[40] Vorige. Pizarro, vermummt in einen Mantel.
PIZARRO zu Rocco, die Stimme verstellend. Ist alles bereit?
ROCCO. Ja, die Zisterne braucht nur geöffnet zu werden.
PIZARRO. Gut, der Junge soll sich entfernen.
ROCCO zu Leonore. Geh, entferne dich!
LEONORE in größter Verwirrung. Wer? – Ich? – Und Ihr?
ROCCO. Muß ich nicht dem Gefangenen die Eisen abnehmen? Geh, geh!
[40] Leonore entfernt sich in den Hintergrund und nähert sich allmählich wieder im Schatten gegen Florestan, die Augen immer auf Pizarro gerichtet.
PIZARRO beiseite, einen Blick auf Rocco und Leonore werfend. Die muß ich mir noch heute beide vom Halse schaffen, damit alles verborgen bleibt.
ROCCO zu Pizarro. Soll ich ihm die Ketten abnehmen?
PIZARRO. Nein, aber schließe ihn von dem Stein los. Beiseite. Die Zeit ist dringend. Er zieht einen Dolch.
Nr. 14. Quartett
PIZARRO.
Er sterbe! – Doch er soll erst wissen,
Wer ihm sein stolzes Herz zerfleischt.
Der Rache Dunkel sei zerrissen,
Sieh her! Du hast dich nicht getäuscht!
Er schlägt den Mantel auf.
Pizarro, den du stürzen wolltest,
Pizarro, den du fürchten solltest,
Steht nun als Rächer hier.
FLORESTAN gefaßt.
Ein Mörder steht vor mir!
PIZARRO.
Noch einmal ruf ich dir,
Was du getan, zurück;
Nur noch ein Augenblick,
Und dieser Dolch –
Er will Florestan durchbohren.
LEONORE stürzt mit einem durchdringenden Schrei hervor und bedeckt Florestan mit ihrem Leibe.
Zurück!
FLORESTAN.
O Gott!
ROCCO.
Was soll?
LEONORE.
Durchbohren
Mußt du erst diese Brust.
Der Tod sei dir geschworen
Für deine Mörderlust.
PIZARRO schleudert sie fort.
Wahnsinniger!
ROCCO zu Leonore.
Halt ein!
PIZARRO.
Er soll bestrafet sein.
LEONORE noch einmal ihren Mann deckend.
Töt erst sein Weib!
ROCCO UND PIZARRO.
Sein Weib?[41]
FLORESTAN.
Mein Weib!
LEONORE zu Florestan.
Ja, sieh hier Leonoren!
FLORESTAN.
Leonore!
LEONORE zu den anderen.
Ich bin sein Weib, geschworen
Hab ich ihm Trost, Verderben dir!
PIZARRO für sich.
Welch unerhörter Mut!
FLORESTAN zu Leonore.
Vor Freude starrt mein Blut!
ROCCO für sich.
Mir starrt vor Angst mein Blut!
LEONORE für sich.
Ich trotze seiner Wut!
PIZARRO.
Soll ich vor einem Weibe beben?
LEONORE.
Der Tod sei dir geschworen.
PIZARRO.
So opfr' ich beide meinem Grimm.
Er dringt wieder auf sie und Florestan ein.
LEONORE.
Durchbohren mußt du erst diese Brust!
PIZARRO.
Geteilt hast du mit ihm das Leben,
So teile nun den Tod mit ihm.
LEONORE ihm schnell eine Pistole vorhaltend.
Noch einen Laut – und du bist tot!
Man hört die Trompete von dem Turm.
LEONORE hängt an Florestans Halse.
Ach, du bist gerettet! Großer Gott!
FLORESTAN.
Ach, ich bin gerettet! Großer Gott!
PIZARRO betäubt.
Ha, der Minister! Höll' und Tod!
ROCCO betäubt.
O was ist das, gerechter Gott!
Man hört die Trompete stärker.
|
Ausgewählte Ausgaben von
Fidelio
|
Buchempfehlung
Im Jahre 1758 kämpft die Nonne Marguerite Delamarre in einem aufsehenerregenden Prozeß um die Aufhebung ihres Gelübdes. Diderot und sein Freund Friedrich Melchior Grimm sind von dem Vorgang fasziniert und fingieren einen Brief der vermeintlich geflohenen Nonne an ihren gemeinsamen Freund, den Marquis de Croismare, in dem sie ihn um Hilfe bittet. Aus dem makaberen Scherz entsteht 1760 Diderots Roman "La religieuse", den er zu Lebzeiten allerdings nicht veröffentlicht. Erst nach einer 1792 anonym erschienenen Übersetzung ins Deutsche erscheint 1796 der Text im französischen Original, zwölf Jahre nach Diderots Tod. Die zeitgenössische Rezeption war erwartungsgemäß turbulent. Noch in Meyers Konversations-Lexikon von 1906 wird der "Naturalismus" des Romans als "empörend" empfunden. Die Aufführung der weitgehend werkgetreuen Verfilmung von 1966 wurde zunächst verboten.
106 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro