Sechster Auftritt

[100] Faust allein; dann Mephistopheles.


FAUST. Der letzte Anker riß. Kein Entgehen möglich. Ich bin angeklagt! – Doch auch gerichtet? Kann ich nicht freigesprochen werden?


Die Uhr schlägt eilf.


Eilf Uhr! Ich hab recht gezählt!

DUMPFE STIMME von oben. Fauste! Fauste! judicatus es.

FAUST. Weh mir, weh! Die Hölle ist mein Erbtheil. Noch eine Stunde und das schrecklichste Gericht ergeht. – Aber ist diese Qual, die mich jetzt foltert, nicht tausendmal schrecklicher als alle Martern der Hölle? Ich muß Gewissheit haben. Mephistopheles!

MEPHISTOPHELES. Was begehrst du?[101]

FAUST. Sage mir die Wahrheit. Noch gehorchst du mir.

MEPHISTOPHELES. Was willst du wißen?

FAUST. Ich leide hier schon schrecklich. Kanns in der Hölle schlimmer sein?

MEPHISTOPHELES. Du wirst es früh genug erfahren. Doch weil dus zu wißen begehrst, so höre. Die Qual der Verdammten ist so groß, daß die armen Seelen eine Leiter von Schermeßern zum Himmel hinaufsteigen würden, wenn sie noch Hoffnung hätten. Ab.

FAUST bedeckt die Augen mit der Hand und stürzt ab.


Quelle:
Simrock, Karl: Doctor Johannes Faust. Frankfurt am Main 1846, S. 100-102.
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