Dritte Szene

[673] Dunsinan, im Schloß.


Macbeth tritt auf; der Arzt, Gefolge.


MACBETH.

Bringt keine Nachricht mehr! Laßt alle fliehn:

Bis Birnams Wald anrückt auf Dunsinan,

Ist Furcht mir nichts. Was ist der Knabe Malcolm?

Gebar ihn nicht ein Weib! Die Geister, welche[673]

All irdisch Walten kennen, prophezeiten so:

»Sei kühn, Macbeth, kein Mann, vom Weib geboren,

Soll je dir was anhaben.« – Flieht denn immer,

Ihr falschen Thans, zu Englands Weichlingen: –

Dies Herz und meinen Herrschergeist verwegen

Dämpft Zweifel nicht und soll die Furcht nie regen.


Ein Diener tritt auf.


Der Teufel brenn' dich schwarz, milchbleicher Lump!

Wie kommst du an den Gänseblick?

DIENER.

Da sind zehntausend –

MACBETH.

Gänse, Schuft?

DIENER.

Soldaten, Her.

MACBETH.

Reib' dein Gesicht, die Furcht zu überröten,

Weißlebriger Hund! Was für Soldaten, Hansnarr?

Hol' dich der Teufel! Deine Kreidewangen

Verführen all' zur Furcht. Was für Soldaten,

Molkengesicht?

DIENER.

Erlaubt; das Heer von England.

MACBETH.

Weg dein Gesicht! – Seyton! – Mir wird ganz übel,

Seh' ich so – Seyton! Heda! – Dieser Ruck

Kuriert auf immer oder liefert jetzt mich.

Ich lebte lang' genug: mein Lebensweg

Geriet ins Dürre, ins verwelkte Laub:

Und was das hohe Alter soll begleiten,

Gehorsam, Liebe, Ehre, Freundestrost,

Danach darf ich nicht aussehn; doch, statt dessen

Flüche, nicht laut, doch tief, Munddienst und Hauch,

Was gern das arme Herz mir weigern möchte,

Und wagt's nicht. Seyton! –


Seyton kommt.


SEYTON.

Was befiehlt mein Herrscher?

MACBETH.

Was gibt es Neues?

SEYTON.

Alles wird bestätigt,

Was das Gerücht verkündet.

MACBETH.

Ich will fechten,

Bis mir das Fleisch gehackt ist von den Knochen.

Gebt meine Rüstung mir![674]

SEYTON.

Noch tut's nicht not.

MACBETH.

Ich leg' sie an.

Mehr Reiter sendet aus, durchstreift das Land:

Wer Furcht nennt, wird gehängt. – Bringt mir die Rüstung! –

Was macht die Kranke, Arzt?

ARZT.

Nicht krank sowohl,

Als durch gedrängte Phantasiegebilde

Gestört, der Ruh' beraubt.

MACBETH.

Heil' sie davon!

Kannst nichts ersinnen für ein krank Gemüt?

Tief wurzelnd Leid aus dem Gedächtnis reuten?

Die Qualen löschen, die ins Hirn geschrieben?

Und mit Vergessens süßem Gegengift

Die Brust entled'gen jener gift'gen Last,

Die schwer das Herz bedrückt?

ARZT.

Hier muß der Kranke selbst das Mittel finden.

MACBETH.

Wirf deine Kunst den Hunden vor, ich mag sie nicht. –

Legt mir die Rüstung an; den Stab her! – Seyton,

Schick' aus! – Doktor, die Thans verlassen mich: –

Nun, mach' geschwind! – Arzt, könnt'st du meinem Land

Beschaun das Wasser, seine Krankheit finden,

Und es zum kräft'gen frühern Wohlsein rein'gen,

Wollt' ich mit deinem Lob das Echo wecken,

Daß es dein Lob weit hallte. – Weg den Riemen! –

Welche Purganz, Rhabarber, Senna führte

Wohl ab die Englischen? – Hörst du von ihnen?

ARZT.

Ja, hoher König; Eure Kriegesrüstung

Macht, daß wir davon hören.

MACBETH.

Bringt's mir nach! –

Nicht Tod und nicht Verderben ficht mich an,

Kommt Birnams Wald nicht her zum Dunsinan!


Er geht ab.


ARZT.

Wär' ich von Dunsinan mit Heil und Glück,

So brächte mich kein Vorteil je zurück.


Alle ab.[675]


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 4, Berlin: Aufbau, 1975, S. 673-676.
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