2.

[257] Die Stachelreime oder Spottverse sind /[257] darin etwa ein Laster / Gestalt / Gewohnheit / Stand / Misbrauch etc. eines / oder vieler / wird angezüpft / anzüglich abgebildet und mit sonderlichẽ Schimpfe also wird vorgestellet / daß im letzten Verse der letzte Stachel sich můsse gemeiniglich finden lassen: Ihre rechte art bestehet in einer spitzfündigen Kürtze / haben mit den Kunstfündigẽ zwar nahe verwantschaft / nur daß sie mehr Spott- und Stachelweis / und Schimpfspitziger gemachet sein. Folgen zur anzeige


Stachelreime oder Spottverse.


Schau mich recht an; mich dünkt / ich soll dich kennen;

Ich habe dich / wo mir recht / hören nennen:

Ey hab' ich dan den Nahmen so verlohren?

Ja recht / es wer Hans mit den langen Ohren.*


Item:


Ist der Ochsentreiber hier?

Hüte dich geh nicht zu weit:

Die Gefahr sich nähert dir /

Denn es ist die Schlachte-zeit.


Item: Fůnfzehnsilbig Langkurtze.


Reich bistu uñ schön uñ groß / treflich kanstu courtisirē /

Allerwegen lestu auch die verliebten Minen syüren:

Deñoch alles Jungfern volk dich zuliebē stets vergist /

Warum? darum weil man nicht rohes Schwein- und Kalbfleisch frist *


Item:


Vertraue dich der See / dem Frauenzimmer nicht /

Dieweil kein Glas / so bald als jhre Gunst zerbricht.

Kein Weib ist guht / und ist ja eines oder zwey /

So weiß ich nicht wie guht auß bösen worden sey.


Hercin.


[258] Item:


Du machst dich unsichtbar / das ist daher zusehen /

Weil du kanst ungescheut bey jedem Hunde gehen:

Die Hunde pflegen ja die Hasen wegzubeissen /

Wehrst du nicht unsichtbar sie würden dich zerreissen.*

Quelle:
Justus Georg Schottel: Teutsche Vers- oder Reimkunst. Lüneburg 1656, S. 257-259.
Lizenz:
Kategorien: