgeschickt, und dieser würde erstlich in 6 Tagen zurück kommen; mittlerweile aber, da er eine abermahlige himmlische Offenbahrung gehabt, wolten wir uns zu unserer Reise nach der Insul Ceylon geschickt machen, indem wir, laut der himmlischen Offenbahrung, wenige Zeit zu versäumen hätten, wenn wir unser Glück daselbst machen, und auf einem christlichen Schiffe nach Europa oder in die Christenheit wolten gebracht werden. Wir bezeigten uns willig und bereit darzu, musten ihm aber alle Tage fleißig kochen, sieden und braten helffen, welche Arbeit wir denn mit Lust verrichteten, indem hiermit etwas Guts in unsere ausgehungerte Magen kam, auch die vortrefflichsten Weine, dergleichen Frantz einen gantzen Korb voll Flaschen mit gebracht hatte, unsere Glieder erqvickten.

Solchergestalt liessen wir es uns bey diesem Einsiedler, der gewisser maassen besser, als mancher grosser Fürst lebte, ungemein wohl gefallen, indem wir gut Essen und Trincken hatten, auch uns keiner besondern Gefahr besorgen durfften, anbey einer stillen Gemüths-Ruhe genossen, und zwar zu Besänfftigung der Angst und Quaal, die wir beyderseits seit einiger Zeit ausgestanden hatten.

Frantz kam am Abende des 6ten Tages fast noch stärcker, als vormahls, recht wie ein Esel[499] beladen, wieder zurücke, und brachte auser den vielen Lebens-Mitteln 2 gantz neue Pilgrims-Kleider mit, nemlich eins vor sich und eins vor Urbanum. Hierauf führete uns Urbanus bey Nachts-Zeit in seine unterirrdischen Gewölber, da wir denn einen erstaunlichen Vorrath von allerhand schönen Sachen, nebst vielen güldenen und silbernen Geschirren, auch eine ziemliche Menge Diamanten und Kleynodien antraffen, welche letztern er mir und der Prinzeßin darreichte, um dieselben, so wie er selbsten that, in unsere Pilgrims-Kleider einzunähen.

Wie nun dieses geschehen, und unsere Kleider, in welchen ohne dem viel dergleichen Zeug schon stack, ziemlich beschweret worden, musten wir beyde ihm die güldenen und silbernen Geschirre so wohl, als das Uberbleibsel von Kostbarkeiten und andern theuren Sachen, ingleichen das gemüntzte Gold- und Silber-Geld bis an sein gemachtes Grab tragen helffen; welches alles von ihm in das Grab geworffen, und dasselbe mit unserer Behülffe, zugescharret, und der Erden gleich gemacht wurde.

Als dieses vollbracht, gieng er dreymahl um den Platz des zugescharreten Grabes im Creyse herum, murmelte viele Worte und Sprüche her, die wir nicht verstehen konten, mit dem spitzigen Stabe aber, den er in der Hand hatte, zeichnete er 9. Characters oder Buchstaben, die uns unbekannt waren, in die Erde, sprung hernach viele mahl auf dem zugescharreten Grabe herum, und bath uns, daß wir dergleichen thun solten, worinnen wir ihm denn auch Folge leisteten, also recht tapffer[500] auf dem Grabe herum sprungen. Hierauf befahl er uns, noch etwas zu verrichten, welches ich aus Schamhaftigkeit eben nicht melden will; Allein wir erfülleten auch in diesem Stücke seinen Willen, worauf er uns denn zurück in seine Clause führete, und nachdem wir unser Nacht-Gebet ordentlicher Weise zu GOtt verrichtet, sich dieser Worte vernehmen ließ: »Nun habe ich mit eurer Beyhülffe einen solchen Talisman gemacht, den mir gewiß kein Heydnischer Wahrsager, Zeichen-Deuter, Schatz-Gräber, oder, er sey auch, wer er nur immer sey, auflösen wird, und wenn er gleich die 3. obersten höllischen Geister zu seiner Beyhülffe anruffte: denn der Kasten, worinn die Kleynodien, wie auch die güldenen und silbernen Münzen befindlich, ist mit dem wahrhafften Siegel des allerweisesten Königes Salomonis versiegelt, als vor welchen alle bösen Geister erzittern, und sich schleunig zurück begeben müssen. Es soll aber, (sprach er ferner) dieser Schatz, welcher, wie ihr gesehen habt, eines ziemlich starcken Werthes ist, vor euch Prinzeßin Mirzamanda verwahrt und aufgehoben seyn, weiln ich den Heyden diese Kostbarkeiten (worunter sich kein Stäublein ungerechtes, sondern alles auf redliche Art und Weise erworbenen Guts befindet) durchaus nicht gönnen will: Wenn ihr denselben nicht braucht, so bin ich damit sehr wohl zufrieden, denn ich lese an eurer Stirne geschrieben, daß ihr längstens binnen 2 oder 3 Jahren auf dieser Welt euren vollkommenen Glücks- und Ruhe-Stand finden[501] werdet. Nehmet hin aus meiner Hand diesen Schlüssel, welchen ihr auf das aller behutsamste zu verwahren habt, so bald dieser Schlüssel von euch oder von einem durch euch Abgeordneten, nur auf das Grab gelegt wird, soll sich solches von selbsten aufthun, und alle Kostbarkeiten in die Höhe heben.

Nach Endigung dieser Worte überreichte er Mirzamanden ein ungemein kostbares goldenes mit Diamanten, Rubinen und andern raren Edelgesteinen versetztes, sehr sauber ausgearbeitetes Crucifix, welches gantz bequemlich auf der Brust zu tragen war, wickelte dasselbe in ein Stücke Pergament, auf welches er vorhero noch verschiedene Characters und Buchstaben mahlete, hüllete solches alles in weisses Wachs ein, und sagte nur noch dieses: Hier habt ihr, was ihr haben sollet, und was euch auf dießmahl von der Güte des Himmels beschehret ist.«

Demnach küssete Mirzamanda unserm Wohlthäter die Hand, welches sie denn ihrem hohen Stande ohnbeschadet, zumahlen in Betrachtung der grossen ererbten Schätze, gantz wohl thun konte. Immittelst war der getreue Frantz von allem dem, was vorgegangen war, gantz und gar nichts inne worden, und da wir nachhero Urbanum fragten: wo denn sein Frantz hingekommen wäre, weilen wir denselben nicht sähen? so gab er uns zur Antwort: bekümmert euch nur um nichts! denn Frantz wird zu rechter Zeit nebst 2. mit Lebens-Mitteln beladenen Maul-Thieren bey uns erscheinen,[502] inzwischen machet euch nur dergestalt fertig zur Reise, daß wir nicht muthwilliger Weise die edle Zeit versäumen, um an gehörigen Ort und Stelle zu kommen.

Wir leisteten ihm Gehorsam, und da Frantz am dritten Tage mit zweyen wohl beladenen Maul-Thieren erschien, wurden die Sachen in gröster Geschwindigkeit umgepackt, und wir reiseten also, gleich bey Aufgange der Sonne, aus der Clause heraus, nemlich Urbanus, Mirzamanda, ich und Frantz, welcher die 2. starck bepackten Maul-Thiere leitete.

Unsere Strasse nahmen wir durch das Groß-Mogulsche Gebiethe, nach dem äusersten Hafen zu, in welchem wir vielleicht ein Schiff anzutreffen verhofften, das nach Ceylon überseegelte, oder wenn alle Stricke rissen, ein solches Schiff vor Geld miethen könten: denn wir hatten ja alle 3. so viel Kleynodien und Edelsteine bey uns, daß wir noch wohl ein eigenes Schiff hätten davon bezahlen können.

Unterdessen kamen wir, nach einer 2. monathlichen Reise zu Fuß, welche jedoch, da wir nach unserm Vergnügen reiseten, und die Tage-Reisen indem dieselben nach Belieben eingerichtet wurden, uns gar nicht beschwerlich fielen, endlich glücklich in der Stadt und dem Hafen Cambaja an. Wie wir nun unterwegs von niemanden den geringsten gefährlichen Anstoß gehabt, indem alle die, so uns begegneten, und gefragt: wo wir hin wolten? zur Antwort bekamen; daß wir heilige Pilger wären, und das Grab Adams[503] auf der Insul Ceylon besuchen wolten; uns in Friede und Freundschafft fortwandern liessen, auch nicht einmahl unsere Maul-Thiere antasteten, so waren wir desto freudiger. Hierbey bemerckten wir, daß alle Einwohner dieses Landes vor den alten graubärtigen Urbanum eine gantz besondere Hochachtung bezeigten; ob er sich nun dieselbe durch seine Künste und Wissenschafften zu Wege gebracht, oder ob es ordentlicher und natürlicher Weise zugegangen, davon kan ich eben so genau nicht Rede und Antwort geben. Unterdessen brachte uns der graue ansehnliche Bart vor diesesmahl glücklich durch, indem er bis in Cambaja hinein beständig vor uns hergieng.

In jetztgedachtem Cambaja traffen wir gleich in der ersten Herberge einen Mann an, der fast eben eben einen so langen Bart trug, als unser Urbanus. So bald nun dieser Mann unsern Urbanum kaum erblickt, kam er also gleich auf ihn zugegangen, umarmete und küssete ihn. Darauf giengen beyde hinaus in den Garten spatzieren herum, und unterredeten sich wohl 2. gute Stunden gantz alleine mit einander. Endlich kam unser Urbanus wieder zu uns, ließ eine gute Mahlzeit vor uns zubereiten, nach deren Genuß er die Prinzeßin und mich auch in den Garten führete, und dieses sagte: »Meine Schwestern! es ist dieser Mann, von dem ihr gesehen, daß er mich gehertzet und geküsset hat, zwar ein Jude; aber glaubt mir dieses: ob er gleich ein Jude, mit dem ich schon seit etlichen 30. bis 40. Jahren gehandelt[504] und zu schaffen gehabt, er dennoch, ohngeachtet er nicht unseres christlichen Glaubens, ein uns von GOtt zugeschickter heiliger Engel ist, der uns glücklich auf die Insul Ceylon und noch weiter befördern wird.«

Dem Urbano glaubten wir alles, was er uns vorsagte, und traueten seiner fernern Vorsorge, worinnen wir uns auch nicht im geringsten betrogen fanden: Denn eben dieser Jude, welchem Urbanus vielleicht etliche kostbare Kleinodien mochte zugesteckt haben; verschaffte uns allen, von dem Calif oder obersten Befehlshaber Frey-Pässe, so daß wir, nachdem wir uns noch etliche Wochen in Cambaja aufgehalten, ohngehindert auf einem Mogulschen Schiffe, in Begleitung des Juden, nach der Insul Ceylon abseegeln konten.

Wir hatten eine rechte vergnügte Fahrt, und traffen daselbst viele christliche Schiffe an, weilen aber Urbanus auf dieser Insul viele seiner Glaubens-Brüder antraff, so ließ er es sich mit deren Beyhülffe auf das alleräuserste angelegen seyn, die daselbstigen Heyden zum christlichen Glauben zu bereden; Sie waren auch anfänglich sehr glücklich, indem sich über 80. Heydnische Familien zum christlichen Glauben wendeten; Allein, die Sache kam bald heraus, derowegen wurden die Christen aufs grimmigste verfolgt, und deren mehr als 100. getödtet, worbey denn unser lieber Urbanus sein so hoch gebrachtes liebes Leben auch mit einbüssen muste. Mirzamanda so wohl, als ich haben seinen jämmerlichen Tod mit bittern Thränen beweinet,[505] jedoch eine höhere Gewalt regierete des alten Juden Hertze dergestalt, daß er uns auch dasiges Orts nicht allein den kräfftigsten Schutz verschaffte, sondern auch Mirzamanden, mich, den Frantz und den Löwen, als welcher Letztere zu unser allergrösten Verwunderung und Erstaunen, nachdem er, wie wir nicht anders vermuthen konten, sein Behältnis in Candahar durchbrochen, die Spur bis zu des Urbani Clause glücklich gefunden, (wobey wir nichts bedauerten, als daß er sich nicht eher bey uns eingestellet, da wir von des Arab-Ogli Jägern gefangen, und ferner auf dessen Schloß gebracht worden, da denn gewiß ein starckes Blutvergiessen und Zerreissung unserer Feinde würde entstanden seyn) auf ein Holländisches Schiff verdunge. Der Jude bekam dabey eine nicht geringe Anzahl von Kleynodien und andern Edelgesteinen in seinen Juden-Beutel. Ehe wir noch zu Schiffe giengen, kam das Weibes-Stück Hadscha, welche vor Mirzamanden einen Fußfall that, und dieselbe mit Thränen bath, sie mit sich zu führen. Ob nun schon Mirzamanda wuste, daß Hadscha eine Heydin, Anbetherin des Feuers und anderer Götzen war so ließ sie sich durch ihre demüthige Stellung doch dahin bewegen, daß sie dieses Mensch, welches ihr von Jugend auf, sonsten in andern Stücken, viele getreue Dienste gethan, mit sich zu nehmen beschloß, und dieserwegen dem Schiffs-Patrone einen schönen Diamantenen Ring gab, in Hoffnung, dieses liederliche Weibes-Stücke mit der Zeit und Gelegenheit zum christlichen Glauben[506] zu bringen; Allein, wir fanden bald bey ihr, daß sie die allerwenigste Lust zum Christenthume hatte, um so viel desto mehr dauerte uns aber, daß der gute Frantz, welcher doch viele Merckmahle, ein Christ zu seyn, von sich gab elendiglich an der See-Kranckheit sterben muste, weßwegen er, nachdem wir seinen Pilger-Habit ihm ausgezogen und zu uns genommen, (als welcher mit Kleynodien und Edelgesteinen ziemlicher Maassen beschweret war) sein Begräbnis in der See finden muste. Uns aber trieb nachhero ein stürmender Würbel-Wind immer aus einer Ecke in die andere, und schlug uns um viele kleine Insuln lincks und rechts herum, wir konten aber niemahls zu Lande kommen blieben hergegen zum öfftern auf Sand-Bäncken sitzen, und stiessen nicht selten an verborgene Klippen, bis wir endlich, nachdem wir viele Wochen herum geschwärmet, an einer unbekannten Insul, die, wie ich nunmehro weiß, Klein-Felsenburg genennet wird, mit Schiff und Geschirre zu scheitern giengen, da denn, weil es schon finster war fast der meiste Theil unserer Mannschafft ersoffe; Mirzamanda aber, ich und die Hadscha waren doch so glücklich, das Ufer zu erlangen, ohngeachtet uns die Kleider dieses mahl sehr beschwerlich fielen: denn wir halten der Hadscha des Frantzens Pilger-Kleid angezogen, welches eben so schwer war, als die unserigen. Jedoch nachdem wir nur erstlich einen grünen Platz gefunden, auch die Vorsorge des Himmels uns eine ziemliche Menge von Lebens-Mitteln aus dem zerscheiterten Schiffe zuführete,[507] so beschlossen wir gleich, der See nicht weiter zu trauen, und wenn auch das Schiff schon ausgebessert würde, sondern viel lieber an diesem schönen Orte von Kräutern, Wurtzeln und allerley Baum-Früchten uns so lange zu ernähren, bis der Himmel sich unserer erbarmte, und Gelegenheit zu einem bessern Zustande an die Hand gäbe.

Der Himmel hat uns nicht fallen lassen, denn wir fanden unvermutheter Weise die Felsen-Schlufft, durch welche wir alle 3. benebst dem Löwen auf Händen und Füssen hinauf krochen, weiter habe ich vorjetzo nichts zu sagen, denn die Herrn Felsenburger wissen ausser dem schon besser, wie? wann? wo? und welcher Gestalt sie uns angetroffen haben.

Dieses eintzige aber will ich nur noch melden, daß der ehrliche Jude Rabbi Moses, wie er sich nennete, mit seinem silberfarbenen ansehnlichen Barte, auch so wohl wie andere ohnbärtige zugleich mit ersauffen muste. Es gieng so wohl Mirzamanden, als mir sein Unglück sehr nahe, weilen er uns auf der Reise viele Gefälligkeiten erwiesen, sonderlich aber auf der Insul Ceylon, denn er führete uns, weil wir des Urbani Reden nach, eine grosse Begierde bezeugten, des Adams Grab zu sehen, (welche Glückseligkeit aber der gute Urbanus nicht erleben können) an dem Fusse eines Berges welcher in der Landschafft Matura liegt. Hieselbst fanden wir ein in einem Felsen gehauenes Begräbnis, und in selbigem einen Leichen-Stein, auf welchem diese Characters, oder unbekannten Buchstaben, zu sehen, wie mir denn der Jude dieselben[508] mit gröstem Fleiß vermittelst einer Reiß-Feder, sehr geschicklich abgezeichnet hat, und wovor ich ihm zur Gegengefälligkeit ein kleines Geschencke gab. Dessen Zeichnung ist also diese:


Lebens-Geschichte der Persianischen Printzeßin Mirzamanda aus Candahar

Wir giengen also mit dem Abrisse dieser 25. Characters und unbekannten Buchstaben so wohl zu allen Christlichen, als Heydnischen Gelehrten, und bothen ihnen Geschencke an, um unsere Begierden mit Auslegung derselben zu stillen, allein, unter allen, die sich damahls von beyderley Art annoch auf dieser Insul aufhielten, befand sich keiner, der uns in diesem Stücke vergnügen wollen; sondern sie bekannten alle einmüthig, daß die Bedeutung derselben bis auf diesen Tag nicht hätte können erforschet werden. Unterdessen sagen die Einwohner dieser Insul vor gewiß: daß der erste erschaffene Mensch Adam in diesem Begräbnisse begraben läge. Der Stein ist 14. Fuß lang, 5. Fuß breit u. anderthalb Elle dicke, sehr glatt und dergestalt gläntzend, als ob er polirt wäre. Zur Seiten dieses Begräbnisses siehet man 5. steinerne[509] Pfeiler. An dem Haupt-Ende des Leichen-Steins stehet ein anderer aufgerichteter Stein, jedoch nicht so schön und sein, sondern etwas gröber und sandiger, als der, den ich schon beschrieben, sein Ansehen ist recht unvergleichlich zu nennen, indem er von allerley Arten der Farben, durchwachsen und recht bewunderns würdig geflammet, so wie manche Sorten von Marmor-Steinen sich zu finden pflegen. Dieses Steins Grösse, Dicke und Breite trifft mit des erst gemeldten in allen Stücken überein. Es ist aber derselbe Stein ohne Gemählde, Zierrathen, Characters, oder Buchstaben, und stehet von dem ersten 6. Fuß ab. Demnach ist der gantze Inbegriff von dieser Grab-Städte 36. Fuß.

Hinter diesem Steine stehet eine in Stein gehauene Lampe mit einer brennenden Materie, ohne, daß weiter etwas darf hinein gethan werden, doch scheinet der Docht jederzeit, als ob er voller Oel wäre. Etwa 4. oder 5. deutscher Meilen von dar liegt noch ein sehr hoher spitziger Berg, der dem Ansehen nach einem spitzigen Thurme gleichet, auf dessen Gipffel ist eine kleine Ebene, und auf selbigem Platze siehet man eine Fußstapffe, deren Länge anderthalb Fuß. Die Einwohner sagen hierbey, es solle Adam seinen Fuß auf dieser Stelle eingedruckt haben; jedoch eben diese Einwohner sind in diesem Stücke nicht einerley Glaubens, weilen einige wollen, es sey einer von ihren Heydnischen Priestern, Bourdau genannt, von ihren Vorfahren zum Könige über sie erwählet worden; und gemeldter Bourdau wäre[510] gewohnt gewesen, sein Gebet auf diesem Brrge zu verrichten, worauf er eines Tages lebendig gen Himmel gefahren, oder von den Göttern hinauf gezogen worden. Bey solcher Aufziehung nun habe er diese Fußstapffen zu seinem Angedenken zurück gelassen. Der Christen Glaube bey dieser Geschichte ist aber gantz anders beschaffen, als welche davor halten, und aus alten Uhrkunden versichern wollen: es habe der Teuffel diesen Bourdau, als einen Ertz-verfluchten Götzen-Knecht, leibhafftiger Weise gehohlet, und von der allerhöchsten Felsen- Klippe herunter gestürtzt, da denn seine Cameraden, nemlich die andern Götzen-Knechte und Priester, gar leicht eine solche Fußstapffen einarbeiten, nachhero aber dem einfältigen Volcke vorschwatzen können, als ob Bourdau lebendig gen Himmel gefahren wäre, und dieses Wahrzeichen zurück gelassen hätte, denn die Ceylonier sind, meines Erachtens, ein sehr tummes Volck, sonderlich aber in Glaubens-Sachen.

Unterdessen aber sind sie doch von ihren Götzen-Priestern noch ferner in so weit verführet oder verblendet worden, daß sie gewiß glauben: dieser gen Himmel gefahrne Bourdau wolle und könne auch ihre Seelen in den Himmel nach sich ziehen, und dieselben zur ewigen Seligkeit bringen. Ja! sie beten ihn mit der grösten Andacht an, und halten diesen Teufels-Braten recht vor ihren Halb-Gott; wie denn ihm zu Ehren alljährlich, nach der Christen Zeit-Rechnung, den 9. Tag des Monaths Aprilis ein grosses Fest, mit dem sie zugleich ihr neues Jahr anfangen, angestellet wird,[511] welches Fest Mirzamanda und ich etliche Tage lang in gröster Stille und Behutsamkeit mit abgewartet haben.

Es finden sich bey diesem Feste unter andern Arten von Heyden auch viele Mohren zusammen, welche alle den gen Himmel gefahrnen König Bourdau anbeten, und ihm ihre Opffer bringen. Sonsten aber wird dieser Berg die Adams-Pagua genennet, und ist unter demselben eine grosse fürchterliche Höhle, worinnen sich ihrem Vorgeben nach, noch viele Heiligthümer befinden sollen; es wird aber kein Fremder leichtlich in diese Höhle gelassen, wenn er nicht einen sehr guten Freund unter den Götzen-Priestern zu seinem Führer hat, welche Pfaffen sich aber durch wenige Gold-Stücke gar bald erkauffen lassen, alle belachenswürdige Geheimnisse zu zeigen, welche in der Höhle befindlich sind.

Sonsten muß ich noch dieses vorbringen, wie ich zwar die Persianer vor sehr grobe Heyden und Abgötter erkenne; allein es werden dieselben von den Einwohnern der Insul Ceylon noch um ein vieles übertroffen, indem, wie ich davor halte, dieselben von ihren Götzen-Priestern gewaltig verblendet, vielleicht auch wohl gar bezaubert sind. Denn sie glauben endlich wohl, daß ein GOtt seyn müsse, der Himmel und Erden erschaffen hätte, auch den Menschen auf der Welt viel Gutes angedeyhen liesse; diesen aber anzubeten, wollen sie sich nicht die geringste Mühe geben. Im Gegentheil beten sie den Teufel täglich an, und sagen, daß, wenn sie diesen, von dem alles Böse käme,[512] nicht allezeit demüthig entgegen giengen, würde er sie insgesammt bald vertilgen und umbringen. Und dieses ist der Glaube dieser verblendeten, bethörten und vielleicht bezauberten Menschen, weßwegen Mirzamanda und ich dem allmächtigen GOtt auf den Knien danckten, als uns die Zeit unserer Abfährt von dem Juden angekündiget wurde.

Hiermit aber will ich, (redete die Anna noch weiter) vor dieses mahl den Bericht von dem bisherigen Lebens-Lauffe meiner Prinzeßin und meines selbst eigenen beschliessen, indem ich doch die Haupt-Sachen vorgebracht, die andern Neben-Dinge aber, worinnen sich noch viele Merckwürdigkeiten, befinden, benebst der Erzehlung des Persianischen schweren Krieges, werde bis auf eine andere Zeit versparen, weilen doch mir so wohl, als meiner Prinzeßin das Glück angebothen worden, daß wir bis zu fernerer Verfügung des Himmels auf dieser glückseeligen Insul Groß-Felsenburg bleiben, und in sicherer Ruhe leben solten. Wir dancken demnach, da wir bey so vielen frommen, gutthätigen, lieben Leuten, so zu sagen, den Himmel auf Erden gefunden, der gnädigen Vorsorge des Allerhöchsten, und wünschen weiter nichts mehr, als daß wir nur noch eine eintzige Reise auf das Mogulisch-Persische Sand-Gebürge thun möchten, um des Urbani Grab zu eröffnen, die darinnen befindlichen Schätze heraus zu nehmen, und dieselben anhero zu bringen. Unterdessen muß ich doch glauben, daß Urbanus, ohngeachtet er mit vielen verborgenen Künsten und[513] Wissenschafften umgegangen, auch dieselben jederzeit bis an sein unglückseliges Ende glücklich durchgeführet, ein besonders guter Christ und heiliger Mann gewesen seyn müsse, weilen sein Seegen und seine Propheceyung solcher gestalt wider unser Hoffen und Vermuthen, ja nach unserer Hertzen Wünschen, so glücklich gewürckt und eingetroffen hat.

Mir Eberhard Julio wurde von den Geistlichen und Aeltesten anbefohlen, der Prinzeßin Mirzamanda, die wir nunmehro aber auf unserer gantzen Insul blos Prinzeßin Christiana nennen, dieses zu melden: wie sie sich weder um den Mogul, noch um den zukünfftigen Schach in Persien gantz und gar nichts mehr zu bekümmern hätten, und die Gedancken wegen ihrer verborgenen Schätze nur aus dem Sinne schlagen solten, weilen wir dergleichen Plunder im grösten Uberflusse besässen; unterdessen könte doch mit der Zeit wohl Rath darzu werden, dieselben mit guter Manier abzuhohlen. Mittlerweilen aber solten sie alle beyde in sicherer Gemüths-Ruhe so lange bey uns bleiben, auch vor nichts sorgen, bis uns der Himmel insgesammt verderbte, welches doch nicht zu hoffen stünde, wenn wir als fromme Christen ihm vertraueten, und fleißig beteten. Wie ich nun diese aus der Frau Anna Holländischem Munde gethane Geschichts-Erzehlung, so zu sagen, vom Munde aus, in deutsche Ubersetzung gebracht, beruhigten sich alle beyde dergestalt, daß wir alle insgesammt sonderlich unsere Freude über ihren andächtigen Gottesdienst und frommen, stillen,[514] christlichen Lebens-Wandel haben musten. Ja, ich glaube, (jedoch dieses anheute noch im Vertrauen gesprochen) daß unser Regente, Albertus Julius II. dem der Tod vor etlichen Wochen seine liebwertheste Ehegemahlin geraubt hat, vielleicht aus dieser schönen Prinzeßin, dem Beyspiel des Königs David zu Folge, eine Abisag von Sunem machen werde, wovon im 1. Capitel des 1. Buchs von den Königen gleich zu Anfange desselben im 1. 2. 3. und 4. Versicul ein mehreres zu lesen ist. Unterdessen, wenn es ja dahin kommen solte, so weiß ich gewiß, daß auf der gantzen Insul sich keine lebendige Seele finden wird, die hierwider etwas einzuwenden hätte, weilen der Prinzeßin Christiana holdseelige und liebreiche Aufführung, derselben die Gunst und Gewogenheit auch so gar der kleinesten Kinder zu Wege gebracht. Mit dem Regenten aber kan sie bereits dergestalt vertraulich und schmeichelhafft umgehen, daß er sich seinen alten grauen Bart von niemanden lieber auskämmen und zu rechte machen läst, als von der Christiana, die ihm dieses am allerbesten zu Dancke machen kan, und es auch recht mit Lust thut.

Von unsern Haupt-Geschichten aber noch ferner etwas zu melden, so ist zu wissen, daß wir um selbige Zeit in jeder Pflantzstadt eine kleine neue Kirche, wie auch ein Schul-Hauß vor die Jugend zu erbauen den Anfang machten. Demnach wurden auch die hierzu behörigen Priester ordinirt, und die Schul-Diener wohl bestellet, und zwar alle von unsern eingebohrnen Felsenburgern, welches in Wahrheit Leute sind, die manchen [515] Europæischen so genannten Geistlichen oder Theologis, was Glauben, Lehre und Leben anbelanget, keiner Haare breit nachgeben, sondern vielmehr vielen die Spitze biethen sollen, ohngeachtet sie niemahls auf eine so genannte Universität gekommen, sondern nur von unsern 3. Geistlichen, hernach auch von uns andern in diesen und jenen Künsten und Wissenschafften, sonderlich aber in allerley Sprachen unterrichtet worden; Allein, hierbey habe ich hauptsächlich bemerckt, was ein unermüdeter Fleiß in Lesung guter Bücher, und über dieses alles die Gabe des heiligen Geistes würcken und ausrichten kan. Unterdessen ist unsere Haupt-Kirche auf dem Platze unter der Alberts-Burg, wie ihr mein lieber Capitain Horn sehet, annoch in ihren vorigen Ehren und Würden, ja noch in weit besserm Stande, als ihr dieselbe vor eurer Abreise gesehen, und es wird der Gottesdienst so wohl Sonn- als Fest-Tags, nach wie vor, darinnen gehalten, auch jederzeit das Signal mit einem Carthaunen-Schusse und Läutung der Glocken gegeben, da sich denn ein jedes nach seinem Belieben einstellen kan. Denen Krancken, Müden und Matten aber wird gar nicht verarget, wenn sie zu Hause bleiben, und den Gottesdienst in ihrer Pflantzstadts-Kirche abwarten.

Hierbey muß ich gedencken, daß ich nunmehro unsere Pflantzstädte, mit gröstem Rechte, Städte nennen kan: denn ihr, mein lieber Bruder Horn! habet dieselben nur noch als kleine Dörffer verlassen; aber gebt euch einmahl die Mühe, dieselben[516] nunmehro recht genau zu betrachten, so werdet ihr mir Beyfall geben, daß es lauter schöne Städte sind, indem sich die Einwohner derselben, binnen eurer Abwesenheit, die Auferbauung der saubersten und bequemlichsten Häuser auf das allerfleißigste so wohl bey Tage, als bey Nachts-Zeit dergestalt angelegen seyn lassen, daß wir zum öfftern die gröste Mühe gehabt, sie davon zu verhindern, um den Feld-Wein- und Garten-Bau solcher gestalt nicht in Vergessenheit gestellet zu sehen.

Jedoch unsere lieben Brüder, Schwestern und Freunde liessen sich, als recht vernünfftige Leute, dergestalt weisen, daß auch hieran nichts versäumet wurde; weßwegen denn auch her allmächtige GOtt so barmhertzig und gnädig war, daß er uns ein solches fruchtbares Jahr beschehrete, dergleichen unsere Vorfahren, seit dem GOtt selbst den Grund-Stein zu dieser Insul geleget, und ihnen ihren Aufenthalt darauf vergönnet, so lange als sie auf selbiger gelebt, noch niemahls gehabt. Wie wir denn solches aus den Jahr-Büchern, Zeit-Rechnungen und andern alten Uhrkunden, die sich so wohl von dem alten Don Cyrillo, als vom Alberto Julio I. herschreiben, wohl beobachten können.

Kurtz: ich will mit wenig Worten nur so viel sagen, daß der allmächtige GOTT in diesem Jahre so wohl bey dem Feld- als Wein- und Garten-Baue, ein Hundert in etliche Tausend verwandelte, dergestalt, daß wir recht darüber erstauneten, weilen wir nicht wusten, wo wir mit[517] unserm Seegen überall hin solten, und dieserwegen noch verschiedene Vorraths-Häuser aufbauen, auch noch viele Keller eingraben musten, um den kostbaren Wein, dergleichen wir auf dieser Insul noch niemahls gehabt, nicht verderben zu lassen; bey welcher Gelegenheit denn die Faßbinder, deren so genannte Innung sich bereits starck vermehret, ein ziemlich Stückgen Arbeit bekamen.

Mittlerweile, da alles, was sich auf der Insul nur regen konte, vom Grösten bis zum Kleinesten, mit der allerfleißigsten Arbeit beschäfftiget war, beredeten Mons. Plager, Litzberg, Cramer und ich, nebst andern guten Freunden uns unter einander, die Fahrten nach der Insul Klein-Felsenburg aufs neue fortzusetzen, um zu sehen, was unsere daselbst zurück gelassenen Brüder benebst den Portugiesen vor gut Garn spönnen.

Demnach traten wir diese Fahrten wöchentlich 2. bis 3. mahl an, brachten den dasigen allezeit die besten Lebens-Mittel mit, und traffen dieselben jedes mahl lustig und aufgeräumt, auch in der schönsten Ordnung an, indem sie von Zeit zu Zeit dermasen überflüßig zugeführt bekommen hatten, daß sie weder über Mangel, Noth, noch Hunger klagen konten. Vincentius schien vor Freuden gantz auser sich selbst zu seyn, als er uns zum ersten mahle wieder erblickte, ja, er wuste seine Hochachtung gegen uns nicht gnugsam an den Tag zu legen, dergleichen seine Cameraden auch thaten. Wie wir sie nun mit starckem Geträncke, so wohl von allerley Weinen, als andern Sorten, recht ungemein gelabet hatten, sie uns hergegen[518] viele niedliche Speisen vorgesetzt, die wir mit dem grösten Appetite zu uns genommen, so führeten sie uns alle insgesammt heraus auf den Platz, und zeigten uns ihre Stücken-Arbeit, welche in etliche 150. Silber- und Goldhältigen Ertz-Stuffen bestund, da denn manche der grösten Stuffen über die 20. bis 30. Centner am Gewichte zu schätzen war, worbey uns denn jammerte, daß wir dieselben nachmahls zerschlagen, und in kleinere Stücken bringen solten, weilen aber des Zeuges in der Menge da war, so machten wir uns auch daraus nicht eben allzu viel.

Wir wurden aber weiter geführet, und uns gezeiget, daß die Portugiesen mit Beyhülffe unserer Felsenburger 2. grosse und 3. etwas kleinere wohl ausgearbeitete Fahrzeuge verfertiget, an welchen nichts fehlete, als hie und da ein und anderes eiserne Beschläge, ohngeachtet alles mit blossem Holtz- und Pflöcker-Werck dergestalt bevestiget war, daß man fast keine eiserne Beschläge dabey vonnöthen hatte, mithin diese Fahrzeuge vor rechte Kunst- und Meister-Stücke bey den Seefahrern erkennen muste. Hierbey aber bekam ich gegen die Portugiesen einen üblen Verdacht, konte auch denenselben nicht verbergen, sondern sagte ihnen frey in die Angesichter, daß dieses vielleicht die Fahrzeuge seyn würden, mit welchen sie bey guter Gelegenheit von hier abseegeln und uns verrathen wolten. Aber es jammerte und gereuete mich bald, daß ich mein Hertz so geschwinde gegen sie offenbaret hatte: denn sie fielen, nachdem sie sich nur etliche Minuten lang mit einander unterredet[519] hatten, sogleich auf ihre Knie vor uns nieder, da denn Vincentius das Wort führete, und also redete: »Meine Herren! ohngeachtet alles vorhergegangenen verspüren wir doch, daß ihr uns vor Schelme, Diebe und Verräther erkennet, da wir doch die allerredlichsten Leute von der Welt sind, so lieber als eure Knechte, ja, so zu sagen, Sclaven sterben wollen, ehe wir gegen unsere Wohlthäter eine neue Verrätherey anzustifften gesinnet wären. Weil ihr uns demnach nicht trauet, so schiesset uns alle 5. lieber auf die Köpfe, oder in die Hertzen, damit ihr von euren Sorgen, wir 5. aber von allem Mißvergnügen, welches uns etwa noch künfftig zustossen könte, entlediget, seyn.«

Indem nun alle 5. ihre blossen Köpffe darzeigten, auch so gar die Kleider von den Ober-Leibern abrissen, kam mir ein solches Grauen an, daß ich fast in Ohnmacht gesuncken wäre; allein, weil ich an der gantzen Sache die meiste Schuld zu haben sehr wohl erkannte, und meine Ubereilung in Worten mir zu Gemüthe zog, so hub ich erstlich den Vincentium, hernach seine andern Cameraden von der Erden auf, umarmete und küssete einen jeden, mit der Bedeutung, daß sie mir meine Reden, die ich theils aus Schertz, theils aus Ubereilung ausgesprochen, nicht gleich so übel hätten aufnehmen sollen. Worauf denn der Friede und das Vertrauen zwischen uns bey den Theilen binnen einer Stunde hergestellte wurde, zumahlen, da die Portugiesen, ohngefordert, ihre Hände gen Himmel huben, und der heiligen Dreyfaltigkeit,[520] nebst allen Heiligen und Engeln GOttes, einen leiblichen Eyd zuschwuren: daß sie es treu, redlich und aufrichtig mit uns Felsenburgern meyneten, auch weder Verrätherey, Betrug, noch Dieberey im Sinne hätten. Demnach wurde von uns allen hoch geschmauset, und binnen 3. Tagen alle mühsame Arbeit bey Seite gesetzt, hergegen lebten wir in gröster Vertraulichkeit, lustig und guter Dinge. Als aber dieses Freuden-Fest vorbey war, gieng ein jeder wieder an seine beliebige Arbeit, nemlich in die Stein- und Ertz-Brüche, oder noch mehr Bau-Holtz zuzurichten, dessen wir doch schon eine gewaltige Menge antraffen, uns also fast halb zu Tode verwunderten, wie diese Hand voll Männer, in so weniger Zeit dergleichen sauere und schwere Arbeit verrichten können. Allein, es war dieses Schuld daran, daß sie nicht gezwungener Weise, sondern blos nach eigenem Gefallen arbeiten durfften, auch dabey sich rechtschaffen etwas zu Gute thun, und ihres Leides mit den besten Speisen und Geträncken pflegen und warten konten.

Nachhero schickten wir beständig, fast immer über den 3ten, oder 4ten Tag zwey, auch wohl 3. Boote mit voller Ladung, die in Gold- und Silber-haltigen Ertz-Stuffen, auch vielen Stücken des allersaubersten Bau-Holtzes, zur Rarität der Arbeit wegen, bestunde, nach der grossen Insul, worgegen uns unsere Leute jederzeit bey ihrer Zurückkunfft die besten Lebens-Mittel, und alles dasjenige, was wir sonsten nothdürfftig brauchten, mitbrachten.[521]

Mittlerweile, da Mons. Plager dem Vincentio sein Vorhaben eröfnet, wie er nemlich gesonnen wäre, auf dieser kleinen Insul ein tüchtiges Schmeltz- und Hütten-Werck anzulegen, um die Mineralien und Metallen zu Gute zu bringen: so machte sich Vincentius eine ungemeine Freude darüber, und sagte, daß, wenn er nur von Zeit zu Zeit 20. starcke Männer zu seinen Gehülfen bekäme, er dieses Werck binnen Zeit von 2. Monaten in vollkommenen Stand bringen wolte; wenn sich nicht nur unter seinen Cameraden ihrer 2. befänden, die um das Schmeltz- und Hütten-Wesen guten Bescheid wüsten, sondern er auch hörete und spürete, daß einige unter den Felsenburgern hiervon schon sehr starck unterrichtet wären. Unterdessen brachte er in Vorschlag, daß sich zu dieser gantzen Sache kein beqvemerer und besserer Ort fände, als der unter den O.-Berge befindliche so genannte Heyden-Tempel und dessen rund herum liegende Gegend. Demnach besuchten wir diesen Tempel nachmahls mit ihm, und höreten mit gröster Verwunderung dessen deutlichere Erklärung und Anweisung an. Mons. Plager ergötzte sich vor uns allen andern auf das allermeiste darüber, und sprach mit lauter Sti e: Ja, Don Vincent hat in allen Stücken vollkommen Recht, wir müssen ihm gehorsamen und Folge leisten, wenn wir anders unser vorhabendes Werck zu glücklichem Stande bringen wollen.

Wenn ihr den Glauben habt, mein Herr! (versetzte hierauf Vincentius) so sollet ihr nach und nach grössere Wunder-Dinge sehen. Hierauf machte er eine und andere Proben mit seinen bey sich habenden[522] Wünschel-Ruthen, ingleichen mit dem Kunst-Stabe, überließ auch einem und andern die Freyheit verschiedene Proben damit zu machen, worüber wir denn alle vor Verwunderung fast aus uns selbst gesetzt wurden; da wir nemlich sahen, daß diese Dinger so sonderbare Würckungen thaten.

Wie dieses Vincentius merckte, sagte er: Meine Herrn! ihr verwundert euch zwar über diese kleinen Begebenheiten, allein sie finden ihre Stelle bloß in der magia naturali, denn ihr sehet und höret, daß ich weder Characters mache, noch den Nahmen des Dreyeinigen GOttes unnützlich führe, am allerwenigsten aber eine Geister Beschwerung darbey vonnöthen habe; derowegen halte ich davor, daß einem jeden guten Christen, der mit seinem GOtt wohl stehet, es eine gantz wohl erlaubte Sache sey, dergleichen Proben zu machen, denn die Erde ist des HErrn und was darinnen ist etc.

Nachdem wir dergleichen nachdenckliche und christliche Reden von dem Vincentio vernommen, wurde von uns also gleich beschlossen, seinem Rath und Angeben in allen Stücken zu folgen, und keinen Tag zu verabsäumen, den Hütten-Bau anzufangen, weßwegen denn nicht allein Mons. Plager die Geschicktesten und Klügsten von seinen Gehülfen auf diese kleine Insul herüber zu kommen verschrieb; sondern wir andern besonnen uns ebenfalls auf die tüchtigsten Männer, welche sich zu diesem Bauwercke wohl etwa am besten schicken möchten, um gleichfalls mit herüber zu kommen. Da sich nun diese, und zwar in noch stärckerer Anzahl, als wir verlangt, eingefunden hatten, wurde der Bau in GOttes[523] Nahmen angefangen, und noch, ehe 2. Monathe völlig verlauffen, alles zu unserer grösten Freude und Vergnügen in vollkommenesten Stande gesehen. Zu diesem neuen Wercke nun, welches in der That recht ergötzend war, fanden sich binnen kurtzer Zeit ungemein viele Liebhaber und Mitarbeiter ein, ja, wenn wir allen hätten den Willen lassen wollen, so wäre ihnen darbey der Feld-Wein- und Garten-Bau, wie auch ihr gantzes Haus-Wesen zum Eckel worden; Allein man muste solcher Gestalt auf andere Mittel bedacht seyn, die meisten hiervon abzulencken, da wir von Gold, Silber, Kupfer und andern Metallen und Mineralien keine Speise nehmen konten. Jedoch blieben immer von Zeit zu Zeit, abwechselend, 20. bis 30. Hütten-Leute bey dem Vincentio, und brachten in weniger Zeit eine ansehnliche Ausbeute zum Vorscheine, welches unsere Aeltesten kaum glauben wolten; da aber dieses Ding so gut gieng, wurden nachhero auf der Insul Groß-Felsenburg auch 2. dergleichen Schmeltz-Hütten gebauet, u. zwar die eine in Roberts- und die andere in Jacobs-Raum, welche eine Zeit daher ebenfalls unsäglich kostbare Ausbeute gebracht.

Allein unsere Schmeltzhütten-Lust ist den allermeisten unter uns schon vergangen. Es ist zwar eine ungemein schöne Augenweyde, wenn man so viele Gold-Silber-Kupfer-Zinn-Bley-Scheiben etc. nebst andern Mineralien vor sich liegen siehet, denn wir haben benebst Mons. Plagern und Mons. Litzbergen noch verschiedene sehr geschickte Marck-Scheider unter uns, allein, worzu dienet uns dieses alles weiter, als, wie schon gesagt, nur zur blossen[524] Augenweyde, und daß wir die Wunder GOttes dabey betrachten; dieses aber können wir bey so vielen 1000. Blumen, Weinstöcken, Garten- und Feld-Früchten ebenfalls weit geruhiger thun, und ohne besonderen Schweiß und Mühe die Wunder GOttes daran bemercken. Denn da wir insgesammt bis diese Stunde noch nicht gesonnen sind, mit fremden Nationen einen ordentlichen Handel, Wandel und Verkehr aufzurichten, so hilfft uns ja alles Metall, Perlen und anderes kostbares Zeug gantz und gar nichts.

Das aber ist unsere Freude und Vergnügen:


1.) Daß unser GOttes-Kirchen- und Schul-Dienst, so wohl als das Haus- Wesen auf das allervernünftigste und christlichste bestellet und eingerichtet ist.

2.) Daß der allmächtige GOtt unsern Feld-Wein-und Garten-Bau jederzeit sehr reichlich, ja öffters fast überflüßig segnet.

3.) Daß uns GOtt von der Hand unserer Feinde errettet, und seine Flügel über uns gebreitet, weßwegen denn von den Obern beliebt worden, daß wir hinführo nebst unsern Nachkommen jedesmahl um die Zeit des Jahrs, so lange als die Belagerung gewähret, mit mäßigem Fasten und desto fleißigern Beten zubringen wollen.

4.) Daß uns GOtt in dem grausamen Erdbeben nach seiner Gnade alle lebendig erhalten, so daß auch kein Hund oder anderes Stück Vieh dabey verunglücke ist, weßwegen denn auch alle Jahre auf diesen Tag noch ein besonderer grosser Buß-Bet- und Fast-Tag angestellet worden.[525]

5.) Daß GOtt das Wild in den Wäldern, ingleichen die wilden Ziegen, hauptsächlich aber die aus Europa angekommenen Thiere von allerhand Arten, so wohl vierfüßige als geflügelte, dergestalt wohl gedeyhen lässet, daß wir uns darüber verwundern müssen, wie sich denn binnen etlichen Jahren daher alles gar gewaltig vermehret hat: Denn ihr werdet wohl schwerlich einen Haus-Wirth finden, der nicht seine Ställe über und über voll Rind-Schaaf- und Schweine-Viehe hätte. Von Flügel-Werck, als Türckischen- und Europæischen Haus-Hühnern, Schwanen, Gänsen, Endten, Tauben und dergleichen zahmen Flügelwerck will ich nicht einmahl etwas sagen: denn dasselbe hat sich dergestalt erstaunlich vermehrt, daß die meisten ihr Glück und Ruhe nicht erkennen können, sondern sich, ohngeachtet sie volles Futter haben, aus blossem Frevel zu Feldflüchtern machen. Aus den Gänsen werden wilde Gänse, und die Endten muß man sehr wohl hüten, wenn sie nicht durch die Wasser-Fälle in See gehen sollen. Eben also verhält es sich mit dem Rind-und Schweine-Vieh: denn man darf denselben nur eine scheele Mine machen, so laufft es gleich darvon, und sucht seine vermeyntliche Besserung in der Wildniß, weßwegen unser Thier-Garten bey Simons-Raum dergestalt voll angelauffen ist, daß wir fast alle Woche ertödtete Thiere darinnen finden, die von ihrem stärckern Gegentheil ermordet worden, welche denn von den Einwohnern, sobald diese solches gewahr werden, in den Ausfluß der kleinen See geschmissen werden.[526] Die Pferde, Esel und Cameele, deren letztern Gattung wir nach eurer Zeit 3. Stück bekommen, nemlich, 1. Männlein und 2. Weiblein, haben haben sich zu unsrer Lust und Nutzen auch schon unvergleichlich vermehret, demnach fehlet uns weiter nichts, als ein Paar Elephanten, wovon wir gern Zucht haben möchten, der Löwe, den die Prinzeßin Christiana mit sich gebracht, wird seines gleichen vermuthlich schon in dem Roberts-Raumer ungeheuer dicken Walde gefunden haben; wie wir denn gantz genau angemerckt, daß sich in diesem Walde nicht allein Löwen, sondern auch Leoparden, Tieger-Thiere, Bären und andere reissende Thiere aufhalten; welche wir aber lieber vertilgen, als zugeben wollen, daß sie sich vermehren möchten, es sey denn, daß sich einige zu unserer Lust so gewöhnen liessen, wie die Prinzeßin Christiana ihren Löwen gewöhnet hat, welches denn, wie ich glaube, durch Vorsicht, Geschicklichkeit und Kunst eine gantz natürliche Sache seyn kan, und ohne alle Zauberey zugehen wird. Das Affen-Ge schlecht haben wir bey nahe gantz und gar vertilget, bis auf einige, die uns als Knechte und Mägde dienen, und sich ziemlich getreu und redlich aufführen; jedoch spüren wir, daß sich dennoch einige dieses Affen-Geschlechts in den wilden Wäldern, und sonderlich bey den Cocos-Bäumen aufhalten, welche aber Vogelfrey gemacht sind, so daß sie von einem jeden, der sie antrifft, auf die Köpffe geschossen werden, indem sie uns allzu vielen[527] Schaden an den Feld- und Baum-Früchten thun.


Nun solte ich zwar, mein werthester Herr Bruder und Capitain Horn! eine ausführliche Beschreibung von unsern Künstlern und Handwercks-Leuten machen; da ich aber nicht zweifele, ihr werdet dieselben nicht verschmähen, sondern einem jeden die besondere Ehre geben, ihn in seiner Behausung und Werckstätte selbst zu besuchen, als möchte dieses wohl überflüßig seyn. Derowegen will nur so viel sagen: daß ihr bey einem jeden alles weit verbesserter finden werdet, als ihr denselben verlassen habt. Unsere Buchdruckerey gehet recht galant, mit 6. Pressen und darzu gehörigen Leuten, indem nicht allein die Herrn Geistlichen, sondern auch einige andere unter uns, vornemlich der Jugend zum Besten, von Zeit zu Zeit viele gute Bücher und kleine Tractätlein darinnen drucken lassen, worüber sich denn, zumahlen, da alles umsonst ausgetheilet wird, so wohl die Alten, als die Jungen erfreuen. Man hat dieserwegen vor rathsam befunden, noch eine neue Pappier Mühle anzurichten, welche so wohl, als die erste in sehr gutem Stande ist, nur dieses ist der eintzige Possen hierbey, daß es dann und wann an Lumpen fehlen will. Nächst derselben sind hie, und da noch 6. bis 8. neue Mahl- oder Geträyde-Mühlen erbauet worden, um einen und andern Einwohnern die müßigen und sauern Wege zu ersparen. Bey andern Handwercks-Leuten, die ihr alle wohl kennet, werdet ihr einen solchen Vorrath von ihren gemachten Waaren antreffen, worüber ihr vermuthlich erstaunen müsset; wie diese Leute bey ihrer sauern Haus- und[528] Feld-Arbeit in denen abgebrochenen Stunden ein so vieles zu Wege bringen können; eben als wenn sie sich gemüßiget sähen, mit ihren Waaren, so wie die Handwercks-Leute in Deutschland und anderer Orten, zu Marckte zu ziehen. Jedoch dieser Vorrath ist sehr gut, indem wir gesonnen sind, von jeder Art unsern Europæischen Freunden und Brüdern etwas zuzuschicken, welche sich aus diesen Kleinigkeiten doch wohl eine Rarität machen, und einiges Vergnügen darüber empfinden werden.

Der Capitain Horn sagte also: Ich habe vor dieses mahl genung gehöret, mein werthester Bruder und Freund! allein ich werde mir ausbitten, gleich morgendes Tages, und zwar gewisser Ursachen wegen, in Begleitung meines Bruders, die Pflantzstädte zu durchstreichen, und sonderlich die Künstler und Handwerker zu besuchen.

Wie ihm nun dieses so gleich von dem Regenten frey gestellet wurde, liessen wir der Beqvemlichkeit wegen, alsobald etliche mit Hirschen bespannete leichte Wagen herbey rücken, und fiengen in Alberts-Raum an, Herrn Cramern zu besuchen, den wir in gutem Vergnügen antraffen, und ihn derowegen vollends recht lustig machten. Er bewirthete uns, obgleich unsere Compagnie ziemlich starck war, recht herrlich, bewegte uns auch dahin, über Nacht bey ihm zu bleiben, und Morgens früh seine angelegte Pferde- und Esels-Stuterey benebst seinen andern Anstalten wegen der Vieh-Zucht, in Augenschein zu nehmen. Wir fanden deßfalls alles solcher gestalt klug und künstlich eingerichtet, daß sich die beyden Capitains Horn nicht gnugsam darüber[529] verwundern konten, denn er hatte in einem ziemlich weitläufftigen Bezirck, an Pferden, Eseln, Maul-Thieren, Rind-Rieh und dergleichen alles in eine solche Ordnung gebracht, daß von jeder Art, Jung und Alt ein jedes sein besonderes Behältnis hatte.

Von dar reiseten wir nach Davids-Raum, und traffen unsern lieben Bruder Töpffer eben in der Arbeit an, daß er mit seinen Gehülffen auf einmahl 4 Töpfer-Oefen geheitzt und angezündet hatte. Wir wolten ihn nicht verschmähen, weiln er uns nach der Felsenburgischen Art aufs beste bewirthete, liessen uns also auch bewegen, eine Nacht bey ihm zu bleiben, da denn früh Morgens unsere fernere Reise, auf Stephans-Jacobs-und Johannis-Raum zugieng, auf welcher Reise denn den jungen Capitain Horn nichts mehr ergötzte, als die unterwegs angetroffene Glas-Hütte, in welcher wir uns 2. Tage aufhielten; hernach unsern Weg um die grosse See herum weiter auf Christophs-Roberts-Christians- und Simons-Raum fortsetzten, mithin also nach Verlauf 14. Tagen, da wir das gantze Land durchstrichen, wieder glüklich auf der Alberts-Burg anlangten, und vielerley gute und böse Begebenheiten, aber auch viele besondere Curiositæten in Erfahrung gebracht hatten.

Nachdem nun diese Reise geschehen war, regte sich Capitain Horn Sen. in geheim am ersten, mit der Bitte: daß wir seinen Bruder, so bald als es nur immer möglich, wieder fortschaffen solten, worauf er denn ohne fernern Anstand mit seiner auf hiesiger Insul verlobten Braut Hochzeit machen[530] wolle. Da wir nun merckten, daß dieses sein harter Ernst wäre, so wurden sogleich Anstalten darzu gemacht, und dem jüngern Capitain Horn so wohl, als seinen Leuten angekündiget, daß sie sich zur Rück-Reise fertig machen möchten. Es gieng dieses dem jüngern Capitain Horn sehr nahe, indem ihm, nachdem er unsere Lebens-Art und gantzes Wesen betrachtet, vielleicht gereuen mochte, daß er seinem Protestantischen Glauben abgeschworen, und hergegen die Römisch-Catholische Religion erwehlet hatte, wie er denn gegen seinen ältern Bruder sich nicht undeutlich erkläret, daß er wieder umsatteln und zurücke kehren wolte. Da aber dieses der ältere Capitain Horn mit unsern Herren Geistlichen wohl überlegte, fiel endlich der Schluß da hinaus, daß man mit diesem wanckenden Rohre in solchem Stücke nichts weiter zu thun haben wolte; sondern man solle ihm nur so viel beybringen, daß er bey seinem neuerwehlten wahren christlichen Glauben bleiben, fromm und gottesfürchtig leben, niemanden muthwilliger Weise beleidigen möchte, und sich dergestalt der ewigen Seeligkeit versichern könte; Wir aber wolten ihm eine honorable mit vielen Reichthümern begleitete Abfertigung geben, jedoch hinführo nichts weiter mit ihm zu thun haben.

Wie dieses der Capitain Horn Jun. hörete, so war es nicht anders, als ob er von einem Schlag-Flusse gerühret würde, da aber der Capitain Wolfgang denselben in ein besonderes Zimmer führete, ihm zum Geschenck 3. Centner Gold, 6. Centner Silber, 12. Centner Kupffer-Platten, ingleichen[531] ein ziemliches Maas voll Perlen, nebst einigen kostbaren Kleynodien, vor seine unsertwegen gehabte Mühe, anwiese und darreichte, setzte sich dieser gute Mensch in eine weit bessere Verfassung, und machte etwas freundlichere Geberden, zumahlen, da ihm sein älterer Bruder seinen gantzen Antheil von allem dem, was auf dem Schiffe befindlich, es möchte Nahmen haben, wie es wolte, erb- und eigenthümlich schenckte; als vor welche Freygebigkeit der Capitain Horn Jun. dennoch so höflich war, seinem ältern Bruder die Hand zu küssen. Dieser aber dargegen umarmete und küssete ihn etliche mahl auf den Mund, ließ auch dabey viele heisse Thränen aus seinen Augen fallen, welches alle Umstehenden wohl bemerckten. Anbey redete er diese Worte: »Mein Bruder! reiset glücklich, und bleibt gesegnet hier zeitlich und dort ewiglich.«

Horn Jun. antwortete hierauf: »Mein Bruder! ich habe mich in vielen Stücken, die euch wohl bekannt sind, sonderlich in einem eintzigen Stücke, welches, wie ihr wohl wisset, eure Person allein anbetroffen, auf das schändlichste gegen euch vergangen und versündiget; darum vergebt mir, wo ihr anders wollet, daß ich, es sey hier oder da, frölich sterben soll, meine gegen euch begangene Sünden in Gegenwart dieser redlichen Zeugen, auf dieser Stelle.« Horn Sen. versetzte hierauf: »Mein Bruder! das weiß ich wohl, daß ihr euch in vielen Stücken an GOtt versündiget habt, was aber das Meinige anbelanget, so sind euch alle eure gegen mich begangenen Fehler und Ubereilungen so wohl aus christlicher, als brüderlicher Liebe,[532] schon längstens vergeben und vergessen; ich will meines Theils auch wünschen, nimmermehr wieder daran zu gedencken. Ihr seyd ein Mann, der, so zu sagen, 3. Hertzen im Leibe hat, das weiß ich gewiß, indem ich euch auf der schärfften Probe gehabt, und dieselben mit meinen eigenen Augen gesehen habe. Bewahret nur aber eure Seele in Zukunfft besser, als bishero, und seyd nicht wie ein wanckendes Rohr, (sonderlich in Glaubens-Sachen) welches der Wind hin und her wehet. Unterdessen weil eure Abreise ohne dem so gar allzu eilig nicht vonnöthen, so habt ihr die Erlaubnis von dem Regenten und allen andern Befehlshabern, euch noch so lange allhier zu verweilen, bis ich mit meiner verlobten Braut-Hochzeit gehalten habe, als woraus ich mir ein gantz besonderes Vergnügen schöpffen, euch, wenn dieses vorbey, dem Schutze des Allerhöchsten befehlen, nachhero aber eine glückliche Reise wünschen werde.«

Alle Anwesende wurden insgesammt zugleich mit recht wehmüthig gemacht, als wir das Hertzbrechende Beginnen dieser zweyen Brüder noch fernerweit mit anhöreten, und sahen, welches denn nicht allein in blossen Worten bestund, sondern sie umarmeten, hertzeten und küsseten sich dergestalt freund-brüderlich, als ob sie Zeit ihres Lebens einander nicht gesprochen oder gesehen hätten, auch wohl vielleicht niemahls wieder zusammen kommen möchten.

Hierauf wurden die allerersinnlichsten Anstalten zu des Capitain Horns Sen. Hochzeit-Feste gemacht, welches gut Befehl der Obern vor dißmahl[533] als ein besonderes Fest 6. Tage lang von den Insulanern in allen Pflantzstädten mit zu feyren angeordnet war. Dabey aber blieb es noch nicht, sondern es wurden alle unsere Carthaunen Canonen und Feuer-Mörser auf den Berg um die Alberts-Burg herum gesetzt, bis auf 2. Carthaunen, 6. Canonen und drey Feuer-Mörser, die wir nach der Insul Klein-Felsenburg hinüber führeten, um, daß unsere dasigen Freunde und Brüder bey dem Gesundheit-Trincken damit antworten könten. Hierbey bekamen sie auch 300 Stück gefüllete Bomben, ingleichen unzehlige Stücken von Raqueten, Schwärmern, Feuer-Kugeln u. andern Zeuge; Unsere Feld-Wachten auf den Höhen aber wurden zu derselben Zeit an theils Orten verdoppelt, auch mehreres Geschütz und Gewehr hinauf zu ihnen gebracht, worbey an Pulver, Bley und andern Dingen gar kein Mangel zu spüren war, indem wir uns gewisser Ursachen wegen, eben damahls einer neuen Verrätherey zu besorgen, einige Merckmahle hatten.

Wie nun aber der zum Hochzeit-Feste des Capitain Horns Sen. bestimmte Tag anbrach, wurden sogleich alle Carthaunen und Canonen, so viel deren nur auf der Alberts-Burg, so wohl als auf den Gebürgen befindlich waren, abgefeuert, worauf uns denn allemahl nicht allein von der Insul Klein-Felsenburg, sondern auch von des Capitain Horns Schiffen, welche noch beständig zwischen den Sand-Bäncken vor Anker lagen, richtige Rede uñ Antwort gegeben wurde. Ich gebrauchte mich vorhero der List, den jungen Capitain Horn, als den ich sehr lieb gewonnen, und zwar um gantz besonderer[534] Ursachen wegen, wieder herüber auf unsere grosse Insul zu führen, jedoch alles ohne Wissen und Willen seines Bruders, in gantz anderer Felsenburgischer Kleidung, um nur die Copulation seines Bruders nebst andern Solennitäten mit anzusehen.

Mithin wurde der liebe Capitain Horn Sen. zum ersten mahle mit seiner verlobten Braut Johanna Margaretha, Andreä Robert Julii Tochter in Roberts-Raum, die mit meiner Ehe-Frau Geschwister-Kind ist, von Hrn. Mag. Schmeltzern, als unserm so genannten Bischoffe, nach verrichteten Gottesdienste ordentlicher Weise copuliret, oder, wie man es auf deutsch heisset, zusammen gegeben. Ich will von den Texten und Compositionen der Kirchen-Musique, die vor und nach der Copulation gemacht wurde, um alle Weitläuftigkeit zu vermeiden, vorietzo gar nichts melden, weilen bekannt, daß sich sonderlich in Deutschland weit bessere Poëten und Componisten befinden, die uns arme einfältige Felsenburger, wenn ich die Partituren zugleich mit übersendete, vielleicht nur auslachen möchten.

Zum Trau-Sermon hatte sich Herr Mag. Schmeltzer Sen. den 80. Psalm Davids, als den Grund seiner Rede erwehlet, absonderlich wuste er den 10ten Versicul: Du hast vor ihm die Bahne gebrochen, und hast ihn lassen einwurtzeln, daß er das Land erfüllet hat etc. ungemein artig auf die beyden Capitains Wolfgang und Horn, zu appliciren. Weßwegen denn der alte Capitain Wolffgang viele Freuden-Thränen fallen ließ, nachhero aber, als wir ihn darum[535] befragten: warum er geweinet hätte? gab er zur Antwort: Ihr wisset alle insgesammt, Alt und Jung, daß ich ein Mann bin, der kein Weibervielweniger Hasen-Hertz im Leibe, sich auch, ohne eitlen Ruhm zu melden, bey den Felsenburgern ziemlicher maaßen wohl verdient gemacht hat. Die Thränen, welche ich unter den beweglichen Vorstellungen des Herrn Mag. Schmeltzers fallen lassen, sind keine Crocodills-Thränen, sondern hertzliche Freuden-Thränen, weil ich an dem Glücke und der Ehre, die dem Capitain Horn heute begegnet und noch ferner begegnen wird, den allergrösten Theil zu nehmen einige Ursache habe. Mein Wunsch ist also dieser: GOtt segne die Felsenburger! den Capitain Horn nebst seiner Ehegenoßin und mich benebst den Meinigen! so sind wir alle gesegnet, und ich bin der vergnügteste Mensch auf dieser Welt, so lange als mir GOtt noch mein Leben fristet.

Nachdem nun solchergestalt der GOttesdienst geendiget, und das Te Deum laudamus, unter Trompeten- und Paucken-Schall, auch bey gewissen Absätzen, gewöhnlicher maassen, die Stücken gelöset worden; so giengen wir alle insgesamt recht ungemein vergnügt aus dem GOttes-Hause, nach der Alberts-Burg zu, musten uns aber dabey verwundern, daß die Kinder die Wege überall mit grünem Grase und den schönsten Blumen bestreuet, auch einem jeden vorbeygehenden einen schönen Blumen-Straus darreichten; ja ich glaube, daß dazumahl kein Kind, das nur lauffen können, zurück geblieben ist. Auf der Alberts-Burg war nicht allein[536] die Braut-Tafel, sondern auch in andern Zimmern verschiedene Tafeln gesetzt, über dieses auf der ordentlichen Speise-Stelle vollauf angerichtet; allein das Volck verlief sich wider Vermuthen unter dem Abblasen der Chorale: Nun dancket alle GOtt etc. Ein veste Burg ist unser GOtt etc. und Es woll uns GOtt genädig seyn etc. worbey denn die Carthaunen und Canonen zu vielen mahlen abgefeuret wurden, und worauf so wohl die Klein-Felsenburger, als das auf des Capitain Horns Schiffen befindliche Commando zu antworten nichts schuldig blieben, die denn auch insgesammt vollauf besorget waren.

Unterdessen war es ein artiger Streich, daß der Prinzeßin Christiana Löwe, sich seit einiger Zeit gäntzlich verlohren hatte, und auf der gantzen Insul, wie fleißig wir auch nachsuchen liessen, nicht anzutreffen war; Doch endlich sahen wir aus den Fenstern von der Alberts-Burg, wie er mit einer artigen jungen Löwin, die er sich ohnfehlbar aus dem Roberts-Raumer Forste gehohlet, über die Christians-Raumer-Brücke mit langsamen Schritten herüber spatzieret kam. Nun waren wir zwar wohl gewohnt worden, daß dieser Löwe dann und wann etliche Tage aussen geblieben, und nicht in seine Behausung gekommen war: denn wir hatten ihm zwischen den Palmen-Bäumen gegen Alberts Raum zu, ein eigenes 12. Ellen hohes, auch nach Proportion der Weite geräumliches höltzernes Hauß bauen lassen, und zwar von dem allerstärcksten und vestesten Holtze und Bolen, wie denn auch auf 50. Schritt herum alles mit starcken Pallisaden[537] umpflantzt war. In dieses Gehäuse und dessen Umzirck führete also der Löwe seine Gemahlin, mit der er vielleicht schon vor einiger Zeit mochte Beylager gehalten haben. Wir liessen ihnen Heu und Stroh hinein werffen, und wurden gewahr, daß sich alle beyde recht beqveme Lagerstädten davon zu rechte machten; auch liessen wir in den Vorhof viele alte und junge wilde Ziegen, Schweine, junge Rehe und dergleichen 4-füßige Thiere zu ihnen hinein lauffen, so wohl auch Türckische Hähne, Hühner, Pfauen und anderes Flügel-Werck. Allein die Löwen konten sich mit denenselben allen ungemein wohl vertragen, und beleidigten auch das allerkleineste Stück nicht mit einer scheelen Mine, sondern sie waren zufrieden mit ihrer Speise, die ihnen alle Morgen zugeworffen wurde: diese bestund in etlichen Kleyen-Brodten, hiernächst in vielen Stücken von verdorbenen, eingesaltzenen, oder geräucherten Fleischwerck und Fischen. Anbey trugen ihnen die Einwohner alltäglich gantze Lasten von den besten Garten-Kräutern, Früchten und Wurtzeln zu, woran sich beyde Löwen, dem Ansehen nach, fast noch mehr labten, als an den trockenen Speisen. Vor das Geträncke hatten wir nicht Ursach zu sorgen, indem in dem Löwen-Revier 3. frische Brunn-Quellen anzutreffen waren, woraus sie ihren Durst nach eigenem Belieben löschen konnten. Etliche Tage hernach aber trug sich eine besonders artige Begebenheit zu: denn weiln ein recht grosser Indianischer Puter-Hahn mit seinem allzu offtern Kaudern sich gar allzu sehr mausig machte, der Löwin dieses Geschrey aber vielleicht zuwider seyn mochte;[538] so riß sie den Hahn uhrplötzlich in viele Stücken ließ aber dieselben auf dem freyen Platze liegen, und leckte nicht einmahl einen Tropffen Blut davon auf, geschweige denn, daß sie einen Bissen seines Fleisches verschlungen hätte. Dem alten Löwen hingegen mochte diese Mordthat mißfallen, weßwegen er seine Gemahlin mit dem Pfoten dergestalt abstraffte, daß alle Zuschauer, darüber zum hertzlichen Lachen bewogen wurden. Man muste sich aber über das demüthige Bezeugen der Löwin so wohl, als über das behutsame Verfahren des alten Löwen, welches er im Zuschlagen brauchte, gantz ungemein verwundern.

Hierauf bemerckten wir, daß die Löwin beständig seitwärts gieng, und ihrem Gemahl immerzu scheele Minen machte; nicht, wie sonst gewöhnlich, an seiner Seite speisete, auch nicht einmahl aus einer Quelle mit ihm tranck, sondern sich immer eine besondere Quelle suchte.

Dieses unter den beyden Löwen entstandene Mißvergnügen währete viele Tage; Jedoch die Prinzeßin Christiana war so behertzt, daß sie die beyden Löwen in ihrer Wohnung und Revier besuchte. Wie nun bey derselben kein Wiederrathen verfangen wolte, (um sich diesen grimmigen und reissenden Thieren nicht entgegen zu stellen) so stunden vielen unter uns die Haare zu Berge, da wir dieselbe in den Vorhoff des Löwen-Hauses eintreten sahen; Allein der alte Löwe kam ihr sogleich entgegen gelauffen, warff sich zu ihren Füssen, küssete ihr die Hände, weltzerte sich aus Freuden zu vielen mahlen auf dem Platze herum, ja! er[539] war so verwegen, sich auf die Hinter-Pfoten zu setzen, mit den Vorder-Pfoten aber die Prinzeßin auf das allerfreundlichste zu umarmen, und ihr das Angesicht zu belecken.

Kaum hatte die Löwin dergleichen Complimente gesehen, als sie dieselben auf eben die Art und Weise recht poßierlich und liebreich nachmachte, worüber allen Zuschauern ein Grauen und Schrecken ankam; allein, nachdem sich die Prinzeßin in dem Gehäuse und Vorhofe über 2. Stunden lang mit beyden Löwen ergötzt, der schönen jungen Löwin aber etliche Stücke Confect zur Speise dargereicht (als welches dieselbe mit besonderm Appetite zu sich nahm) so kam unsere Prinzeßin Christiana vergnügt und unbeschädiget zurück auf die Burg.

Nachdem auf diese besondere Begebenheit etwa 6. oder 8. Wochen verflossen, höreten wir in einer stockfinstern Nacht ein entsetzliches Brüllen beyder Löwen, welches fast bis zum Aufgange der Sonne immer abwechselend fort wühtete. Die Behertztesten unter uns giengen mit Ober- und Unter-Gewehr hin, um zu erfahren, ob etwa eine Verrätherey unter Handen, oder was den Löwen allen beyden sonsten zugestossen wäre; allein wir höreten weiter nichts, als in dem Löwen-Hause zu etlichen mahlen ein Winseln und Wehklagen mit untermischten Brüllen, weßwegen wir denn auf die Gedancken geriethen, daß diese beyden Ehe-Gatten, die vielleicht nicht recht mit einander zufrieden seyn möchten, sich wohl etwa gar umbringen wolten, mithin uns denn nicht weiter um sie[540] bekümmerten, sondern ihnen ihre Sache zu eigener Ausmachung überliessen.

Es befand sich aber diese gantze Sache weit anders, als wir uns dieselbe eingebildet hatten: denn da die Prinzeßin Christiana gleich, nachdem sie gefrühstückt hatte, sich in das Löwen-Hauß begab, traf sie darinnen 3. neugebohrne junge Löwen, nemlich 1. Männlein und 2. Fräulein darinnen an, die mit sich umgehen liessen, so, wie man sonsten mit jungen Hunden und Katzen umzugehen pflegt. Wie wir nun auch über diese Vermehrung der Thiere zum Theil eine gantz besondere Freude empfanden, als wurden den alten so wohl, wie den jungen Löwen die besten Lecker-Speisen zugebracht, worbey wir dieses bemerckten, daß ihnen der Wein besser zu Halse gieng, als das klare Quell-Wasser. Es sind die kleinen Löwgen rechte Liebens-würdige Thiere, wir aber sind dennoch gesonnen, so bald als sie der Mutter-Milch entbehren können, dieselben auf die Insul Klein-Felsenburg hinüber zu schaffen, allwo sie sich denn zugleich auf eine Zeitlang ferner vermehren können, zumahlen, da es uns eine kleine Mühe kostet, solche Thiere nach unserm Gefallen zu vertilgen.

Nunmehro aber, mein werthester Freund und Bruder, Herr Capitain Horn! werde ich hoffentlich, als euer aufrichtiger Eberhard Julius, nach eurem Begehren, euch das, was seit eurem Wegseyn hauptsächliches vorgegangen, getreulich zu erzehlen, ein ziemliches Genüge geleistet haben: denn die Kleinigkeiten werden euch nach und nach schon von unserm Frauenzimmer berichtet werden,[541] deren einige, ein weit besseres Gedächtnis, als ich haben.

Wie nun Capitain Horn vor dießmahl mit mir vollkommen zufrieden war, und sich vielfältig gegen mich bedanckt hatte, so thaten wir erstlich noch einige Reisen nach Klein-Felsenburg hinüber, nahmen jedesmahl viele Metallen und Mineralien mit zurück, hatten auch das Schiffs-Volck in vollkommene Ordnung und Verfassung zur Rück-Reise nach Europa gebracht; da denn ein jeder vom Grösten bis zum Kleinesten, dergestalt reichlich mit Gold, Silber und Kleider-Werck beschenckt wurde, daß alle insgesammt ihr vollkommenes Vergnügen darüber bezeugten, absonderlich aber die 5. Portugiesen, welche alles gedoppelt und 3. fach bekamen, indem sie sich unter einander beredet, die Rück-Reise nach ihrem Vaterlande mit dem Capitain Horn Jun. auch mit anzutreten, woran wir ihnen denn eben nicht verhinderlich seyn wolten, sondern vielmehr gantz gerne sahen, daß wir sie mit guter Art loß wurden, jedoch schwuren sie uns bey dem Abschiednehmen, ohne unser Verlangen, ein jeder einen leiblichen Eyd, unserer allezeit im besten zu gedencken, und weder hie, noch da etwas auszuplaudern, welches etwa zu unserm Schaden und Nachtheil gereichen könte.

Demnach wurde des Capitain Horns Jun. Schiff mit Reiß Rosinen und andern Lebens-Mitteln, (die Kostbarkeiten und Felsenburgischen Raritäten ausgeno en) dergestalt voll geladen, so, daß es kein Wunder gewesen, wenn dasselbe so gleich auf der Stelle versuncken wäre; ja, ich glaube sicher[542] und gewiß, daß um selbige Zeit schwerlich ein reicherer Schiffs-Capitain weit und breit auf der offenbaren See anzutreffen gewesen, als unser Capitain Horn Jun. indem der allermeiste Theil der Ladung sein Eigenthum ist, so daß er damit schalten und walten kan, wie er nur immer will, jedoch haben wir alle das Vertrauen zu seiner Redlichkeit, daß er nicht allein diesen meinen 4ten Theil des Berichts von den Felsenburgischen Geschichten, sondern auch alle ihm anvertraute Briefe und Geschencke, an gehörige Orte bestellen wird.

Es gieng demnach derselbe um die bestimmte Zeit, da sich ein geneigter Wind vor seine Seegel erhub, ohne fernern Aufenthalt mit allem seinen Volcke in vollen Vergnügen zu Schiffe; jedoch war der letzte Abschied des Capitain Horns Jun. den er nicht allein bey seinem Bruder, sondern auch dem Regenten, Aeltesten und Vorstehern der Gemeinden, kurtz, von allen Insulanern nahm, dergestalt zärtlich und beweglich anzusehen, daß sich weder Alte noch Junge der Thränen enthalten konten, deren denn auf beyden Theilen viele 1000. vergossen wurden.

Er fuhr mit Aufgang der Sonne ab, derowegen ist unser Wunsch und Gebet zu GOtt, daß ihm derselbe die Glücks-Sonne in seinem gantzen Leben nicht wolle untergehen lassen. Auf unsern Höhen liessen sich Paucken, Trompeten und allerhand andere musicalische Instrumente hören, worbey denn aus denen Canonen i er eine scharffe Ladung nach der andern gegeben, auch etliche Bomben in die See gespielet wurden; worauf er wie wir wohl[543] vernehmen konten, bis zur Mitternachts-Stunde beständig antwortete, endlich aber war von dem Schiffe bey anbrechendem Tage nichts weiter zu sehen, weßwegen wir alle, ihm und seinen bey sich habenden Leuten, nochmahls unter Abfeurung der Canonen Glück auf die Reise wünscheten, und ein jeder von uns sich nach seiner Wohnung verfügte.

So viel ist es, meine werthesten Freunde und Leser, als ich, Gisander, aus des Herrn Eberhard Julii Manuscript zusammen stoppeln können, welches nicht allein sehr zergliedert, sondern über dieß dessen Schreib-Art ziemlich verweset ist; ob das See-Wasser, oder Lufft daran Schuld, kan ich nicht sagen; unterdessen haben wir doch noch das Meiste und Beste von dem Verfolge der Felsenburgischen Geschichts-Beschreibung überkommen. Ich vor meine Person habe das Glück und die Ehre gehabt, den Herrn Capitain Horn Jun. nicht allein in Hamburg, bey Herrn H.W.W. sondern nachhero auch in Amsterdam bey dem Herrn G.v.B. als unsern allervertrautesten Correspondenten anzutreffen, und von ihm noch viele Betrachtens-würdige Begebenheiten erfahren, welche ihm aber nach zu erzehlen, meine Schrifft vielleicht allzu weitläufftig machen würde.

Wiewohlen ich nun denselben mit guten Winde von Amsterdam aus abseegeln gesehen, so kan ich doch nicht vor gewiß sagen, ob er seinen Cours zu seiner Braut auf die Insul St. Jago, oder in sein Vaterland, oder wohl gar wieder zurück auf die Insul Groß-Felsenburg genommen, weilen ich aus seinen Reden niemahls recht klug[544] werden können, da er in vielen Stücken sehr heimlich war. Unterdessen da er mir doch viele wichtige Sachen, und sonderlich verschiedene Scripturen hinterlassen, mit der Vollmacht, daß ich Ordre-mäßig, mich damit verhalten, die Schrifften aber immerhin, so viel deren auch wären, oder noch eingehen solten, erbrechen und eröffnen möchte; so will ich meinen geehrtesten Lesern und Gönnern aus einem von gelehrter Hand erhaltenen, an die Herrn Felsenburger addressirten Briefe, als eine Zugabe dieses 4ten Theils der See-Fahrer, so viel seiten meiner verantwortlich ist, und man auf beyden Seiten nicht verstösset, mittheilen, in Hoffnung, daß die allermeisten Leser sonderlich an Erklärung, der unbekannten Characteren, welche im 3ten Theile pag. 297. anzutreffen sind, ein besonderes Vergnügen finden werden. Den übrigen Rest des Briefes zu publiciren, trägt man des besondern Inhalts wegen Bedencken, bis auf des Regenten und derer Aeltesten fernerweitige Ordre. Demnach lautet die Aufschrifft des Briefes an die Felsenburger also:


Dem Ehrwürdigen Alt-Vater, Hrn. Alberto Julio II. Regenten auf der Insul zu Groß-Felsenburg; ingleichen den Theuersten und Vorstehern der Pflantzstädte; Nicht weniger auch denen übrigen Senatoribus und Räthen des Felsenburgischen Regierungs-Collegii; Wie auch der sämmtlichen auserwehlten Heerde JEsu CHristi[545] mit ihren würdigen und sorgfältigen Seelen-Hirten:


Meinen allerseits Hochgeehrtesten und Geehrtesten Herrn Gönnern, unbekannten guten Freunden und in CHristo hertzlich geliebten Brüdern


Groß-Felsenburg.


NB. Die Erklärung der Characteren aber, zeiget sich von Wort zu Wort folgender maassen:


– – – – – Vorjetzo habe ich euch, aus eiferigen Triebe, denen gottseligen Felsenburgern mit meinen wenigen Wissenschafften zu dienen, eine besondere, vermuthlich nicht unangenehme Nachricht zu vermelden.

Es wird euch annoch erinnerlich seyn, daß bey der merckwürdigen Entdeckung derer Heydnischen Antiquitäten auf Klein Felsenburg, auch zugleich unterschiedliche Urnen gefunden worden, deren Deckel mit Characteribus bezeichnet gewesen, und den Inhalt dererselben in Europa zu erfahren gesucht. Die übrigen Characteres sind mir nicht zu Gesichte kommen, unterstehe mich auch nicht, solche zu erklären, weilen mit stechonagraphischen Figuren mich zu bemühen, niemals meine Sache gewesen. Weilen aber dieses chymische Figuren sind, und solche mit der alten Heydnischen Götter-Historie überein kommen, deren Scribenten mehrentheils hermerische Philosophi[546] gewesen; Ich aber mich auch rühmen kan, in Chymicis und Alchymicis viele Geheimnisse der Natur durch GOttes Gnade und meinen unermüdeten Fleiß entdecket zu haben, die etwa denen lieben Felsenburgern zu besserer Etabilirung ihrer Wirthschafft dereinst mittheilen könte: Als habe auch dieser Characteren wegen einen Versuch gethan.

Zuförderst erwegte mit allem Fleiß, was der liebe Herr Mag. Schmeltzer für Gedancken darüber gehabt, und befand, daß er allerdings die Sache wohl errathen: Denn die Characteres stellen weiter nicht anders vor, als ihre sämtlichen Götter. Sonne und Mond waren bereits von Herrn Mag. Schmeltzern entdecket, was aber die andern Figuren für Götter vorstellen solten, konte ich noch zur Zeit nicht wissen.


Endlich zehlete ich die Characteres, so waren derselben dreyzehen. Dadurch hatte ich nun den völligen Schlüssel erlanget. Es fiel mir sogleich ein, daß dieses die im Tempel gefundenen Götter seyn müsten. Und es traf richtig ein.


Um nun eigentlich aus denen Figuren dieser Götter ihre besonderen Eigenschafften ausfindig zu machen; so setzte ich erst zum Grunde meiner Untersuchung vor aus, daß der Heydnische Götzendienst nichts anders gewesen, als ein purer Naturalismus, und haben sie durch ihren Gott lediglich die Natur verstanden.


[547] Die erste Figur stund mitten im Tempel auf einem runden Altar, und war eine runde goldene Sonnen-Kugel, statt derer Strahlen aber lauter köstliche Diamanten und andere blitzende Edelgesteine sich allenthalben zeigten, und beydenen angebrannten Fackeln lauter feurige Strahlen hervor schossen, absonderlich, wenn vermittelst des künstlichen Uhrwercks diese Kugel ihren Sonnenartigen Lauff und Betragung circa Centrum mit ungemeiner Geschwindigkeit verrichtete. Dieses Bild stellete nun vor, die aus der Sonnen als dem männlichen Principio des allgemeinen chaotischen Saamens ausfliesende erste männliche Saamens-Krafft der alles hervor bringenden und fruchtbar machenden Natur. Diese alles hervor bringende Natur ist nun, recht deutlich zu sagen, der allgemeine Archæus und Weltgeist, oder Saamens-Krafft, daraus alle Dinge entstanden, und aus dreyen Principiis bestehet, nemlich Sol, Luna und Mercurius, oder nach theosophischer Art zu reden, Feuer, Licht und Geist, oder wie der theosophische Jünger Johannes 1. Joh. 5, v. 8. diese drey Principia auf Erden nennet, Geist, das ist Feuer, Wasser, das ist Licht, und Blut, das ist Geist. Johannes nennet aber dieses letzte Principium Blut, weilen, wenn dieses gedoppelte mercurialische männliche und weibliche Principium im grossen philosophischen Wercke mit einander vereiniget, und solchen wiedergebährenden Samen in einen lebendigen göldischen Leib einführet, sie mit einander vereiniget, coaguliret und figiret,[548] so wird daraus eine blutroth-ölichte Tinctur oder der Lapis philosophorum.


Das andere Bild war das Bild des Mondens, und stund oben ex opposito des Eingangs dieses ist bekannt, denn es wird die Diana genennet. Sie ist eine Jägerin, die den brünstigen Hirschen begierig nachsetzet, das ist, sie als das weibliche Saamens-Principium hungert gewaltig nach dem männlichen feurigen Saamens-Principio aus der Sonne, unter dem Bilde eines brünstigen und brennenden Hirsches vorgestellet. Gleichwie nun der männliche Saame, welcher aus der Sonnen durch ihre schnelle Bewegung in lauter feurigen, brennenden, hitzigen, nitrosischen Saamens-Kräfften ausstrahlet, und solche über die gantze Welt ausstreuet, auch lauter Leben und Activitäten ist; die Welt aber vielmehr verbrennen müste, als daß sie solte erhalten werden können; So muste ein Gegentheiliges, ohne alle Activität seyendes kaltes, feuchtes, salinisches, weibliches Saamens-Principium, aus den aus dem Monde ausfliessenden weiblichen Saamen darzu kommen, das die Hitze des männlichen Saamens temperirte. Denn der männliche Saame, der wegen Ermangelung eines frischen erquickenden Wassers immer in einem hitzigen, feurigen Triebe ist, suchet seine grosse brennende Hitze in dem weiblichen wässerichten Saamen des Mondes zu temperiren. Dannenhero attrahiret er begierig seine Feuchtigkeit. Hergegen sucht der kalte und wässerichte[549] weibliche Saamen, aus Mangel des Feuers, die hitzigen männlichen Saamens-Kräffte aus der Sonne an sich zu ziehen. Daraus, nemlich aus dieser Vermischung derer zwey feindseligen Principien, entstehet eine leibliche fermentirende Wärme, durch welche die doppelte Saamens-Krafft, aus Wasser und Geist bestehend, in eine Activität gebracht wird. Dadurch hernach diejenige Creatur, darinnen dieser Geist sich erhitzet, und zur fermentirenden Activität aufgebracht wird, in eine Fermentation, zuletzt aber in eine völlige Putrefaction sich auflöset, seine erste Form verliehret, und die drey Principia des Saamens in die Freyheit setzt, eine neue Creatur aus sich hervor zu bringen. Also bestehet denn der Saame aller Dinge in einem männlichen und weiblichen, oder sulphurischen und salinischen Saamen, und heisset mit einem Wort Nitrum und Sal oder Geist und Wasser. Aus diesen beyden Principiis wird alles gebohren im Reiche der Natur und Gnaden. Denn auch da wird der neue Mensch wiedergebohren aus Wasser und Geist Joh. 3. nemlich aus der geistlichen Feuers-Krafft des Vaters, und aus der geistlich-wässerigen Lichts-Krafft des Sohnes. Daher auch der Sohn der Weibs-Saame genennet wird, und nicht anders als von einem Triebe ohne Zuthuung des Mannes konte gebohren werden. Wir sehen auch hieraus, wie die Schönheit und Lieblichkeit aller Creatur lediglich in einer gleichen Vermischung zweyer wiederwärtigen Dinge, als Licht und Finsternis, Feuer[550] und Wasser, bitter, scharff, herbe und süsse, temperirend und lieblich bestehet.


Der dritte Götze mag wohl die für alle ihre Creaturen sorgende und wachende Natur seyn, welches der Nacht-Eulen-Kopff mit einem Auge bedeutet. Denn ein Auge siehet viel schärffer als zweye. Bald hätte ich das beste an dieser hieroglyphischen Figur vergessen. Denn dieses Auge stund im Centro eines dreyeckigten Eulen-Kopffs, welcher dreyeckigte Kopff die drey Principia philosophica der Natur anzeigt. Ist also der Verstand dieser: Die wachsame Natur schicket unendliche Ausflüsse einer unermüdeten Sorgfalt und Hülffe denen nothleidenden Creaturen zu. Weilen aber dieses auch gleichsam zwischen denen dreyen Principiis eingeschlossen ist, so giebt dieses zu verstehen, daß alle drey Principia gleichsam die Quellen sind, daraus solche Ausflüsse hergeleitet, und in dem eintzigen Auge der wachsamen Natur gleichsam concentriret werden. Daß es aber ein Eulen-Kopff ist, deutet abermahl die Wachsamkeit an, indem dieser Vogel eben deßwegen der Minerva geheiliget ist, weil er des Nachts so munter ist, welches sich zum Nachtstudieren überaus wohl schicket. Es hat gleichsam der Archæus ein allsehendes Auge in seinem Hause. Er ist wie ein geschickter Haußwirth, der hinten und forn ist, und alsobald siehet, was fehlet, damit dasselbe wieder ersetzet werde; Also auch der Archæus, der ist alsobald bey allen nothleidenden[551] Gliedern mit seiner Hülffe da. Hat das Haupt Schmertzen, so stopffet er die Quelle, indem er die übrigen Speisen auf das geschwindeste aus dem Magen auszuführen sucht, die da eine Jährung im Magen intendiret, mithin schon zu dunsten angefangen. Da denn diese Dünste nach dem Kopffe steigen, und eben die Schmertzen causiren. Welche aber sobald aufhören, so bald die im Magen fermentirende materia peccans abgeführet ist. Man sehe nur zum Exempel das sorgfältige Verhalten des Archæi, wenn allerley Unreinigkeiten in seine Werckstatt kommen, sonderlich wenn der Magen mit Galle überladen wird. Weil nun diese Galle alle sein gutes Ferment im Magen verderbt; um die Stärcke des Archæi aber dadurch seine meisten kräfftigsten Würckungen im menschlichen Leibe eine feurige Hitze befördert (wie denn die Hitze ohne dem dem menschlichen Leibe convenable) also weiß er sich auch damit am allerbesten wider seinen eindringenden Feind zu defendiren. Denn die Unreinigkeiten, so im Magen entstehen, sind ein dickes, irrdisches, schleimiges Wesen, welches capable ist, alle fermentirende Hitze im Magen zu tilgen. Daher wir auch sehen, wenn solche dicke irrdische Unreinigkeiten im Magen überhand nehmen, dem Menschen über den gantzen Leib ein Schauer herfähret. Daraus denn der Mensch zu urtheilen pflegt, daß er ein kaltes Fieber bekomme. Daß aber diese kalte Schauern sich bey dem Menschen äusern, kommt daher, weil der Archæus, so bald er[552] seine Werckstatt verunruhiget sieht, alsobald verdrossen wird, sein Amt nicht mehr verrichtet, und dem nothleidenden Gliede die nöthige Hülffe nicht mehr zuschicket, so nimmt freylich die febrilische Kälte über hand. Das Schaudern aber entstehet von dem schwachen Widerstande des Archæi. So bald aber der Archæus sich ein wenig erhohlet, gehet er seinem Feinde entgegen, und suchet dadurch ihn auszutreiben, wenn er die gantze menschliche Machine in Hitze und Brand stecket. Darum folgt gemeiniglich auf die Kälte eine Hitze. Hält nun die Hitze länger an, als die Kälte, so ists ein Anzeichen, daß der Archæus noch starck genug sey, seinen Feind zu überstehen. Woferne aber die Hitze abnimmt, so ists ein Zeichen, daß der Archæus aus seiner Herberge bald Abschied nehmen werde. Die Kranckheit ist zwar so gewaltig nicht mehr, daher unverständige Medici meynen, der Patiente bekomme Ruhe; Aber eben daraus erkennet ein kluger Medicus, daß die Kranckheit zum Ende gelanget. Je empfindlicher die Hitze oder der Brand der Krancken ist, je stärcker kan man sie zu seyn urtheilen. Und destomehr ist auch Hoffnung zur Genesung. Weil man daraus siehet, daß der Archæus seine Sorge und Wachsamkeit für den menschlichen Cörper noch nicht abgeleget. Denn diese feurige Wuth rühret vom Archæo des Lebens her, wenn er in Harnisch gebracht worden entweder von einer ungesehren den ersten Schaden verursachenden Materie, oder von einem vermeynten Anzeigen, daß der Sitz des[553] Lebens, oder sonst ein naher mit demselben sympathisirenden Theile, entweder durch einen bößartigen Dampff und Dunst, oder durch einige traurige Gemüths-Bewegungen Noth leide, welche durch ihre tyrannischen Eindrückungen den Sitz des Lebens als seinen eigenthümlichen uhrsprünglichen Wohnplatz beunruhiget, maassen, die Seele und das Leben uhrsprünglich an einerley Orte ihren Sitz haben. Der lebendige Archæus ist gleichsam der Vulcanus im Menschen, der die Wärme des Lebens seine gantze Lebens-Zeit über erwecket und erhält, und der bey guten gesunden Tagen in guter Ordnung und vernünfftig handelt; hergegen, wenn er in Unordnung gebracht worden, gleichsam rasend wird.


Der vierdte Götze ist ein ergrimmter Mensch, der etwas mit einer Keule zerschlagen will. Und dieses stellet nunmehro den rasenden Archæum κατ' ἐξοχὴν vor, oder die den Mißbrauch der Creaturen rächende Natur. Diese Eigenschafft des Archæi erweckt allerdings das unordentliche Leben eines Menschen, der mit Fressen und Sauffen und allerley Wollüsten in sich hinein stürmet, auch durch allerley Affecten, Sorge, Furcht, Bekümmernis, dem Archæo eine widrige Empfindung eindrücket. Und weil er durch diese Empfindung meldet, daß sein Sitz und Wohnplatz nicht im Stande ist, diese belästigende Idee zu ertragen; So wird er gewaltig erbittert, setzt wegen dieses entweder wahrhafftigen, oder durch die Ideen causirten[554] vermeyntlichen und eingebildeten Ubels alles in Feuer und Brand, und verursacht einen erbärmlichen Zustand, der von sich selbst wesentlich ist. Denn das Sprichwort ist wahr: nemo læditur, nisi a se ipso.


Das fünffte Bild ist ein Mensch mit einem Hunde-Kopffe, und zeigt an die das einschleichende Verderben der Creatur stets bewachende Natur. Wie ein Hund das Hauß bewahret und billet, wenn ein Dieb einbrechen will; Also ist der Archæus stets wachsam, daß bey Imbibirung der Nahrung nichts unreines oder überflüßiges in die Creatur eingeführet werde. Denn dieses wird sie alsobald in der Fermentation von dem guten und reinen Chylo abscheiden, und durch allerley Ausgänge der Excretion, als per sudorem urinam, sedes, ausführen. Ja, wenn der Mensch selbst durch überflüßige Geniessung der Speisen und Geträncke die Werckstatt des Archæi verunreiniget; So wird der Archæus in seinen Grimm aufgebracht, verläst seine ordentliche Würckung, und das Bellen dieses wütenden Hundes kan man ja äuserlich wohl mercken aus der entstehenden grossen Hitze, item aus allerhand gefährlichen Symptomatibus, als Ohnmachten, Hertz-Klopffen, äuserlich gifftigen Geschwüren u.s.w.


Das sechste Bild ist die Figur eines aufgerichteten sitzenden Ochsens. Gleichwie nun der Ochse arbeitsam ist; also wird dadurch die für[555] ihre Creaturen stets sorgende und arbeitende Natur angezeiget. Welches aus dem vorhergehenden gnugsam zu ersehen, daß wir also nicht nöthig haben, uns hierbey länger aufzuhalten.


Das siebende Bild ist der Neptunus, wessen Character auf dem Steine durch die dreyzinckigte Gabel angedeutet wird. Da nun der Neptunus ein Gott des Wassers ist; so stellet dieses Bild vor die für den Uberfluß, Reinigkeit und Gesundheit des Wassers sorgende Natur. Keine eintzige Creatur kan das Wasser entbehren, denn hierinnen ist verborgen ein balsamisches Lebens-Saltz, ein männlicher und weiblicher Saame, daraus alle Dinge ihre Speise des Lebens nehmen. Und wo dieses Saltz nicht darinnen ist, so wird auch die beste Speise tumm, todt, und unfruchtbar. Wie CHristus selbst sagt, Matth. 5, v. 13. Wo das Saltz tumm wird, nemlich, das balsamische Lebens-Saltz, Nitrum und Sal, womit soll man saltzen? Es ist hinfort zu nichts nütze, denn daß man es hinaus schütte, und lasse es die Leute zertreten. Insgemein ist in einer grossen Quantität Wassers, die wir trincken, gar ein klein weniges Lebens-Saltz befindlich. Welches man sehen kan, wenn man das putreficirte Wasser abrauchen, und im Keller zu Crystallen anschiessen läst, so wird man finden, daß das männliche Saltz das Nitrum sich in Crystallen in die Höhe begeben; auf dem Boden aber lieget ein braunes Saltz, welches, wenn es wohl ausgeglüet, solviret, [556] filtriret und coaguliret, seine schöne Weisse wie ein gemeines Saltz zeiget. Und das ist der weibliche Theil unserer gesaltzenen Lebens Speise. Weil nun also der meiste Theil Wasser ist, so die Natur nicht annimmt, sondern wieder von sich läst; So sehen wir ja durch dieses Scheiden des Wassers von dem balsamischen Geiste, wie immer die sorgfältige Natur bekümmert ist, daß ein gnugsamer Vorrath Wassers da sey für alle Creaturen. Also der balsamische himmlische Lebens-Geist aus der Sonne ist sehr feurig, und hat das wenigste Wasser, doch seine beständige Agitation, macht doch endlich diesen feurigen Samens-Geist etwas dicker und schwerer, daß er sich herab sencket in die Region der Lufft, und dieses, was sich aus dem Himmel mit der Lufft vereiniget, ist ein Excrement, und heist ein subtiles Wasser. Diese Lufft nun scheidet sich wieder von ihrem überflüßigen Wasser, und schicket es dem dicken Wasser zu, da es denn im Regen, Schnee, Schlossen u.s.f. bald in die See fället, als den grossen Schatz-Kasten des Wassers, bald von denen Animalien in denen Speisen genossen wird, die Animalien scheiden wieder ihr überflüßiges Wasser ab, und schicken es der Erden zu, davon sich denn alle Kräuter, Bäume und Gewächse ernähren. Das übrige Wasser gehet ad centrum terræ und ernähret und bringet zur Vollkommenheit alle Mineralien und Metallen. Wie wenig nun der balsamische Lebens-Geist aus diesem Wasser in die Metalle zu ihrer Erhaltung eingeht, können wir leicht sehen aus der grossen[557] Menge des Wassers, die die Natur in denen Bergen von denen Metallen abscheidet. Man sehe nur an, was für eine unzehlige Menge Wasser und Quellen aus denen Bergen hervor kommt, daß, wenn man alle Berge in der Welt zusammen rechnen wolte, man zu zehlen aufhören müste. Daraus genugsam zu sehen ist, wie sorgfältig die Natur für einen hinlänglichen Wasser-Vorrath jederzeit gewesen und auch noch sey.


Das achte Bild stellet vor die den männlichen Saamen zur Vollko enheit bringende Natur. Um der Ursache willen hat dieses Bild allerley besondere hieroglyphische Figuren. Das männliche Glied unten am Bilde deutet auf die feurige und brünstige Begierde des allgemeinen Archæi oder Welt-Geistes, Creaturen zu produciren; der Löwen-Kopff mit denen Krallen stellet vor dieses doppelten chaotischen Saamens-Geistes alles zerfressende, corrumpirende und per Fermentationem & Putrefactionem zerstöhrende Natur. Denn es muß allezeit bey einer neuen Geburt eine Zerstöhrung und Putrefaction vorher gehen. Man muß erst das alte Hauß einreissen, allen Schutt und faul Holtz weg schaffen, und alsdenn sind die noch guten wesentlichen Theile des Hauses, welche der Schutt gefangen hielte, daß sie nicht konten zu einem neuen Bau gebraucht werden, von diesen Banden loß. Diese wesentlichen Theile nun sind das gute Holtz und Steine, welche man nun ohne Mühe nehmen, und zum neuen Hause[558] anwenden kan. Der Unter-Leib dieses Bild es hat gerade über der männlichen Schaam eine Frosch-Gestalt. Der Frosch bestehet aus einem wässerigen weiblichen Element, und bedeutet also den weiblichen Saamen, der unter der männlichen Ruthe eben mangelt, die denn dadurch sich verhindert siehet, etwas vollkommenes für sich selbst zu produciren. Von diesem weiblichen Saamens-Principio wird hernach unten noch weiter gehandelt werden. Dieser männliche Saame hat seinen Ursprung, wie wir oben gemeldet, aus der Sonne, die solche feurige Saamens-Krafft durch eine stete Bewegung circa Centrum ausstrahlet, und in die gantze Welt ausstreuet. Und werden diese Saamens-Kräffte der Himmel genennet. Dieses ist nun ein grosses Meer, mit unzehlig viel solchen feurigen lebendig-machenden, alles erhitzenden Particulis angefüllet. Weil sie nun das allersubtilste Feuer sind, so sind sie auch das allerkräftigste, beweglichste Leben, fangen durch solche Bewegung an, sich unter einander zu erhitzen, kommen darüber in Fermentation, und ihre subtilen Le bens-Geister werden dadurch dicke gemacht, und fallen wegen ihrer Schwere herab in die Lufft-Region, als den andern Theil des männlichen Saamens. Hier hat nun dieser Luft-Saame, nachdem er durch den täglichen Zufluß aus dem Himmel immer feuriger wild, alsdenn Hitze genug, in dieser Region sich von neuen in die Agitation bringen zu lassen. Daraus endlich eine Fermention und Verdickung entstehet, daß er in einem Nebel, Dunst und Dampff, zuletzt in einem[559] Thau herab sincket, und in procinctu stehet, sich in die Frosch-Gestalt des weiblichen Saamens-Principii, nemlich des Wassers, vermittelst eines Regen, Schnees, u.s.w. herab zu stürtzen: Davon beym weiblichen Saamens-Principio ein mehreres wird zu melden seyn.


Das neundte Bild ist die bekannte Ceres, welches vorstellet die alle hervorgebrachten Creaturen mit einer lieblichen Gestalt, Schönheit, Geruch und Geschmack auszierende Natur. Diese Auszierung giebt nun allein der männliche Saame, als in dessen Feuer die rechte wahrhafftige sulphurische Tinctur ist, die allen Creaturen einen lieblichen Geruch, Geschmack und Farbe giebt, nachdem der weibliche Saamen in einem Subjecto stärcken als im andern. Dannenhero riechen, schmecken und blühen die aromatischen Sonnen-Kräuter viel kräfftiger, als die flüchtig-hitzi gen und temperirten gewesen, und diese noch kräfftiger, als die wässerigen, ja diese haben nicht einmahl einen Geruch. Wir können demnach daraus erkennen, warum der Lapis philosophorum alle andern Dinge an Geschmack, Geruch, schöner Farbe und mächtiger Krafft übertrifft, nemlich weil das weibliche Principium durch die starcke Fixation gantz in sein Innerstes hinein gekehret, mithin diese Tinctur durch und durch nichts anders ist als der lauterste und subtilste astralische, der durch vielfältiges imbibiren und kochen in die allerhöchste Plusquamperfection gebracht, und[560] nun ein fixes, feuerbeständiges, durchsichtiges, crystallinisches Rubin-Glas, roth wie Blut, süsse wie Zucker, und wohlriechender als Ambra, mithin zu einer höchst vollkommensten Medicin auf Metallen bereitet worden. NB. Hier mag Herr Plager diese und mehr Passagen wohl attendiren. Sie klingen gantz gewiß philosophischer, als die Discourse seines Eliä Artissä und übrigen Gran-Goldmachers-Professorum ihre subtilen Weißheits-Lehren. Er bitte aber GOtt, daß mir eine Gelegenheit, Zeit und Musse von ihm geschenckt werde; so habe nicht in Abrede, als ein Gast mich eine Zeitlang in dem angenehmen Felsenburg aufzuhalten. Da er denn andere Dinge sehen soll, die er gewiß sein Lebe-Tage zu sehen die Gnade nicht gehabt. Ich muß hertzlich lachen über die seltsame Auslegung des Spruchs Hiobs, und sie haben sich damit bey dem wahren Eliä Artissä verrathen, daß Herr Plager und sein Præceptor nicht viel gewust. Gantz gewiß hatte der Mann damahls Willens, Herrn Plagern etwas zu offenbahren; Weil er aber zur Unzeit mit seinem Anagrammate heraus ruckte, so hielte er hinterm Berge, und wurde darüber gantz roth. Ohne Zweifel deutete diese Röthe bey dem Manne eine Bestürtzung an, daß es leicht hätte geschehen können, sich durch unzeitige Offenbahrung an GOtt zu versündigen. Will er ja etwas tüchtiges in diesem Anagrammate thun, so muß er vielmehr auf den Lebens-Geschichte der Persianischen Printzeßin Mirzamanda aus Candahar und anagrammatisiren,[561] der aber nicht das gemeine und Lebens-Geschichte der Persianischen Printzeßin Mirzamanda aus Candahar ist, sondern ein regenerirtes philosophisches und Lebens-Geschichte der Persianischen Printzeßin Mirzamanda aus Candahar, welches aber nicht ehe kan zur Regeneration gebracht werden, als bis das gemeine und Lebens-Geschichte der Persianischen Printzeßin Mirzamanda aus Candahar, so er zu erst in die Hände nehmen muß, auf eine philosophische Weise, in seine erste materiam remotam gebracht ist, da es denn zwar mineralisch, aber doch ad regnum minerale noch nicht specificiret ist. Kurtz: es ist eine Lebens-Geschichte der Persianischen Printzeßin Mirzamanda aus Candaharsche Gur, darzu muß und Lebens-Geschichte der Persianischen Printzeßin Mirzamanda aus Candahar gemacht werden. Kennet er die, so ist er auf dem rechten Wege. Hier habe ich viel offenbaret, er dancke GOtt dafür, bete fleißig und studiere. Doch wieder ad rem.


Das zehende Bild stellet einen Affen vor, in seiner gewöhnlichen sitzenden Natur. Wie nun dieses Thier überaus dienstfertig ist, auch alles nachthut, was man ihm vormacht; also zeiget dieses Bild an die dienstfertige und der nothleidenden Creatur zu Hülffe kommende Natur. Wenn der Mensch eine Wunde hat, so sammlet der Archæus alsobald allerley balsamische Lebens-Kräffte aus sich selbst zusammen, und bringt sie an den verwundeten Ort, ja er schickt auch einen stärckern Brand und Hitze dahin, um diesen Ort wider alle gefährlichen Zufälle zu defendiren, und die Heilung dadurch desto mehr zu befördern. Wenn ferner der Mensch durch üble Diæt viel Unreinigkeiten in die reine Werckstatt des Archæi eingeführt, oder wenn auch nur durch die hefftigen Affecten des Menschen[562] eine Idee eines scheinenden Wiederwärtigen und Bösen dem Archæo imprimiret wird, so wird er, wie oben gemeldet, wütend und voller Grimm, und ruiniret seine gantze Werkstatt, setzt sie in Feuer und Brand, und richtet daselbst einen recht erbärmlichen Zustand an. Wenn man aber diesem erzürnten Affen nur einen schönen Apffel vorwirfft, das ist, wenn man ihm eine wohl ausgekochte fix und feuerbeständige Quint-essenz vorhält und zu kosten giebt, so schmecket er just diejenige Speise, die mit ihm einerley Natur ist, und womit er auch seine krancke Creaturen speiset und stärcket. Dadurch wird er nun nicht nur begütiget, sondern auch noch dazu gantz lustig und munter gemacht, daß er wieder seine Arbeit in seiner Werckstatt anfängt, und alle Unreinigkeit per locos excretionis ausführet. So dienstfertig ist die gütige Natur, ob wir sie gleich erzürnet. Und gleichwie wir den Apffel diesem erzürnten Affen vorgeworffen, und ihn dadurch wieder besänftiget; also thut er solches uns gleich nach, und wirfft eben diesen Apffel, nemlich die balsamische Tinctur, dem krancken Gliede wieder vor, daß es dadurch gestärckt und gesund werde.


NB. Hier, bey der angezeigten Weise, wie ein Hermeticus die Kranckheiten zu curiren pflegt, da er nemlich nicht selbst der Medicus seyn will, denn das ist die Natur, und nach derselben GOtt, sondern der Medicus ist nur ein Diener der Natur, und wenn die Natur oder der Archæus in seiner Werckstatt[563] in Unordnung kommen, und sich nicht helffen kan, so reicht der Minister naturæ alsobald derselben diejenige Artzeney, womit sie sonst gleichfalls ihre krancken Patienten zu curiren pfleget. Dadurch wird der Archæus auf einmal gestärcket, daß er hernach schon selbst im Stande ist, seinen Patienten zu Hülffe zu kommen. Aber ich muß hertzlich lachen über die Medicos mechanicos, die, ob gleich GOtt spricht: Ich bin der Herr dein Artzt, dennoch par tout selbst der Artzt seyn wollen. Und weil sie der Natur ihre Art zu curiren nicht wissen, sondern meynen, der Archæus treibe das Böse hinaus per Mechanismum, wie man mit dem Besem eine Stube auskehrt. Da mag man denn billig fragen, wie wird sie sich aber dieser bösen Schein-Ideen entledigen, die sie sich per Impression gemacht? Was braucht man da für einen Besem dazu? Eine Magen-Bürste ist gewiß hierzu zu grob, und allzu mechanisch. Ach! in der Natur treiben keine mechanische Gewichte von grosser Schwere die Kranckheit aus; sondern in der Natur bewegt nur eine kleine subtile Lichtes-Krafft das wiederwärtige Böse viel stärcker, als das schwerste Pondus in der Mathematique. Ich habe vorhin gesagt, die Sonne strahle lauter solche Lichts-Kräffte aus. Und weil sie sich denn circa centrum ab occidente versus orientem bewegt, so bewegen sich denn auch alle ihre Lichts-Kräfte mit dahin. Weil nun alle schweren Cörper, als unsere Erde und andere Planeten in diesen solarischen Lichts-Kräfften gleichsam[564] schwimmen, eben wie eine Kugel in der See; so folget nothwendig, daß, weil alle Lichts-Kräfte sich per circulum ab occidente versus orientem drehen, alsdenn auch unsere Erde und dergleichen mehr par Compagnie eben den Weg mit fort müssen. Thut dieses der grosse Welt-Archæus die Sonne, warum soll es denn nicht auch unser Archæus thun können in unserer kleinen Machine? So curiren wir denn weit glücklicher und gewisser durch eine Medicin, die mit unzählig tausend Radiis sulphureo-solaribus angefüllet ist. Davon auch nur den Stein in Spiritum Vini geweicht, daß ihm so gar auch am Gewichte nichts abgehet, bloß durch seine einstrahlende geistliche Krafft den Spiritum Vini medicinisch machet. Nun wieder zur Sache.


Das eilfte Bild ist das weibliche Saamens-Principium, und zeiget an die den männlichen mit dem weiblichen Saamen vereinigende und solche mit einer lebendigen Saamens-Kraft des männlichen Principii prægnirende Natur. Das zeigt unten die Signatur des weiblichen Gliedes gegen die Signatur des männlichen Gliedes, die uns genungsam anzeigt, wie begierig der kalte weibliche Saame nach dem feurigen männlichen Saamen seinen Mund aufthut, um solchen in sich als in einer Matricem einzuschliessen. Welches gleichfals so zu mercken da die Diana sich gleichsam in eine solche Positur leget, als wolte sie auf den brünstigen Hirsch des feurigen mäñlichen Saamens mit höchster Begierde zufliegen.[565] Welches gleichfals anzeigt, wie begierig die weibliche allgemeine Saamens-Quelle des Mondes nach der feurigen allgemeinen Saamens Quelle der Sonne sich bezeigt, also daß der Mond alle diese solarische, feurige Influentien attrahiret, in ihre Natur verwandelt, und nach und nach selbst gantz feurig wird, und geschickt ist, eine neue Creatur hervor zu bringen, nemlich den all gemeinen chaotischen Saamen im Waßer, Nitrum und Sal, gleichwie nun der männliche Saame eine corrumpirende Krafft hat, indem er alles verbrennt und austrocknet; also hat auch der weibliche Saame eine corrumpirende Krafft, indem er durch ihre überflüßige Aquosität alles faulend machet. Diese corrumpirende Krafft wird an dem Bilde im Tempel angezeigt dadurch, daß dieser Götze ein Kind verschlingt. Was ich nun esse, das verwandele ich in meine Natur. Wenn nun eine Sache mit allzu vielen wässerigen Principiis imprægniret wird, so faults und wird zu lauter Wasser. Man probire es mit einem eingesaltzenen Fleische, stelle das Fleisch also, daß das Saltz-Wasser davon ablauffen, und die Lufft dazu kommen kan. Man werffe Saltz darauf, so viel man will, weil es ein wässeriges Saltz ist, so muß es doch verfaulen. Weil nun dieser weibliche mit dem männlichen imprægnirte Saame gleichwohl immer nach mehrern dergleichen hungert; so werden dadurch die Lebens-Geister im Saamen zu einer Activität und Leben aufgewecket, fangen an zu wachsen und aufzuschwellen, daß sich endlich zuletzt[566] der Saame zu einer dicken, ölichten, incluosen Saamens-Gur zeitiget. Und das ist materia prima remota, woraus alle Creaturen durch beständige lmbibition einer neuen Saamens-Gur endlich zur Vollkommenheit ko en. Welches auch ein Haupt-Pünctgen in der hermetischen Philosophie ist. Gewiß diese Heyden in Klein-Felsenburg müssen grosse erfahrne Philosophi gewesen seyn. Diese durch vielfältige Imbibition causirte wachsende Krafft wird an dem Bilde vorgestellet unter dem Nabel mit 6. Zitzen, dadurch die Natur ihre Kinder gleichsam als an vielen Brüsten reichlich säuget, und damit ihren Wachsthum befördert. Dieser weibliche Saame wird aber nun also mit dem männlichen vereiniget: Es ist nemlich bekannt, daß diese beyden Saamen gegen einander sehr hungrig sind. Dannenhero ziehet immer eines das andere begierig an sich. Wenn demnach Thau, Nebel, Dampf und Dunst in der untern warmen und schon dickern Region der Luft noch mehr fermentiret wird, so verdickt er sich endlich, und fället in Regen, Schlossen, Schnee u.s.w. herab, theils in die grosse Welt-See, als die grosse Vorraths-Kammer alles Wassers, theils auf die Erde, dadurch alles wächst und fruchtbar wird, auch unzehlige Vegetabilien kommen, die Animalia hergegen auch ihre Nahrung davon nehmen. Das übrige gehet centrum terræ. Daraus es wieder als ein corrosivischer Central-Dunst in die Höhe steiget, sich immer ie mehr und mehr verdicket, und in Mineralia & Metalla[567] zeitiget. Das übrige Wasser aber, das die Natur in den Bergen abscheidet, bricht an denenselben in Seen und Flüssen in grosser Menge aus, davon etliche gantz süsse sind, andere durch saltzigte Gebürge streichen, und zu Saltz-Quellen werden, noch andere durch victriolische, alaunische, martialische, venerische Gänge gehen, daraus unterschiedliche Sauer-Brunnen, warme Bäder u.s.f. zu Tage ausgehen.


Das zwölfte Bild ist der Mercurius. Dieses ist nebst der Sonne und Mond das dritte Saamens-Principium, kommt aber in der philosophischen Arbeit nicht zum Vorschein. Denn der Philosophus hat beständig nur zwey Principia in Händen, nemlich Sonne und Mond, männlichen und weiblichen Saamen, Sulphur und Saltz, Feuer und Licht, Acidum und Alcali; In beyden aber ist das dritte verborgen, als sein Geist und Leben, das nicht wohl ohne gänzliche Destruction des Saamens von einander geschieden werden kan. In dem männlichen Saamen ist es ein hitziger, feuriger, brennender und treibender Geist; in dem weiblichen Saamen ist es ein wässericht-saltzigter, gelinder und temperirter Geist. Wenn nun diese beyden Geister in denen beyden Principiis mit einander vereiniget werden, so heists Mercurius duplicatus, so führen sie ihren vereinigten Saamen desto kräftiger in die unvollkommene Metallen ein, verwandeln sie in ihre Natur, nemlich in einen sulphurischen[568] Saltz-Leib, und jemehr dieser sulphurische Saltz-Stein mit neuem Mercurio duplicato wieder aufgelöst, coagulirt und figiret, auch zur höchsten Glasigkeit und durchsichtig-crystallinischen Rubin-Röthe figiret wird, also daß es zu einer plusquam-perfecten Figität und Maturität gebracht wird; Je höher es nachgehends andere unvollkommene Metallen in das schönste Gold tingiret. Dieser Geist ist doppelt, darum hat auch der Mercurius gedoppelte Flügel, und am Stabe eine gedoppelte Schlange. Wie auch hier der Stab Mercurii durch gedoppelte Queer-Striche solches anzeiget.


Das dreyzehende ist eine gekrümmte Schlange, die mit dem Schwantze auf einer Kugel stehet. Wie nun eine Schlange durch die kleineste Ritzen durchschlupfen kan; also stellet dieses Bild vor die die kleinesten, verborgensten Winckel der Creaturen durchsuchende und von aller Unreinigkeit befreyende Natur. Gleichwie nun der Archæus durchaus nichts in seiner Werckstatt dultet; also empfindet er nun alsobald den geringsten Schnitt oder andere kleine Læsiones an denen Gliedern, schickt sogleich eine genungsame balsamische Hitze zu Heilung dieses Gliedes dahin. Welches aus der grossen Feurigkeit und Hitze, wie auch aus der rothen Gestalt des verwundeten Theils gnugsam zu sehen, daß da hier mehr und überflüßiges Blut schon abgeführet worden, als sonst wäre nöthig gewesen. Dieses wäre nun, meine Hochgeehrteste Herrn, was ich euch aus wohlmeinenden Hertzen er öffnen wollen.[569]

Nun erlaubet mir auch zu sagen – – – – etc. Indem ich Gisander nun verhoffe, es werden die Herrn Felsenburger mit der mir ausgetragenen Ausarbeitung ihrer Geschichts-Beschreibung, die ich in meinen Nebenstunden mit vielem Vergnügen bestmöglichst verrichtet, zufrieden seyn; so dancke ihnen allen vor das reichliche Honorarium, welches sie mir ihrer besondern Generosite nach angedeyen lassen. Meine deutschen Lands-Leute werden mir vermuthlich dasselbige gönnen, weilen gewiß weiß, daß viele derselben sehr begierig sind, die Felsenburgischen Geschichte zu lesen; da aber vieler Umstände und Ursachen wegen wohl dieserhalb so bald nichts weiter zu Marckte gebracht werden dürffte, so mache nun mit gröstem Plaisir des vierdten und letzten Theils


ENDE.

Quelle:
Johann Gottfried Schnabel: Wunderliche Fata einiger Seefahrer absonderlich Alberti Julii, [...], Vier Theile, Teil 4, Nordhausen 1743, S. 411-570.
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