45. Die Teufelsspitze im salzigen See.

[52] Mündlich aus Seeburg.


Ein Graf von Seeburg hatte einen Bund mit dem Teufel auf bestimmte Jahre. Der Teufel hatte ihm gelobt in dieser Zeit Alles zu thun, was er fordern werde; dagegen hatte ihm der Graf seine Seele versprochen. Der Graf that nun durch den Beistand des Teufels manches Wunder, und fuhr unter Anderm immer von Rollsdorf nach Wansleben und zurück mit seiner Kutsche quer über den salzigen See, und die Pferde näßten nur ihre Hufe im Wasser, und die Räder schnitten nur so tief ein, wie der eiserne Reif, der sie umschloß, breit war. Als aber der Vorabend[52] des Tages kam, an welchem der Graf dem Teufel gehören sollte, sann er auf ein recht schweres Stück, welches der Teufel nicht ausführen könnte. Er befahl ihm zwischen Mitternacht und dem ersten Hahnenschrei einen Damm durch den See von Rollsdorf nach Wansleben zu bauen, damit die Leute künftig nicht immer den weiten Umweg rings um den See zu fahren brauchten. Der Teufel eilte auf eine Höhe bei Rollsdorf und warf zwei Schippen Erde ins Wasser, und noch jetzt ist das Loch zu sehen, wo er die Erde ausgestochen hat: als er aber die dritte Schippe ausstach, kam grade eine alte Frau von Rollsdorf, welche einen Korb mit Hühnern auf dem Rücken trug und sie nach Halle auf den Markt bringen wollte. Und wie sie vorbei ging, begann ein Hahn im Korbe zu krähen. Da schwang sich der Teufel ergrimmt in die Luft und rief »Ein altes Weib geht über den Teufel.« So war der Graf von Seeburg gerettet; der unvollendete Damm aber ist noch heut zu sehen und wird die Teufelsspitze, bisweilen auch die Teufelsbrücke genannt.

Quelle:
Emil Sommer: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Sachsen und Thüringen 1. Halle 1846, S. 52-53.
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