37.

[264] Memoiren des Lord Oxford


Ich habe zu meiner Freude folgende Stelle in den Memoiren von Horaz Walpole gefunden:

»Wir wollen einmal die Töchter zweier leidenschaftlichen Männer vergleichen. Beide hießen Elisabeth. Die eine herrschte über ein Kulturvolk, die andere über ein Barbarenreich. Die Tochter Peters des Großen war eine absolute Herrscherin, duldete aber trotzdem eine Rivalin, da sie glaubte, die Person einer Kaiserin habe genug Reize für die unter ihren Untertanen, die sie ihres Verkehrs zu würdigen geruhte. Elisabeth von England konnte der Maria Stuart weder ihre Ansprüche auf den Thron noch die Vorzüge ihrer Schönheit verzeihen. Unedel setzte sie die schottische Königin, die als Schutzflehende zu ihr kam, gefangen und opferte sie ohne politisches oder gesetzliches Recht ihrer großen und doch so kleinen Eifersucht. Dabei brüstete sie sich mit ihrer Keuschheit, während sie doch die lächerlichsten Künste der Koketterie anwandte, um in einem ungeziemenden Alter noch Bewunderer und Liebhaber zu finden und zu fesseln, ohne damit weder ihr eigenes Verlangen, noch den Ehrgeiz jener Männer befriedigen zu können. Wer möchte ihr nicht jene ehrliche und offene barbarische Kaiserin vorziehen?«

Quelle:
Von Stendahl – Henry Beyle über die Liebe. Jena 1911, S. 264.
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