Eilfter Auftritt.

[281] Die Vorigin, Nikolo, alsdenn Lukrezia.


NIKOLO zu Bast. Herr, die drey römischen Menscher geben mir heute gat keine Ruhe, ich habe sie also ein wenig in die Luft gelassen.

BAST. Schon recht.

NIKOLO. Die Lukrezia kommt schon her.

TRÜBE. Was? die Lukrezia?

BAST. Ha! ha! ha! ha! Sie hatte einen großen Hern zum Liebhaber, von dem sie sich große Glückseligket versprach; er verließ sie aber, das schmerzte sie so, daß sie darüber zur Närrin wurde, und sich nun einbildet, sie sey die Lukrezia.

CONSTANZE. Ich will ihr aus dem Wege gehn.

BAST. Nicht doch mein Kind, Du darfst Dich nicht fürchten. Frauenzimmern thut sie nichts, aber auf die Männer geht sie los.

[281] Rezitativ.


LUKREZIA zu Bast.

Ha! Bist Du hier mein Collatin?

Lang harr' ich Dein vergebens,

Vernimm mein Unglück, meine Schande,

Und räche meinen Tod!

Hier steht der Räuber meiner Ehre!

Auf Trübe deutend.


Nun widersprich Tarquin.


Faßt ihn an.


Hast Du nicht, theils durch Drohn,

Und theils durch Schmeicheln

Mein größtes Guth, die Tugend mir entwandt?

Vernimm nun mein Geschick.


Stößt ihn von sich.


Arie.


Ein Dolch befrey' mich von der Schande,

Die Du Tarquin mir zugefügt!

Du glaubst, ich wär es nicht im Stande?

O ja! ich bin zu mißvergnügt!

Man wird mich eine Närrinn schelen,

Weil ich vielleicht in tausend Welten

Das eine Weib nur werde seyn,

Die eine süße Schäferstunde

So schrecklich kann bereun.

Es sey! Nur einen Dolch! Puf!

Macht die Bewegung, als ob aie sich mit einem Dolch erstäche, sinkt zusammen, steht wieder auf, und geht schwermüthig herum.


TRÜBE nachdem dies alles geschehen. Ha! ha! ha!

BAST. Das geht so in einem weg bey hr. Alles ist ihr ein Dolch! ein Strohhalm sogar.[282]

CONSTANZE. Sie ist bey alledem zu beklagen.

TRÜBE. Das seh' ich nicht ein meine Tochter. Sie war die Buhlschwester eines vornehmen Herren. Stolz auf ihre Schande, bildere sie sich ein durch ihn eine große Dame zu werden, und da dies fehl schlug, wurde sie aus Schaam zur Närrinn, ich sehe also nur ihren Stolz bestraft.

BAST. Ha! da kömmt die Virginia.

TRÜBE. Was ist's mit der?

BAST. Das ist eine reiche Bürgerstochter. Sie hatte einen Liebhader, der sie hätte heirathen sollen. Ein vornehmer Herr verliebte sich aber in sie; das gefiel ihr und sie wollte ihren Liebhaber deshalb fahren lassen. Allein ihr Vater entfernte sie, und benahm ihr alle Mittel mit dem Kavalier zu sprechen; das schmerzte sie so, daß sie vor lauter Boßheit darüber zur Närrinn ward. Sie hatte einigemal ein berühmtes Trauerspiel gesehn, wo der Vater, seine Töchter von der Schande zu retten, ersticht, und gehört, daß dies die Geschichte der Virginia sey; es schien ihr immer unnatürlich daß sich ein Frauenzimmer deshalb erstechen läßt, weil sie ein großer Herr liebt, sie spielt also in ihrer Narrheit itzt die Virginia.


Quelle:
Karl Ditters von Dittersdorf: Die Liebe im Narrenhause. Liegnitz 1792, S. 255–350, S. 281-283.
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