Aussicht

[131] Er kommt vom Olympos, vergoldet die Hügel,

Der Tag, den zum schönsten ich längst mir erkohr;

Dann jauchz' ich, dann schweb' ich mit goldenem Flügel

Hoch über die Wolken zur Gottheit empor;


Dann weih' ich zu himmlischen Jubelgesängen,

Zur ewigen Hymne, o Harfe! dich ein;

Dort werden mich selig die Meinen umdrängen,

Mich jauchzend begrüssen in stralenden Reih'n!


Unsterblichkeit! göttlicher, grosser Gedanke,

Des Weisesten Wunsch und des Edelsten Ziel,

Einst, wenn ich ermattet zum Grabe hinwanke,

Dann lindre der scheidenden Seele Gefühl!


Versieget, ihr Thränen! versieget auf immer,

Die Erde ist warlich der Thränen nicht werth;

Wie Nebel verschwindet, wie täuschender Schimmer,

Entflieht sie dem Blick, den die Wahrheit verklärt!

Quelle:
Elise Sommer: Gedichte, Frankfurt a.M. 1813, S. 131-132.
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