Einhundertundsiebenundzwanzigstes Kapitel.

[184] Es ist mit der Liebe wie mit der Hahnreischaft – aber da schwatze ich davon, ein neues Buch anzufangen und habe doch dem Leser noch etwas mitzutheilen, was mir schon längst im Sinne liegt und was er sonst vielleicht sein Lebtag nicht erfährt (wogegen ihm das Gleichniß alltäglich und allstündlich mitgetheilt werden kann); – also will ich das erst kurz abmachen und dann wirklich anfangen.

Die Sache ist aber folgende:

Von allen verschiedenen Arten ein Buch anzufangen, welche in der bekannten Welt im Gebrauch sind, ist die meinige, davon bin ich überzeugt, die beste. Eines ist gewiß, es ist die frömmste, – denn ich fange immer damit an, den ersten Satz zu schreiben, und verlasse mich hinsichtlich des zweiten auf den lieben Gott.

Es würde einen Autor gewiß für alle Zeiten von dem thörichten Treiben kuriren, seine Straßenthür sperrangelweit aufzumachen und die Nachbarn, Freunde, Verwandten, den Teufel und die halbe Höllenschaar mit ihren Hämmern und Werkzeugen[184] u.s.w. herbeizurufen, wenn er nur Einmal darauf achten wollte, wie bei mir immer ein Satz aus dem andern und der Plan aus allen zusammen folgt.

Ich wünschte, sie sähen mich nur Einmal so, wenn ich mich in meinem Sessel erhebe und die Armlehne fasse, mit welcher Zuversicht ich emporblicke, – wie ich den kommenden Gedanken auf halbem Wege ergreife.

Wahrhaftig, ich glaube, daß ich manchmal einen Gedanken auffange, den der Himmel eigentlich für einen Andern bestimmt hat.

Pope und sein Porträt sind nichts gegen mich; kein Märtyrer ist so voll gläubiger Zuversicht und Begeisterung – ich wollte, ich könnte auch sagen: so voll guter Werke; aber ich bin ohne


Eifer und Zorn, oder

Zorn und Eifer,


und so lange Götter und Menschen beides nicht mit demselben Namen belegen, soll der arroganteste Tartüffe in Wissenschaft, Politik oder Religion mich nie in Harnisch bringen oder ein böseres Wort von mir erhalten oder einen unfreundlicheren Gruß, als der ist, den wir im nächsten Kapitel lesen werden.

Quelle:
Sterne [, Lawrence]: Tristram Shandy. Band 2, Leipzig, Wien [o. J.], S. 184-185.
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