Zweiundfünfzigstes Kapitel.

[159] Da Obadiah die Flötenmusik aller andern Instrumentalmusik, die er bei sich führte, vorzog, so strengte er seine Einbildungskraft nicht unbedeutend an, um ein Mittel zu ersinnen und ausfindig zu machen, was ihn in den Stand setze, jene zu genießen.

In allen Verlegenheiten, aus denen ein Stückchen Band retten kann, fällt Einem nichts natürlicher ein, als das Hutband; der Grund davon liegt so auf der Hand, daß ich darauf weiter gar nicht eingehen will.

Da Obadiahs Fall kein einfacher war, – ich bitte dies zu bemerken, meine Herren, ich sage kein einfacher, denn er war ein geburtshülflicher – facklicher – klystierspritzlicher, papistischer und insofern das Kutschpferd dabei betheiligt war, ein kabalistischer und nur theilweis ein musikalischer, – da der Fall also kein einfacher war, so machte sich Obadiah kein Gewissen daraus, den ersten besten Ausweg, der sich ihm zeigte, zu ergreifen; er faßte also den Sack und die Instrumente fest mit der einen Hand, das Hutband, dessen eines Ende er zwischen den Zähnen hielt, mit dem Daumen und Zeigefinger der andern, und indem er so gegen die Mitte des Sackes operirte, band er denselben (wie man ein Felleisen zusammenschnürt) von oben bis unten fest zusammen; dabei machte er so verschiedenartige Wendungen und Verschlingungen, und an jedem Punkte, wo die beiden Bandenden zusammentrafen, so tüchtige Knoten, daß Dr. Slop wenigstens drei Fünftel von Hiobs Geduld hätte besitzen müssen, um alles das wieder aufzubinden. Ich glaube wahrhaftig, hätte Dame Natur in etwas expeditiver Laune und aufgelegt zu solchem Wettstreit das Rennen mit Dr. Slop begonnen, kein Mensch, der diesen Sack, wie Obadiah ihn zugerichtet, gesehen und von der Schnelligkeit der Göttin (wenn sie will) einen Begriff gehabt hätte, würde im Geringsten darüber in Zweifel haben sein können, wer von ihnen eher zum Ziele käme. Meiner Mutter Entbindung würde die des Sackes gewiß um mindestens zwanzig Knoten überholt haben. O Tristram Shandy, was für ein[160] Spielball kleiner Zufälligkeiten bist Du doch und wirst Du ewig sein! Hätte jener Wettstreit stattgefunden, wozu alle Wahrscheinlichkeit vorhanden war, so würde Deine Lage nimmer so bedrückt haben werden können, (wenigstens nicht durch Bedrückung Deiner Nase,) wie sie es ward; das Glück Deines Hauses und die Gelegenheiten, es zu machen, die sich Dir im Laufe Deines Lebens so häufig darboten, würden nicht auf eine so ärgerliche, auf eine so klägliche und unwiderrufliche Weise verloren gegangen sein, weil Du gezwungen warst, sie unbenutzt zu lassen. Aber das ist nun abgethan – nur der Bericht davon nicht, der dem wißbegierigen Leser erst dann gegeben werden kann, wenn man mich wird auf die Welt gebracht haben.

Quelle:
Sterne [, Lawrence]: Tristram Shandy. Band 1, Leipzig, Wien [o. J.], S. 159-161.
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