Einhundertundsechzehntes Kapitel.

[169] – Aber es ist dennoch außer allem Zweifel, fuhr ich zu dem Beamten gewandt fort (indem ich nur die Betheuerungsformel veränderte), daß ich dem Könige von Frankreich nichts schulde, als meine besten Wünsche, denn er ist ein vortrefflicher Mann; möge er sich also immer wohl befinden und sich so gut amüsiren, als er kann.

Pardonnez-moi, erwiederte der Beamte, Sie schulden ihm sechs Livres und vier Sous für die nächste Station von hier nach St. Fons auf Ihrem Wege nach Avignon; – da hier königliche Post ist, so haben Sie für Pferde und Postillon das Doppelte zu zahlen, sonst würde es nur drei Livres und zwei Sous betragen.

– Aber ich will gar nicht zu Lande weiter reisen, sagte ich.

– Das mögen Sie halten, wie Sie wollen, erwiederte der Beamte.

– Ihr ergebener Diener, sagte ich und machte ihm eine tiefe Verbeugung.

Der Beamte gab mir, mit aller Herzlichkeit und Würde, wie guter Anstand es verlangt, die Verbeugung ebenso tief zurück. – In meinem Leben hatte mich eine Verbeugung nicht so in Verwirrung gebracht.

– Der Teufel hole die Ernsthaftigkeit dieses Volkes! sagte ich (bei Seite) – Ironie verstehen sie nicht besser als dieser –

Der Verglichene stand mit seinen Körben dicht dabei, aber etwas verschloß mir den Mund, ich konnte den Namen nicht aussprechen.

– Mein Herr, sagte ich, nachdem ich mich wieder gesammelt hatte, ich habe nicht die Absicht, Post zu nehmen.

– Aber wenn Sie wollen, sagte er, bei seiner ersten Antwort verharrend, so können Sie auch Post nehmen –

– Und wenn ich will, kann ich auch Salz zu meinem Hering nehmen. Aber ich will nicht.

– Aber bezahlen müssen Sie dafür, ob Sie nun nehmen oder nicht –[170]

– Ei ja, für das Salz, sagte ich, das weiß ich.

– Und für die Post auch, sagte er.

– I, noch besser, rief ich. Ich reise zu Wasser – ich fahre diesen Nachmittag auf der Rhone weiter, – mein Gepäck ist schon im Boot, und ich habe neun Livres für meine Passage bezahlt.

C'est tout égal, das ist ganz gleich, sagte er.

Bon dieu! für den Weg, den ich mache, bezahle ich, und für den, den ich nicht mache, soll ich auch bezahlen?

C'est tout égal, sagte er.

– Den Teufel ist's, sagte ich – Lieber lass' ich mich zehntausendmal in die Bastille setzen.

O England, England! du Land der Freiheit, du Zone des gesunden Menschenverstandes, du zärtlichste der Mütter, du edelste Hüterin! rief ich und kniete, als ich diese Apostrophe begann, auf einem Knie nieder –

Wenn nun Madame Le Blancs Beichtvater in diesem Augenblicke hereingetreten wäre, als ich scheinbar betend so auf dem Knie lag, ein schwarz gekleideter Mann, mit einem aschenfarbenen Gesichte, das durch den Kontrast und die Beschädigung meines Kleidungsstückes noch aschgrauer geworden war, – wenn er mich nun gefragt hätte, ob ich der Hülfe der Kirche bedürftig sei?

– Ich will zu Wasser, würde ich ihm geantwortet haben, und dieser hier will, daß ich für »Schmieren« bezahlen soll.

Quelle:
Sterne [, Lawrence]: Tristram Shandy. Band 2, Leipzig, Wien [o. J.], S. 169-171.
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