Achter Auftritt.

[321] Die Vorigen, Clärchen.


CLÄRCHEN. Herr Trübe, Mamsell Constanze läße schön bitten auf einen Augenblick zu ihr zu kommen.[321]

TRÜBE. Gleich. Ha! ha! das ist ein wahrer Spaß! ich habe mich vortreflich unterhalten. Geht ab.

CLÄRCHEN nimmt Albert an die Seite. Geschwind Herr Albert, gehen Sie hier linker Hand in das kleine Stübchen und warten Sie dort, die Mamsell wird gleich zu Ihnen kommen.

Albert springt fort.


ORPHEUS. Bestes Clärchen, sagen Sie mir doch, warum man mich eingesperrt hat?

CLÄRCHEN. Das weiß ich nicht, lieber Herr Orpheus.

ORPHEUS. Warum sind Sie denn gegen mich nicht auch so gütig als gegen den Herrn?

CLÄRCHEN. Bin ich denn gegen ihn anders als gegen Sie?

ORPHEUS. Gewaltig viel! Und ich schätze Sie doch gewiß weit höher als er.

CLÄRCHEN. Dafür bin ich Ihnen verbunden. Aber Sie irren sich lieber Herr Orpheus – – wenn ich wüßte Ihnen einen Gefallen zu erzeigen, ich würd' es mit dem größten Vergnügen thun.

ORPHEUS. Wirklich? Küßt ihr die Hand. Göttliches Kind! ich nehme Sie beym Worte.

LUKREZIA. Collatin! Wie? so lohnst Du meine Treue? – – ha! einen Dolch! einen Dolch!

[322] Hurtig und stark schreyend untereinander.


VIRGINIA. Hier bin ich Appius! – komm' löse meine Bande!

ERSTER POET. Holde Minna! so lohnst Du meine Dienste!

ZWEYTER POET. Schweig Leyermann! – die Dirne von Tusko wirft die Fackel ihres Antlitzes nicht auf solche Zwergenbruth.

CLÄRCHEN. Wart, wart, ich will Euch gleich das Maul stopfen. Macht die Fenster wieder zu.

Diese Reden werden gesagt, wenn Clärchen die Fenster zumacht.


LUKREZIA. Einen Dolch! Einen Dolch! Puf.

ZWEYTER POET. Meerkatze! Prr!

ERSTER POET. Ach! Minna! – Minna!

VIRGINIA. Drallallerallalerla!

CLÄRCHEN. So! – – Nun lieber Herr Orpheus, was kann ich denn für Sie thun?

ORPHEUS. Mich befreyen! – – Aber vor allem sagen Sie mir doch, warum Sie mich Orpheus nennen? das ist ja mein Name nicht.

CLÄRCHEN. Unter diesem Namen sind Sie hier bekannt. Und Sie haben sich selbst viel hundertmal so genannt.

ORPHEUS etwas niedergeschlagen sich den Kopf reibend. Ach! – – – Ich glaube also, ich bin krank gewesen. – – Ich weiß überhaupt nicht recht wo ich bin? Sieht sich forschend um. und warum man mich hieher gebracht hat?[323]

CLÄRCHEN ihn mitleidend ansehend. Wenn Sie immer so wären wie itzt, so weiß ich auch nicht was Sie hier zu thun hätten.

ORPHEUS wehmüthig. Wo bin ich denn eigentlich?

CLÄRCHEN bey Seite. Der arme Mensch dauert mich! – – – ob ich's ihm sage?

ORPHEUS. Sagen Sie liebstes Clärchen! wo bin ich?

CLÄRCHEN die Achseln zuckend. Im Narrenhause.

ORPHEUS. Entsetzlich! – – – Und weswegen?

CLÄRCHEN. Sie setzen mich in Erstaunen. Wissen Sie denn nicht, daß Sie beständig auf der Violine gespielt, fast nichts gesprochen, und statt zu reden gegeigt haben?

ORPHEUS. Ist's möglich! – – – Ich muß also die Geige an Nagel hängen.

CLÄRCHEN. Das wird wahrhaftig die beste Arzney seyn.

ORPHEUS zärtlich. Ich wüßte noch eine beßre!

CLÄRCHEN. Wirklich?

ORPHEUS. Ihr Herz und Ihre Hand.

CLÄRCHEN beschämt mit einer tiefen Verbeugung. Sie erzeigen mir zu viel Ehre.

ORPHEUS.

Engel sind von jenem Wesen

Uns zum Schutz, zum Dienst erlesen,

Ihre Stelle nimmt beym Mann

Jedes holde Weidchen an.[324]

CLÄRCHEN.

Wenn wir Weiber Engeln gleichen,

Ist's fürwahr kein gutes Zeichen,

Daß manch Weib aus ihrem Mann

Keinen Engel ziehen kann.

ORPHEUS UND CLÄRCHEN.

Wie kein Weib / Mann ist ohne Mängel

Ist kein Mann / Weib auch nicht ganz Engel;

Darum kommt es bloß drauf an.

ORPHEUS.

Wie das Weib regiert den Mann.

CLÄRCHEN.

Wie dem Weib gehorcht der Mann.

ORPHEUS.

Ich werde mich gewiß bestreben

Nur ganz nach Ihrem Wink zu leben.

CLÄRCHEN.

So wird man jeden sprechen hören

Doch Kinder nur kann man bethören.

ORPHEUS.

Ich kann es schwören – – –

CLÄRCHEN.

Ich mag nichts hören.

ORPHEUS.

Mein Herz ist ganz von Falschheit rein.

[325] CLÄRCHEN.

Männer sind nicht zu ergründen,

Selten wird man einen finden,

Der die ganze Probe hält.

ORPHEUS.

Sind gleich Männer schwer zu gründen,

Wird man doch auch manchen finden,

Der die ganze Probe hält.


Quelle:
Karl Ditters von Dittersdorf: Die Liebe im Narrenhause. Liegnitz 1792, S. 255–350, S. 321-326.
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