Dritter Lehrsatz.

[14] In allen zweysilbigen gedoppelten / wenn die letzte Silbe ein selbstendiges (substantivum) ist / alsdenn ist diese letzte Silbekurtz / ob schon viele mitlautende (consonantes) darin seyn / welches durchgehend und algemein ist. Als:

– ∪ – ∪ – ∪ – ∪

Nohtwehr / Eckstein / Landstadt / Jahrmarckt /

– ∪ – ∪

Rahthauß / Nachtzeit / etc. Und nicht:

– ∪ – ∪ – ∪ – –

Nohtwehr / Eckstein / Landstat / Rahthauß /

etc. Und also in fast unzahlbar anderen.

In compositis Germanicis dißyllabis, quando utima syllaba est substantivum, tunc ea semper corripitur, & prior syllaba producitur.


– ∪

Die Schaarwacht sicher schlaffen. Bart.

– ∪

Und dessen Schlachtschwert nicht. Bart.

– ∪

Die Windmühl ietz umgehen. Bart.

– ∪

Der das Welt Volck zwingt.

Op.


– ∪

Unser Erbtheil hat. ib.

– ∪

Ein fester Wohnplatz werden.

Rist. 4. 3.


Wir reisen nur mit eilen durch das leben.

– ∪

Worzu vns Gott das Zehrgeld hat gegeben.

Rist. 4. 6.
[14]

Es müchte sich wol etzliche wenig mahl auch beym Opitio, finden / daß etwa wegen Nohturfft der Verses in solchen zweysilbigen gedoppelten / die erste kurtz /und die andere Silbe lang / Wider die Natur deß Wortes / und wider den Inhalt gegebener Regul / gesetzet weren: Solches aber / wie es ohn gefehr einer Poetischen Noht-freyheit / oder vielmehr dem vergönstigtem Mißbrauche / zuzuschreiben / also kan es weder einige Regul machen / noch die gantz richtige durchgehende Regul im geringesten schwechen.

Quelle:
Justus Georg Schottel: Teutsche Vers- oder Reimkunst. Lüneburg 1656, S. 14-15.
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