Erste Szene

[247] Das Lager der Rebellen bei Shrewsbury.


Percy, Worcester und Douglas treten auf.


PERCY.

Ganz recht, mein edler Schotte! Wenn nicht Wahrheit

In dieser feinen Welt für Schmeicheln gölte,

Dem Douglas käme solches Zeugnis zu,

Daß vom Gepräge dieser Zeit kein Krieger

So gangbar sollte sein in aller Welt.

Bei Gott, ich kann nicht schmeicheln; glatte Zungen

Verschmäh' ich: aber einen bessern Platz

In meiner Liebe hat kein Mensch als Ihr.

Ja, haltet mich bei Wort, erprüft mich, Herr!

DOUGLAS.

Du bist der Ehre König.

Auf Erden lebt kein so gewalt'ger Mann,

Dem ich nicht trotzte.

PERCY.

Tut das, und 's ist gut.

Ein Bote kommt mit Briefen.


Was bringst du da? – Nur danken kann ich Euch.

BOTE.

Von Eurem Vater kommen diese Briefe.

PERCY.

Briefe von ihm? Warum kommt er nicht selbst?

BOTE.

Er kann nicht, gnäd'ger Herr, er ist schwer krank.

PERCY.

Blitz! wie hat er die Muße, krank zu sein

In so bewegter Zeit? Wer führt sein Volk?

In wessen Leitung rücken sie heran?

BOTE.

Sein Brief, nicht ich, kann Euch das sagen, Herr.

WORCESTER.

Ich bitt' dich, sag mir, hütet er das Bett?

BOTE.

Ja, gnäd'ger Herr, vier Tage, eh' ich reiste,

Und zu der Zeit, als ich dort Abschied nahm,

Ward von den Ärzten sehr um ihn gesorgt.[247]

WORCESTER.

Ich wollte nur, die Zeit wär' schon genesen,

Eh' ihn die Krankheit hätte heimgesucht.

Nie galt sein Wohlbefinden mehr als jetzt.

PERCY.

Nun krank! Nun matt! Oh, diese Krankheit greift

Das Herzblut unsers Unternehmens an!

Die Ansteckung reicht bis hieher ins Lager.

Er schreibt mir da, – daß innerliche Krankheit, –

Daß er durch Boten nicht so schnell die Freunde

Versammeln konnt' und auch Bedenken trug,

Ein Werk von so gefährlichem Belang

Wem anders als sich selber zu vertraun.

Er gibt uns dennoch kühne Anmahnung,

Mit unserm schwachen Bunde vorzudringen,

Zu sehn, ob uns das Glück gewogen ist.

Denn, wie er schreibt, so gilt kein Zagen jetzt,

Weil sicherlich der König Kenntnis hat

Von allen unsern Planen. – Was bedünkt Euch?

WORCESTER.

Für uns ist seine Krankheit eine Lähmung.

PERCY.

Ein blut'ger Streich, ein abgehau'nes Glied.

Und doch: fürwahr nicht! Daß wir jetzt ihn missen,

Ist nicht so übel, als es scheint. – Wär's gut,

Die volle Summe des, was wir vermögen,

Auf einen Wurf zu setzen? solchen Schatz

Auf einer zweifelhaften Stunde Glück?

Es wär' nicht gut: denn darin läsen wir

Die ganze Tief' und Seele unsrer Hoffnung,

Die Grenzen und das wahrhaft Äußerste

Von unser aller Glück.

DOUGLAS.

Das täten wir,

Da nun noch schöne Anwartschaft uns bleibt.

Wir dürfen kühn vertun, in Hoffnung dessen,

Was einkommt;

Dies hält den Trost auf einen Rückzug rege.

PERCY.

Auf eine Zuflucht, einen Sammelplatz,

Sollt' etwa Mißgeschick und Teufel finster

Auf unsrer Sachen Erstlingsprobe schaun.

WORCESTER.

Doch wollt' ich, Euer Vater wäre hier.

Denn unsers Anschlags Eigenschaft und Farbe[248]

Gestattet keine Teilung: man wird denken,

Wo man nicht weiß, weswegen er nicht kömmt,

Daß weiser Sinn, Vasallentreu', Mißfallen

An unserm Tun zurück den Grafen hält.

Bedenkt, wie eine solche Vorstellung

Die Flut der schüchternen Parteiung wenden

Und unser Recht in Frage stellen kann.

Ihr wißt, wir auf der rüst'gen Seite müssen

Uns fern von scharfer Untersuchung halten

Und jede Öffnung, jeden Spalt verstopfen,

Wodurch das Auge der Vernunft kann spähn.

Dies Zögern Eures Vaters hebt den Vorhang

Und zeigt Unkund'gen eine Art von Furcht,

Wovon man nicht geträumt.

PERCY.

Ihr geht zu weit;

Mir scheint vielmehr sein Zögern vorteilhaft.

Es leihet Glanz und eine höh're Meinung,

Ein kühners Wagen unserm Unternehmen,

Als wenn der Graf hier wäre: man muß denken,

Wenn ohne seine Hülfe wir dem Reich

Die Spitze bieten können, stürzen wir

Mit seiner Hülf' es über Kopf und Hals. –

Noch geht's ja wohl, noch sind die Sehnen fest.

DOUGLAS.

Wie sich's das Herze wünscht. Kein solches Wort

Hört man in Schottland als den Namen Furcht.


Sir Richard Vernon tritt auf.


PERCY.

Mein Vetter Vernon! Traun, Ihr seid willkommen!

VERNON.

Gott gebe, meine Zeitung sei es wert!

Lord Westmoreland, an siebentausend stark,

Marschiert hieherwärts, mit ihm Prinz Johann.

PERCY.

Kein Arg: was mehr?

VERNON.

Und ferner ward mir kund,

Daß in Person der König ausgezogen

Und sich hieherwärts schleunig hat gewandt

Mit mächtiger und starker Zurüstung.

PERCY.

Er soll willkommen sein. Wo ist sein Sohn,[249]

Der schnellgefüßte tolle Prinz von Wales,

Und seine Kameraden, die die Welt

Bei Seite schoben und sie laufen ließen?

VERNON.

Ganz rüstig, ganz in Waffen, ganz befiedert

Wie Strauße, die dem Winde Flügel leihn;

Gespreizt wie Adler, die vom Baden kommen;

Mit Goldstoff angetan wie Heil'genbilder;

So voller Leben wie der Monat Mai,

Und herrlich wie die Sonn' in Sommers Mitte;

Wie Geißen munter, wild wie junge Stiere.

Ich sah den jungen Heinrich, Sturmhut auf,

Die Schienen an den Schenkeln, stolz gewaffnet,

Wie der beflügelte Merkur vom Boden

So leicht gewandt sich in den Sattel schwingen,

Als schwebt' ein Engel nieder aus den Wolken,

Den Pegasus zu tummeln und die Welt

Mit edlen Reiterkünsten zu bezaubern.

PERCY.

Genug, genug! Mehr, wie die Sonn' im März,

Wirkt fieberhaft dies Preisen. Laßt sie kommen!

Wie Opfer kommen sie in ihrem Putz:

Wir wollen sie der glutgeaugten Jungfrau

Des dampf'gen Krieges heiß und blutend bringen;

Der eh'rne Mars soll auf dem Altar sitzen

Bis an den Hals in Blut. Ich bin entbrannt,

Zu hören, daß so nah die reiche Beute

Und noch nicht unser. – Kommt, gebt mir mein Pferd,

Das wie ein Donnerkeil mich hin soll tragen,

Wo mir der Prinz von Wales den Panzer beut:

Heinrich auf Heinrich, Roß auf Roß gestellt,

Soll kämpfen, bis der ein' als Leiche fällt.

Oh, wär' doch Glendower da!

VERNON.

Es gibt mehr Neues:

Ich hört' in Worcester unterwegs, er kann

In vierzehn Tagen seine Macht nicht sammeln.

DOUGLAS.

Das ist die schlimmste Zeitung noch von allen.

WORCESTER.

Ja, meiner Treu, das hat 'nen frost'gen Klang.

PERCY.

Wie hoch mag sich des Königs Macht belaufen?

VERNON.

Auf dreißigtausend.[250]

PERCY.

Laßt es vierzig sein:

Ist schon mein Vater und Glendower fern,

G'nügt unsre Macht so großem Tage gern.

Kommt, stellen wir die Must'rung schleunig an:

Der Jüngste Tag ist nah; sterbt lustig, Mann für Mann!

DOUGLAS.

Sprecht nicht von Sterben: für dies halbe Jahr

Kenn' ich nicht Furcht vor Tod und Todsgefahr.


Alle ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 3, Berlin: Aufbau, 1975, S. 247-251.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Pascal, Blaise

Gedanken über die Religion

Gedanken über die Religion

Als Blaise Pascal stirbt hinterlässt er rund 1000 ungeordnete Zettel, die er in den letzten Jahren vor seinem frühen Tode als Skizze für ein großes Werk zur Verteidigung des christlichen Glaubens angelegt hatte. In akribischer Feinarbeit wurde aus den nachgelassenen Fragmenten 1670 die sogenannte Port-Royal-Ausgabe, die 1710 erstmalig ins Deutsche übersetzt wurde. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Karl Adolf Blech von 1840.

246 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon