Erste Scene.

[63] Himmel. – Jupiter auf seinem Throne. Thetis und die andern Gottheiten um ihn versammelt.


JUPITER.

Ihr Mächte all' des Himmels, hier versammelt,

Die ihr den Ruhm theilt und die Macht des Herrn,

Freut euch! hinfort werd ich allmächtig sein!

Längst hat sich alles And're mir gebeugt

Und nur allein der Geist des Menschen loht

Gleich unverlöschtem Feuer noch gen Himmel

Mit scharfem Vorwurf, Zweifelsmacht und Klagen

Und widerwilligem Gebet. – Und also

Entfesselt er die wilde Rebellion,

Die unser uralt Reich gefährden könnte,

Wiewohl' s gebaut ist auf den ält'sten Glauben

Und auf der Hölle Helferin, die Furcht. –

Und ob auch meiner Flüche Flockenwirbel,

Wie Schnee auf kahle Gipfel auf ihn fällt

Und kleben bleibt an ihm, ob in der Nacht,

In die mein Zorn ihn hüllt, er Schritt für Schritt

Des Lebens Klippen auch erklimmen muß,

Die ihn verwunden, wie das Eis verwundet

Sandalenlose Füße, dennoch bleibt

Erhaben er ob seinem Elend noch

Und strebt empor in ungezähmtem Stolz,

Doch wird er fallen bald! – Nur eben jetzt[63]

Ein seltsam Wunder hab' ich da gezeugt:

Den Sohn dort, den verhängnißvollen, der

Der Schrecken soll der Erde sein und hier

Nur wartet bis die Schicksalsstunde kommt,

Die vom verwaisten Thron des Demogorgon

Die Schreckensmacht der Glieder bringt herauf,

Der ewig lebenden, die da bekleidet

Den fürchterlichen, unsichtbaren Geist, –

Dann steigt er nieder, tritt den Funken aus. –

Kredenz' den Wein des Himmels, Ganymed,

Wie Feuer füll' er die dädal'schen Becher,

Und ihr, ihr siegesstolzen Harmonie'n,

Steigt auf vom blumenreichen heil'gen Boden,

Wie Thau im Zwielicht von der Erde steigt!

Trinkt! laßt den Nektar, durch die Adern kreisend,

Der Freude Seele sein, ihr ew'gen Götter,

Bis euer Jubel schallt in einer Stimme

Gleich der Musik der elysä'schen Winde!


Und du, an meine Seite steig' herauf,

Vom Lichte jenes Wunsches glanzumflossen,

Der dich zu Einem macht mit mir, o Thetis,

Du glänzend Bild der Ewigkeit! – Sieh'! als

Du schriest: »O unerträgliche Gewalt!

Gott! schone mein, denn ich ertrag' sie nicht

Die wilden Flammen! – deine Gegenwart,

Sie dringt durch Mark und Bein und all mein Wesen,

Es schmilzt in jenes Feuers Glut dahin,

Gleich ihm, den die numid'sche Schlangeneidechs

In Thau zerfließen machte durch ihr Gift!« –

Im selben Augenblick geschah es, daß

Zwei mächt'ge Geister zeugten einen dritten,

Noch mächtiger als sie, der körperlos

Schwebt zwischen uns, gefühlt, doch ungesehn

Und harrend seiner leiblichen Gestalt,

Die nun heraufsteigt – (hört ihr nicht den Donner,

Der Feuerräder, die den Wind durchschneiden?) –

Vom Thron des Demogorgon: – Sieg! o Sieg!

Fühlst du, o Welt, das Erdebeben nicht?[64]

Sein Wagen donnert den Olymp herauf!


Der Wagen des »Geistes des Stunde« kommt an. Demogorgon steigt aus und schreitet auf den Thron des Jupiter zu.


Entsetzliche Gestalt! – wer bist du? – Sprich!

DEMOGORGON.

Die Ewigkeit! – Verlang' nicht grauser'n Namen!

Nun steig' herab und folg' mir in den Abgrund!

Ich bin dein Kind, wie du's warst des Saturn,

Noch mächtiger, als du: Wir müssen fürder

Zusammen wohnen in der Finsterniß.

Lös' deine Blitze nicht! – Die Tyrannei

Des Himmels wird nun Keiner aufrecht halten

Und Keiner mehr erneuern, der dir folgt.

Doch wenn du willst, da 's dem zertret'nen Wurm

Bestimmt ist, sich zu bäumen, bis er stirbt:

Entfess'le deine Macht!

JUPITER.

Verhaßtes Wunder!

Ich trete dich tief unter der Titanen

Gefängniß noch! – Du zögerst?

Gnade! Gnade!

Kein Mitleid? nicht Befreiung mehr, noch Aufschub?

Mach' meinen Feind zum Richter über mich!

Selbst wo er hängt im öden Kaukasus,

Gedörrt von meiner langen Rache Glut,

Wird er mich also nimmermehr verdammen.

Mild und gerecht und furchtlos, – ist er nicht

Der Herrscher jener Welt? – Wer bist denn du?

O gibt's nicht Zuflucht, noch Berufung mehr?


Sink' denn mit mir! – Wir beide werden sinken

Tief in den Wellenschooß des Untergangs,

Sowie ein Geyer sich und eine Schlange

In wildem Kampf zu wirrem Knäu'l verflochten

Und stürzen in die uferlose See.

Wohlan! So mag die Hölle denn entfesseln

Des Feuermeeres eingedämmte Fluth,

Auf daß sie in das bodenlose Nichts[65]

Die wüste Welt versenk' und dich und mich

Den Sieger und Besiegten und das Wrack

Deß, dem ihr Kampf gegolten.

Wehe! weh'!

Die Elemente, sie gehorchen nicht!

Ich sinke schwindelnd hin für ewig, ewig!

Und einer Wolke gleich verdunkelt oben

Mein Feind durch seinen Sieg noch meinen Fall!

O Wehe! wehe!


Quelle:
Shelley, Percy Bysshe: Der entfesselte Prometheus. Wien 1876, S. 63-66.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Der entfesselte Prometheus
Der entfesselte Prometheus. Lyrisches Drama in vier Akten [and in verse] ... Deutsch von A. Graf Wickenburg

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