[221] Ein Kloster.
Es treten auf der Herzog und Pater Thomas.
HERZOG.
Nein, heil'ger Vater! Fort mit dem Gedanken!
Glaubt nicht, der Liebe leichter Pfeil durchbohre
Des echten Mannes Brust. Daß ich dich bat
Um ein geheim Asyl, hat ernsten Zweck,
Gereifteren, als Ziel und Wünsche sind
Der glüh'nden Jugend.
MÖNCH.
Könnt Ihr mir vertraun?
HERZOG.
Mein frommer Freund, Ihr selber wißt am besten,[221]
Wie sehr ich stets die Einsamkeit geliebt,
Geringe Freude fand am eitlen Schwarm,
Wo Jugend herrscht und Gold und sinnlos Prunken.
Dem Grafen Angelo hab' ich vertraut
(Als einem Mann von strenger Zucht und Keuschheit)
Mein unumschränktes Ansehn hier in Wien;
Und dieser wähnt, ich sei verreist nach Polen,
Denn also hab' ich's ausgesprengt im Volk,
Und also glaubt man's. Nun, mein heil'ger Freund,
Fragt Ihr mich wohl, weshalb ich dies getan?
MÖNCH.
So fragt' ich gern.
HERZOG.
Hier gilt ein scharf Gesetz, ein starres Recht,
Als Kappzaum und Gebiß halsstarr'gen Pferden,
Das wir seit vierzehn Jahren ließen schlafen,
Gleich einem alten Löwen in der Höhle,
Der nicht mehr raubt. Nun, wie ein schwacher Vater,
Der wohl die Birkenreiser drohend bindet
Und hängt sie auf zur Schau vor seinen Kindern,
Zum Schreck, nicht zum Gebrauch: bald wird die Rute
Verhöhnt mehr, als gescheut: so unsre Satzung,
Tot für die Straf', ist für sich selbst auch tot,
Und Frechheit zieht den Richter an der Nase;
Der Säugling schlägt die Amm', und ganz verloren
Geht aller Anstand.
MÖNCH.
Euch, mein Fürst, lag ob,
Die Fesseln des gebundnen Rechts zu lösen;
Und dies erschien von Euch noch schrecklicher
Als von Lord Angelo.
HERZOG.
Zu schrecklich, fürcht' ich.
Da meine Säumnis Freiheit ließ dem Volk,
Wär's Tyrannei, wollt' ich mit Härte strafen,
Was ich erlaubt. Denn der erteilt Erlaubnis,
Der freien Lauf der bösen Lust gewährt,
Anstatt der Strafe. Drum, verehrter Vater,
Hab' ich auf Angelo dies Amt gelegt:
Der, hinter meines Namens Schutz, mag treffen,
Derweil ich selbst vom Kampfe fern mich halte
Und frei vom Tadel bleibe. Sein Verfahren[222]
Zu prüfen, will ich als ein Ordensbruder
Besuchen Fürst und Volk; drum bitt' ich Euch,
Schafft mir ein klösterlich Gewand, belehrt mich,
Wie ich in aller äußern Form erscheine
Als wahrer Mönch. Mehr Gründe für dies Tun
Will ich bei beßrer Muße Euch enthüllen.
Nur dies: – Lord Angelo ist scharf und streng,
Vor Läst'rung auf der Hut, gesteht sich kaum,
Blut fließ' in seinen Adern, und sein Hunger
Sei mehr nach Brot als Stein. Bald wird sich's zeigen,
Ob Macht ihn lockt, ob echte Treu' ihm eigen.
Gehn ab.
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