Zweite Szene

[607] Freies Feld bei Fores.


Kriegsgeschrei. Es treten auf der König Duncan, Malcolm, Donalbain, Lenox, Gefolge; ein blutender Krieger kommt ihnen entgegen.


DUNCAN.

Welch blut'ger Mann ist dies? Er kann berichten,

Nach seinem Ansehn scheint's, den neusten Stand

Des Aufruhrs.

MALCOLM.

Dies ist der Kämpfer,[607]

Der mich, als kecker, mutiger Soldat,

Aus meinen Feinden hieb: – Heil, tapfrer Freund!

Dem König gib Bericht vom Handgemenge,

Wie du's verließest.

KRIEGER.

Es stand zweifelhaft;

So wie zwei Schwimmer ringend sich umklammern,

Erdrückend ihre Kunst. Der grause Macdonwald

(Wert, ein Rebell zu sein; ihn so zu stempeln

Umschwärmen, stets sich mehrend, der Natur

Bosheiten ihn) ward von den Westeilanden

Von Kernen unterstützt und Galloglassen;

Und das Glück, dem scheußlichen Gemetzel lächelnd,

Schien des Rebellen Hure: doch umsonst,

Denn Held Macbeth, – wohl ziemt ihm dieser Name,

Das Glück verachtend, mit geschwungnem Stahl,

Der heiß von Blut und Niederlage dampfte,

Er, wie des Krieges Liebling, haut sich Bahn,

Bis er dem Schurken gegenüber steht;

Und nicht eh' schied noch sagt' er Lebewohl,

Bis er vom Nabel auf zum Kinn ihn schlitzte

Und seinen Kopf gepflanzt auf unsre Zinnen.

DUNCAN.

O tapfrer Vetter! würd'ger Edelmann!

KRIEGER.

Wie wenn mit erstem Sonnenlicht zugleich

Schiffbrechende Stürm' und grause Donnerschläge –

So schwillt aus jenem Quell, der Trost verhieß,

Trostlosigkeit. Merk', Schottlands König, merk':

Kaum schlug Gerechtigkeit, mit Mut gestählt,

In schmähl'ge Flucht die leichtgefüßten Kernen,

Als Norwegs Fürst, den Vorteil auserspähend,

Mit noch unblut'ger Wehr und frischen Truppen

Von neuem uns bestürmt.

DUNCAN.

Entmutigte

Das unsre Feldherrn nicht, Macbeth und Banquo?

KRIEGER.

Jawohl! wie Spatzen Adler, Hasen Löwen.

Grad' aus gesagt, muß ich von ihnen melden,

Sie waren wie Kanonen, überladen

Mit doppeltem Gekrach; so stürzten sie,

Die Doppelstreiche doppelnd, auf den Feind:[608]

Ob sie in heißem Blute baden wollten,

Ob auferbaun ein zweites Golgatha,

Ich weiß es nicht –

Doch ich bin matt, die Wunden schrein nach Hülfe.

DUNCAN.

Wie deine Worte zieren dich die Wunden;

Und Ehre strömt aus beiden. Schafft ihm Ärzte!


Der Krieger wird fortgeführt. Rossetritt auf.


Wer nahet hier?

MALCOLM.

Der würd'ge Than von Rosse.

LENOX.

Welch Eilen deutet uns sein Blick! So müßte

Der blicken, der von Wundern melden will.

ROSSE.

Gott schütz' den König!

DUNCAN.

Von wannen, edler Than?

ROSSE.

Von Fife, mein König,

Wo Norwegs Banner schlägt die Luft und fächelt

Kalt unser Volk.

Norwegen selbst, mit fürchterlichen Scharen,

Verstärkt durch den abtrünnigen Verräter,

Den Than von Cawdor, begann den grausen Kampf;

Bis ihm Bellonas Bräut'gam, kampfgefeit,

Entgegenstürmt mit gleicher Überkraft,

Schwert gegen Schwert, Arm gegen dräu'nden Arm,

Und beugt den wilden Trotz: mit einem Wort,

Der Sieg blieb unser: –

DUNCAN.

Großes Glück!

ROSSE.

So daß

Nun Sweno, Norwegs König, Frieden fleht;

Doch wir gestatteten ihm nicht Begräbnis

Der Seinen, bis er auf Sankt Columban

Zehntausend Taler in den Schatz gezahlt.

DUNCAN.

Nicht frevle länger dieser Than von Cawdor

An unsrer Krone Heil! – Fort, künde Tod ihm an;

Mit seiner Würde grüße Macbeth dann!

ROSSE.

Ich eile, Herr, von hinnen.

DUNCAN.

Held Macbeth soll, was der verliert, gewinnen.


Alle ab.[609]


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 4, Berlin: Aufbau, 1975, S. 607-610.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Macbeth
Lektürehilfen William Shakespeare
Macbeth
Macbeth: Zweisprachige Ausgabe
Die Tragödie des Macbeth (insel taschenbuch)
Macbeth. Textanalyse und Interpretation mit ausführlicher Inhaltsangabe und Abituraufgaben mit Lösungen

Buchempfehlung

Musset, Alfred de

Gamiani oder zwei tolle Nächte / Rolla

Gamiani oder zwei tolle Nächte / Rolla

»Fanni war noch jung und unschuldigen Herzens. Ich glaubte daher, sie würde an Gamiani nur mit Entsetzen und Abscheu zurückdenken. Ich überhäufte sie mit Liebe und Zärtlichkeit und erwies ihr verschwenderisch die süßesten und berauschendsten Liebkosungen. Zuweilen tötete ich sie fast in wollüstigen Entzückungen, in der Hoffnung, sie würde fortan von keiner anderen Leidenschaft mehr wissen wollen, als von jener natürlichen, die die beiden Geschlechter in den Wonnen der Sinne und der Seele vereint. Aber ach! ich täuschte mich. Fannis Phantasie war geweckt worden – und zur Höhe dieser Phantasie vermochten alle unsere Liebesfreuden sich nicht zu erheben. Nichts kam in Fannis Augen den Verzückungen ihrer Freundin gleich. Unsere glorreichsten Liebestaten schienen ihr kalte Liebkosungen im Vergleich mit den wilden Rasereien, die sie in jener verhängnisvollen Nacht kennen gelernt hatte.«

72 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon