1.

[261] Die Fragreime sind / darin man fraget / und alsbald drauf antwortet / entweder in einer Zeile / oder in einer oder mehr folgenden. Je öfter und deutlicher man aber die Frage kan anbringen und nachdenklich beantworten / je besser es in dieser Reimart lauten möchte. Folget zur anzeige


Fragreim.

Davon Frag und Antwort jeder Reimzeile ist.


Was ist der Welt bezirk? ein Klumpf der Eitelkeitẽ /

Was ist des Eitlen Kleid? der Mensch / die Lust / die Zeiten.[261]

Was ist Zeit / Mensch und Lust? Rauch / nichts / ein steter Tod.

Was bleibet / was erfreut? Nur Tugend und nur Gott.*


Frag Reim


Darin Frag und Antwort in jedem Reime ist.


Was ist das Glük / hör / sag mir das?

Wind / Blitz / Dampf / Klang / nichts Gras und Glas.

Wie kan das sein das gute Glük?

Weil Glükes Güt' ist falsche Tük.

Ist Glük nicht stärker als ein Leu?

Hat Wolfesart und Schlangentreu. etc.*.


Frag Reim

Darin Frage und Antwort in jedem Reimschlusse ist:


1. Wie komts / Cupido redet nicht

Wan er doch alles wol ausricht?

Die Liebeslust und Liebespein

Die wil alzeit verschwiegen sein.


2. Er ist ja blind / wie kan sein Pfeil

So richtig treffen in der Eil?

Ob schon die Lieb star-stokblind /

Sie dennoch jhre Strasse findt.


3. Warüm ist er denn nakt und blos

Und fleucht herüm so kleiderlos?

Je blösser nur die Liebe steht /

Je frischer sie zu Waffen geht.
[262]

4. Er ist ja klein und ohne Sterk

Ist es mit jhm nicht Kinderwerk?

Wer liebe treibt und treiben wil /

Treibt Affenwerk und Kinderspiel.


5. Ist er denn alt viel tausent Jahr

Und bleibet dennoch wie er war?

Die Liebe geht den alten Gang

Wens noch wehrt tausend Jahre lang. etc.*

Quelle:
Justus Georg Schottel: Teutsche Vers- oder Reimkunst. Lüneburg 1656, S. 261-263.
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