3.

[255] Ein Reimwetzler / oder Reimschleiffer ist / wan die aufeinander folgende Reimwörter nicht allerdings Reimrichtig / oder zur rechten Reimung stimmig sein / sonderen wanderen mit einem zustimmenden Reimlaute jmmer hin / und zwar so lange / bis ein guter reiner Reim daraus gewetzet und geschlieffen wird / welcher sich zu ende finden muß. Nach gelegenheit der Materi kan dieses Reimgedicht nicht unfüglich gebrauchet werden. Folget zur anzeige ein


Reimwetzler.


Wil sich nicht reimen denn dein Reim?

Begnag den Finger und den Daum /

Zerkratz den Kopf / es komt der Laun /

Es wechst im sitzen dir der Stain /

Zerkratz die Zähn' und sprütze Schleim /

Nichts wil sich finden angenehm:

Du armer Gek / bleib nur daheim /

Du machest keinen guten Reim. *


Anderer Reimwetzeler.


In der Welt herrscht die unbeständigkeit /

Wie der Wind / so des Menschen thun verweht /[255]

Niemand hat hie die rühig-sichre Stet /

Ungewiß / falsch / verrucht / verleumdrisch / schnöd /

Bleibt die Welt / der hat in den Sand geseet

Wer jhr traut: dessen thun hie fest besteht

Wer mit Gott auf den Tugendwegen geht.*

Quelle:
Justus Georg Schottel: Teutsche Vers- oder Reimkunst. Lüneburg 1656, S. 255-256.
Lizenz:
Kategorien: