Achtundsechzigstes Kapitel.

[106] Mein Onkel Toby war kaum um die Judenkirschenhecke gebogen, welche den Küchengarten vom Rasenplatze trennte, als er sogleich gewahr ward, daß der Korporal den Angriff ohne ihn begonnen hatte.

Laßt mich hier einen Augenblick innehalten, um Euch des Korporals Apparat und den Korporal selbst zu schildern, wie[106] mein Onkel beide erblickte, als er sich dem Schilderhause zuwandte, wo der Korporal bei seiner Arbeit war; denn in der Welt giebt's kein zweites solches Bild, und wenn man Alles, was lächerlich und verdreht in ihr ist, zusammenthut, so bringt man doch etwas Aehnliches nicht zu Stande.

Der Korporal –

Tretet leichter auf seine Asche, Ihr Leute von Genie, denn er war Euch verwandt; –

Haltet sein Grab von Unkraut rein, Ihr Leute von tugendhafter Gesinnung, denn er war Euer Bruder. O Korporal! Hätt' ich Dich nur jetzt, – jetzt, wo ich Dir Tisch und Obdach geben könnte, wie wollt' ich Dich hegen und pflegen. Alle Stunden des Tages, alle Tage der Woche solltest Du Deine Monterokappe tragen, und wenn sie vertragen wäre, wollte ich Dir zwei neue kaufen. Aber ach! ach! Jetzt, da ich das trotz der hochwürdigen Herren thun könnte, habe ich keine Gelegenheit dazu, denn Du bist todt! Dein Genius ist aufgeflogen zu den Sternen, von wannen er kam, und Dein warmes Herz mit allen seinen edelmüthigen und ehrlichen Regungen ist ein Häufchen gefühlloser Erde.

Doch was ist das, was ist das gegen die schreckliche Aufgabe, die mir noch bevorsteht, – wenn mein Blick auf die sammtene Sargdecke fällt, geschmückt mit den kriegerischen Ehrenzeichen Deines Herrn, des ersten, des trefflichsten aller Menschen, – wenn ich Dich sehe, Du treuer Diener, wie Du Degen und Scheide mit zitternder Hand auf den Sarg legst und dann aschenbleich zur Thür Dich wendest, um sein Trauerpferd am Zügel zu fassen und seiner Bahre zu folgen, wie er Dir befohlen; wenn der Kummer alle Systeme meines Vaters über den Haufen geworfen hat und er bei Besichtigung der Sargplatte zweimal die Brille abnehmen muß, trotz aller seiner Philosophie, um den Thau von den Gläsern zu wischen, den die Natur darauf geträufelt – Wenn ich ihn sehe, wie er daliegt in den Rosmarinen, mit einer Miene der Verzweiflung, die mir ins Ohr schreit: O, Toby, in welchem Winkel der Welt soll ich Dich suchen, Bruder! –[107]

Barmherzige Mächte! die ihr zuerst die Lippen des Bekümmerten aufschlosset und der Zunge des Stammelnden ungehemmte Rede gabt, – wenn ich an diese gefürchtete Stelle komme, so kargt mit Eurer Hülfe nicht.

Quelle:
Sterne [, Lawrence]: Tristram Shandy. Band 2, Leipzig, Wien [o. J.], S. 106-108.
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