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[162] Es weheten die Banner.


Am sechsten Tage nach der Erhebung Wladislaws war die Bischofswahl in Prag, weil Silvester bei der Niederlegung seines Amtes beharrte. Es wurde Otto der Propst von Prag zum Bischofe über Böhmen gewählt, und es ging eine Botschaft an den Heiligen Vater nach Rom, und eine an den Oberhirten, unter dessen Stabe auch das Land Böhmen stand, an den Erzbischof von Mainz.

Die Leute zerstreuten sich nun von Prag.

Der Leche Bolemil war schon früher mit seinen Söhnen und Enkeln und mit Geleite nach dem Abende des Landes Böhmen gegangen, Diwiš in seine Župe nach Saaz, Nemoy nach Netolic, Chotimir nach Dečin in Mitternacht, Ctibor nach Austi, und Lubomir mit den Seinigen[162] in die Župe Daudleb, und Zdik begab sich in seinen Bischofsitz Olmütz zurück.

Andere Leute gingen wieder nach Prag. Darunter waren junge Söhne von Herren, Kriegsknechte, dann auch Gewerbmänner, Bildner in allerlei Dingen, Männer des Wissens, Gaukler, Sänger, Sackpfeifer, Juden, Dirnen, Geldwechsler, und ähnliche.

Wladislaw vervollständigte noch die Ämter. Er ließ die Männer, die unter Soběslaw Dienste geleistet hatten, in ihren Würden. Die nächsten an ihm waren seine Brüder Diepold und Heinrich, und der alte Leche Načerat.

In kurzer Zeit nach der Bichofswahl ritt Wladislaw mit einem Gefolge junger Männer nach Hostas Burg. In derselben hatte Adelheid die Witwe Soběslaws das Gemach, in welchem der Herzog Soběslaw gestorben war, mit dunkeln Tüchern behängen lassen, das Bett mit der Bärendecke und der Schrein, aus welchem er das goldene Kreuzlein für den Bischof Silvester genommen hatte, und das hölzerne Gesiedel, auf welchem sie gesessen war, da sie ihn pflegte, waren stehen geblieben. Das Kreuz, das sie nach dem Tode Soběslaws umschlungen hatte, war an einen Fensterpfeiler gebracht worden, und davor ein Schemel gestellt. An die Rückwand des Gemaches hatte man ihr ein Bettlein stellen müssen, in welchem sie in den Nächten schlief. Als Wladislaw vor die Mauern der Burg gekommen war, sandte er einen Mann zu Adelheid, um zu fragen, ob er zu ihr kommen dürfe. Sie ließ ihm durch diesen Mann sagen, daß sie ihn erwarte. Der Herzog ging also mit den zwei Männern Welislaw und Odolen in die Burg, und wurde in das dunkle Gemach geführt. Adelheid stand auf, da er eintrat, sie verneigten sich gegen einander, und als ihm eine Frau einen hölzernen Stuhl gereicht, und als sich beide gesetzt hatten, sagte sie: »Was begehrest du, mein erlauchter Vetter?«

»Ich bin gekommen, meine erhabene Muhme«, antwortete[163] Wladislaw, »um dir mit meinem eigenen Munde mein Beileid über deinen großen Verlust zu sagen, den du durch den Tod deines Gatten des ruhmvollen Herzoges Soběslaw erlitten hast, um dir mit meiner eigenen Person den Schutz meiner Macht anzubieten, und um dir zu sagen, daß ich für deine und der Deinigen Bedürfnisse sorgen werde, du magst in welchem Orte des Landes immer wohnen, wozu dir die Wahl frei ist.«

»Mein lieber gütiger Neffe«, erwiderte Adelheid, »du hast mir in den ersten Tagen deiner Herrschaft einen Trostesgruß gesendet, und ich habe dir meinen Dank dafür zurückgeschickt; nun kommst du selber, um mir dein Mitleid darzubringen, und ich sage dir auch selber meinen Dank. Du hast meinen Gemahl geliebt, er wußte es, und hat dich auch geliebt. Er hat anders von dir gedacht als deine Nächsten, und seine Gedanken sind auch die meinigen. Es ist gut, daß es so ist. Und wenn der Mensch auch auf das Irdische denken darf, nicht für sich, sondern für seine Kinder, so habe Dank für dein Anerbieten der Versorgung, und lasse es uns ablehnen; unsere Habe reicht für mich und meine kleineren Kinder hin, brauche deine Macht, daß kein Vornehmer deines Reiches sie schädige. Die Wahl meiner Wohnung lasse auf diese Burg fallen, ich begehre keine andere.«

»Habe deinen Willen«, sagte Wladislaw, »so lange mir Gott die Macht läßt, werde ich dich schützen. Deine kleinen Kinder werde ich zur Erhöhung unseres Geschlechtes erziehen helfen, von den größeren ist Maria in den guten Händen Leopolds des Markgrafen von Österreich, und wird durch seine Schwester Gertrud mit mir und dem Lande noch mehr verbunden werden, und deinen Sohn Wladislaw werde ich aus Mähren nach Böhmen zu einer Ausstattung ziehen, wie sie einem aufgesproßten Reise des heiligen Stammes Přemysls ziemt. Bleibe mit deinen Kindern in dieser Burg, so lange Frieden in[164] dem Lande ist, und so lange du es wünschest, da du das Gedächtnis Soběslaws hegst.«

»Es wird immer das nämliche bleiben«, sagte Adelheid.

»In diesem Hause kann dein Herz nicht genesen«, erwiderte Wladislaw.

»Es ist mir hier am wohlesten«, sagte Adelheid.

»So sei es«, entgegnete Wladislaw.

»Lasse es sein«, sagte Adelheid, »und lasse mir das Vertrauen auf deine Worte.«

»Ich nehme dieses Vertrauen als eine Freude auf meinen Weg«, antwortete Wladislaw.

»Befiehl nun deinen Männern«, sagte Adelheid, »daß sie in die Burg kommen, damit man sie bewirte. Es werden noch Vorräte aus den Tagen Soběslaws da sein. Boreš wird sorgen.«

»Ich werde meine Männer nicht in die Burg führen«, antwortete Wladislaw, »daß sie dich nicht stören. Wir haben unsere Erquickung auf Säumern mit, und können sie überall einnehmen. Boreš bleibt dein Kastellan, nur in Dingen des Baues dieser Burg und ihrer Sicherheit muß er mir gehorchen.«

»So bringt drei Becher Wein für die drei Männer, meine liebe Agnes«, sagte Adelheid.

Eine der Frauen, die um Adelheid waren, entfernte sich, und brachte auf einem Tragbrette drei silberne Becher mit Wein. Adelheid nahm den schönsten der Becher, nippte von ihm, und reichte ihn Wladislaw. Dieser setzte ihn an die Lippen, und trank den Wein aus. Die zwei andern Becher wurden den Männern Welislaw und Odolen gereicht, und sie leerten dieselben ebenfalls.

»Und nun hast du die Bewirtung in deinem Hause an uns vollbracht«, sagte Wladislaw, »und wir verabschieden uns. Erlaube daher, hohe Muhme.«

Er näherte sich ihr, und küßte sie auf ihre Stirne.

Dann stand er vor ihr, sie aber hob ihre Hände empor,[165] legte sie auf sein Haupt, und gab ihm den Kuß auf die Stirne zurück.

»Gott lasse alle deine Unternehmungen gedeihen«, sagte sie.

»Möge dein Gebet nur bewirken, daß die besten an ihr Ziel kommen«, antwortete er.

Dann nahm er sie noch einmal bei der Hand, und wendete sich zum Gehen. Sie ging an seiner Hand und seiner Seite bis zur Tür. Dann neigten sie sich, lösten die Hände, er ging zur Tür hinaus, sie in das Gemach zurück.

Draußen schlug er mit den Seinigen wieder den Weg nach Prag ein.

Als er nach Prag zurück gekommen war, sandte er Boten nach den Herren Jurik Bohuslaw und Zdeslaw.

Als diese zu ihm gekommen waren, sagte er: »Bereitet euch, ihr drei Herren, und reitet in die Stadt Kiew, dort werdet ihr einen Mann aus dem Stamme unseres geheiligten Přemysl finden. Es ist Otto der Sohn des schwarzen Otto des Sohnes des schönen Otto, der ein Bruder des Königs Wratislaw gewesen ist. Er ist nach der Schlacht bei Chlumec, in der sein Vater durch die Scharen Soběslaws gefallen ist, entflohen und nicht mehr zurück gekommen. Sagt ihm: Wladislaw der Herzog der Länder Böhmen und Mähren läßt dir seinen Gruß entbieten, und läßt dir sagen: Das Herzogtum von Olmütz ist bei deinem Großvater Otto gewesen, es ist bei deinem Vater Otto gewesen, und wird bei dir dem dritten Otto sein. Folge uns, und gehe zu dem Herzoge Wladislaw, daß er dir das Land übergebe. Die Briefe, welche ihr dem Manne reichen sollet, werden verfertiget werden. Indessen wählt eure Begleiter, und richtet eure Dinge in Ordnung.«

Die drei Männer versprachen es, und verließen das Gemach.[166]

Darauf sandte der Herzog Boten an die Herren Bogdan, Sezima und Zwest.

Als sie gekommen waren, sprach er: »Seid gebeten, ihr Männer, nach Mähren in die Stadt Znaim zu reiten. Dort ist bei dem Herzoge Konrad der erstgeborne Sohn des verstorbenen Herzoges Soběslaw namens Wladislaw. Sprecht zu ihm: Wladislaw der Herzog von Böhmen und Mähren läßt dir in Liebe und Freundschaft sagen, da du auf seine erste Botschaft, die dich nach Böhmen eingeladen hat, geantwortet hast, daß du sehr gerne kommen werdest, so bittet er dich, du mögest das Geleite dieser Männer nach Prag nicht verschmähen, daß er dir wie ein Bruder sei, daß er dir gebe, was dein Rang und dein Herkommen heischt, und daß du nach Gefallen seine Umgebung verherrlichest. Wenn du mit seinen Männern nicht zu ihm kömmst, so wird er mit Leid sehen, daß du gegen ihn feindlich gesinnt bist. Macht eure Vorbereitung, und empfangt dann, was an ihn wird geschrieben werden.«

Er entließ sie, und sie entfernten sich.

Da diese Herren ihr Gefolge ausgelesen, sich gerüstet, und die Schriften empfangen hatten, ritten sie ihrer Bestimmung zu.

Als sich der Monat März zu Ende neigte, kam die Braut Wladislaws, Gertrud, die Schwester Leopolds des Markgrafen von Österreich nach Böhmen. Ein großes Geleite von Frauen und Herren war bei ihr. Es waren Chunrad von Asparn, Bruno von Pusinberg, Wernhard von Brun, Hadmar und Albero von Chunring, Heinrich von Gundramsdorf, Marchard von Hintberg, Heinrich von Mistelbach, Hartung von Ruhenegk und Wolftrigil von Stein. Der Herzog sendete ihr eine gleiche Zahl von Männern entgegen: Načerat, Smil, Ben, Znata, Milota, Bartholomäus, Wecel, Drslaw, Domaslaw, und Stibor. Sie legten alle Pracht an, welche ihr Reichtum erlaubte, erwarteten[167] den Zug an der Grenze, und geleiteten ihn nach Prag. Dort wurde die Vermählung vollzogen, und der Herzog Wladislaw und die Herzogin Gertrud gingen sogleich gegen Würzburg, um am siebenten Tage des Monates April mit dem deutschen Könige Konrad, dem Halbbruder Gertruds, in dieser Stadt zusammen zu treffen.

Als Wladislaw wieder zurück gekommen war, ritt er mit einem Geleite in seine Burgen. Er ritt in die erste, untersuchte sie, und ordnete an. Dann ritt er in die zweite, und tat desgleichen, und so fuhr er fort.

Witiko aber, da er Silvester verlassen hatte, ritt gegen Mittag durch die Orte Dobriš Pisek und Netolic, bis er zu dem großen Walde gekommen war, der im Mittag und Abende das Land Böhmen von dem Lande Baiern schied. Es war jetzt Schnee auf seinen Zweigen und zwischen seinen Stämmen, und oft längere Zeit die Stille des Winters. Witiko ritt in die Gehölze hinein, und in ihnen fort. An manchen Strecken hatte er einen Führer. Am Mittage des dritten Tages, da er im Walde ritt, kam er über einen sanften Waldhang zu einem flachen spitzigen aber baumlosen Berg, auf dessen Gipfel ein rotes Kreuz stand. Witiko ritt an dem Berge vorüber, und kam an dessen Mittagseite zu einer hochfenstrigen Kirche, deren Turm ein braunrotes Keildach hatte, darauf kein Schnee war. Die Kirche war in geringer Entfernung mit einer Mauer umgeben. Von ihr ging das Land sanft gegen Mittag nieder, und es standen auf ihm zwei Zeilen von Häusern und Hütten hinab. Hinter und zwischen den Häusern und Hütten standen noch Bäume des Waldes. Weiter unten war ein kahles Tal, und jenseits des Tales stand eine Waldwand, welche höher und mächtiger war als alle, die Witiko bisher überritten hatte. Im Mittage dieser Wand mußten die Fluren sein, durch die Witiko vor zwei Jahren gekommen war, als er von Heinrich und den Angehörigen desselben Abschied genommen hatte.[168]

Er ritt an der Ringmauer der Kirche vorüber, und ritt dann zwischen den Häusern hinunter. Gegen das Ende derselben lag ein wenig gegen Morgen von den andern entfernt ganz allein ein steinernes Haus. Witiko lenkte von seiner Richtung ab, und ritt auf einem schmalen Schneepfade, der sich ihm bot, dem Hause zu. Als er dort angekommen war, ritt er durch das Tor, das sich in einer Mauer, die vom Hause weg ging, befand, und offen stand, in den Hof. Der Hof war gebildet durch das Haus, den Torbogen, einen steinernen Schoppen, eine steinerne Scheuer und einen steinernen Stall. Witiko stieg im Hofe von seinem Pferde. Da kam ein alter Mann aus dem Hause. Da ihn Witiko erblickte, rief er: »Sei gegrüßt, Martin.«

Der alte Mann rief: »Witiko, Ihr seid es, um Gott, welch eine Freude. Da müssen wir ja gleich das Pferd versorgen.«

Sie führten das Pferd in den Stall, befreiten es von Sattel und Zaum, hingen es mit einer Halfter an, und deckten, daß es sich langsam abkühle, eine große Wolldecke, die da war, über den Leib. Dann schlossen sie die Stalltür gut zu, und gingen in die Stube.

»Da seid Ihr wieder nach so langer Zeit, Witiko«, rief der alte Mann.

Witiko legte seinen groben Wollmantel ab, nahm seine Lederhaube von dem Haupte, legte sie auf den Tisch, und setzte sich selber auf einen Stuhl.

»Ja, da bin ich«, sagte er, »und werde wohl eine gute Weile bei euch bleiben.«

»Das ist sehr erfreulich«, antwortete der alte Mann, »aber wie werdet Ihr im Winter in dem Walde bleiben können?«

»Im Winter, und vielleicht noch länger«, sagte Witiko.

»Da muß ja das Haus zubereitet werden«, erwiderte der Mann.[169]

Er ging nach diesen Worten zu der Tür der Stube und rief hinaus: »Lucia! Lucia!«

Eine Magd kam herein, welche in einen kurzen dunkeln und faltigen Rock gekleidet war, eine weiße Schürze und ein weißes Tuch um das Haupt hatte. Sie fragte nach dem Begehren des alten Mannes.

»Der Sohn der Herrin dieses Hauses wird im Winter und im Sommer und vielleicht noch länger hier bleiben«, sagte er, »du mußt ihm ein Essen bereiten, mußt in den Ofen neues Holz legen, und mußt das Haus in den gehörigen Stand setzen.«

»Ich werde sogleich heizen«, sagte das Mädchen, »werde Speisen auf den Herd setzen, und wenn die Dinge ins Sieden kommen, werde ich zu Dorotheens Agathe gehen, daß sie mir mit ihrer Schwester bei dem Ordnen des Hauses hilft.«

»Tue so«, sagte der alte Mann, und die Magd verließ das Zimmer.

Dann sagte der alte Mann zu Witiko: »Wir haben schon gegessen, und Ihr müßt nun ein wenig warten, bis für Euch aufs neue etwas bereitet wird.«

»Ich kann leicht warten«, entgegnete Witiko.

»Ihr seid sehr lange nicht in diesem Eurem Hause gewesen«, sagte der Mann.

»Nun bin ich hier«, entgegnete Witiko.

»Möge es Euch eine gute Herberge werden«, sagte der andere.

»Wie es ist, wird es mir recht sein«, antwortete Witiko.

Er stand nach diesen Worten auf, schnallte sein Schwert von seiner Hüfte, legte es auf den Tisch, und sagte: »Hier werde ich es wohl nicht brauchen.« Eben so zog er seine Pelzhandschuhe von den Händen, und legte sie zu dem Schwerte. Dann setzte er sich wieder auf den Stuhl, und sagte: »Hier bin ich also.«

Der alte Mann setzte sich in einiger Entfernung von Witiko[170] auch auf einen Stuhl, und fragte nicht, woher der junge Reiter gekommen sei.

Witiko sprach auch nicht, und so saßen sie eine Weile schweigend da.

Dann sagte Witiko: »Wir müssen nun weiter zu dem Pferde sehen.«

Sie standen auf und gingen in den Stall. Witiko befühlte mit der Hand das Tier, ob es gut ausgekühlt sei. Dann gab er ihm reinen Haber in den Born. Der alte Mann streute frisches Stroh, wenn es sich später zur Ruhe legen wollte. Auch brachte er ihm nach einer Zeit Wasser zum Trinken. So gingen sie öfter zu dem Tiere, bis es versorgt war.

Nachdem eine Stunde seit der Ankunft Witikos vergangen war, kam die Magd mit weißem Linnenzeuge in die Stube, legte die Lederhaube und das Schwert und die Handschuhe von dem Tische auf eine Bank, und deckte das Linnenzeug über den Tisch. Dann legte sie einen hölzernen Teller und Eßgeräte vor Witiko. Hierauf brachte sie Brod gesottenes geräuchertes Schweinfleisch geschnittenen gesäuerten Kohl, Klöße, die aus Roggenmehl bereitet waren, und Bier.

Witiko aß von den Speisen nach seinem Hunger, und trank von dem Biere nach seinem Durste.

Sodann wurde der Tisch abgeräumt.

Hierauf öffnete Lucia eine Tür, welche in eine Kammer führte, die sich neben der Stube befand. Zwei andere Mädchen kamen mit Wasser in Zubern, mit Strohknäueln und Sand, und begannen, den Fußboden der Kammer zu scheuern. Da sie mit dieser Arbeit fertig waren, wurden die Fenster der Kammer geöffnet, daß die kalte Winterluft den Boden trockne. Hierauf wurde auf ein Gestelle, das aus Tannenbalken und Tannenbrettern gemacht war, frisches reines Stroh gebunden, auf das Stroh wurde weiße Leinwand gedeckt, und auf die Leinwand wurde[171] ein Strohpolster und wurden wollene Decken und Felle zu Witikos Nachtlager gelegt. Dann wurden die Fenster geschlossen, der trockene Boden wurde mit weißem Sande bestreut, und in dem Ofen wurde ein Feuer aus Tannenscheiten angezündet. Als die Kammer durchwärmt war, wurde Witikos Mantel sein Schwert seine Lederhaube und seine Handschuhe in dieselbe getragen, und ein Teil dieser Dinge auf eine Bank ein Teil auf eine Truhe, die da stand, gelegt. Darauf wurde er gebeten, auch in die Kammer zu treten.

Da er es getan hatte, wurde mit der Scheurung und Reinigung der Stube der Bank um den Ofen der andern Bänke der Stühle und des Tisches begonnen.

Als dies Werk vollendet, die Stube mit Sand bestreut, ausgewärmt, und in ihren Geräten in Ordnung gebracht war, öffnete der alte Mann die Tür der Kammer, führte Witiko heraus, und sagte ihm, diese zwei Gemächer seien seine Wohnung, so lange es ihm gefallen wolle, in dem Hause zu bleiben.

Als er noch redete, trat ein Mann in einem kurzen Lammspelze und einer Lammspelzhaube und mit einer Axt auf der Schulter in die Stube.

Der alte Mann sagte zu ihm: »Der junge Reiter ist der Sohn unserer Herrin, er wird in dem Hause hier bleiben, so lange er es für gut hält.«

Dann sagte er zu Witiko: »Das ist Raimund der Knecht. Er ist in dem Walde gewesen, um Holz zu spalten, und kommt jetzt, da die Dämmerung eintritt, zurück. Wir besorgen so das Haus, ich, der Knecht Raimund und Lucia die Magd. Die Taglöhner, die wir dingen, helfen nur bei größeren Arbeiten.«

»Und wo wohnet denn ihr, wenn du mir die große Stube dieses Hauses und die Kammer zur Wohnung einräumst?« fragte Witiko.

»Das Haus hat ja noch Raum genug«, sagte der Mann,[172] »wißt Ihr es denn nicht, wir wohnen ja nie in der Stube und Kammer, ich bin in dem Stüblein, welches der Stube gegenüber liegt, und dessen Fenster auf den Hof hinaus sehen, Lucia schläft in der Kammer neben der Küche, und der Knecht schläft in dem Bretterverschlage in dem Stalle. Dann ist ja noch allerlei Raum.«

»Nun es wird sich schon fügen«, sagte Witiko.

»Wir werden Euch alle Dienste leisten, die Ihr braucht«, sagte der alte Mann.

»Ich werde nicht viel verlangen, Martin«, entgegnete Witiko, »und ich werde euch, wo ich es kann, in euren Geschäften helfen.«

»Das wäre nicht recht und nicht billig«, versetzte Martin.

»Nein, das wäre nicht recht«, sagte der Knecht.

»Wir wollen nicht hadern«, entgegnete Witiko, »es wird sich alles finden.«

»Ja, ja«, sagten die andern.

Hierauf reichte der Knecht Witiko die Hand, und ging aus der Stube.

Es war indessen Abend geworden. Witiko besorgte sein Pferd mit der Hilfe Martins, aß noch etwas von der Suppe, die ihm Lucia gebracht hatte, sperrte, als sich Martin entfernt hatte, die Stubentür, und legte sich in der Kammer auf seinem Tannengestelle zur Ruhe.

Im Morgengrauen des anderen Tages fragte er Martin, ob er ihm Fußbekleidungen verschaffen könne, mit denen er durch jede Tiefe des Schnees zu gehen vermöchte. Martin bejahte es, und brachte ihm einen Mann, der solche Dinge verfertigte. Witiko las sich aus dem mitgebrachten Vorrate zwei Paare langröhriger aus starkem Leder verfertigter Stiefel aus, bezahlte sie, und zog sogleich ein Paar an. Als er sein Morgenmahl, das Lucia aus Milch und Mehl bereitet hatte, verzehrt, als er die Besorgung seines Pferdes beendet hatte, und als eben die Sonne über den Föhrenwald, welcher im Morgen des[173] Ortes stand, herauf ging, trat er aus der Tür des Hauses in das Freie. Er ging auf dem schmalen Pfade zu den Häusern, ging zwischen ihnen empor, ging an der Kirche vorüber, und begann, den Berg, auf welchem das rote Kreuz stand, zu besteigen. Er fand keinen Weg, sondern mußte sich einen durch den Schnee brechen. Er ging zwischen blaulichem Wacholdergestrippe, das hie und da durch den Schnee hervor ragte, bis zu dem roten Kreuze empor. Dort tat er ein kurzes Gebetlein, und sah dann herum. Zu seinen Füßen unter dem Berge lag der Ort mit den Schneedächern seiner Hütten und Häuser. Hie und da stieg ein Rauch empor. Weiter unten war die längliche weiße Tafel des Tales. Witiko wußte, daß dort die Moldau sei; aber sie war nicht zu sehen, alles war durch die gleiche weiße Hülle des Schnees gedeckt. Um das Tal war lauter Wald. Im Morgen ging nicht fern von den Häusern sanft ein Föhrenwald empor. Von ihm weiter gegen Mittag war ein breiter mächtiger Waldrücken, dessen Rand, wohl vier Wegestunden entfernt, schon bläulich dämmerte. Witiko kannte ihn sehr wohl. Es war der Wald des heiligen Thomas, auf dessen Rande er dort, wo das Bild des heiligen Apostels Thomas gewesen war, vor zwei Jahren mit dem Führer Florian gestanden war, und von dem er dann zu der Moldau und den Häusern von Friedberg hinab gestiegen war. Witiko sah lange auf den Wald. Dann blickte er gegen Mittag auf die Waldwand, jenseits welcher das Aigen sein mußte, von wo aus der Führer Florian mit ihm gegangen war. Hierauf lenkte er seine Augen gegen Abend auf eine noch größere Waldwand, die von Steinrippen durchzogen war, welche im Morgenlichte sichtbar wurden, und in welchen der schwarze See war, auf den er mit Wolf hinab geschaut hatte, und dessen Dasein von dieser Ferne kaum zu ahnen war. Gegen Mitternacht sah er ganz nahe an seinem Berge den Waldhang, über den er gestern herein geritten war, und über[174] welchen hin in großer Ferne Prag liegen mußte, das er vor zwei Jahren des Herzogs Soběslaws willen gesucht, und das er nun wieder verlassen hatte.

Als er seinen Augen Genüge getan hatte, sprach er vor dem Kreuze die Worte des Kreuzzeichens, und stieg über den Berg durch den glänzenden Schnee hernieder.

Da er zu den Häusern gekommen war, ging er auf ein kleines Steinhäuschen, das neben der Kirche stand, zu, ging in dasselbe hinein, und trat in die Stube. In derselben saß ein Greis mit weißem Barte vor einem großen Buche. Am Ofen saß ein Mütterlein, und spann.

»Seid mir willkommen, ehrwürdiger Herr«, sagte Witiko, »ich bin in Eure Stube getreten, Euch zu grüßen, und Euch zu besuchen.«

»Ei, Witiko«, sagte der alte Mann, indem er aufstand, »seid Ihr auch wieder einmal nach Plan gekommen? Und wie schön und frisch Ihr ausseht. Seid recht herzlich gegrüßt.«

Das Mütterlein war von dem Spinnrade aufgestanden, wischte mit ihrer blauen Schürze einen Stuhl ab, und reichte ihn Witiko zum Sitzen.

Dieser ließ sich auf den Stuhl nieder.

»So seid Ihr noch immer auf der Pfarre in Plan?« sagte Witiko zu dem alten Manne.

»Ich bin noch da«, entgegnete der Mann, »werde wohl auch da bleiben, und in nicht entfernter Zeit als Pfarrer von Plan sterben. Ihr kennt ja meine Schwester Anna auch noch?«

»Freilich«, antwortete Witiko, und sah gegen die Spinnerin hin.

Diese blickte ihn mit freundlichen blauen Augen an.

»Plan ist ein sehr schöner Ort«, sagte der Pfarrer, »er liegt lieblich in dem Walde, und er ist auch wichtig. Als das Christentum noch wenig verbreitet war, als das ganze Land Böhmen noch am Heidentume hielt, waren hier zwei christliche Einsiedler, die den Fleck reuteten, darum[175] er der obere Plan heißt, und die die christliche Lehre ausbreiteten. Darum ist dann auch eine Kirche geworden, die sehr alt ist. Die vielen Einsiedler in dem großen langen Walde hinauf sind die ersten Prediger der christlichen Lehre in diesem Lande geworden. Werdet Ihr lange hier bleiben?«

»Vielleicht länger als sonst«, sagte Witiko, »es ist noch ungewiß.«

»Dann werdet Ihr doch auch zuweilen zu mir kommen, und gestatten, daß ich Euch auch in Euerem Hause begrüße«, sagte der Pfarrer.

»Ich werde kommen, und es wird mir eine Freude sein, Euch bei mir zu sehen«, entgegnete Witiko.

Die alte Anna, welche aus der Stube gegangen war, kam jetzt wieder herein, und brachte auf einem Teller Brod und Salz und in einem Kelchglase Met.

Sie stellte die Dinge vor Witiko auf den Tisch, und sagte: »Wohl bekomme es zum Gruße.«

Witiko nahm ein Schnittchen Brod, salzte es, und aß es. Dann tat er einen Schluck aus dem Glase.

Hierauf erhob er sich, um sich wieder zu entfernen.

Der alte Pfarrer nahm einen Lammspelz von einem Nagel an der Wand, zog ihn an, und begleitete Witiko aus dem Hause.

Eine kurze Strecke unterhalb des Pfarrhäuschens kam Witiko an der Schmiede vorüber. In derselben wurde ein Pferd beschlagen. Witiko ging näher, schaute zu, besah das Pferd, und redete dann mit dem Schmiede und dem Eigentümer des Pferdes über das Pferd und über einige andere Dinge.

So sprach er auch mit mehreren Männern und Frauen, welche, da er an ihren Wohnungen vorüber ging, heraus kamen, und ihn grüßten.

Des Mittags mußten Martin Lucia und Raimund mit ihm an dem großen Tische in der Stube essen.[176]

Am Nachmittage ritt er auf seinem Pferde in der Richtung gegen Morgen in den Wald, und kam nach zwei Stunden wieder zurück.

Am Abende, da das Pferd besorgt war, da Raimund und Lucia mit der Pflege der Rinder fertig waren, und Lucia ihre Milch aus dem Stalle in die Vorratskammer gebracht hatte, wurde das Licht auf der Leuchte der Stube, die wie ein Herd in der Wand angebracht war, durch aufgelegte fette Kieferhölzer so verstärkt, daß die ganze Stube schimmerte. Martin Raimund und Lucia mußten zu ihrem Abendaufenthalte, wie sie auch sonst taten, in die Stube kommen. Selbst Martins großer graugetigerter Hund mußte herein gelassen werden. Lucia spann an der Leuchte, Raimund flickte weiter entfernt an einem Dreschflegel, und Martin saß müßig auf der Ofenbank. Witiko saß auf einem Stuhle. Der Hund hatte sich unter den Tisch gelegt.

Nach der siebenten Stunde trat ein Mann in einem Lammspelze einer Lammspelzhaube und in groben weißwollenen Beinbekleidungen mit schweren Stiefeln in die Stube.

»Gottes Gruß«, sagte der Mann.

»Gottes Dank«, sagten die Anwesenden.

»So lebst du auch noch, Tom Johannes, der Fiedler«, sagte Witiko, »es freut mich, daß du uns besuchst. Wie geht deine Kunst?«

»Ei, Witiko«, entgegnete der Mann, »so kennt Ihr mich noch. Und die Kunst, wie sie geht? Die Hochzeiten kommen fast ab, und bei den Tänzen werden die Spielleute immer mehr. Ich kann von den Rüben meines Feldes besser leben als von der Kunst.«

»Nun von beiden«, sagte Witiko.

»Und was hat denn Euch im Winter zu uns geführt?« fragte der Mann.

»Es hat sich so gefügt«, sagte Witiko.[177]

»Und werdet Ihr jetzt länger bei uns bleiben als früher?« fragte der Mann.

»Wie es eben geschieht«, antwortete Witiko, »ich weiß es selber noch nicht.«

Während dieser Worte hatte Martin einen Laib schwarzen Roggenbrotes und ein Messer auf den Tisch gelegt, und Salz dazu gestellt. Der Mann setzte sich zu dem Tische, schnitt sich mit dem Messer ein Schnittchen Brod ab, bestreute es mit Salz, und aß es.

Dann sprachen sie von mancherlei: von Leuten, die gestorben sind, von andern, die geheiratet haben, wieder von andern, die in die weite Welt gegangen sind, und von solchen, die in den innern Ländern Krieg wünschen, um dahin zu gehen, und Beute zu machen. Sie sprachen von dem Landbaue von der Viehzucht, und was sich in dem Walde begibt, und was sonst Neues in der Welt ist, und von ähnlichen Dingen.

Um die neunte Stunde erhob sich der Mann, sagte eine ruhige Nacht, und entfernte sich. Lucia trug ihr Spinnrad aus der Stube, Martin mit dem Hunde und Raimund suchten ihre Schlafstellen, und Witiko legte sich auf sein Tannengestelle, indem er die Tür von der Kammer in die Stube offen, und die Föhrenklötze auf der Leuchte verglimmen ließ.

Am nächsten Morgen besah Witiko, so wie er am Tage vorher Berg und Tal und Wald überschaut hatte, das Haus, in dem er war, und seine Wirtschaft. Er besah die zwei Gespanne Ochsen, die Kühe, die einigen Schafe, die Schweine und das Federvieh, er besah die Scheuer die Holzlaube die Wagenlaube die Vorratskammer und den Keller. Dann ging er in drei der nächsten Nachbarhäuser, und besuchte deren Bewohner. Nach dem Essen ritt er auf seinem Pferde wieder in den Wald. Am Nachmittage ließ er einen Mann kommen, welcher Kleider verfertigte, und bestellte sich ein Gewand aus dem groben weißgrauen[178] Wollstoffe, welcher in dem Walde gemacht und getragen wurde. Durch Martin ließ er sich eine graue Filzhaube kaufen.

Am Abende dieses Tages kamen vier Männer in Lammspelzen zu Witiko in die erleuchtete Stube. Es war Tom Johannes der Fiedler, es war Stephan der Wagenbauer, es war Christ Severin der Wollweber, und es war David der Zimmerer. Martin setzte ihnen wieder Brod und Salz vor, und sie taten, wie gestern Tom Johannes. Lucia saß an der Leuchte, und spann, Raimund schnitt aus Buchenklötzen lange Späne, Martin flocht an einem breiten Tragbande, und Witiko auch an einem. Man sprach wie gestern von verschiedenen Dingen, und um die neunte Stunde entfernten sich die Männer, und gingen nach Hause.

Am dritten Tage war es ungefähr wie an den vorhergegangenen zwei Tagen.

Am vierten Tage kam gegen den Mittag ein Mann auf einem Saumtiere gegen das steinerne Haus. Er war in ein sehr weites dunkelbraunes Wollgewand gekleidet, das ein Ledergürtel zusammenhielt. Auf dem Haupte hatte er eine Haube von schwarzen Lammfellen, die über die Ohren und den Nacken ging. Er saß zwischen zwei Päcken von rauher Dachshaut auf seinem Saumpferde. Als er in den Hof des Hauses gekommen war, gingen Witiko und Martin hinaus. Der Mann stieg von seinem Tiere, und sagte: »Boreš läßt Euch sehr schön grüßen, Witiko, es wird nichts fehlen.«

»Das ist gut«, sagte Witiko, »wann bist du in Hostas Burg weggeritten?«

»Vor neun Tagen«, antwortete der Mann, »der Schnee hindert das Weiterkommen sehr.«

»Du bist gut genug weiter gekommen«, sagte Witiko, »Raimund wird die Päcke abschnallen helfen, du bringe dann dein Pferd in den Stall, und gehe darauf in die Stube, daß man dir eine Erquickung gebe.«[179]

Martin rief nach Raimund, und da er gekommen war, lösten sie die Päcke von dem Saumtiere, und Raimund trug sie in Witikos Kammer. Witiko folgte ihm. Der Mann brachte das Pferd in den Stall, und ging dann in die Stube. Dort legte er sein baumwollenes Oberkleid und seine Lammshaube ab, und setzte sich an den Tisch. Man gab ihm Bier und Brod.

Witiko ging in die Kammer, kam bald darauf wieder heraus, und trug ein Päckchen in der Hand, das in Fuchsfell genäht war.

»Da ist etwas an einem meiner zwei Päcke angebunden gewesen, das ich nicht kenne«, sagte er.

»Es wird schon recht sein«, entgegnete der Mann, »Boreš hat es mir gegeben, und hat gesagt, ich soll sehr acht darauf haben, deshalb habe ich es an einen Pack gebunden.«

Witiko trennte die Naht, und es kam ein sehr schlechter Gürtel aus dem Fuchsfelle. Der Gürtel hatte eiserne Buckeln, und war mit Leder gefüttert. Als Witiko noch einmal in dem Fuchsfelle nachsah, fand er ein Papier, auf dem von Boreš' Hand geschrieben stand: ›Die hocherlauchte Herzogin Adelheid hat manchem Manne des verblichenen Herzoges ein Ding des Herzoges gegeben, und dir Witiko gibt sie den Gürtel, den der Herzog auf dem Sachsenzuge getragen hat, sie gibt ihn dir, weil der Herzog gesagt hat, du seiest auf jenem Zuge klug gewesen, und sie gibt ihn dir, weil der Herzog ebenfalls gesagt hat, daß du in eine große Gefahr für ihn nach Prag gegangen bist.‹

Witiko hielt den Gürtel eine Zeit in der Hand, und betrachtete ihn. Dann ging er in seine Kammer, und legte ihn in das Fuchsfell gewickelt in die Truhe.

Hierauf öffnete er die rauhen Päcke, und nahm die Dinge, die in ihnen waren, heraus. Es war die Kleidung und Ausrüstung eines Reitersmannes. Er legte alles in die Truhe[180] zu dem Gürtel. Darauf ging er in die Stube hinaus, und sagte: »Es ist alles richtig. Verweile, so lange du willst, bei uns. Ich werde dir dann deinen Lohn geben, und du kannst wieder deiner Wege ziehen.«

»Mit Eurem Wohlnehmen werde ich einen Tag rasten, und dann auf den Rückweg gehen«, sagte der Mann.

»Tue nach deinem Gefallen«, entgegnete Witiko, »wo ist denn die erlauchte Herzogin?«

»Ei in Hostas Burg«, antwortete der Mann.

»Ist sie noch in der Burg, in welcher ihr erlauchter Herzog gestorben ist«, sagte Witiko.

»Sie schläft in dem Gemache, in welchem der Herzog gestorben ist«, sagte der Mann.

»Und wer ist bei ihr?« fragte Witiko.

»Ihre kleinen Kinder«, sagte der Bote.

»Und wo ist Wladislaw?« fragte Witiko.

»Er ist nach Mähren entflohen, weil er den neuen Herzog fürchtet«, antwortete der Bote.

»Hat sie ihren Schmerz gemildert?« fragte Witiko.

»Ja«, erwiderte der Bote, »sie sagt gar kein Wort.«

»Wird sie lange in Hostas Burg bleiben?« fragte Witiko.

»Ich weiß es nicht«, antwortete der Mann.

»Es ist gut«, sagte Witiko, und schwieg.

»Ich habe auch einen Brief von Boreš«, sagte der Mann.

»Nun, so gib ihn«, sagte Witiko.

Der Mann nestelte sein Wams auf, zog ein graues Papier daraus hervor, wickelte es auf, und tat ein Päckchen Papier heraus, das mit rotseidenen Bändern umwickelt, und mit Wachs versiegelt war. Witiko öffnete das Papier, las die Zeilen, die es enthielt, und sagte: »Ich werde dir eine Antwort mitgeben.«

Dann ging er in seine Kammer.

Der Bote blieb an diesem Tage und an dem folgenden in dem steinernen Hause. Er legte sich in die Heustelle in dem Stalle, wo sein Pferd stand, schlafen. Am dritten[181] Tage morgens richtete er sich zur Rückkehr. Er erhielt von Witiko seinen Lohn und den Brief an Boreš. Dann ritt er in seinem braunen Oberkleide und in seiner schwarzen Lammshaube auf dem schmalen Schneepfade zu den Häusern hinein, zwischen den Häusern empor, am Kreuzberge vorüber, und den Waldhang hinan, über den Witiko vor sechs Tagen herab gekommen war.

Da der Bote das steinerne Haus verlassen hatte, war es wieder wie vorher. Witiko legte das weißgraue Wollstoffgewand, welches fertig geworden war, an, und setzte die graue Filzhaube auf sein Haupt. Das Gewand bestand in einem Rocke, der mit Haften zusammen gehalten wurde, und in Beinbekleidungen, über welche die Stiefel empor gingen. So blieb er nun immer. Er teilte sich mit Martin in die Leitung des Hauswesens, beriet sich mit Martin, ordnete manches an, und tat manche Arbeit. Täglich ritt er auf seinem Pferde in der Zeit von fast zwei Stunden in den Wald. Außerdem ging er auch auf Bergen und in Tälern herum, und durchforschte sie. Er ging öfter auf den Kreuzberg, und blickte herum. Die Pflege seines Pferdes besorgte er mit der Hilfe Martins selbst.

Am Abende, wenn das Licht auf der Leuchte brannte, kamen immer wieder Männer. Es kam jetzt auch zuweilen Peter Laurenz der Schmied, es kam Paul Joachim der Maurer, Adam der Linnenweber, dann Zacharias der Schenke, Mathias, Norbert, Jakob und andere. Wenn Rockenfahrt in Witikos Stube war, und zu derselben Mädchen und auch Frauen mit ihren Spinnrädern kamen, um in der Stube zu spinnen, fanden sich auch junge Männer und Jünglinge ein, wie Philipp der Steiger, Maz Albrecht, der rosenwangige Urban, der der Vetter des Schmiedes Laurenz war, Veit Gregor, Lambert der Zimbelschläger, Wolfgang, Andreas, Augustin der Pfeifer, und mehrere. Dann sangen zuweilen die Mädchen, zuweilen sangen die jungen Männer, oder beide zugleich,[182] oder beide in Wechselliedern. Um die neunte Stunde gingen sie nach Hause.

Witiko war manches Mal abends auch in einem anderen Hause, so wie Martin, oder der Knecht Raimund, oder Lucia, wenn sie auf einer Rockenfahrt war. Dann aß er von dem Brote und Salze, das ihm gereicht wurde, saß im Lichte der Leuchte, und sprach mit den Männern oder den Frauen, die gegenwärtig waren. Er besuchte zuweilen auch eine Rockenfahrt, saß unter den Sängern und Sängerinnen, die spannen, und lobte oder tadelte einen Gesang, wie es fiel. Bei einem Vergnügen, wenn etwa ein Tanz war, wo der Fiedler die Geige klingen ließ, der Pfeifer pfiff, der Zimbelschläger die Schlägel rührte, oder wenn man sich auf dem Eise versammelte, sah er zu, und hielt zuweilen mit. Er besuchte nach und nach alle Bewohner des Ortes, und wenn er auf der Gasse ging, und ihm einer begegnete, oder wenn er im Freien wandelte oder ritt, und einer etwa auf einem Schlitten aus groben Bohlen Dünger auf ein Feld führte, oder Holz nach Hause brachte, oder zu einer Arbeit oder in den Wald ging, so blieb er bei ihm stehen, und redete mit ihm. Er war öfter bei dem greisen Pfarrer, und der Pfarrer war öfter bei ihm. An Festtagen war er in der Kirche, in welcher sich die Bewohner des Ortes versammelten, und in welche auch Menschen aus manchem Häuschen herbei kamen, das im Walde versteckt war.

Er betrachtete die Arbeiten der Bewohner, und suchte sie kennen zu lernen, wie sie ihre Vorräte aufbewahrten, und zur Verzehrung einteilten, wie sie ihre Tiere erzogen, wie sie die Feldgeräte herrichteten, Pflüge Eggen Wägen Rechen Schaufeln Zuber Körbe und dergleichen, wie sie mit Axt Säge und Hammer Ausbesserungen an ihren Häusern machten, oder Holz, das sie im Winter gefällt hatten, auf dem leichteren Mittel des Schlittens in die Nähe ihrer Wohnungen führten, oder wie sie in wenigen[183] Gewerben die anderen Bedürfnisse ihres Lebens aufbrachten.

Bei gemeinschaftlichen Arbeiten half er mit, wenn etwa ein Weg durch den Schnee zu brechen war, oder wenn ein Pfad zu finden, und mit Reisern zu bezeichnen war, da der alte samt seinen Reisern unkenntlich geworden war, oder wenn man gegen einen Wolf oder ein anderes Waldtier ging, oder Anstalten traf, ein solches ferne zu halten.

Er beteiligte sich auch bei allgemeinen Angelegenheiten in Beratungen, oder wie es sonst begehrt wurde.

So ging die Zeit hin, es mochte eine heitere trockne Wintersonne sein, oder Schneegestöber sein, oder Sturm sein, oder der Winternebel in die Zweige der Tannen herab reichen.

Die Tage wurden länger. Die Sonne war morgens schon sehr zeitlich über den Föhren heroben, und am Abende stand noch spät die blaue Seewand im Golde des Himmels. Das Heulen des Wolfes war nicht mehr zu vernehmen, dafür tönte der Schrei des Hirsches, oder der Ruf des Auerhahnes, oder ein schneller Klang der Frühlerche.

Der Reif ging von den Wäldern, daß sie dunkel da standen, der Schnee rann als Wasser von den Bergen und durch die Senkung der Täler, bis kein kleines Teilchen der Hülle mehr sichtbar war. Die längliche Tafel des Tales zeigte nun in ihrem unteren Teile Wiesen, und in dem fahlen Wintergrase war die blaue Schlange der Moldau. Weiter oben waren die braunen Streifen der geackerten Felder, oder die grünen derer, die Wintersaaten trugen, dann war der Wald.

Es begannen nun die Frühlingsarbeiten, und Martin und Raimund rückten mit ihren Gespannen in ihr Feld, und gedungene Lohnarbeiter halfen ihnen, und Witiko war auch dabei, und legte, wo es nötig war, Hand an, bis die Wiesen und Felder bestellt waren, und ihrer Ruhe und Entwicklung entgegen harren konnten.[184]

Die Wintersaaten wurden höher und grüner, die Sommersaaten keimten, die Wiesen färbten sich dunkel, der Waldkirschenbaum, welcher im Sommer die kleinen schwarzen Kirschen bringen sollte, war mit weißen Blüten überdeckt, die Schlehe und der Kreuzdorn blühten, der Holzbirnbaum auch, darnach begann der Waldapfelbaum, die Tannen setzten die neuen lichtgrünen Sprossen an, und endlich öffnete sich auch die Blume der lichteren und dunkleren Waldrose mit den fünf Blättern, die am Hage oder am Saume des Waldes dahin stand.

Die Herden des Ortes gingen mit ihren Hirten in die Wälder empor, wo Rasen zwischen den Föhren und andern Bäumen war, die Kinder spielten in der Sonne, und die Mädchen sangen, wenn sie das junge Gras aus dem Walde trugen, jetzt in die blaue Luft empor. Sie hatten nicht, wie tiefer im Lande, die weiten Gewänder, sondern kurze faltige Röckchen und eine Schürze, und sie hatten weiße oder rote Tücher um das Haupt und die Schultern, und öfter gingen zwei Zöpfe über den Rücken des Mieders bis zu dem Röcklein hinunter.

Als die Lenzarbeiten vorüber waren, als die fünfblättrige Waldrose am Hage oder zwischen dem Gesteine blühte, nahm Witiko eines Tages nach dem Essen sein Ledergewand, kleidete sich damit, sattelte sein Pferd, schickte nach Benedikt, dem Sohne Zacharias' des Schenken, daß er ihm als Führer diene, und ritt von diesem begleitet in der Richtung gegen Morgen in den Wald. Benedikt ging mit einem langen Stabe voran, Witiko folgte ihm. Sie gelangten unter den Föhren bis an den Kamm der Höhe empor. Dann kamen sie durch Buchenwald und Tannen wieder in ein Tal hinab, in welchem ein Bach floß. Witiko sah Rehe daraus trinken, und einen Hirsch darin stehen. Sie durchschritten den Bach. Dann ging ein Wald sachte aufwärts, und da sie ihn zurückgelegt hatten, kam eine Ebene. Auf ihr stand nicht mehr hoher Wald, sondern[185] kurze, dünne, kranke Föhren, und viele Stellen hatten gar keinen Baum. Das Gras war grau und trocken, und wo Erde zu sehen war, erschien sie in dunkler aschgrauer Farbe.

»Da ist ein seltsamer Boden«, sagte Benedikt, »wenn man ihn auf die Achsen der Wagenräder streicht, so gehen sie so lind wie mit fetten Dingen geölt.«

»Da sollte man den Boden untersuchen«, sprach Witiko.

»Ja das sollte man«, sagte Benedikt.

Sie zogen auf der Ebene hin, die Sonne schien schon tief aus Wolkenschleiern. Und da sie an das Ende der Ebene gekommen waren, ging sie unter. Nun fing wieder hoher Wald an, der sachte abwärts ging. Weil es in ihm dunkelte, stieg Witiko ab, und führte sein Pferd hinter sich her. Nach einer Stunde kamen sie auf eine freie Stelle. Sie hörten im Walde einen Ruf. Sie blieben stehen. Es war stille. Dann tönte wieder der Ruf. Sie blieben noch stehen. Die Stelle war sehr sonderbar. Es glänzte Wasser im Monde, es glänzte das Gras um das Wasser, und die Büsche daran glänzten auch, aus ihnen ragten dunkle Giebel wie Dächer von Hütten empor, und oben war der Mond in gelblichen Wolken. Am Saume des Waldes standen drei Gestalten, welche in weite Gewänder gehüllt waren, und die Gewänder auch über die Häupter gezogen hatten. Sie schienen Weiber zu sein. Es tönte wieder im Walde der Ruf, dann war es wieder stille. Dann tönte der Ruf noch einmal aber schwach, dann begann ein Gesang wie von vielen Stimmen. Der Gesang war ruhig und langsam. Er dauerte eine Weile, dann war es stille. Dann begann der Gesang wieder.

»Das ist ein heidnisches Ding«, sagte Benedikt leise zu Witiko, »es muß einer gestorben sein. Weil sie es nicht auf seinem Grabe tun können, da es die Priester verboten haben, so gehen sie in den Wald, und tun es dort. Ich kenne den Gesang, meine Großmutter hat ihn oft ertönen[186] lassen, und einmal habe ich ihn auch im Walde oberhalb Horec gehört.«

»Aber werden denn die Leute nicht belehrt?« fragte Witiko.

»Sie tun es im geheimen«, antwortete der Führer, »und sagen nichts davon, daß sie von ihren Göttern nicht gestraft werden.«

»Dann müssen wohl neue Geschlechter kommen, die die Sünden der alten vergessen«, sagte Witiko.

»So wird es schon sein«, entgegnete der Führer.

Der Gesang hatte wieder aufgehört, begann wieder, und schwieg endlich ganz. Witiko und sein Führer blieben noch immer stehen. Nach einer Zeit kamen Gestalten bei den drei Weibern aus dem Walde. Sie waren in weite Gewänder gehüllt, die durch Gürtel zusammen gefaßt wurden. Es waren Männer und Frauen. Sie blieben bei den Weibern stehen, und wurden immer mehr. Dann zerstreuten sie sich. Einige gingen auf dem Pfade am Waldsaume abwärts, auf dem Witiko seinen Weg fortsetzen sollte, andere kamen gegen Witiko herauf, und gingen an ihm vorüber in den Wald. Manche gingen schweigend vorbei, andere sagten: »Gelobt sei der Heiland.«

»Gelobt sei der Heiland«, antworteten Witiko und sein Führer.

Endlich war keine der Gestalten mehr zu sehen, die drei Weiber standen auch nicht mehr auf ihrem Platze, und es regte sich nichts als der sanfte Wolkenzug, den der Mond durchschien.

Jetzt nahmen Witiko und sein Führer auch den Weg wieder auf. Sie gingen auf dem Pfade am Waldsaume hinunter. Als sie den Grasplatz verlassen hatten, kamen sie wieder in dichten Wald. Aber der Weg war da breiter und ausgetretener. Sie gingen langsam auf demselben fort, und hatten manches Mal unter den Blättern eine durchbrechende Helle des Mondes.[187]

Da sie eine Stunde auf diesem Wege zugebracht hatten, gelangten sie wieder in das Freie. Es war ein breites Tal, von Wald umgeben. In dem Tale konnte man Gebüsche Felder und Wiesen unterscheiden, und hie und da glänzte es wie Wasser. Aus dem Wasserglanze stand ein großer viereckiger schwarzer Turm empor.

»Wir haben länger gebraucht, als ich gedacht habe«, sagte Witiko.

»Die Verschlingungen des Pfades und die Wurzeln hindern das Fortkommen«, sagte der Führer, »und die Irrgräser machen den Weg länger.«

»Es ist schon gut«, entgegnete Witiko.

Bei diesen Worten bestieg er wieder sein Pferd, und ritt auf dem Wege gegen den Turm zu. Sie konnten nur auf einem schmalen Erdstriche zwischen Schilf und Wasser zu demselben gelangen. Er war durch ein Tor geschlossen. An dem Tore hing ein Ochsenhorn. Der Führer nahm es, und blies in dasselbe. Eine Zeit darnach öffnete sich eine Luke im Tore, und ein Mann sah heraus. Er sprach: »Sei gegrüßt, Benedikt.«

Dann öffnete er das Tor.

Witiko ritt durch den Bogen hinein, und kam in einen Hof. Das Tor wurde hinter ihm wieder geschlossen. Im Hofe stieg er von dem Pferde. Der Führer und der Mann, der das Tor geöffnet und wieder geschlossen hatte, halfen ihm das Pferd in den Stall bringen. Da es dort angebunden und bedeckt war, führte der Mann Witiko und den Führer in eine Stube. Dieselbe war sehr groß, und hatte an ihrem oberen Ende die Leuchte. Von derselben ging ein sehr langer Tisch aus Tannenbrettern bis gegen die Tür. An der Leuchte saß ein barhäuptiger Mann in einem weiten schwarzen Gewande, dessen Gürtel gelöst war. Neben ihm saß ein anderer in grauem Gewande, das aber gegürtet war. Er hatte gleichfalls auf dem Kopfe keine Bedeckung. An dem langen Tannentische saßen mehrere[188] Männer und Jünglinge vor Krügen. Sie waren auch in weite gegürtete Gewänder gekleidet, und trugen keine Bedeckungen auf den Häuptern.

Als Witiko und der Führer eingetreten waren, erhob sich der Mann im schwarzen Gewande an der Leuchte, und rief. »Ich bin Rowno der Wladyk, was begehret ihr?«

»Ich heiße Witiko«, antwortete Witiko, »stamme aus dem Mittage Böhmens, und bitte dich um Gastfreundschaft. Dieser da ist mein Bote.«

»Komme an das obere Ende des Tisches, Witiko«, entgegnete Rowno, »und Benedikt soll sich an das untere Ende setzen.«

Witiko ging an das obere Ende des Tisches, und als er bei Rowno angekommen war, reichte ihm dieser die Hand, und sagte: »Du bist willkommen, nimm dir einen Stuhl, und setze dich neben uns an den Tisch. Es wird dir sogleich eine Erquickung gereicht werden, und dein Führer wird auch Speise und Trank erhalten.«

Witiko setzte sich nieder, wie es Rowno gesagt hatte, und dieser nahm auch seinen Platz wieder ein. Die Männer und Jünglinge an dem Tische waren vor Witiko aufgestanden, und setzten sich wieder nieder.

Nun kam ein Mann, der auf einem großen Brette das Lendenstück von gebratenem Schweinfleisch trug. Er setzte es vor Witiko hin. Ein anderer brachte einen Krug mit Bier und einen Laib Brod.

Witiko schnitt sich von dem Fleische ab, schnitt sich von dem Brote ein Stück herab, und begann, seinen Hunger und Durst zu stillen.

Dem Führer hatte man auch am untern Ende des Tisches zu essen und zu trinken vorgesetzt.

Da Witiko fertig war, hob Rowno sein Horn, und sagte: »Ich bringe dir den Willkommtrunk, Witiko.«

Witiko hob den Krug, und erwiderte: »Ich bringe Bescheid.«[189]

Dann tranken beide.

Dann sagte Rowno: »Du bist Witiko der Knabe, der auf dem Wahltage auf dem Wyšehrad gesprochen hat, daß man ihn zu einer Botschaft an den Herzog Soběslaw in der Versammlung belasse.«

»Ich bin es«, antwortete Witiko, »ich weiß, daß du auf dem Wyšehrad warst. Ich wohne jetzt als dein Nachbar in dem Hause meiner Mutter auf dem oberen Plane, und biete dir Gastfreundschaft an.«

»Ich empfange sie, wenn ich zu dir komme«, erwiderte Rowno.

Jetzt erhob sich auch der andere Mann, der an der Leuchte saß, und mit einem grauen Gewande angetan war. Er trat zu Witiko, und sprach: »Ich bin Osel, und habe dich auch auf dem Wyšehrad gesehen, wo du gesprochen hast. Ich bin bei Rowno auf Gastfreundschaft, und reite morgen beim Tagesgrauen fort. Wenn du nach Dub kommst, wo wir in unsern Häusern sitzen, hast du Gastlichkeit bei uns.«

»Ich nehme sie an«, sagte Witiko, »und du hast sie auch bei mir.«

»Ich empfange sie«, sagte Osel, »du bist ja aber auch Witiko von Přic, das weiter im Lande ist, und dahin wir von Dub keinen großen Weg haben.«

»Wir haben ein Eigen in Přic«, antwortete Witiko, »ich bin aber tiefer in den Wald gegangen.«

»Du bist tiefer in den Wald gegangen«, erwiderte Osel, »weil du zu denen gehörst, die sich dem Herzoge Wladislaw widersetzt haben.«

»Ich gehörte nur zu Soběslaw«, entgegnete Witiko, »und habe einen Auftrag von ihm vollführt. Alles andere lag nicht in meinen Dingen.«

»Bist du nach der Wahl gleich zu Soběslaw gegangen, und hast du ihn sterben gesehen?« fragte Rowno.

»Ich bin nach der Wahl gleich auf Hostas Burg geritten«,[190] sagte Witiko, »bin in dem Gemache gewesen, als der Herzog die Augen schloß, und war unter denen, die ihm das Geleite in die Gruft gegeben haben.«

»Wir haben es ihm auch gegeben«, sagte Rowno, »und der Herzog selbst hat ihn auch geleitet. Soběslaw war für das Land ein guter Mann bis auf den Tag von Sadska. Wie hast du nach seiner Bestattung von Prag fortkommen können?«

»Der Herzog hat befohlen, daß man mich ungekränkt von dannen lasse«, entgegnete Witiko.

»Das ist gerecht«, sagte Rowno. »Da er auf den Fürstenstuhl gesetzt wurde, und da die Menschen jubelten, war er sehr in sich gekehrt. Hast du die Feierlichkeiten gesehen?«

»Ich bin bei dem toten Herzoge Soběslaw in Hostas Burg gewesen«, antwortete Witiko.

»Sie haben indessen den lebendigen gegrüßt«, entgegnete Rowno, »alle, die da waren, haben ihm vor Freude zugerufen, da er zu dem Stuhle Přemysls geführt wurde, weil nun das Kämpfen Morden und Zerstören vorüber ist, das eintrat, wenn ein schwacher Mann auf dem Fürstenstuhle saß, und andere darnach strebten. Und wenn auch das Unheil nicht leicht in unsern Wald kömmt, weil er unwegsam ist, so könnte es doch jetzt eher geschehen, weil der Krieg ist, den der Markgraf Leopold von Österreich um Baiern führt, und es ist gut, daß es unterbleibt.«

»Ich bin noch zu unerfahren in diesen Dingen«, sagte Witiko. »Erlaube, Rowno, daß ich mich auf ein kurzes entferne, um nach meinem Pferde zu sehen.«

»Es sei, wenn du es selber tun willst«, sagte Rowno.

Witiko ging aus der Stube, und kam nach einer Weile wieder.

»Andere Männer«, sagte er, »fürchten doch etwas.«

»Das ist der alte Bolemil und der alte Diwiš«, sagte Osel, »und Lubomir, welche die früheren Kriege gesehen haben.[191] Sie sind aus Alter furchtsam geworden, und glauben stets, das Entsetzen wird gleich wieder kommen. Die Lechen Kmeten und Vornehmen möchten wohl immer herrschen, das ist wahr, und sie möchten deshalb Unfrieden anzetteln; aber wir und Tausende stehen lieber zu einem einzigen mächtigen Manne, der uns schützt, als daß wir uns von mehreren plagen lassen, damit sie prassen, und in schimmernden Kleidern einher gehen.«

»Und das, meinen sie, könnte zum Streite führen«, antwortete Witiko.

»Gegen den Mutigen fehlt der Mut«, sagte Rowno. »Unsere alten Priester haben erzählt, daß gegen Pře mysl den Mann Libušas kein wilder Herr des Landes den Arm aufzuheben versucht hat.«

»Und möchte nur unser Wladislaw immer ein solcher Přemysl sein«, entgegnete Osel, indem er wieder zu seinem Sitze ging.

»Der hochehrwürdige Bischof Zdik hat sich mit seinem Leben für ihn verbürgt«, antwortete Rowno.

»Als der erlauchte Herzog Soběslaw im Sterben lag«, fügte Witiko hinzu, »habe ich ihn zu seinem Sohne Wladislaw sagen gehört: Unterwirf dich Wladislaw. Načerat wird gegen ihn nicht siegen.«

»Es haben die Männer in Prag erzählt, daß er so gesagt hat«, entgegnete Rowno.

»Das hat er im Sterben gesagt, da sein Sinn irrte«, rief Osel, »Načerat hat ja den Herzog Wladislaw auf den Fürstenstuhl geführt, er ist der mächtigste Mann in dem Lande Böhmen, und wenn auch die Angehörigen Bolemils und wenn Diwiš und Božebor und Wšebor und Lubomir versucht sein möchten, den jungen Wladislaw den Sohn Soběslaws auf den Herzogstuhl zu führen, so werden sie es gegen Načerat nicht zu unternehmen wagen.«

»Der Herzog hat auch gleich im Beginne seiner Herrschaft[192] auf seine Kriegsmacht gesehen«, sagte Rowno, »er vermehrt sie, und ist im Lande gewesen, die Burgen zu stärken. Er hat Otto den Sohn des schwarzen Otto zurückbringen lassen, und ihm das Herzogtum Olmütz gegeben, und der junge Wladislaw der Sohn des verstorbenen Herzogs Soběslaw ist bei ihm in Prag voll Ehren und Reichtümer. So hat er sich zwei Freunde gewonnen. Er hat die einundzwanzigjährige Gertrud die Schwester des Markgrafen Leopold von Österreich geheiratet, und ist dadurch der Stiefschwager des deutschen Königs Konrad geworden und der Schwager des Markgrafen von Österreich, der, wenn er das Herzogtum Baiern, mit dem ihn der König Konrad belehnt hat, dem Anhange des stolzen Heinrich zu entreißen vermag, der mächtigste Herr in den deutschen Ländern wird.«

»Er wird es ihm entreißen, weil der stolze Heinrich gestorben und sein Sohn der andere Heinrich nur ein Büblein ist«, sagte Osel.

»Nun so ist es ja recht, und alles ist gut«, entgegnete Rowno, »und wir haben zu Hause Raum, uns zu bewegen. Im Walde geht es auch vorwärts, Witiko. Die Hlenici bauen eine Kirche, und es werden noch mehrere entstehen, weil in dem Walde hie und da eine Hütte gebaut wird, und die Menschen mehr werden. In Friedberg wird gereutet, in Horec sind wieder neue Häuser entstanden, und an der Stelle, wo die Moldau gegen den Thomaswald fließt, und wo es an der unteren Moldau heißt, haben sie ein stattliches Herberghaus gezimmert, damit die, welche dort über die tiefere Sattlung nach Baiern hinaus gehen, ins Aigen oder weiter ins Gericht Velden, Einkehr und Erquickung finden. Die Wladyken müssen größer werden. Wir dehnen unsere Besitzungen gegen den Wald aus, du mußt auch streben, Witiko, gleiches zu tun, und mit der Hilfe Gottes und der heiligen Jungfrau Maria und unserer Heiligen Wenzel und Adalbert[193] und der heiligen Diasen und Wilen im Himmel werden wir unsere Ziele erreichen, die Großen und Herrschsüchtigen zu drücken.«

»Ich habe vor zwei Monaten meinen drei Knaben die Haare festlich beschneiden lassen«, sagte Osel, »daß sie in das Jünglingsalter eintreten, daß sie tüchtig werden, und an unserem Werke mitarbeiten.«

»Ich bin nur ein einzelner, und meine Kraft ist gering«, sagte Witiko.

»Es ist immer nur einer gewesen, der der Stifter eines großen Geschlechtes geworden ist«, antwortete Rowno.

Die Männer und Jünglinge an dem Tische hatten diesen Gesprächen bloß zugehört, und wenn sie untereinander sprachen, so war es leise, daß sie keine Störung verursachten.

Witiko ging noch einmal zu seinem Pferde. Da er zurück kam, redete man von den Dingen in dem Walde, von den Beschäftigungen seiner Bewohner, und wie man vieles einrichten sollte.

Da die Nacht vorgeschritten war, stand Rowno auf, um zur Ruhe einzuladen. Mit ihm erhoben sich alle, und verabschiedeten sich.

Zu Witiko trat ein Mann mit einem brennenden Buchenspane, um ihn in seine Schlafkammer zu geleiten. Er führte ihn über eine Treppe empor in eine Kammer, in welcher auf einem hölzernen Gestelle sein Lager bereitet war. Der Mann steckte den brennenden Span in eine eiserne Schere, die in der Mauer befestigst war, und unter welcher sich auf dem Fußboden eine große eiserne Schüssel befand, daß in sie die glühenden Kohlen des Spanes hinabfallen konnten. Er legte noch mehrere Späne, die er unter dem Arme getragen hatte, an die Mauer, und entfernte sich. Witiko schob den großen Eichenriegel, der an der Tür befindlich war, vor, entkleidete sich, hing sein Gewand an den Kleiderschragen, und legte sich zur[194] Ruhe, indem er den einen Span in seiner eisernen Schere verglimmen ließ.

Mit dem ersten Grauen des Morgens stand er auf, und ging zu seinem Pferde in den Stall. Da sah er noch einmal Osel, der sein Pferd zäumte und sattelte, um den Turm zu verlassen. Witiko sprach mit ihm, und sagte: »Komme bald zu mir, Osel.«

»Ja bald«, sagte der Mann, »und du zu mir.«

»Ja«, sagte Witiko, »und lebe wohl.«

»Lebe wohl«, entgegnete Osel, bestieg sein Tier, und ritt unter dem Torbogen hinaus.

Als Witiko die Pflege seines Pferdes beendigt hatte, ging er in die Stube. In derselben hatten sich schon viele Menschen versammelt. Es waren jetzt auch ältere Männer da, die Witiko gestern nicht gesehen hatte. Auch Frauen und Mädchen waren da. Die meisten von ihnen standen. In der Nähe eines Fensters stand Rowno. Er hatte das schwarze Kleid an wie gestern; aber heute war es gegürtet. Auf dem Haupte trug er eine graue Filzhaube. Neben ihm stand eine Frau mit sanften Wangen. Sie war in ein fließendes lichtgraues Gewand gekleidet, das ein blauer Gürtel hielt. An ihrer Seite stand ein Knabe und ein Mädchen. Dann stand eine schöngewachsene Jungfrau in einem dunkelblauen Kleide mit einem veilchenblauen Gürtel. Ihre Haare waren schwarz, ihre Augen waren schwarz, ihre Wangen tief gerötet und ihre Lippen rot wie die Kirschen in dem Felde. Dann standen die Männer und Jünglinge. Sie waren meist alle in weite dunkle Gewänder gegürtet. Sämtliche Männer trugen keine Waffen. Dann waren die Frauen und Mädchen, die entweder dunkelgraue oder braune weite Gewänder hatten. Ihre Gürtel waren schön gearbeitet.

Auf dem Tische stand ein sehr großes Gefäß mit warmer Milch, aus dem in Becher geschöpft wurde, die man herumreichte. Ein Mann reichte Witiko einen solchen[195] Becher. Witiko trank ihn aus, und setzte ihn auf den Tisch. Dann näherte er sich Rowno. Dieser grüßte ihn, führte ihn zu der Frau mit den sanften Wangen, und sprach: »Das ist Ludmila, mein Eheweib.«

Dann wies er auf die Kinder, und sagte: »Das ist Miš mein Söhnlein und Durantia mein Töchterlein.«

Dann führte er ihn zu der Jungfrau mit dem dunkelblauen Kleide, und sprach: »Das ist Dimut meine Schwester.«

Dann wies er auf die Männer, die weiter hinab standen, und sagte: »Das ist Jaroš mein Oheim mit seinem Erstgebornen Luta und seinen andern, das ist mein Oheim Stan mit seinem Erstgebornen Braniš und seinen andern, das ist mein Oheim Detleb mit seinem Sohne Porey, das ist mein Vetter Wenzel, das ist mein Vetter Mišek, das ist mein Bruder Duda, und das ist mein Bruder Weliš.«

Dann wies er auf die Frauen, und sprach: »Diese ist Swatislawa das Eheweib Stans, diese ist Mlada das Eheweib Detlebs, diese ist Richsa das Eheweib Bruniš', und diese Jutta das Eheweib Poreys. Die jüngeren Männer und Mädchen nenne ich dir nicht, du wirst sie kennen lernen. Sie sind alle gekommen, dich zu begrüßen, und werden dann an ihre Geschäfte gehen.«

Hierauf rief er gegen die Versammelten gewendet: »Das ist Witiko von Plana unser Nachbar und unser Gast.«

Nach diesen Worten kamen viele herbei, und reichten Witiko die Hand. Andere neigten sich bloß, und man fing an, sich aus der Stube zu entfernen.

Witiko schritt gegen Ludmila Rownos Gattin, und sagte: »Ich bin zu Rowno, den ich auf dem Wahltage auf dem Wyšehrad gesehen habe, und der mein Nachbar ist, gekommen, um ihn zu besuchen, und mit ihm zu sprechen.«

»Ihr seid in unserem Hause und bei unseren Sippen willkommen«, antwortete Ludmila.

Dann wendete er sich an die Jungfrau, und sprach: »Ihr[196] werdet wohl auch den Fremdling in der Gastlichkeit dieses Hauses nicht unhold ansehen.«

»Die Freunde meines Bruders sind auch die meinigen«, sagte das Mädchen.

Nach diesen Worten war der Morgengruß geendigt, und man zerstreute sich.

Rowno führte Witiko in das Freie. Sie gingen durch das Tor auf die Erdzunge, die von ihm wegführte. Da sah Witiko, daß der große viereckige dunkle Turm von Moorgrunde umgeben war. Dann kamen sie über den Damm auf nasse Wiesen, in welchen hie und da kleine Teiche und andere Wässer waren. Endlich, wo der Boden sich hob, fingen die Felder an, auf denen die Getreide schon die Farbe der beginnenden Reife bekamen. Hinter ihnen war der Wald.

Als sie auf den breiteren festen Boden kamen, standen mehrere Hütten und Häuser. Von einigen ging Rauch auf, vor einigen spielten Kinder, und hie und da trat eine Frau aus der Tür, und sah ihnen nach.

Außerhalb der Häuser gingen sie durch die Felder, auf denen Menschen an verschiedenen Stellen arbeiteten. Wo die Felder zu Ende waren, ging noch Weidegrund empor, auf welchem zerstreut verschiedene Bäume standen, und auf welchen sich Herden von Rindern Schafen Schweinen und Ziegen befanden, die ihre Hirten leiteten. Dann erst begann der undurchdringliche Wald.

»Wir pflegen die Güter, welche wir von unseren Vorvätern ererbt haben, ungeteilt und gemeinschaftlich«, sagte Rowno, »ich bin zum Haupte erwählt worden, nach meinem Tode wird ein anderer erwählt. Sie liegen vor dir ausgebreitet: der Turm die Wiesen die Felder die Weiden und der Wald. Der größte Teil des Bodens, der uns gehört, ist mit Wald bedeckt. Wir streben ihn aber zu reuten, und unser urbares Besitztum zu vergrößern. Wenn die Zahl unserer Stammesglieder wächst, bauen wir stets[197] ein neues Haus oder eine neue Hütte. In dem Turme haben alle Menschen mit ihrer Nahrung und alle Tiere mit ihrem Futter Platz. Wenn uns ein Feind bedrohte, so könnten wir in den Turm gehen, und uns verteidigen, bis er abzöge; denn lange könnte er nicht bleiben, weil er in dem Walde erhungerte. Brennt er die Häuser und Hütten vor dem Turme nieder, so bauen wir sie nachher wieder auf. Seit den Zeiten unsers Urgroßvaters ist aber ein solcher Angriff nicht gemacht worden. Damals war ein Streit. Ob vorher einer stattgefunden hat, wissen wir nicht, da niemand lebt, der von jenen Zeiten etwas erzählen könnte.«

Von dem Weidegrunde aus gingen Witiko und Rowno in einem Umkreise wieder durch die Felder auf einem anderen Wege zu der Erdzunge zurück, die sie in den Turm leitete. Im Turme zeigte Rowno Witiko die Räume und Gelasse, in denen Tiere und Vorräte untergebracht werden könnten, und er zeigte ihm auch die Ställe, die sonst da waren. Dann führte er ihn über Treppen in die öffentlichen Gemächer empor, die nicht zu seiner und der Seinigen Wohnung dienten. Sie waren sämtlich mit Kalk getüncht, und hatten einfache Geräte aus Tannenholz. In den größeren waren Waffen Knüttel Keulen Morgensterne Wurfbeile Streitäxte Speere Schwerter Armbruste und Schleudergeräte. Einige der Gemächer waren zur Verteidigung eingerichtet. Von den obersten derselben gingen sie auf das Dach hinaus. Dieses war aus starken Bohlen wenig schief gegen innen gezimmert, und hatte außerdem die Einrichtung, daß man auf ihm aus Balken schnell einen waagrechten Boden legen konnte, um darauf große Wurfdinge stellen zu können. Das Dach hatte rings herum starke Brustwehren aus Mauerwerk, und weil das Regenwasser nach innen glitt, so hatte es zu seiner Ableitung eine hölzerne Rinne, die durch die Mauer hindurch weit oberhalb des Sumpfes hinaus ragte.[198]

Man konnte von dem Turme nur das Tal sehen, und vermochte über den umgebenden Wald nicht hinaus zu blicken.

Als der Mittag gekommen war, wurde das Mahl in der Stube eingenommen. Bei demselben war auch Ludmila war Dimut und waren andere Frauen. Sonst aber waren weniger Menschen anwesend, als sich am Morgen zur Begrüßung Witikos eingefunden hatten, weil die, welche Angehörige besaßen, mit ihnen in ihren Hütten und Häusern aßen. Es wurden Rinderbraten Fische Geflügel Bier und Roggenbrot auf den Tisch gesetzt.

Witiko blieb drei Tage bei Rowno.

Am vierten ritt er beim Aufgange der Sonne in der Richtung nach Morgen weiter. Er ritt durch die Wiesen Felder und Weiden, die um den Turm waren, und kam wieder in den Wald. Da floß ein Bach in der Richtung gegen Morgen, und an dem Bache ging der Pfad hin. Witiko ritt auf demselben weiter. Er ritt eine Stunde lang an den Krümmungen des Wassers über Wurzeln Moorgrund und Gestein. Dann änderte der Bach seinen Lauf, und ging an einem großen waldigen Abhange gegen Mitternacht. Witiko ritt auf dem Pfade an ihm eine halbe Stunde fort. Dann nahm der Bach einen zweiten auf, und sie gingen vereinigt wieder gegen Morgen. Witiko ritt zwei Stunden durch dichten Wald, bis er zwischen zwei Felsrücken samt dem sprudelnden Wasser zur Moldau hinaus kam. Da war der Platz, auf dem die krumme Au lag.

Witiko suchte für sich und sein Pferd eine Herberge zur Erquickung. Er blieb zwei Stunden da. Was er das erste Mal getan hatte, tat er wieder. Er ging auf den Fels der krummen Au, und betrachtete ihn. Im Mittage hatte derselbe an seinem steilen Absturze die dreifache Krümmung der Moldau, innerhalb welcher die Häuser der krummen Au lagen, in Mitternacht war die Schlucht,[199] durch welche Witiko herein geritten war, im Abende ging er in sanftes sich ausbreitendes Land über, das zur Anlage von Feldern und Gärten geeignet gewesen wäre, und im Morgen senkte er sich gleichfalls sachte nieder.

Als Witiko und sein Pferd gestärkt waren, ritt er wieder weiter. Er schlug neuerdings die Richtung nach Morgen ein. Er ritt zwischen hohen Felsen und der Moldau fort, so lange diese nach Morgen floß. Da sie sich nach Mitternacht wendete, verließ er sie, ritt über Anhöhen hinaus, und verfolgte seine Richtung. Der Wald erlangte jetzt sein Ende, und Witiko ritt zwischen Feldern Wiesen Weiden Gebüschen einzelnen Wäldchen und zerstreuten Häusern hindurch. Als die Sonne sich schon beinahe zu ihrem Untergange neigte, war er vor dem Župenorte Daudleb angekommen. Er ritt auf dem Fahrstege über den Fluß Malsch, zwischen den Häusern fort, und gegen den Župenhof zu. Derselbe lag abgesondert, hatte graue Mauern und steile Schindeldächer. Er war durch starke Zinnen beschützt. Witiko ritt gegen das Tor, welches niedrig war und einen großen Rundbogen aus alter Zeit hatte. Es stand offen, und er ritt durch dasselbe hinein. Er kam in einen Hof, welcher von Ställen Scheunen und ähnlichen Gebäuden gebildet wurde. Hier fragte ihn ein Mann um sein Begehren. Witiko sagte, daß er zum Župane wolle. Der Mann hielt ihm den Bügel, da er abstieg, und half ihm, sein Pferd unterbringen. Darauf führte er ihn in einen zweiten Hof, und von diesem in einen großen Saal, in welchem mehrere steinerne Tische waren. Vor einem derselben saß auf einem steinernen unbeweglichen Stuhle, über welchen ein Teppich gebreitet war, der Župan Lubomir. Er hatte ein weites dunkles Gewand an, auf welches seine unbedecktem weißen Haare nieder fielen. Vor ihm stand ein Mann in einem grauen Gürtelkleide, mit welchem Manne er redete. Einige Schritte hinter dem Manne stand ein Weib in einem[200] halbweiten blauen Kleide, um welches sie einen Gürtel aus einem Baststricke hatte. Der Mann, welcher Witiko herein geführt hatte, bedeutete ihn, wieder einige Schritte hinter dem Weibe stehen zu bleiben, und zu warten, und entfernte sich dann aus dem Saale. Lubomir setzte sein Gespräch mit dem Manne in dem grauen Gürtelgewande fort. Endlich machte der Mann eine Bewegung wie die des Dankes, und verließ den Saal. Jetzt trat das Weib zu Lubomir, und begann zu sprechen, er antwortete ihr, sie sprach wieder, und er antwortete ihr wieder. Dieses dauerte eine geraume Zeit. Dann wollte sie den Zipfel seines Kleides küssen, er ließ es aber nicht zu, und sie ging aus dem Saale. Nun näherte sich Witiko. Als er vor Lubomir stand, sagte dieser: »Was begehrest du, mein Sohn?«

»Mein Begehren ist nur«, antwortete Witiko, »daß Ihr erlaubt, daß ich Euch sehe, und daß ich Euch danke, weil Ihr einmal für mich gesprochen habt.«

»So komme in mein Empfangsgemach«, entgegnete Lubomir.

Er stand auf, und ging gegen eine Tür. Witiko folgte ihm. Lubomir öffnete die Tür, und führte Witiko über eine steinerne Treppe empor. Sie kamen in einen großen Vorsaal mit dunkelgrauen Wänden, in welchem mehrere Bewaffnete waren. Lubomir sagte: »Gehe hinunter, Slawa, und halte im Steinsaale Wache, wenn etwa noch jemand vor Sonnenuntergange mit mir sprechen will.«

Einer der Bewaffneten entfernte sich über die Treppe hinab.

Lubomir führte Witiko nun in ein zweites Vorgemach, welches aber viel kleiner war als der Saal. In demselben befanden sich drei unbewaffnete Männer. Lubomir sagte zu einem: »Radim, bringe Empfangswein und Kuchen.«

Der Mann entfernte sich, und Lubomir und Witiko traten aus dem Vorgemache in eine große Stube. Dieselbe[201] war eine Eckstube, und hatte an jeder der Außenseiten vier Fenster. Sie war ganz mit Ulmenholz getäfelt, und hatte eine Decke, die aus Ulmenholz geschnitzt war. Der Fußboden war mit einer Hülle von Rehfellen überzogen. In der Stube standen drei große Tische aus Ulmenholz und viele Stühle aus demselben Holze. Über der Tür und über jedem Fenster war ein erlesenes Hirschgeweih. An den Wänden hin und in die Vertiefungen der Fenster hinein lief eine Bank ebenfalls aus Ulmenholz. Nur an vier Stellen war die Bank unterbrochen, und an diesen Stellen standen auf hohen Unterständern vier große menschliche Gestalten, die aus Eichenholz geschnitzt waren.

Als die Männer die Mitte der Stube erreicht hatten, blieb Lubomir stehen, und sagte: »Sei mir willkommen, Witiko, wofür willst du mir danken?«

»Ihr kennt mich?« fragte Witiko.

»Du bist mit mir an dem Sterbebette des gütigen Herzoges Soběslaw gewesen«, erwiderte Lubomir, »und bist für ihn in eine Sendung gegangen, welche dir übel hätte werden können.«

»Es rührt mich im Herzen, daß Ihr an dem Sterbebette Soběslaws gestanden seid«, sagte Witiko, »und zu danken bin ich hier, daß Ihr in dem großen Saale des Wyšehrad für mich gesprochen habt.«

»Ich habe nicht für dich gesprochen«, antwortete Lubomir, »sondern für die Sache. Aber es hat mir sehr wohlgefallen, was du getan hast, und es freut mich, daß du zu danken gekommen bist. Du siehst, wir sind hier von dem umgeben, was ein Land bieten kann, das an den großen Wald grenzt: Holz von seinen Bäumen und Felle und Geweihe von seinen Tieren. Die Gestalten, die hier stehen, sind aus der alten Geschichte des Reiches: Samo, Krok, Libuša und Přemysl. Der Abt Božetěch, der ein Freund meines Vaters war, hat sie geschnitzt, und hat sie[202] ihm gegeben. Von meinem Vater sind sie in meine Hände gekommen.«

Als Lubomir dieses gesprochen hatte, kam der Mann Radim, den er um Wein gesendet hatte, in die Stube, und brachte auf einem Tragbrette zwei silberne Becher mit Wein und einen kleinen runden Kuchen. Er stellte das Brett auf den mittleren Tisch, und entfernte sich wieder.

»Nun, Witiko, nimm den Wein des Willkommens, und brich das Stückchen Kuchen der Einkehr dazu«, sagte Lubomir.

Witiko nahm einen der silbernen Becher, und trank etwas Wein daraus. Als er den Becher wieder hingestellt hatte, brach er ein Stückchen Kuchen ab, und aß es. Lubomir trank aus dem anderen Becher, und brach auch ein Stückchen Kuchen. Dann sagte er: »Du bist sehr gerne in meinem Hause aufgenommen, Witiko, und wirst in demselben als Gast geehrt werden, so lange du in ihm verweilen willst. Setze dich jetzt zu mir auf einen dieser Stühle.«

Er wies auf einen Stuhl neben dem Tische, auf dem der Wein stand, Witiko setzte sich auf denselben, und er auf den nächsten.

Dann sagte Witiko: »Ich danke Euch für die gute Aufnahme, ich werde in Eurem gastlichen Hause, wenn Ihr es erlaubt, nur einige Tage verweilen.«

»Tue nach deinem Willen, wir werden diesen Willen immer achten«, erwiderte Lubomir.

»Und ich werde streben die Gastfreundschaft nicht zu verunehren, die Ihr mir gewähret«, antwortete Witiko.

»Du bist nach der Erhöhung Wladislaws von Prag fortgegangen, Witiko, wir haben es in unserer Gegend wohl gehört«, sagte Lubomir.

»Es liegt ein kleines Haus, das uns eigen ist, in dem Walde, der an Baiern reicht«, entgegnete Witiko, »in dem Hause ist ein alter Schaffner, und ich bin dahin gegangen, weil ich es lange nicht gesehen habe.«[203]

»Es liegt im Walde an der Moldau«, sagte Lubomir.

»Mehr als eine Tagreise von hier im Walde gegen Abend«, antwortete Witiko, »nicht ganz an der Moldau sondern bei dem Kirchenorte Plana.«

»Ich weiß«, erwiderte Lubomir, »das Tal ist ganz von dem großen Walde umgeben.«

»Ganz von dem großen Walde«, sagte Witiko.

»Es sind dort noch Luchse Bären Wölfe«, sagte Lubomir, »und wären noch mehr, wenn nicht die strengen Winter herrschten.«

»Sie geben den Leuten Pelze, die sich nicht sonderlich vor den Tieren fürchten«, sagte Witiko.

»Die Waldkirche des oberen Planes ist sehr alt«, entgegnete Lubomir, »es war schon lange vor der Bekehrung des Herzogs Bořiwoy, da sich die Lechen aus dem Mittage des Landes taufen ließen, die Betstelle des Siedlers Ciprinus dort.«

»So sagte mir ungefähr auch der Pfarrer von Plan«, entgegnete Witiko.

»So besorge in der Zeit dein Haus, wie es deine jungen Kräfte vermögen«, sagte Lubomir.

»Ich helfe und sorge wie ich kann«, antwortete Witiko, »der Boden ist dort für Getreide karg, und für Obst noch karger.«

»Wo der Boden karg ist, sind die Leute hart«, entgegnete Lubomir, »und sie wissen beides nicht.«

»Sie leben bei uns von dem, was der Boden bringt«, sagte Witiko, »und was sie aus dem Walde ziehen. Einige suchen sich auch von auswärts her Erwerb zu schaffen.«

»Wenn sie es nur nicht durch den Krieg tun, an dessen Ertrag sie sich gewöhnen«, sprach Lubomir.

»Es ist in früheren Zeiten wohl geschehen«, sagte Witiko, »sie erzählen noch davon, und es sind Dinge vorhanden, die vom Kriege stammen.«

»Wie es überall ist«, sagte Lubomir.[204]

»Jetzt wissen sie wenig von der Zeit und ihrer Bedeutung«, sagte Witiko.

»Wie alle wenig wissen«, entgegnete Lubomir. »Die Zeit ist noch nicht reif, mein Sohn Witiko. Die zwei Willen, welche den Bau des neuen Herzoges aufgerichtet haben, müssen erst zerfallen, und dann wird das Unheil und Blutvergießen in das Land kommen, was die einen zu verhüten geglaubt haben. Unter allen war vielleicht nur ein Mann, der die Zukunft genau wußte, nämlich der Herzog Soběslaw; doch der ist jetzt ein toter Mann. Er wollte die Übel verhindern, da er zu seinem Sohne Wladislaw sagte: Unterwirf dich deinem Vetter, und da er Zeugen zu den Worten rief, darunter auch junge, wie dich, daß sie die Worte auf spätere Zeiten brächten; aber es wird nichts helfen, Soběslaw handelte unter Zwang als ein sterbender Mann mit den sterbenden Kräften. Hätte er gelebt, so würde er vielleicht alles gehemmt haben.«

»Ich kann viele Menschen in ihrem Tun nicht begreifen und erkennen«, sagte Witiko.

»Sie sich selber nicht«, antwortete Lubomir, »sie werden von der Wut ihrer Triebe gejagt, und können nicht ermessen, was sie zu einer Zeit zu tun im Stande sein werden. Wenn der alte Bolemil das neunzigste Jahr erreicht, wie es seinem Vater gegönnt war, dann können seine Augen noch sehen, was er ihnen geweissagt hat. Dich wollte ja der neue Herzog bei sich behalten?«

»Ja«, entgegnete Witiko, »ich muß mich aber erst zurecht finden.«

»Du wirst vielleicht das Rechte finden, mein Kind Witiko«, sagte Lubomir, »die Bestrebungen müssen erst offener werden, dann werden viele Sinne klarer sehen, was sie tun sollen. Der Herzog sucht sich überall zu stärken. Er vermehrt seine Leute um sich, sucht Landesteile zu befestigen, und Freunde zu gewinnen. Er hat den Sohn[205] des schwarzen Otto wieder in das Herzogtum Olmütz eingesetzt, und hat Wladislaw den Sohn des Herzogs Soběslaw, der früher dort war, zu sich nach Prag gezogen, um seine Augen auf ihm zu behalten. Er hat ihn sehr reichlich ausgestattet, und zieht ihn überall hervor. Er ist auch mit seiner jungen Gemahlin im Frühling zu dem deutschen Könige Konrad nach Würzburg gegangen.«

»Der deutsche König Konrad ist ja der Halbbruder Gertruds der Gemahlin Wladislaws«, sagte Witiko.

»Es kann dies der Grund sein, weshalb sie zu ihm gegangen sind, es können auch Bündnisse geschlossen worden sein«, entgegnete Lubomir. »Die dem Wahltage auf dem Wyšehrad beigewohnt haben, sind zum Teile um Wladislaw, zum Teile sind sie zerstreut, können aber immer wieder gesammelt werden. Sei es nun, wie es ist, wir müssen harren, was kommen wird.«

»Wisset Ihr etwas von der erlauchten Herzogin Adelheid?« fragte Witiko.

»Ich weiß etwas von ihr«, sagte Lubomir, »sie ist noch immer mit ihren Kindern Soběslaw Ulrich und Wenzel in Hostas Burg.«

»Im Winter hat mir ein Bote gesagt, daß sie damals dort war«, entgegnete Witiko.

»Sie ist noch dort«, sagte Lubomir, »und will dort bleiben, und trauern. Sie hat die unbeschränkte Herrschaft über die Burg, und der Herzog hat Boreš zu ihrem Kastellan eingesetzt.«

»Das ist gut für sie«, sagte Witiko.

»Es ist gut«, antwortete Lubomir.

»In dem Lande ist aber überall Ruhe«, sagte Witiko.

»Jetzt ist Ruhe«, antwortete Lubomir, »insonderheit bei uns, die wir abgelegen sind. Hier lebt das Volk in der Unwissenheit der Dinge, die da kommen werden, es bebaut die Felder, und liebt die Sackpfeife und den Tanz. Wir,[206] die wir in dem Lande zu Wächtern der Pflege des Volkes gesetzt sind, können nichts tun, als ihre Anliegen schlichten, ihnen Rat und Hilfe geben, und den Glauben fördern, durch den sie gesitteter und beglückter werden.«

»Ich habe vor vier Tagen gehört, wie sie im Mondscheine im Walde einen heidnischen Gesang gesungen haben«, sagte Witiko.

»Sie haben eine Tryzne gefeiert«, entgegnete Lubomir, »das geschieht noch immer, und wird vielleicht noch lange dauern. Das Volk liebt die alten Bräuche, und das ist gut; es würde Land und Leute umkehren, wenn es sich in jedem Augenblicke änderte. Wenn auch der Glaube hier im Mittage viel älter ist als gegen Mitternacht, wo sie näher an den heidnischen Gebieten liegen, so sind doch auch hier viele Sitten geblieben, die an die alte Zeit erinnern, und werden viele Jahre bleiben. Wenn die Bräuche nicht Glaubenslehren sind, so schaden sie nicht viel. Und einmal wird eine Zeit kommen, wo sich alles vermischt, und die Leute nicht mehr wissen, ob ein Brauch ein heidnischer oder christlicher ist. Wenn du zur Zeit der Sonnenwende einmal hier wärest, so würdest du auf allen Hügeln die alten Feuer erblicken, die sie einst der Wende der Sonne angezündet haben. Wenn sie die heilige Jungfrau Maria anrufen, so gehen noch manche zu heiligen Bäumen, oder zu heiligen Felsen, und singen zu ihr, da sie sich die Stirne berühren. Sie üben auch Zeichendeuterei, feien das Vieh, wenn es zum ersten Male auf die Weide geht, und halten den Sperber für einen heiligen Vogel.«

»Ich habe überall die Sonnenwendfeuer anzünden gesehen, wo ich bisher gewesen bin«, sagte Witiko, »die Baiern an der Donau an dem Inn an der Traun und an der Enns tun es auch.«

»So ist der Brauch ein weit verbreiteter«, entgegnete Lubomir, »und wird um so weniger schnell verschwinden.[207] Sonst ist unser Volk hier gut und sanft, und verdient wohl, daß man es schützt, und wahrt, und nicht in Leiden stürzt, die es nicht verschuldet hat. Ich werde dir jetzt das Gemach zeigen lassen, das wir dir in diesem Hause zur Wohnung geben, damit du ausruhen, oder sonst die Zeit nach deinem Willen verwenden kannst, bis ich dich zu meiner Gemahlin führe, und du das Abendessen mit uns teilest. Dein Pferd wird gut versorgt werden.«

»Wenn Ihr erlaubt, so besorge ich es selber«, antwortete Witiko.

»Das ist gut von dir, daß du es tust«, sagte Lubomir, »die Pferde lohnen oft die Pflege dem Pfleger besser als jedem anderen Reiter. Tue es auf deine Art, ich werde dir jemand geben, der dir dienen muß. Jetzt trinke aber noch aus deinem Becher, ehe wir die Stube verlassen.«

Er griff bei diesen Worten nach seinem Becher und trank daraus. Witiko tat das gleiche aus dem seinen.

Dann standen sie auf, und gingen zur Tür hinaus.

Im Vorgemache sagte Lubomir: »Radim, gehe mit diesem jungen Reitersmanne, und tue, was er heischt. Ich nehme jetzt Abschied von dir, Witiko, und werde dich später selber zu dem Abendtische geleiten.«

Nach diesen Worten verließ er durch eine Tür das Gemach.

Witiko verlangte von seinem Begleiter in den Stall zu seinem Pferde geführt zu werden. Da es geschehen war, gab er dem Pferde die erste Pflege, dann gebot er seinem Manne, ihm das Gemach zu zeigen, welches für ihn bestimmt sei. Der Mann führte ihn über zwei Treppen empor, und durch ein Vorgemach in eine geräumige Stube, welche drei Fenster hatte. Witiko sagte hier: »Du kannst dich nun entfernen, ich bedarf deiner Dienste nicht mehr.«

Der Mann ging durch die Tür. Witiko schritt in seiner[208] Stube vorwärts, und sah sie an. Sie war ganz mit geflammtem Tannenholze getäfelt, und hatte eine Diele von rotem Eibenholze. Der Fußboden war mit einem Binsengeflechte überspannt. Das Bettgestelle, auf dem ein Lager aus weichen Tüchern und Fellen bereitet war, dann der Tisch und mehrere Stühle, ein Kleiderschragen, ein Waschgestelle und zwei Bänke, die an den Wänden hinliefen, waren von gebohntem Eichenholze.

Witiko ging einige Male in dem Gemache hin und wider. Dann setzte er sich auf einen Stuhl. Dann trat er an das Fenster, und sah auf den Ort Daudleb hinab. Giebel Dächer Schornsteine und das Dach der großen Kirche und ihr Turm ragten in den gelben Abendhimmel empor. Er sah, daß der Ort auf einer Zunge Landes liege, welche durch eine lange Schleife der Malsch gebildet wurde. Im Morgen hing die Zunge mit dem andern Lande zusammen. Über die Häuser sah er auf schwach hügliges Land, auf dem Felder Wiesen Weiden Wäldchen und erkennbare menschliche Wohnungen waren. Dann kam ein dunkler Streifen, der den Wald anzeigte, aus dem er gekommen war. Der Streifen ging bis tief in den Abendhimmel zurück. Von dem Orte schollen Töne menschlichen Lebens herauf.

Nach einer Weile ging Witiko wieder in den Stall, um die Wartung seines Pferdes zu vollenden.

Als dieses geschehen war, ging er wieder in sein Gemach.

Da die Dämmerung beinahe in Finsternis überzugehen begann, kam Lubomir, um Witiko in das Speisezimmer zu führen. Sie gingen durch die Tür, hinter welcher zwei Männer warteten, die dann hinter ihnen hergingen. Sie gingen über die Treppe hinab, durch einen langen Gang, und traten dann in die Speisestube. Dieselbe war eine lange Halle, die an ihren beiden Enden große Bogenfenster hatte. Die Wände waren von Granitwürfeln, die bis über Manneshöhe von geglättetem Wacholderholze[209] überzogen waren. An den beiden Wänden liefen Eichenbänke hin. Durch die Länge der Halle stand ein Tisch mit weißen Linnen bedeckt und mit Speisegeräten versehen. Drei große Lampen hingen von der Wölbung gegen den Tisch herab, und in jeder derselben brannten mehrere Lichter.

Innerhalb der Tür des Saales standen mehrere Männer. Lubomir führte seinen Gast an den Männern vorüber gegen das obere Ende des Tisches. Dort stand eine Frau in einem weiten dunkelbraunen Gewande, das durch einen goldgewirkten Gürtel zusammen gehalten wurde. Die vielen schneeweißen Haare trug sie in einem Goldnetze. Hinter der Frau standen zwei jüngere Frauen und hinter denen drei Mädchen. Lubomir führte Witiko zu der Frau, und sagte: »Boleslawa, ich bringe dir hier den Jüngling Witiko, welcher für den Herzog Soběslaw zu dem Landtage auf den Wyšehrad gegangen ist, welchen der Herzog Soběslaw unter die Zeugen seines letzten Willens über die Nachfolge gerufen hat, und welcher jetzt in einem Waldhause in unserer Nähe lebt.«

Die Frau wendete ihr Angesicht mit freundlichen Mienen gegen Witiko, und sagte: »Unser Herr und Župan Lubomir mein Ehegatte hat mir angezeigt, daß Ihr unser Gast seid, ich heiße Euch in Freuden willkommen, und bitte, seid mit dem zufrieden, was unser armes Haus gewähren kann, und was zwei alte Leute, die einsam sind, zu Euerm Vergnügen tun können.«

»Ihr erweist mir eine hohe Gunst, erhabne Frau«, entgegnete Witiko, »daß Ihr mich gastlich in Euerem Hause aufnehmet, ich werde es dankbar erkennen.«

Hierauf wendete sich Lubomir gegen die Männer, die an der Tür standen, und indem er auf den ersten wies, sagte er: »Das ist Rastislaw mein Sippe, der mir in meinen Obliegenheiten hilft.«

Dann wies er auf den zweiten, und sagte: »Das ist Widimir,[210] mein Sippe, der mir auch in meinen Obliegenheiten hilft.«

Dann wies er auf den dritten und sagte: »Das ist Wentislaw mein Sippe, der mir gleichfalls in meinen Obliegenheiten hilft.«

Dann wies er nach der Reihe auf die folgenden, und sagte: »Das ist Kodim, das ist Momir, das ist Diš, das ist Derad, das ist Wazlaw, und das ist Hostiwil.«

Und bei jedem fügte er bei: »Es ist mein Sippe, der mir in meinen Obliegenheiten hilft.«

Dann fügte er noch hinzu: »Sie sind alle meines Dankes, und wir sind uns alle des gegenseitigem Schutzes versichert.«

Hierauf wendete er sich halb gegen Witiko und rief zu den Männern: »Dieser Jüngling ist Witiko unser Nachbar im Walde, und, so lange es ihm genehm ist, unser Gast.«

»Er ist willkommen«, rief einer der Männer.

»Er ist willkommen«, rief ein anderer.

Und: »Er ist willkommen«, riefen alle.

Da dieses vorüber war, öffnete sich die Tür, und man brachte Speisen und Getränke in verschiedenen Gefäßen und stellte sie auf den Tisch.

»So betet nun zu Gott«, sagte Lubomir.

Ein Mann in dunklem weitem Gewande, der ganz rückwärts gestanden war, trat an den Tisch, und sprach laut ein Gebet, dem die andern antworteten.

»Sim, weise die Plätze«, sagte Lubomir.

Ein Mann in weißem Wollgewande, der die Türen geöffnet hatte, als die Diener die Speisen brachten, wies Witiko einen Stuhl, und mit Zeichen der Hand, die schon verstanden wurden, den Männern ihre Stühle. Lubomir und Boleslawa setzten sich selber.

Lubomir saß oben an. Zu seiner Rechten war Boleslawa zu seiner Linken Witiko. Neben Boleslawa saßen ihre[211] Frauen. Die drei Mädchen standen hinter ihr. Die Männer saßen an beiden Seiten hinab. Dann waren noch einige Jünglinge. Ganz unten saß der Mann, welcher das Gebet gesprochen hatte.

Die Speisen bestanden in Rindbraten Geflügel Fischen und Wild nebst Brod und verschiedenen Kuchen. Das Getränke war Wein, der aus großen Eimern in silberne Becher geschenkt wurde. Es standen auch Krüge mit Bier in Bereitschaft.

»Vor Jahren sind auch meine Söhne und Töchter bei mir an dem Tische gesessen«, sagte Lubomir, »jetzt aber sind alle fort, ich danke Gott, er hat mir kein einziges genommen; aber alle haben sich ihr Haus gegründet, und leben bei den Ihrigen.«

»Das ist nun so«, sagte Boleslawa, »in der Jugend ist man bei seinen Eltern, in späteren Jahren bei seinen Kindern, und im Alter allein.«

»Und doch nicht allein«, entgegnete Lubomir, »wir sind hier in der Burg inmitten aller, und wenn wir auf ihre Zinnen gehen, oder wenn wir auf einem Hügel außerhalb ihr sind, so sehen wir die Büsche oder die Wäldchen oder die Bühel, hinter denen unsere Kinder sind, die wieder ihre Kinder um sich haben, die auch zu uns gehören. Wir denken hin, sie denken her, und wir kommen hin, und sie kommen her.«

»Meine Mutter ist in Přic oft lange allein gewesen«, sagte Witiko, »dann ist sie zu einer Base nach Landshut gegangen. Ich bin jetzt immer allein.«

»Nicht so, mein Sohn«, sagte Lubomir, »der Segen deiner Mutter und ihr Wunsch ist dir gefolgt, und kehrt allemal wieder zu ihr zurück.«

»Ja meine Gedanken kehren zu ihr zurück«, sagte Witiko, »und die ihrigen werden wohl auch zu mir gehen.«

»Siehst du«, sagte Lubomir.

»Alle Menschen suchen ihre Zukunft«, sagte Boleslawa,[212] »und glauben, daß sie noch etwas recht Gutes erreichen werden.«

»Wenn sie es nicht täten«, entgegnete Lubomir, »so käme das Leben zum Stehen. Es ist noch glücklich, wenn nicht von fremder Seite her Dinge kommen, die den Menschen verwirren, und aus seinem Wesen schlagen.«

»Und dann kann er noch suchen, Gutes für die zu erwirken, die um ihn leben«, sagte Boleslawa.

»Wenn ich, der ich keine neue Zukunft mehr erstrebe, bei den Leuten draußen bin, die um uns wohnen«, sagte Lubomir, »und sie mich fragen, oder etwas begehren, oder ich mit ihnen rede, so ist das um mich, was ich ihnen wohl will.«

»Des Menschen Tun und Lassen ist auch seine Gesellschaft«, sprach Boleslawa, »ist es nicht so, ehrwürdiger Vater?«

»Was ein Mensch in Demut verrichtet«, sagte der Mann am untersten Ende des Tisches, »ist seine Nachkommenschaft, die ihm bleibt, wie sehr sie auch Stückwerk sei.«

»Wenn nur das Glück dieses Landes nicht gestört wird«, sagte Lubomir, »und nicht Unheil in die schuldlosen Hütten, Häuser und Felder kömmt.«

Als das Essen vorüber war, trat eines der Mädchen zu Boleslawa, und hielt ihr ein silbernes Becken unter die Hände, das zweite goß aus einer silbernen Kanne Wasser auf die Hände, Boleslawa wusch die Finger, und trocknete sie an dem weißen Tuche, welches das dritte Mädchen hielt. Und so wurde jedem durch Diener ein Becken zum Händewaschen und ein Tuch zum Trocknen gereicht. Dann standen alle auf. Der Mann am untern Ende des Tisches sprach wieder ein Gebet, dem die andern antworteten, wie vor dem Mahle.

Hierauf sagte Lubomir zu Witiko: »Man wird dich in dein Gemach führen, schlafe wohl unter diesem Dache.«

»Nehmt eine erste gute Nachtruhe in unserem Hause«,[213] sagte Boleslawa, »und erwacht fröhlich, wie es Euern Jahren eigen ist.«

»Es wird wohl so sein«, antwortete Witiko, »und ich gebe den Wunsch guter Ruhe zurück.«

»Amen«, sagte Lubomir, »gehabt euch wohl, meine Sippen.«

»Mit Gott«, riefen die Männer.

Nun öffnete der Mann mit dem weißen Gewande wieder die Türflügel, eine der Frauen ging mit einem Wachslichte hinaus, Boleslawa folgte ihr, und ihr folgten die zweite Frau und die drei Mädchen. Dann ging Lubomir hinaus, dem Slawa leuchtete.

Hierauf sagte Witiko zu den Männern, die da standen: »Gehabt euch wohl, und seid mir gut gesinnt.«

Auf diese Worte traten sie gegen ihn heran, und reichten ihm die Hände.

»Ruhe unter der Gastlichkeit und unter unserm Schutze in diesem Hause«, sagte der, welchen Lubomir Rastislaw geheißen hatte.

»Ruhe wohl«, »Lebe wohl«, »Gehab dich gut«, riefen andere.

»Ruhet wohl«, sagte Witiko.

Und wie sich die Männer wieder von Witiko teilten, kam der zum Vorscheine, der am untern Ende des Tisches gesessen war. Er sagte: »Ruht in Gott, und du, junger Gast, ruhe in Gott.«

»Ruht in Gott, ehrwürdiger Vater«, sagte Witiko.

Die Männer machten Platz, und wollten ihn zur Tür hinaus lassen. Er aber sagte: »Ihr zuerst.«

»Zuerst Witiko«, riefen einige.

Witiko ging zur Tür hinaus, Radim leuchtete ihm vor. Dann folgten die andern mit Lichtern. Der letzte war der Mann im dunkeln Gewande.

Radim führte Witiko in sein Gemach, zündete dort den Docht einer silbernen Lampe an, und verließ ihn darauf.[214]

Witiko ging noch eine Zeit in dem Gemache herum, saß auch ein wenig auf einem Stuhle, tat sein Abendgebet, entkleidete sich, löschte die Lampe, und legte sich auf sein Lager.

Sein Schlaf war, wie er ihm gewünscht worden war, und sein Erwachen, wie Boleslawa gesagt hatte.

Er ging in den Stall zur Wartung seines Pferdes.

Als sich die Sonne erhob, wurde er von Radim zu Lubomir gerufen. Radim führte ihn über eine Treppe in eine große Stube, die mit Eichenholz getäfelt war. In ihr stand ein hohes Kreuz aus Eichenholz mit dem Heilande. Viele Stühle waren da, ein langer Tisch und mehrere Betschemel. Die Fenster waren farbig mit dem Heilande mit Engeln und Heiligen. Alle, die sich gestern beim Abendessen befunden hatten, waren in dem Saale versammelt.

»Ich lade dich ein, Witiko«, sagte Lubomir, »mit uns dem Gottesdienste beizuwohnen.«

»Ich werde es tun«, entgegnete Witiko.

Hierauf gingen alle, welche in dem Saale waren, die Treppe hinunter, aus dem Župenhofe hinaus, und zwischen den Häusern in die große hohe Dechantkirche. In der Kirche war nahe am Altare ein Platz für sie bereitet, auf dem sie sich niederließen. Es war viel Volk in der Kirche, das der Andachtsübung harrte. Einige hatten das weite faltige Gürtelgewand an, welches im böhmischen Lande gebräuchlich war, andere trugen engere Röcke mit Haften und Beinbekleidungen, wie man in Baiern pflegte, Mädchen und Weiber, die zu ihnen gehörten, hatten faltige Röcke und Brustlatze so wie Schürzen und weiße Kopftücher. Einige waren sehr bunt, andere mehr einfarbig. An dem Hochaltare wurde das Meßopfer von mehreren Priestern gefeiert, unter welchen der war, der im Župenhofe das Tischgebet gesprochen hatte. Nach dem Gottesdienste ging der Zug Lubomirs wieder in die[215] Županei. Der Mann, welcher das Tischgebet gesprochen hatte, war der letzte im Zuge.

Man ging in den Speisesaal. Dort war Milch Honig Butter und manches andere auf dem Tische, wovon jeder sein Morgenmahl nahm.

»Willst du ein wenig zusehen, Witiko«, sagte Lubomir, »wie die Leute zu uns kommen, so gehe nach dem Frühmahle in den Steinsaal. Dann sollen dir meine Vettern Kodim und Diš die Burg zeigen, bis ich wieder Frist gewinne, selber bei dir zu sein.«

Witiko ging nach dem Frühmahle in den Steinsaal. Dort breiteten sie Tücher um einen steinernen Tisch, Tücher auf den Tisch und auf den Steinstuhl, und taten ein zusammengelegtes Tuch zu den Füßen des Stuhles. Nun kam Lubomir, und setzte sich auf den Stuhl vor dem Tische. Mehrere seiner Sippen setzten sich ebenfalls auf Stühle. Hierauf kamen Leute in den Saal, bunt und einfarbig, wie sie in der Kirche waren, weit und eng gekleidet, alt und jung, Männer und Frauen, Jünglinge und Mädchen, ja selbst fast Kinder. Sie wurden in der Reihe vor Lubomir geführt, und er redete mit ihnen, und schlichtete ihre Sachen. Ein Schreiber schrieb, was nötig war, in eine Mappe.

Als Witiko dieses eine geraume Weile betrachtet hatte, ging er mit Kodim und Diš, die Burg zu besehen. Sie gingen zuerst in die kleine Burgkirche, dann in den Betsaal, in den Speisesaal, in den großen Empfangsaal, in den kleinen Empfangsaal, in welchem Witiko gestern mit Lubomir gesessen war, in die drei Gemächer Lubomirs selber, in die Gemächer der Beherbergungen, dann in die Räume der Bemannung der Burg, dann in die des Gesindes. Sie gingen in die Rüstkammern, in denen Waffen der Verteidigung und des Angriffes waren, Panzerhemden, Schilde, Helme, Lederrüstungen, Schwerter, Lanzen, Bogen, Pfeile, Köcher, Armbruste, und ähnliche[216] Dinge. Sie gingen in den Raum der Wurfgeräte, Schutzkörbe, Flechtwerke und anderer Mittel. Dann besahen sie die Pferde und die anderen Tiere in den Ställen, und die Räume der Vorräte.

In der Zeit war es Mittag geworden, und das Mahl wurde in dem Speisesaale gehalten.

Nach dem Mahle ritten Lubomir und seine Sippen mit Witiko in die Felder. Es waren da die Äcker, auf denen der Weizen Lubomirs stand, die Felder mit dem Roggen der Gerste und anderen Früchten. Es waren die Wiesen die Weiden und das Waldland. Sie kamen auf eine Höhe, von der man weit herum sehen konnte. Lubomir hielt an, und sagte zu Witiko: »Siehst du, dorthin, wo die Eichen stehen, ist der Hof Chlum, auf welchem mein Sohn Moyslaw mit den Seinigen ist, und weiter hin rechts in größerer Entfernung würden wir den Hof Dauby erreichen, in dem mein Sohn Pustimir mit seinen Angehörigen ist, dort hinter dem Waldberge ist Trebin, wo mein dritter Sohn Radosta mit seinem Weibe und seinen Kindern lebt. Weiter in dem Lande sind meine Töchter Maria und Euphemia bei ihren Gatten und Kindern, und gegen Mähren hin ist die jüngste, die wie ihre Mutter Boleslawa heißt, bei den Ihrigen.«

Sie ritten gegen den Abend in einem großen Umkreise in die Županei zurück.

Am nächsten Tage sah Witiko den Markt von Daudleb, wo die Dinge waren, welche die Leute von dem umliegenden Lande zum Verkaufe herein brachten, und hinwieder die Dinge, die sie kauften, um sie nach Hause mitzunehmen. Am Nachmittage tummelten die Sippen Lubomirs ihre Pferde auf dem Weidegrunde, und zeigten ihr Geschick in Bewegungen und im Gebrauche der Waffen.

Witiko blieb fünf Tage bei Lubomir. Am sechsten des Morgens nahm er Abschied. Lubomir gab ihm zum Geschenke[217] eine schöne Armbrust: Er hing sie an seinen Sattel. Mehrere der Sippen Lubomirs gaben ihm eine Stunde das Geleite gegen den Wald hin, woher Witiko gekommen war. Dann verabschiedeten sie sich, und ritten zurück.

Witiko kam gegen den Mittag in die krumme Au. Dort blieb er zwei Stunden. Dann ritt er eine Stunde an der Moldau dem Wasser entgegen mittagwärts. Hierauf bog sein Weg gegen Abend, und er ritt eine lange Anhöhe empor. Als er oben war, sah er auf der Fläche einen großen Hof vor sich, der von einer starken Mauer im Gevierte umgeben war. Um den Hof standen noch Hütten und Häuser. In der Mauer des Hofes war ein Tor, das offen stand. Witiko ritt durch das Tor ein. Da trat ihm ein Mann entgegen, der in hohen faltigen Lederstiefeln ging, Beinbekleidungen von grobem grauen Wollstoffe und von demselben Stoffe einen Rock mit Haften hatte. Auf dem Kopfe trug er eine schwarze Filzhaube mit einer roten geraden Hahnenfeder. Er sagte zu dem Reiter: »Du bist Witiko, der auf dem Wyšehrad gesprochen hat, was begehrst du?«

»Wenn du Diet von Wettern bist, der im Hornung auf dem Wyšehrad gestimmt hat«, entgegnete Witiko, »und wenn dieses Haus dein Hof Wettern ist, so begehre ich, der ich Witiko bin, eine Nacht Beherbergung und einen Tag Gastfreundschaft.«

»Ich bin Diet von Wettern, der gestimmt hat«, sagte der Mann, »dies ist mein Hof Wettern, und ich gewähre dir, was du begehrest.«

Dann trat er hinzu, und hielt Witikos Pferd beim Zügel, zum Zeichen, daß er absteigen möge.

Witiko stieg ab, und der Mann führte das Pferd, neben dem Witiko einher ging, am Zügel in den Stall, und versorgte es dort mit Witikos Beihilfe. Dann geleitete er Witiko in eine große Stube, deren Wände mit weißem[218] Kalke getüncht waren, und in der ein großer Tisch und Bänke und Stühle von Buchenholz standen. In der Stube tat er einen Zug an einer großen Glocke, die da hing, daß sie ein Mal schellte. Als ein Knecht eintrat, sagte er zu ihm. »Es ist ein Gast da.«

Der Knecht entfernte sich, und kam bald wieder, und stellte Roggenbrot Salz und Bier auf den Tisch.

»Du bist willkommen bei mir, Witiko«, sagte Diet.

Witiko schnitt auf diese Worte ein Stückchen Brod ab, salzte es, und aß es. Darauf nahm er einen Trunk Bier.

Diet tat nun zwei Züge an der Glocke, daß sie zwei Mal schellte.

Eine kurze Zeit darauf trat eine junge Frau herein. Sie hatte die schwarzen Haare in ein Band geschlungen, um die Brust trug sie ein blaues Mieder, davon ging ein faltenreicher schwarzer Rock und eine weiße Schürze nieder. Die Füße waren mit rotgegerbten Stiefeln bekleidet.

»Elisabeth«, sagte Diet zu der Frau, »dieser Mann ist Witiko, der um des Herzogs Soběslaw willen auf den Reichstag in den Wyšehrad gekommen ist, er wird unser Gast sein, so lange er will, begrüße ihn, und rüste die Eichenstube und die Bewirtung. Diese Frau ist mein Eheweib, Witiko.«

»Sei mir gegrüßt«, sagte Elisabeth zu Witiko, »mein Ehemann hat mir erzählt, daß du aus dem Teile des Landes stammst, den wir bewohnen. Nimm das mit Freundlichkeit auf, was wir dir in unserm Hause bieten können.«

»Ich nehme es mit großem Danke an«, sagte Witiko, »und biete euch Gastfreundschaft in meinem Hause in Plan oder in Přic an.«

»Es kann sein, daß ich sie annehme, wenn ich einmal zu dir komme«, sagte Diet, »wenn du auch dem verstorbenen Herzoge Soběslaw anhängst, und gerne dessen Sohn Wladislaw zum Herzoge gehabt hättest.«[219]

Die Frau verließ nach diesen Worten die Stube.

Witiko aber sagte zu Diet: »Ich bin zu Soběslaw gegangen, und habe ihm gedient, weil er der rechtmäßige und der rechte Herzog gewesen ist, und ich hätte ihm weiter gedient, wenn er mit Gottes Gnade am Leben geblieben wäre. Über die Nachfolge bin ich nicht Wähler und nicht Richter; aber meine Gedanken sagen mir, daß es wohl wahr sein wird, was der alte Leche Bolemil gesprochen hat. Weil der Herzog Soběslaw und die Männer des Landes zugleich mit einander in Sadska den Sohn des Herzoges Soběslaw Wladislaw zum Nachfolger bestimmt hatten, so war er der rechtmäßige Nachfolger. Der andere Wladislaw ist nur durch eure Wahl allein ohne Mitwirkung des Herzogs nicht der rechtmäßige geworden. Weil aber später der Herzog Soběslaw vor den herzugerufenen Zeugen zu seinem Sohne gesagt hat: Unterwirf dich ihm, wie ich es selber an seinem Bette von seinen Lippen gehört habe, so ist der andere Wladislaw der rechtmäßige Herzog geworden. Ob er der rechte ist, wird sich erst zeigen.«

»Es hat sich gezeigt«, rief Diet, »es hat ihm keiner zu widersprechen gewagt. Die an Soběslaw und seinem Sohne hingen, sind still auseinander gegangen. Die großen Lechen stehen bei dem Herzoge, viele kleine sind in seinem Gefolge, er hat die Macht, und wird unsere Rechte schützen.«

»Ich kenne diese Dinge nicht genau«, sagte Witiko.

»Es ist alles gut«, sagte Diet, »es darf sich keiner rühren, damit wir zu schalten vermögen, und uns in dem Besitze befestigen können, der von unsern Vätern auf uns gekommen ist. Doch wozu reden wir von diesen Dingen, an denen sich nichts mehr ändert. Da du mein Gast bist, so komme, und sieh den Hof an, in dem du dich befindest, und alle seine Dinge.«

Die zwei Männer verließen die Stube, und Diet führte[220] Witiko zur Beschauung seines Besitzes. Sie gingen zuerst in die Ställe. Da standen Pferde, wie man sie zu Reisen zur Jagd und selbst zum Kriege gebrauchen konnte. Es waren schöne da, minder schöne, und solche, deren Vorzüglichkeit nur in ihrer Ausdauer bestehen mochte. Pferde zum Landbaue schienen nicht vorhanden. Dann kam eine Reihe von Ochsen für die Arbeiten des Hofes, mittelgroße Tiere zu Bergfeldern brauchbar. In engeren Ständen waren die Kühe der Stier und die Kälber. Dann waren unter flachen Gewölben die Ställe für die Schweine. Die Schafe standen in großen luftigen Räumen mit lichten Fenstern, und in einem eigenen Gehege dieser Räume waren die Ziegen. Die Hühner und Tauben hatten einen Hof mit einem Auffluge. Für die Gänse und Enten war ein Anger mit einem Teiche. Diet führte Witiko in die Scheuern, in welchen das Heu und das Getreide im Stroh aufbewahrt wurde, dann in den Speicher, in welchem die Ackerfrucht in Haufen aufgeschüttet war. Dann gingen sie durch die Lauben, in welchen sich die Wägen die Pflüge die Eggen und die Ackergeräte befanden, durch die Werkzeugkammer, durch die Arbeitsruhe und durch die Kammern der Knechte und Mägde.

»Einen großen Teil dieses Wesens hat erst mein Urahn gereutet«, sagte Diet, »wir besitzen es durch die Erstgeburt der Söhne, und erben es nach der Erstgeburt der Söhne weiter. Die jüngeren Söhne und die Töchter erhalten zu ihrem Wirken eine Ausstattung, und so hoffen wir es in ferne Zeiten zu bringen. Wir müssen es zu vergrößern suchen, darin an Besitz und Kraft wachsen. Habt Ihr Euer Angehöriges weit von hier?«

»Wir besitzen im oberen Plane ein Haus mit Gründen«, sagte Witiko, »in Přic haben wir mehr, und dort sind jetzt unsere Vorfahren gewesen, von dem im Wangetschlage bei Friedberg kann wohl nicht geredet werden.«[221]

»Ist das das Haus, in welchem Huldrik ist?« fragte Diet.

»Ja«, sagte Witiko, »kennst du es?«

»Ich kenne es«, antwortete Diet, »und wußte bisher, daß es in die Fremde gehöre. Du mußt dich an einem Platze festsetzen, Witiko, und vergrößern, und vor deinen Nachbarn Ansehen gewinnen, und den Lechen entgegen streben.«

Witiko antwortete nichts auf diesen Rat, und da sie über den Hofraum gingen, kam Elisabeth zu ihnen, und sagte, daß alles geordnet sei, daß man für Witiko die Kammer hergerichtet habe, und daß in der Stube das Abendessen harre. Sie gingen also, obgleich die Sonne noch am Himmel stand, dahin, während im Hofe eine helle Glocke geläutet wurde. Als sie in die Stube traten, waren darin schon einige Menschen versammelt, andere gingen nach ihnen hinein. Es waren fünf Kinder da, drei Knaben und zwei Mädchen, Diet rief die Knaben herbei, stellte sie vor Witiko, und sagte: »Das sind meine Söhne nach ihrem Alter: Diet Wolf und Eberhard.«

Die Knaben hatten Kleider von gelblichem grobem Wollstoffe an.

Dann rief er die Mädchen, stellte sie ebenfalls vor Witiko, und sagte: »Das sind meine Töchter Sophia und Helicha.«

Die Mädchen hatten ihre Haare aufgebunden, hatten rote Mieder, schwarze Faltenröckchen und weiße Schürzen.

Dann setzte man sich an den großen Buchentisch. Obenan saßen Diet und Elisabeth, und zwischen ihnen Witiko. Dann saßen die Kinder. Weiter unten waren die anderen Leute, lauter Knechte und Mägde. Auf dem Tische waren Roggenbrote, Gerstenbrote und Bier. Auf den oberen Teil setzte man einen geräucherten gebratenen Schinken und Sauerkohl, auf den untern eine Suppe mit Stücken geräucherten Schweinfleisches Klößen und Sauerkohl.[222]

Als das Abendmahl geendet war, wurde Witiko von Diet ohne Leuchte, weil noch der Tag an dem Himmel schien, in seine Kammer geführt. Sie war eine Eckstube des Gebäudes gegen den Wald. Sie hatte wie die große Stube weiße Wände, ein starkes Bettgestelle aus Eichenholz, darauf Witikos Lager bereitet war, und andere Geräte aus festem Eichenholze. Als Diet Abschied genommen hatte, schloß Witiko die Tür mit dem Eichenriegel, und bereitete sich für die Nacht vor. Und als die tiefe Dämmerung eingetreten war, legte er sich auf sein Bett zum Schlafe.

Des andern Morgen besorgte er bei dem frühesten Tagscheine sein Pferd. Dann wurde eine Suppe aus Milch und Mehl mit weißem Brote als Frühmahl in der großen Stube verzehrt. Herauf führte ihn Diet in die Gemächer des Hauses. Sie waren fast alle wie die große Stube, und dienten zur Wohnung Diets und der Seinigen und für Gäste. In den meisten waren Geräte aus Buchenholz, in einigen bessere Geräte aus Eichenholz. In einem Gewölbe weiten Raumes waren Waffen und Wurfgeräte zur Verteidigung des Hofes. Auf diesem Gewölbe war ein höherer Aufbau, in den man vom Gewölbe aus gelangen konnte. Sie stiegen empor. Dort konnte man wie von einer Warte herum sehen.

»Siehst du«, sagte Diet, »auf jenem Wege bist du gestern gegen die Moldau zu meinem Hofe her geritten, ich habe dich gesehen, und bin dir unter das Tor entgegen gegangen.«

»Und jener Fels ist der der krummen Au«, sagte Witiko.

»Ja«, entgegnete Diet.

»Dort sollte eine Burg stehen«, sagte Witiko.

»Wenn ich dessen mächtig wäre, ich hätte sie schon gebaut«, antwortete Diet.

»Etwa baut sie einmal einer deines Geschlechtes«, entgegnete Witiko.[223]

»Oder ein anderer, wer kann das wissen«, sagte Diet.

Nachdem sie noch ein Weilchen durch die Waldschlucht gegen den Fels der krummen Au hingeschaut hatten, wendete sich Diet gegen Abend, und sagte: »Da sind nun unsere Felder Wiesen und Weiden. Du siehst, wie noch hie und da Felsen oder Bäume in den Wiesen und selbst in dem Getreide sind. Es konnte noch nicht alles weggeschafft werden, das muß die Zeit reinigen. Den tiefsten nassesten Boden haben wir zu Wiesen gelassen, dann kömmt das Feld, und höher oben gegen den Wald ist die Weide. Wir können uns noch weiter gegen Mittag ausbreiten, und werden es tun.«

Dann wies er gegen Morgen, und sagte: »Da ist wenig zu gewinnen, als bessere Sicherheit.«

Witiko sah, daß hier das Haus an den Wald stieß, der von da mit mächtigen Tannen steil zur Moldau hinab stieg.

Hierauf führte Diet Witiko an die Zinnen der Mauer, welche den Hof umgab, und zeigte ihm, wie man das Haus verteidigen könnte.

Dann gingen sie durch das große Tor in das Freie, und beschauten die Felder. Sie gingen an mehreren Häuschen vorüber, in denen Leute Diets wohnten, und an andern, in welchen solche waren, die sich in der Nähe des Hofes Eigentum erworben hatten. Am Mittage kehrten sie in den Hof zurück. Des Nachmittags waren sie bei manchen Arbeitern.

Witiko bat Diet, daß er ihm für den nächsten Tag einen Führer gebe, der ihn bis in den Wangetschlag zu Huldriks Häuschen geleite. Diet versprach es.

Am andern Morgen verabschiedete sich Witiko von Diet und Elisabeth, und stieg im Hofe auf sein Pferd. Dort wartete schon der Führer, welcher auf einem kleinen Pferde saß, wie sie Witiko im Stalle gesehen hatte.

Die zwei Männer ritten durch die Gründe Diets mittagwärts,[224] bis sie wieder der Wald aufnahm. Sie ritten in ihm mittagwärts weiter.

Nach zwei Stunden kamen sie in eine Lichtung, in welcher Stämme geschlagener Bäume lagen, in welcher an verschiedenen Stellen Feuer brannten, um das überflüssige Reisig zu verzehren, in welcher mehrere Ochsen Kühe und Ziegen weideten, in welcher einige Hütten aus Balken und Baumrinden erbaut waren, und in welcher Männer Weiber und Kinder mit Säge Axt Karst und Haue zur Reinigung arbeiteten. Die Männer hatten alle die groben grauwollenen engeren Kleider an, die in den mittäglichen Teilen des Waldes gebräuchlich waren, und die Frauen trugen die kurzen Faltenröcke, und hatten ein Tuch um das Haupt gebunden.

»Das ist der Kirchenschlag«, sagte der Führer, »wohin sie die neue hölzerne Kirche bauen wollen, weil sie da mitten in den zerstreuten Waldhäusern stünde.«

Die zwei Männer stiegen ab, und gaben den Pferden etwas Nahrung, die der Führer von Wettern mitgenommen hatte, und tränkten sie dann aus einer Quelle. Witiko ging auf der Lichtung herum, betrachtete die Arbeiten, und redete mit den Leuten. Nach einer Stunde ritten sie wieder mittagwärts in dem Walde weiter.

Da sie abermals zwei Stunden geritten waren, kamen sie wieder auf eine Lichtung hinaus. Diese mußte aber schon vor vielen Jahren gemacht worden sein. Es standen zerstreute Häuser auf ihr, und sie enthielt Felder Wiesen und Hutweiden.

»Das ist der Wangetschlag«, sagte der Führer, »und jenes weiße Häuschen, das aus Steinen erbaut ist, und auf dessen breitem Dache Ihr auch Steine seht, ist Huldriks Haus. Ihr könnt nun nicht mehr fehlen.«

»Reitest du nicht mit mir hin?« fragte Witiko den Führer.

»Nein«, antwortet dieser, »ich muß heute wieder nach[225] Hause kommen, und daher umkehren. Ich werde erst im Kirchenschlage mein Pferd füttern, und selber etwas aus meinem Vorrate verzehren.«

»So habe Dank«, sagte Witiko, »und handle nach deinem Auftrage.«

Er reichte ihm eine Gabe. Der Führer nahm sie, wendete sein Pferd, und ritt gegen den Wald zurück.

Witiko aber ritt auf einem kleinen Pfade, der von dem Wege dem weißen Häuschen zuging, an dasselbe hinan.

Da er dort abstieg, kam ein alter Mann mit einer Fülle weißer Haare aus dem Häuschen. Er ging auf Witiko zu, schaute ihn eine Weile an, und rief dann plötzlich: »So ist meine Bitte im Himmel erhört worden, und meine Augen sehen auf dieser Stelle Witiko, von dem Heil ausgehen wird.«

»Was redest du für Dinge, Huldrik«, entgegnete Witiko, »ich verlange nur eine kleine Nachtherberge.«

»Nun ist Jakob im Holze und Regina im Kohlfelde«, sagte der alte Mann, »aber ich werde Euch helfen.«

Sie brachten das Pferd in den Stall, wo sie eine Kuh auf einen andern Platz hängen mußten, um dem Pferde einen eigenen Stand auszuwirken. Und als Witiko das Pferd wie gewöhnlich bedeckt hatte, sagte er: »Nun führe mich in die Stube.«

»In die Stube, in die Stube«, sagte der alte Mann, »so folgt mir.«

Er führte nun Witiko in die Stube, welche eine Eckstube mit vier Fenstern geweißten Wänden und alten Buchengeräten war. Daneben befand sich eine Kammer mit einem Fenster.

»Da muß ich Euch ja gleich etwas zum Essen bringen«. sagte der alte Mann.

»Tu das, Huldrik«, sagte Witiko.

Der alte Mann ging fort, und brachte dann in einem grünen Schüsselchen Milch, ein Laibchen weißes Brod, ein[226] Messer und einen Hornlöffel. Er stellte die Milch auf den Tisch, und legte Brod Messer und Löffel daneben. Witiko setzte sich auf einen Stuhl an den Tisch, schnitt sich Stückchen Brotes in die Milch, und aß mit dem Hornlöffel. Huldrik stand vor ihm. Er hatte ein sehr grobes lichtgraues Wollgewand. Sein Rock war viel kürzer und weiter als gewöhnlich, kaum über den Oberkörper hinab reichend. Er war mit Haften geknüpft. Dann war die Beinbekleidung, schlottrig, als sei sie ihm wegen seines Alters zu groß geworden, und dann die Stiefel auch kürzer als gewöhnlich, von dickem Leder, und an den Sohlen mit dicken Eisennägeln beschlagen. Auf dem Kopfe hatte er, selbst da er zu Witiko hinaus gekommen war, keine Bedeckung gehabt.

»Das ist eine Freude«, sagte er, indem er Witiko in das Angesicht sah, »nun nahet die Erfüllung. Seit Euren Kinderjahren seid Ihr nicht hier gewesen.«

»Es hat sich nicht gefügt«, sagte Witiko.

»Ihr seid einmal in Friedberg gewesen«, sagte Huldrik.

»Damals mußte ich nach Prag reiten«, entgegnete Witiko.

»Ich habe es von Florian erfahren«, sagte Huldrik, »und wie groß und schön Ihr seit den fünf Jahren geworden seid, da ich Euch nicht gesehen habe.«

»Ich erkannte dich gleich wieder, Huldrik«, sagte Witiko, »aber des Häuschens hätte ich mich aus meiner Kinderzeit nicht mehr erinnern können.«

»Nun seid Ihr hier, und nun wird alles anders werden«, entgegnete Huldrik, »Eure Mutter hätte Euch vor fünf Jahren schon, da ich bei Euch war, mit mir gehen lassen sollen, damit damals schon der Anfang gemacht worden wäre.«

»Ich bleibe aber nicht lange bei dir«, sagte Witiko.

»Das ist nun einerlei, weil Ihr nur einmal da seid, und der Beginn eingetreten ist«, antwortete Huldrik, »Ihr[227] mögt nun in Plan sein, wie bisher, oder sonst irgend wohin gehen, das ändert jetzt nichts mehr, und die Geschicke gehen schon fort.«

»Jetzt müssen wir zu dem Pferde sehen«, sagte Witiko, indem er den Hornlöffel hinlegte.

»Ja«, sagte Huldrik.

Sie gingen nun von der Stube wieder in den Stall, und Witiko fuhr in der weitern Besorgung des Pferdes fort.

»Zeige mir jetzt doch auch die Dinge bei euch«, sagte er dann.

»Nun, hier sind vier Kühe«, sagte Huldrik, »dort zwei Kälber, und in den leeren Stand gehören die zwei Ochsen, mit denen Jakob in das Holz gefahren ist. Folgt mir nun zu den Schafen.«

Sie gingen nun in einen Stall, in welchem in einer Abteilung zwölf Schafe, in einer andern vier Ziegen und ein Ziegenbock waren. Dann zeigte Huldrik Witiko die vier Schweine in ihrem Stalle. Dann führte er ihn in die Scheuer, wo nur ein Rest Heu vom vorigen Jahre übrig war.

»Die Hühner und andern Federtiere sind im Hofe und sonst überall«, sagte Huldrik, »das Gewölbe mit der Milch den Eiern und andern Dingen werde ich Euch zeigen, wenn Regina nach Hause kömmt. Sie bewahrt den Schlüssel. In der kleineren Milchkammer ist auch immer nur der kleinere Vorrat. Durch das Scheuertor seht Ihr hier die Hauswiese mit den zwei Rotkirschbäumen, die sehr gute Kirschen geben, und dort über Adams Haus hin, das Stück Feld gehört zu uns, dann ist der Kohlacker, wo die Steine liegen, und dort rechts an den Büschen, wo die Ebereschen stehen, ist ein Streifen Wiese, und wo der Weg von dem Walde herab geht, und die dunkeln Flecke sind, haben wir heuer den Haber, und unter dem Hügel ist auch noch etwas. Ich werde Euch morgen zu allem führen, oder heute noch, es ist nur jetzt niemand bei dem Pferde.«[228]

»Lassen wir es auf morgen«, sagte Witiko.

»Morgen ist auch mehr Zeit«, antwortete Huldrik.

Sie gingen nun wieder in die Wohnteile des Hauses, und dort zeigte Huldrik Witiko die Gelasse, in denen er und der Knecht und die Magd hausten. Dann zeigte er ihm noch die Kammern der Vorräte.

»Wir senden doch alle Jahre einen Betrag des Anwesens ein«, sagte er, »wenn es auch das jetzt nicht ist, was es war. Siebenzig schöne Ziegenkäse einen Laib Rinderkäse und schönes Mehl haben wir Eurer Mutter nach Landshut geschickt.«

»Sie hat große Freude daran gehabt«, sagte Witiko.

»Das andere liefern wir nach Přic«, sagte Huldrik.

»Es ist sehr gut«, antwortete Witiko.

»Es ist, wie es sein kann«, sagte Huldrik, »jetzt beginnt das Weitere.«

Sie vollendeten nach einer Weile die Wartung des Pferdes.

Nun kam auch der Knecht mit dem Holze nach Hause, und lud es an einer Stelle, die etwas von dem Häuschen entfernt war, ab. Dann kam die alte Magd Regina, und brachte in ein grobes Tuch gebunden Kohlblätter, die man den Kühen unter das Futter mischte. Sie wurden Witiko vorgestellt, und begrüßten ihn, und er begrüßte sie. Dann gingen sie noch an ihre heutigen Tagesgeschäfte.

Witiko wandelte nun allein noch eine Zeit gegen die zerstreuten Wohnungen des Schlages herum. Abends bereitete ihm Regina ein Mahl aus geräuchertem Schweinfleisch und Kohl, und er begab sich, als jede Tagesarbeit vollendet war, auf sein Lager in der Kammer zur Ruhe.

Als am andern Tage die Morgenaufgabe getan, und das Morgenmahl eingenommen war, führten sie Witiko hinaus, und Huldrik zeigte ihm die Stückchen Wiesen und Felder, die zu dem Häuschen gehörten. Jakob und Regina gingen hintendrein, sie hatten sich wegen der Ankunft[229] Witikos einen Feiertag gemacht. Witiko besah alles sehr genau, und sprach darüber.

Da sie wieder in der Stube waren, sagte Huldrik, indem er auf einem Stuhle in der Nähe Witikos saß, und indem etwas ferner auch Regina saß, und die Hände in dem Schoße hielt, der Knecht aber stehend zuhörte: »Das ist nun das Wesen, welches Ihr und Eure Mutter in dem Walde hier besitzet, es trägt nicht viel, es trägt aber doch etwas, wie ich Euch gesagt habe. Euer Vater ist öfter hier gewesen, Eure Mutter auch, und einmal sind zwei Jungfrauen mit ihnen gewesen, die auf Zeltern ritten. Wir haben ihnen ein feines Lager in der Kammer bereitet. Euer Vater ist zuweilen unversehens von Přic gekommen, und hat sich in Stroh gebettet, oder in Heu, oder was es war. Das letzte Mal hat er in der Kammer geschlafen, da wir den Bären in dem Nahleswalde erlegt hatten. Und nun seid Ihr hier, wie es geweissagt worden ist.«

»Dazu braucht es keiner Weissagung«, antwortete Witiko, »es ist ja zu denken, daß ich einmal kommen werde, und ich will das Haus manches Mal besuchen, wenn es sein kann.«

»Ja, ja, so ist es«, sagte Huldrik, »da haben sie den Wald ausgereutet, und haben hie und da ein schlechtes Haus gebaut, und haben alles den Wangetschlag geheißen, und haben Felderteile gemacht, auf denen nicht viel wächst, und Wiesen und Hutweiden und Waldschläge, die andern gehören, und von denen auch ein Teil uns gehört, und im Winter liegt sehr lange der tiefe Schnee hier, und die Frucht ist mager, welche dann gedeiht.«

»Wie es eben das Land bringt«, sagte Witiko, »eines hat dieses, ein anders hat jenes.«

»Ja so ist es, so ist es«, sagte Huldrik.

Als sie eine Weile geruht hatten, zeigte die alte Regina Witiko die Butter- und Milchkammer, wo sie im kalten rinnenden Quellwasser, das durch eine steinerne Kufe[230] ging, ihre Butterlaibe schwimmen, und ihre Milchtöpfe stehen hatte, und wo der Vorrat der Eier lag, und zeigte ihm die Kammer, in der die Käse waren. Dann nannte sie ihm die Namen der Kühe und Kälber, und zeigte ihm Geflügel im Hofe und nannte die Namen der Tiere. Am Reste des Tages gingen Witiko Huldrik und Jakob in den Wald, der zu dem Hause gehörte, und die zwei Männer zeigten ihrem Herrn den schönen Bestand der Tannen Fichten Buchen und anderen Holzes, das da war, und den Forellenbach, der zu dem Walde gehörte. Diese Dinge waren nun sehr vollkommen.

So verging der Tag.

Am Abende saßen sie nicht an der Leuchte, weil die Sommerdämmerung sehr lange dauerte, sondern sie saßen in der Dämmerung, und sprachen. Als es dunkel wurde, ging man zur Ruhe.

Am folgenden Tage besah Witiko alle Arbeiten des Hauses, und nahm Anteil an allem. Abends saßen sie wieder, da es dämmerte, in der Stube.

Da sie am dritten Tage, nachdem die Forellen, welche Jakob gebracht hatte, verzehrt waren, wieder in der Abenddämmerung saßen, da Regina an einem alten Rocke flickte, Jakob eine Schnur flocht, und Witiko von der Milch dem Butter und dem Honig, das man ihm noch aufgenötigt hatte, etwas gekostet, und dann die Dinge auf dem Tische weiter geschoben hatte, sprach Huldrik: »Es gehen alle Zeichen in Erfüllung, und es wird wahr, was die alten Leute gesagt haben, daß es wahr werden soll, und es ist wahr, wie sie gesagt haben, daß es gewesen ist.«

»Nun, was haben sie denn gesagt?« fragte Witiko.

»Ihr wißt es ja ohnehin«, sagte Huldrik.

»Ich weiß es nicht«, entgegnete Witiko.

»So hätten sie es Euch sagen sollen, da es Euch angeht«, erwiderte Huldrik.[231]

»Mich geht es an?« fragte Witiko.

»Freilich«, sagte Huldrik. »In alten Zeiten, als noch Thor und Freia herrschten und Perun und Lada, und als die Diasen waren, ist hier gar kein Wald gewesen, weit herum gar keiner, sondern schöne Felder und Gärten und Fluren und Haine, und da sind friedsame Völker gewesen, von hier bis an das Meer. Die Wälder waren dort, wo jetzt die Sonne steht, und hier haben milde Lüfte geweht.«

»Das habe ich nie gehört«, sagte Witiko.

»Das hat mir mein Urgroßvater erzählt, und ihm hat es wieder sein Urgroßvater erzählt, und so immer die Urgroßväter; denn bei uns sind die Männer sehr alt geworden«, entgegnete Huldrik, »bis auf jenen Urgroßvater hinauf, der gelebt hat, da es hier so war. Und das Land hat Eurem Stamme gehört, Witiko, sie haben verschiedene Schlösser gehabt, und haben bald in dem einen bald in dem andern gewohnt. Und wo dieses Häuschen steht, ist auch ein Schloß gestanden voll Pracht. Und das ist tausend Jahre gewesen. Dann kamen kriegerische Männer aus Welschland, und haben ein großes Reich gemacht, und haben die Völker vor sich hergetrieben, daß Land und Leute zerstört worden sind. Da ist auch hier alles zu Grunde gegangen, es ist der Wald gewachsen, als wäre nie etwas anderes da gewesen, und die winterliche Luft ist gekommen und die dürftigen Gewächse. Dann ist einmal nach langer Zeit von Euren Voreltern, die damals fortgeführt worden waren, ein Sprößling namens Witiko mit Leuten von Rom hieher gegangen, hat den neuen Glauben gebracht, und hat von dem Volke, das das Land an sich gerissen hatte, den Wald erobert, und hat wieder Schlösser gebaut, und hat weit geherrscht, und seine Nachkommen haben geherrscht; denn es ist geweissagt worden, daß immer ein Witiko den Stamm erretten werde. Sie haben Jagdhäuser erbaut, und wo dieses Häuschen steht, ist zwar nicht mehr das alte Schloß voll Pracht,[232] aber ein Jagdhaus erbaut worden. Da haben sie Feste gegeben, und haben des Vergnügens genossen, bis wieder das Unheil gekommen ist, bis wieder alles zerstört worden ist, und bis wieder der Wald gewachsen ist, den man hat reuten müssen, um dieses Häuschen zu erbauen. Nun seid Ihr gekommen, Witiko, wie es in der Weissagung heißt: der reichste Herr des Stammes wird kommen, und Milch und Honig auf dem Buchentische essen, wo dann die silbernen und goldenen Tische stehen werden.«

»Das sind wunderliche Dinge«, sagte Witiko.

»Ihr seid wieder Witiko«, sprach der Alte, »der Stamm wird auferstehen, weil es gesagt worden ist, und meine Augen werden es noch sehen.«

»Möge dir Gott ein langes Leben schenken«, sagte Witiko.

»Das geht sehr schnell«, antwortete Huldrik, »und ich werde Euch den Bügel halten, wenn Ihr hier in Euer Schloß einzieht.«

»Wenn ich einziehe, so halte den Bügel«, sagte Witiko.

»Und zahlreiche Nachkommenschaft werde ich von Euch noch sehen«, sagte Huldrik.

»Jetzt bin ich aber allein«, entgegnete Witiko.

»Die Jungfrau blüht schon, die Euer Weib sein wird«, sagte Huldrik.

»Versuchen wir nicht Gott, Huldrik«, sagte Witiko, »und erwarten wir, was sein wird.«

»Es wird sein, es wird sein«, sagte Huldrik.

Er stand auf, und sah dem Jünglinge freundlich in das Angesicht. Dieser saß in seinem Ledergewande auf dem Buchenlehnstuhle. Der alten Magd Regina waren die Hände in den Schoß gesunken, Jakob hatte von seiner Arbeit aufgehört, und beide sahen den Greis an.

Witiko stand auch auf.

»Erlaubt, daß ich Euch in Eure Kammer geleite, hoher Herr«, sagte Huldrik.[233]

»Lebe wohl und schlafe ruhig, Huldrik«, sagte Witiko.

»Wie es Gott fügt«, antwortete Huldrik.

Und sie verließen alle die Stube, und gingen in ihre Schlafkammern.

Witiko blieb noch einen Tag in dem Hause.

Am nächsten Tage verabschiedete er sich, und verlangte, daß der Knecht mit ihm nach dem Orte Friedberg gehe, und daß er von da sein Pferd an der Moldau aufwärts bis zu der Herberge an der untern Moldau führe, und dort auf ihn warte; denn er selber werde auf den Kamm des Thomaswaldes gehen, und dann in der Herberge eintreffen. Der Greis Huldrik ließ es nicht zu, und sagte, er selbst müsse das Pferd führen, der Knecht könne neben ihm hergehen.

Witiko fügte sich, und so ritt er von dem Wangetschlage weg. Der Greis ging in seinem Anzuge, zu dem er noch eine graue Filzhaube mit einer kleinen blauen Taubenfeder aufgesetzt hatte, einige Schritte hinter dem Pferde, und wieder einige Schritte hinter dem Greise ging der Knecht Jakob. In Friedberg zogen sie auf dem Fahrstege über die Moldau. Am jenseitigen Ufer stieg Witiko ab, und legte die Zügel des Pferdes in die Hände Huldriks. Dieser schlug von dem Knechte gefolgt das Pferd führend in dem Walde den schmalen Saumweg ein, der dem Wasser entgegen fortlief, und Witiko schritt links, und begann, die breite Höhe des Thomaswaldes hinan zu steigen.

Auf dem Wege, den er einmal mit dem Führer Florian herab gekommen war, gelangte er nach etwas mehr als einer Stunde auf den Waldkamm, und fand sehr bald die Lichtung, auf welcher die Säule des heiligen Apostels Thomas gestanden war. Hier blieb er stehen, und sah auf das Land Baiern hinab, um welches jetzt Leopold und die Angehörigen des stolzen Heinrich stritten, und von welchem der Teil gegen Morgen, durch den die Donau, die[234] Traun und die Enns flossen, vor ihm ausgebreitet lag, bis wo die Alpenberge zogen, und die steirische Mark begann. Dann sah er gegen das Land Böhmen, in welchem jetzt ein so wichtiger Wechsel des Herrschers vollzogen worden war. Er sah unter sich den blaulichen Wald durchstreift von der lichten Schlange der Moldau, dann sah er in der Richtung zwischen Morgen und Mitternacht den Blansko als letzte Waldhöhe an dem Himmel, in der Richtung zwischen Mitternacht und Abend konnte er in den dunkeln Wäldern den fahlen Wacholderberg erkennen, der bei Plan stand, und von diesem Berge gegen Abend die blaue Wand, die den dunkeln See und die drei Sessel hegte. Der Ort, wo er stand, war die höchste Waldesstelle. Dann ging er auf einem schmalen Pfade schief in der Richtung gegen Mitternacht und Abend durch den Thomaswald wieder zu dem Wasser der Moldau nieder, und kam an der Stelle an, welche die untere Moldau hieß, und an welcher die gezimmerte Herberge stand, von der Rowno gesagt hatte.

In der Herberge fand er Huldrik und den Knecht Jakob und sein Pferd. Nachdem die Pflege des Pferdes besorgt worden war, und nachdem er mit seinen Begleitern ein Mittagmahl eingenommen hatte, verabschiedeten sie sich, Huldrik ging mit dem Knechte auf dem Saumwege an der Moldau nach Friedberg und von da in den Wangetschlag zurück. Witiko ritt von der Herberge auf dem Stege über das Wasser der Moldau, dann mitternachtwärts an dem neuen Eckschlage vorbei, dann gegen Abend über ein schwarzes Moor, dann durch dichte Wälder, und kam am Nachmittage in dem oberen Plane an.

Er wurde von den Seinigen sehr freundlich begrüßt, und Raimund trug die schöne Armbrust in die Kammer.

Witiko legte nun seine Lederbekleidung wieder ab, tat sein Waldgewand an, und lebte wie früher. Er machte nun häufig Übungen mit seinem Pferde im Schnellaufen[235] auf einem Boden mit Unebenheiten Gestrippe und andern Hindernissen.

Am Ende des Herbstmonates kam ein Mann mit einem Wanderstabe zu ihm, und sagte, daß er von Hostas Burg komme. Er habe zu den Leuten der Burg gehört, weil er aber schon alt werde, verlangte es ihn in seine Heimat, Boreš erwirkte ihm seine Verabschiedung, und er verließ die Burg. Weil seine Heimat aber auch im Walde sei, so habe ihm Boreš eine Nachricht an Witiko mitgegeben.

»Welche Nachricht?« fragte Witiko.

»Daß die Herzogin Adelheid gestorben ist«, sagte der Mann.

»Die Herzogin Adelheid ist gestorben«, rief Witiko, indem er von seinem Stuhle aufsprang, »die Herzogin Adelheid ist gestorben.«

»Ja«, sagte der Mann.

»Wie hat denn das sein können?« fragte Witiko.

»Wir wissen es nicht«, sagte der Mann, »die erlauchte Herzogin ist in dem Gemache gewesen, in welchem der Herzog gestorben war, hat dort ihre Kinder gepflegt, hat dort geschlafen, ist immer dort gewesen, hat keine Krankheit gehabt, ist stets weißer geworden, und ist am fünfzehnten Tage des Herbstmonates gestorben.«

»Und was ist mit den Kindern geschehen?« fragte Witiko.

»Sie sind nach Prag gebracht worden«, antwortete der Mann.

»Und hast du die Herzogin in ihrer letzten Zeit gesehen?« fragte Witiko.

»Ich habe die Herzogin noch gesehen, da sie tot war«, erwiderte der Mann, »sie hat tot so ausgesehen wie lebendig.«

»Und hat man ihr in Hostas Burg, da sie lebte, Ehren erwiesen?« fragte Witiko.

»Der Herzog hat ihr alle Macht übergeben«, entgegnete der Mann, »und wir sind ihr alle untertan gewesen.«[236]

»Und wo ist sie bestattet worden?« fragte Witiko.

»Sie ist mit Würden in den Wyšehrad zu ihrem Gemahle geführt worden«, antwortete der Mann.

Witiko ging einige Male in der Stube auf und nieder. Dann setzte er sich wieder an den Tisch, und sagte: »So ist sie ihm also gefolgt, so ist sie ihm also gefolgt.«

Und er stützte sein Haupt in seine Hände.

Nach einer Weile sah er wieder zu dem Manne empor, und sagte: »Du hast mir eine wichtige wenn auch traurige Nachricht gebracht, ich danke dir inständig, und bitte dich, bleibe bei uns, und genieße mit uns, was wir haben, so lange du willst.«

»Ich habe Euch in Hostas Burg gesehen«, erwiderte der Mann, »wo Ihr dem Herzoge einen Dienst erwiesen habt, und bin recht gerne zu Euch gekommen, um Euch die Nachricht zu bringen.«

»Du bist auch im Walde zu Hause?« fragte Witiko.

»Ja, in den Häusern des Winterberges«, sagte der Mann.

»Du wirst jetzt bei den Deinigen bleiben«, sagte Witiko.

»Bei zwei Brüdern ist mir das Verbleiben ausbedungen«, antwortete der Mann.

»So genieße deiner Ruhe, wenn es die Zeiten erlauben«, sagte Witiko.

»Bei uns ist es immer stille und gleich«, antwortete der Mann.

»Möge es bleiben«, entgegnete Witiko.

Dann ging er in das Freie, und wandelte zwischen den Feldern dahin.

Der Mann blieb zwei Tage in dem steinernen Hause. Dann empfing er Geschenke von Witiko, nahm seinen Stab, und trat die Wanderung wieder an. Er ging mit dem ersten Lichte des Tages an der linken Seite des Wacholderberges gegen Abend hin, und strebte seinem Ziele zu, das er beim Untergange der Sonne erreichen konnte.[237]

Es kam allgemach der zweite Winter, den Witiko in Plan zubrachte.

Als noch der Schnee auf den Feldern lag, erschien in dem oberen Plane ein wirrer Mann, und sagte, daß er von seinem Hause vertrieben worden sei, und daß er habe entfliehen müssen. Der Herzog wüte gegen seine Untertanen, verjage sie von Haus und Hof, oder töte sie. Es seien auch zwei Männer in dem Walde von Horec angekommen, und haben dort eine Siedelei gründen wollen, sie seien aber wieder weiter gezogen.

Da man ihn mit Speise und Trank erquickt hatte, ging der Mann in dem tiefen Schnee durch den Wald nach Baiern hinüber.

Witiko aber gürtete sein Schwert, nahm seinen Wollmantel, hieß den Knecht Raimund ihm folgen, bestieg sein Pferd, und schlug den Weg mitternachtwärts in das Land ein.

Als sie in die freien Gegenden gekommen waren, erfuhren sie, daß der Herzog die Räuber in dem Lande plötzlich habe verfolgen, und die, welche nicht zu entfliehen vermochten, ergreifen und auf Bäumen oder Pfählen aufhängen lassen. Die Kriegsknechte hätten sich versammelt, seien in die Häuser und Vesten gedrungen, in denen die Schuldigen sich verteidigten, und haben sie ihrem Urteile zugeführt. Dann seien sie wieder in ihre Burgen, in denen sie sonst zerstreut waren, zurück gegangen.

In dem Lande war eine große Unruhe.

Witiko kehrte mit dem Knechte wieder in das steinerne Haus zurück.

Als der Lenz gekommen war, ritt eines Tages ein Mann in einem schönen braunen Gewande mit einer schwarzen Haube auf dem Kopfe, in der eine gerade weiße Feder stak, von einem Gefährten begleitet, gegen das Haus. Als er vor demselben angekommen war, stieg er von dem Pferde, ließ es von seinem Gefährten halten, trat in die[238] Stube, und setzte sich dort von Witiko dazu eingeladen zu ihm an den Tisch. Er war jung, und hatte blonde Haare und blaue Augen.

»Ich bin Mikul«, sagte er zu Witiko, »und bin in der Versammlung auf dem Wyšehrad gewesen, in welcher du als Hörer zugelassen worden bist.«

»Ich kann dich nicht erkennen«, antwortete Witiko, »weil ich mir die Männer, die in jenem Saale gewesen sind, nicht habe in das Gedächtnis sammeln können. Was ist dein Begehren?«

»Weil du so treu an deiner Meinung gehalten hast, und weil du so standhaft dem Tode entgegen gesehen hast, den dir der wilde Milhost gedroht hat«, entgegnete Mikul, »so haben mich einige Männer an dich gesendet. Sie werden am vierten Tage des Heumondes in dem Plakahofe eine Versammlung abhalten, in welcher sie über die Dinge des Landes sprechen werden, und in welcher manche sich näher werden kennen lernen. Sie laden dich zu der Versammlung ein.«

»Ich weiß es nicht, ob ich zur Versammlung kommen werde«, sagte Witiko, »aber ich danke dir für die Reise zu mir. Lasse deinen Gefährten die Pferde herein bringen, und genießet in dem Hause, was es hat.«

»Ich muß dir den Dank für dein Erbieten aussprechen«, antwortete Mikul; »aber unsere Zeit ist sehr kurz, und wir müssen ohne Aufenthalt weiter reiten.«

»So tut nach eurem Ermessen«, sagte Witiko.

Bei diesen Worten stand Mikul auf, und verabschiedete sich. Witiko geleitete ihn vor das Haus zu den Pferden. Mikul schwang sich auf das ledige, das sein Gefährte hielt, beide Männer grüßten noch einmal gegen Witiko, und ritten dann einer hinter dem andern auf dem schmalen Wege gegen die Häuser des oberen Planes.

Am dritten Tage des Heumondes rüstete sich Witiko, und ritt auf dem Wege, auf welchem er von Prag in den oberen[239] Plan herein geritten war, mitternachtwärts in den Wald. Er ritt durch manche Baumbestände, über manche Waldblöße, und übernachtete in einer Hütte. Am nächsten Tage, welcher der vierte des Heumondes war, langte er nach Sonnenaufgang in dem Plakahofe an. Derselbe lag am Saume des Waldes auf einer sumpfigen Wiese, und war ein sehr langes Gebäude. Witiko ritt auf dasselbe zu. Als er zu dem Tore gekommen war, fand er es offen. Vor demselben und innerhalb desselben im Hofraume waren hölzerne Stände für die Pferde. Manche hatten ihre Tiere auch an Bäume des Waldes vor dem Gebäude angebunden. Im Innern desselben gingen Männer hin und her, und sprachen mit einander. Witiko kannte manche. Es war Bogdan gekommen, der an dem Tage auf dem Wyšehrad der erste nach Witikos Eintritt in den Saal über ihn gesprochen, und angetragen hatte, daß er zu einem Gerichte in den Turm geworfen werde, es war Beneš da, der ihn sogleich gerichtet haben wollte, es war Domaslaw gekommen, der ihn zu einem Gerichte für den künftigen Herzog aufbewahren wollte, es war Milhost zugegen, welcher ihn sogleich auf einen Pfahl hatte aufhängen lassen wollen, es war Kochan da, der ein strenges Gericht gegen ihn empfohlen hatte, es war Bohuš da, der die Übel angeführt hatte, welche dem Lande von allen Herzogen widerfahren waren, es war der Mährer Drslaw gekommen, der auch über Witiko ein strenges Gericht ausgesprochen hatte, es war Jurata da, der alte Mikul, der alte Rodmil, und noch mehrere, welche Witiko nicht kannte. Mit jedem schienen noch Leute und Anhänger zu sein. Witiko führte sein Pferd, nachdem er abgestiegen war, in einen leeren Stand, band es an, und sorgte für dasselbe. Dann wandte er sich einem großen Raume zu, der in der Länge des Gebäudes zu einer Empfangshalle hergerichtet worden war. Er mochte sonst zur Aufbewahrung von Geräten des Hofes so wie anderer Dinge[240] dienen; jetzt war er geräumt, und hatte einen sehr langen Brettertisch, an dem Bretterbänke hinliefen, und auf dem Bier Wein und Speisen standen. Auf den Bänken saßen Männer, und aßen von den Speisen und tranken von den Getränken, andere gingen hinzu, erquickten sich, und verließen die Stelle wieder. Witiko aß ein Stückchen Brod, und trank einen Trunk Bier.

»So läßt dein Herr auch im Sommer in seinem Walde jagen, wo die Jagd nichts nützig ist?« fragte ein Mann in einem groben rotbraunen Kleide, das er mit Lederriemen gebunden hatte, indem er eine Hand auf seinen Bierkrug legte.

»Ja, du Gauch«, sagte ein anderer, der auf einem großen Holzblocke saß, neben dem ein Krug mit Wein stand, »der Herr des Plakahofes braucht seine Tiere nicht zu zählen, und wie du Bier trinkst, so trinken wir Wein, und wie dein Herr Hasen hat, so haben wir Luchse und Wölfe und Füchse und Bären, und die darf man auch im Sommer und zu Ostern und zu aller Zeit jagen. Und darum hat unser Herr die reichen Freunde und die mächtigen Männer zu diesem Jagen geladen, das du nicht begreifst.«

»Bei uns sind noch ganz andere Jagen«, sagte der erste.

»Ja, auf Fliegen und Hummeln«, antwortete der zweite.

Witiko achtete nicht weiter auf ihr Reden. Bisher hatte niemand zu ihm gesprochen. Jetzt näherte sich ihm aber der junge Mikul in demselben braunen Kleide und mit derselben weißen Feder, die er gehabt hatte, als er bei ihm in dem steinernen Hause in Plan gewesen war. Er grüßte ihn, und sagte: »Es ist gut und recht von dir, Witiko, daß du gekommen bist, es haben mehrere Männer dich sicher hier erwartet. Strich, der alle zu sich geladen hat, ist draußen in dem Walde, um mit ihnen zu jagen; aber sie müssen bald zurückkehren. Du siehst, wie geehrte Gäste er beherbergt, daß er in dieser Zeit jagt.«

Es traten nun mehrere Männer zu Witiko: der rothaarige[241] Beneš der blonde Drslaw der schwarze Bogdan Domaslaw und Jurata, und grüßten ihn. Er dankte. Sie nahmen Speisen und Wein. Es kamen andere herzu, sprachen etwas, und gingen wieder weg.

Als die Hälfte des Vormittages vergangen war, näherte sich eine Schar Reiter dem Hofe. An der Spitze war ein Mann auf einem braunen Pferde, er hatte ein weites dunkelblaues Gewand mit einem stählernen Gürtel und einem Jagdspieße. Auf dem Haupte hatte er eine schwarze Haube mit einer grauen Feder. Er hatte braune Haare und um das Kinn einen braunen Bart.

»Das ist Strich, der Herr des Plakahofes«, sagte Mikul zu Witiko.

Hinter dem Manne kamen die andern. Sie hatten auch weite Gewänder mit Gürteln, und trugen Jagdspieße. Diener und Hunde waren nicht bei ihnen. Sie ritten bei dem Tore herein, ihre Pferde wurden in die Stände verteilt, und sie gingen in die Halle.

Als sie sich dort verteilt und Speise und Trank genommen hatten, stieg ein Mann in einem schneeweißen wollenen Gewande und einen langen blauen Stab in der Hand haltend auf eine Bank, und rief: »Die Diener hinaus!«

Männer von verschiedenen Gestalten und in verschiedenen Bekleidungen verließen auf diesen Ruf die Halle durch die zwei Tore an den zwei Enden derselben, und an jedem Tore stellten sich drei Männer mit Speeren auf.

Da dieses geschehen, und einige Zeit darauf vergangen war, stieg ein Mann in einem dunkeln weiten sammetnen Gewande, das ein aus Silber gearbeiteter Gürtel zusammen hielt, auf die Bank. Er hatte weiße Haare und einen weißen Bart. An seiner Seite hing ein Schwert, und auf seinem Kopfe war keine Haube. Witiko erkannte in ihm Načerat, der in der Versammlung auf dem Wyšehrad das dunkelpurpurne Gewand getragen hatte. Als es in[242] der Halle stille geworden war, sprach der Mann: »Liebe Getreue, Ansehnliche! Es sind mehrere darin überein gekommen, daß ich, weil ich vielleicht der älteste an Jahren bin, unserem Wirte den Dank abstatte, daß er uns ein so freundliches Fest und ein so schönes Jagen auf seinem Hofe Plaka gegeben hat. Ich bin von Prag, wo ich viele Arbeit verlassen habe, dazu her gekommen. Und wenn auch andere besser geeignet wären, auf dem Platze zu stehen, auf dem ich jetzt stehe, so will ich doch reden, weil mich einige Freunde hieher gedrängt haben, und weil ich aus Alter ein wenig geschwätzig geworden bin. Ihr werdet mir es schon nachsehen. Strich der mächtige ansehnliche und gute hat uns hieher auf einen seiner Höfe, der den Namen Plaka führt, geladen, daß wir erfahren, wie sein Wild sein zahmes Getier seine Kuchen sein Bier und sein Wein schmecken, daß wir die Wälder sehen, die er da besitzt, und daß wir in diesen Wäldern jagen. Wir haben seit dem grauen Morgen gejagt, und sind jetzt hieher zurückgekehrt, damit wir die Hitze des Tages nicht zu sehr empfinden, die sich nun erheben wird. Ich sage ihm mit meinen Freunden den besten Dank dafür, und alle werden ihm gewiß so danken wie wir. Die Geladenen können sich nun in ihre Heimat begeben, und nehmen eine Freude und ein Vergnügen mit sich auf den Weg. Sie haben sich hier gesehen, und haben freundschaftliche Bande geknüpft, und werden nun gewiß einander, wie es die Lage ihrer Wohnungen gibt, besuchen, bald hier, bald dort, bald anders wo, um ihre Freundschaft fortzuführen, ihre Bündnisse fester zu machen, und von dem zu reden, was ihnen im Herzen ist. Wenn unser guter erlauchter Herzog Wladislaw, den wir erwählt und eingesetzt haben, sich nicht so sehr von uns zurückzöge, so könnte er in unserer Mitte sein, könnte unser Vergnügen teilen, und würde unsere Freude erhöhen. Haben nicht die Herzoge früherer Zeiten mit den[243] Lechen gejagt und getafelt? War es anders? Sind nicht die Lechen ihre Gefährten und ihre gesetzlichen Gesellschafter? Sind sie nicht durch die Lechen eingesetzt und erhalten, und sind nicht die Lechen für die Handlungen derselben verantwortlich, und lastet nicht ihre Wahl, wenn sie verfehlt war, verderblich auf dem Lande? Aber hat unser guter Herzog Wladislaw das Vergnügen eines Lechen oder Wladyken geteilt, und ist er auf seinem Hofe gewesen, oder an seinem Tische gesessen? Ihr schweigt, er hat es also nicht getan. Er würde das Vergnügen vermehrt haben, er würde selber Vergnügen genossen haben, wenn er es getan hätte, und wir würden heute noch freudiger sein, als wir sind, wenn er da wäre. Wir bedauern ihn, daß er sich diese Lust versagt, und kehren ohne ihn in unsere Wohnungen zurück. Ich kümmere mich um diese Dinge wenig, ich bin alt, und trage die Sorge für das Land; aber die Jugend will Freude. Unser erlauchter Herzog, ehe wir ihn auf dem ehrwürdigen Schlosse Wyšehrad zum Ersten unter uns gewählt haben, ist immer mit unseren Kindern und mit der Jugend des Landes gewesen, und hat ihre Fröhlichkeit mitgenossen. Er tut es jetzt nicht mehr, und darbt an Vergnügen, obwohl er jung ist. Er liest einige Leute aus, die ihm folgen müssen, wenn er in das Land reitet, wie wir den Unsrigen sagen, daß sie mit uns sein sollen, wenn wir jagen. Er ritt mit mehreren nach Hostas Burg, und redete mit der erlauchten Adelheid der Witwe unseres ruhmreichen verstorbenen Herzoges Soběslaw. Da ich ihm wohlwollend sagte, daß er sich die Mühe auflade, die sonst der Rat übernähme, spottete er meiner. Er ritt mit mehreren jungen Männern in die Burgen des Landes, und machte Anordnungen, die die Räte und Herren des Reiches nicht kannten. Als er zurückkehrte, schlossen wir, nämlich mein Bruder Znata, Milota, dann der ältere Mikul und Domaslaw, die bei diesem Feste, das uns unser lieber[244] Wirt gibt, anwesend sind, und ich mit manchen unserer Leute, die wir zusammenbringen konnten, uns ihm an, damit wir seinem Zuge den Glanz gäben, der ihm gebührte, und den er sonst nicht gehabt hätte, weil keiner der alten Lechen dabei gewesen wäre. Oder lebt unser erlauchter Herzog, wenn er schon die Fröhlichkeit unserer Jugend nicht teilt, sonst mit ihr zusammen? Ich glaube es nicht. Hat nicht Wladislaw der älteste Sohn unseres höchst ruhmreichen verstorbenen Herzoges Soběslaw, der, wie er auch die Herren unterdrückte, doch der gute und der weise war, in diesem Winter von Prag nach Ungarn fliehen müssen? Ich bedaure unsern guten erlauchten Herzog Wladislaw, daß er sich die Vergnügungen entzieht. Er nimmt die Arbeiten und die Beschlüsse an sich, welche sonst dem obersten Kämmerer und dem Hofrichter und dem Kanzler und dem obersten Truchsesse und den Herren und Räten des Reiches gebührten, und hat der Sorgen und Plagen genug, daß keine Freude Raum findet. Es sind nicht zwölf Wochen vergangen, daß er Kriegsknechte versammelt, und alle, die Räuber genannt wurden, verjagt oder vertilgt hat. Und weil er dazu Macht braucht, so sitzt er, statt unseren Festen beizuwohnen, und brütet in seinen Gedanken, wie er seine Macht vermehre. Ich bedaure unsern guten Herzog, daß er nicht bei uns ist, und unsere fröhliche Lust teilt. Boleslaw der Grausame, welcher seinen Bruder den heiligen Wenzel erschlagen hat, ist genötigt worden, daß er seine geraubte Macht erhalte, die Lechen und die Herren des Landes zu unterdrücken. Bis zu ihm waren sie Führer des Volkes wie die Herzoge, und der Herzog war unter ihnen nur der Erste unter seinesgleichen. Es war ein Glanz durch das ganze Land, und keiner war in Knechtschaft. Dann wurde es so, daß er sie durch seinen Anhang zwang, ihm zu dienen, daß sie seine Krieger waren, und seine Geleiter. Selbst ihr Name Führer verschwand, und wird nicht[245] mehr gehört. Und alle späteren Enkel Přemysls sahen es so, und mußten bedacht sein, ihre Macht, durch die sie herrschten, zu erhöhen. Ich bedaure unsern guten Herzog, daß er nicht unter uns ist. Auch den Umgang und den Beistand seiner Angehörigen entbehrt er. Die erhabene Witwe des preiswürdigen Soběslaw Adelheid von Ungarn mußte nach dem Tode ihres hohen Gemahles in der einsamen Burg Hostas bleiben, und starb aus Gram und Kummer in dem vergangenen Herbste. Ihre kleineren Kinder, die er in seine Hut nahm, können ihm nichts gewähren, und so ist er allein, und beschließt allein über das Land, und wir werden später sehen, ob es demselben fruchtet. Ihr erfahrt nun, daß es wahr ist, was ich gesagt habe, daß ich geschwätzig bin. Ich rede immer von allerlei anderen Dingen, und sage immer nicht unserem sehr guten Wirte unseren Dank für sein heutiges Fest, das er uns so gastherrlich gibt, und kann immer nicht davon wegkommen, zu bedauern, daß unser erlauchter Herzog nicht gegenwärtig ist. Lasset uns also nur das Fest genießen, und wenn die Jugend daran Gefallen hat, so lade ich sie auf den Laurentiustag in meine Burg Ruden, daß dort ein gleiches gefeiert werde. Ich weiß nicht, ob ich werde anwesend sein können; aber ich werde mich bestreben, und gewiß wird alles zum besten Empfange in Bereitschaft sein. Ich steige von der Bank herunter, damit ich nicht von ihr herab gefordert werde, weil ich sie schon zu lange inne habe, und weil ich den Fortgang des Festes störe. Ich fordere nur die Anwesenden, die es vermögen, zu Gleichem mit unserem freigebigen Wirte auf, und sage ihm noch einmal unsern Dank, unsern großen Dank, unsern aufrichtigen Dank, dessentwillen ich auf diesen Brettern stehe.«

»Unsern Dank«, »unsern großen Dank«, »unsern ehrlichsten Dank«, riefen die meisten Stimmen in der Halle.

Načerat stieg von zwei Männern unterstützt, von der[246] Bank herab, ordnete sein dunkles durch das Herabsteigen verschobenes Sammetgewand, und ging zu seinem Sitze neben Strich dem Herren des Hofes.

Nun stieg Znata der Bruder Načerats in hellblauem Sammet auf seinen Sitz, und rief: »Von heute ab in drei Wochen lade ich alle, die hier sind, und die sonst kommen wollen, in meine Burg Sturma zu einem Feste.«

»Wir kommen, wir kommen«, riefen viele Stimmen.

Darauf stieg er herunter.

Nach ihm stieg der graubartige Domaslaw im roten Gewande, wie er es auf dem Wyšehrad getragen hatte, auf seinen Sitz, und rief: »Und von heute ab in fünf Wochen lade ich alle, die da sind, und die sonst kommen wollen, auf meine Burg Krut nach Mähren zu einem Feste.«

»Nach Mähren, nach Mähren«, erscholl ein dröhnender Ruf.

»Nach Mähren, nach Mähren, in Mähren ist das Heil«, rief ein Mann mit mächtiger Stimme.

Und ein Jubelgeschrei folgte diesen Worten.

Domaslaw stieg von der Bank herunter.

Nun wichen von dem unteren Tore der Halle die drei Bewaffneten zurück, und Männer in schneeweißen Wollgewändern, wie der hatte, der den blauen Stab trug, kamen herein, und stellten sich in eine Reihe, und begannen ein Sackpfeifen und Flötenspielen, daß der ganze Raum tönte. Und Rufe und Jauchzen der Anwesenden mischten sich hinein.

Jetzt kamen viele Diener, und nahmen die Dinge, die auf dem Tische standen, weg, und brachten ein kostbares Mahl auf denselben. Das Mahl wurde sodann verzehrt, viel Wein wurde getrunken, viele Worte wurden geredet, und es brausten die Stimmen und das Klingen der Pfeifer in der Halle.

Als das Mahl vorüber war, standen viele auf, gesellten sich zu Gruppen und Häuflein, andere suchten ihre[247] Pferde, bestiegen sie, und ritten längs des Sumpfes oder des Waldsaumes ihre Wege nach der Heimat, und andere blieben sitzen, und sprachen oder aßen noch und tranken.

Witiko erhob sich von seinem Platze, und ging durch das Gedränge der Männer gegen das Tor der Halle. Da traten der jüngere Mikul und Drslaw und der junge Milhost zu ihm, und Milhost sagte: »Witiko, du weißt es, wie ich mit Schnelligkeit in meinen Sachen vorschreite, du wirst uns gegen diesen Herzog, den du hassest, beistehen.«

Witiko antwortete: »Ich bin nur ein einzelner Mann.«

Da sagte Drslaw: »Viele einzelne Männer sind ein Heer.«

»Du wirst zu den Festen kommen, die angekündigt sind«, sprach Milhost.

»Ich weiß es nicht«, antwortete Witiko.

»Er hat auch gesagt, er wisse es nicht, da ich ihn zu dem Feste Strichs geladen habe, und ist doch gekommen«, sagte Mikul.

»Er wird kommen, er ist ein wackerer Mann und ein herrlicher Junge«, sagte Drslaw.

»Er wird kommen«, riefen die andern zwei.

»Jetzt muß ich mich verabschieden, da mich die Zeit drängt«, sagte Witiko.

»Lebe wohl, wir sehen uns bald wieder«, rief Milhost.

»Lebe wohl«, rief Mikul.

»Lebet wohl«, sagte Witiko.

Er schritt weiter. Er ging durch das Tor hinaus, er suchte den Stand, in welchem er sein Pferd angebunden hatte, band es los, untersuchte die Rüstung desselben, bestieg es, und ritt über die sumpfige Wiese in den Wald. Er ritt im Walde fort bis zu der Hütte, in welcher er beim Herreiten übernachtet hatte. Er blieb wieder in der Nacht in der Hütte, und ritt am Morgen fort. Er ritt durch dieselben Waldbestände und über dieselben Waldblößen,[248] durch die er gekommen war, und gelangte am Abende den fahlen Wacholderberg vorüber nach Plan.

Von diesem Tage an wohnte er wieder in dem steinernen Hause. Er ging nicht zu Znatas Feste nach Sturma, noch zu Domaslaws Feste nach Krut, noch am Laurentiustage zu Načerats Feste nach Ruden, noch zu einem anderen Feste, das gefeiert wurde. Er sandte zuweilen Boten aus, und zuweilen kamen Boten zu ihm. Einige Male ritt er selber fort, und blieb mehrere Tage abwesend.

Als der Lenzmonat nach dem Winter kam, und wieder mehrere Männer bei ihm an der Leuchte saßen, sagte er: »Liebe Männer, es kömmt eine ernsthafte Zeit. Ich habe genaue Kundschaft. So wie ich zu einem Feste nach Plaka geladen worden bin, so sind fortwährend Festlichkeiten der Herren gewesen, bald hier, bald dort, sie haben fröhlich gezecht und gejagt, haben einander Besuche abgestattet, Zusammenkünfte gehalten, sind öfter nach Mähren geritten, und nun sind alle Herren, welche in Böhmen große Landstriche besitzen, nach Mähren gegangen, haben dort ein zahlreiches Kriegsvolk aufgestellt, und werden gegen unser Land vordringen. Ich halte es für meine Pflicht, daß ich fortreite, um zu sehen, was es ist, und daß ich dort helfe, wo ich es für recht erkenne. Ich habe euch dieses gesagt, wenn etwa einer für das Rechte und Gute mithelfen will.«

Es war im Jahre des Heiles 1142 gewesen, da Witiko so zu den Waldmännern an seiner Leuchte Besprochen hatte.

Es antwortete Peter Laurenz der Schmied: »Das ist so, wie es bei unsern Voreltern gewesen ist, sie haben bei den Streiten mitgewirkt, daß das Land beschützt werde, und dem Herzoge kein Schaden geschieht, und haben sich und den Ihrigen durch die Kriegserwerbnisse aufgeholten. Ich meine, wir sollten schauen, was es gibt.«

»Es kann nun nicht andere sein, wir müssen mitgehen«, sagte Tom Johannes der Fiedler.[249]

»Ja, wir müssen nach der Sache schauen«, sagte David der Zimmerer.

»Die Feldarbeiten sind noch nicht vor der Tür, und wir können den Weibern auftragen, die Anordnungen zu machen«, sprach Stephan der Wagenbauer.

»Wir sollten genauere Nachrichten einholen«, sagte Christ Severin der Wollweber.

»Die werden wir auf dem Wege schon erfahren«, sagte Tom Johannes der Fiedler, »sonst versäumen wir die beste Zeit.«

»Die Sache ist sehr gut«, sagte Maz Albrecht, »und so tun wir es.«

»Ich glaube, daß wir in wenigen Tagen gerichtet sein können«, sagte Witiko, »und so sollten wir nichts aufschieben.«

»Ja, ja, wer gehen will, ist bald fertig«, sagte Tom Johannes.

»Ja, ja«, sagten mehrere.

Und so verließen sie an diesem Abende Witikos Leuchte.

Am fünften Tage darnach war Witiko gerüstet. Er und sein Pferd waren in den nötigen Stand gesetzt, die Reise zu erneuern, und er hatte Vorsorge getroffen, daß ihm von seiner Habe, was er brauchte, gefördert werde. An diesem Tage waren auch die Männer, die ziehen wollten, bereitet. Da war Christ Severin der Wollweber mit einem Ahornschafte dem Packe der Nahrungsmittel und einem Sacke für die Beute, Stephan der Wagenbauer mit Schwert und Spieß dem Packe der Nahrungsmittel und dem Sacke für die Beute, David der Zimmerer mit Schwert und Streitaxt dem Packe der Nahrungsmittel und dem Sacke für die Beute, eben so Paul Joachim mit einem Spieße, Jakob mit Spieß und Schwert, Tom Johannes der Fiedler mit einem Spieße und einem großen Sacke für die Beute, angleichen Maz Albrecht mit einem Ahornschafte, dann Peter Laurenz der Schmied, mit einer[250] Eisenstange und einer eisernen Wurfkeule, dann Urban, Zacharias, Lambert, und Wolfgang mit Ahornschäften, Gregor Veit mit Schwert und Spieß, dann viele von den jungen Leuten, und Knechte, die entbehrt werden konnten. Sie hatten die groben grauen Wollkleider an, Stiefel mit den großen eisenbeschlagenen Sohlen an den Füßen, und dicke Filzhauben auf den Häuptern. Der Knecht Raimund hatte begehrt, mit Witiko zu gehen, und Witiko hatte eingewilligt. Weil Witiko erklärt hatte, daß er im Schritte reiten werde, sagten die Männer, man solle bei einander bleiben, und neben ihm gehen. Witiko hielt es für gut.

Als sie versammelt waren, segnete sie der Priester mit den weißen Haaren, sprach zu ihnen, und machte das Zeichen des Kreuzes über sie. Die Weiber standen da, und weinten, und hielten noch Kinder zum Abschiede hin. Die Mädchen schauten verzagt und freudig auf die jungen Männer. Die Knaben hatten Stäbe und Stänglein als Lanzen in Nachahmung der Männer, und standen ganz vorne. Martin stand neben dem Pfarrer, und tröstete die weinende Lucia.

Endlich zogen sie fort. Viele Weiber manche Mädchen und alle Knaben gingen hinter ihnen her, bis sie die strenge Weisung erhielten, zurückzukehren, und dann blieben sie erst noch stehen, bis die Männer im Walde waren.

Da der Abend dieses Tages heran nahte, war der Zug durch den feuchten Schnee bis zu Rownos Turm gelangt. Dort sahen sie, daß Rowno sich und die Seinigen rüste. Es war eine große Bewegung in dem Turme und zwischen den Hütten. Als Rowno die Ankömmlinge erblickte, rief er: »Da ist Witiko von Plana, das ist recht, daß du dich rüstest. Witiko, wer hätte das gedacht? Wir wissen nicht einmal genau, wer gegen den Herzog ist, und wer mit ihm. Wenn alle die Anhänger des verstorbenen Soběslaw zu den Mährern gehen, der wilde Wšebor,[251] und der alte Diwiš, und der uralte Bolemil mit seiner großen Sippschaft und Untergebenheit, und der alte Lubomir, und der starke Božebor, so kann ein schwerer Krieg werden, und der junge Wladislaw der Sohn Soběslaws kann gegen den älteren Wladislaw, den wir erwählt haben, siegen. Wir wollen die Rechte der Wladyken schützen, daß sie nicht von den großen Lechen verletzt werden können, wir wollen für ihre Unabhängigkeit und Wohlfahrt streiten. Komme herein, und übernachte in meinem Hause.«

Witiko ritt in den Turm, und die andern wurden in den Hütten aufgenommen, erwärmten sich, und erhielten Speise und Trank.

Da der Morgen des nächsten Tages angebrochen, und Witiko in die große Stube gekommen war, standen viele Männer in derselben. Sie hatten das weite Kleid kurz geschürzt und gegürtet, hatten rauwollige Beinbekleidungen und grobe Stiefel, und auf den Häuptern dicke Filzhauben. Jeder hatte ein Schwert und eine Lanze, und viele trugen, wie es gelegentlich hervor schimmerte, Panzerhemden unter dem Überkleide. Rowno trug ein Panzerhemd und ein Schwert; aber er war noch nicht völlig bekleidet, namentlich war sein Haupt unbedeckt. Es wurde Bier zum Frühtrunke gereicht, und an einige Männer, die noch in die Stube kamen, wurden Waffen verteilt. Ludmila die Gattin Rownos war mit ihrem Knäblein Miš und mit ihrem Töchterlein Durantia in die Stube getreten, um die Männer und Witiko zu begrüßen. Sie war blaß und stille.

Rowno sagte zu Witiko: »Trink einen Frühtrunk, ehe du aufbrichst, und sage Ludmila einen Morgengruß.«

Witiko tat einen Trunk aus einem Krüglein, in welchem Bier war, und schritt dann zu Ludmila, und sagte: »Seid gegrüßt, edle Frau, und es seien auch Eure Kindlein gegrüßet, wir werden einen Zug in das Feld bekommen.«[252]

»Der Beschluß der Männer wird geschehen«, sagte Ludmila, »und sie werden wahren, was ihnen gebührt.«

»Ich werde im Felde sein«, sagte Rowno, »Bustin wird den Turm besetzt halten, der Turm wird gut versehen sein, es werden sich in ihm die nötigen Männer befinden, und die Knaben, die da sind, mögen in dem Walde Kundschaft treiben, und wenn etwas geschieht, das euch Gefahr droht, sendet schnell, und ich werde zurückkehren.«

»Tue nach deinem Herzen, Rowno«, sagte Ludmila, »und Ihr Witiko seid gegrüßet, und habet Dank für den Gruß an die Kinder.«

Da ging bei diesen Worten die Tür der Stube auf, und die Jungfrau mit den schwarzen Haaren den schwarzen Augen den roten Wangen und den kirschroten Lippen, die das dunkelblaue Kleid mit dem veilchenblauen Gürtel angehabt hatte, da Witiko einmal als Gast in dem Turme war, Dimut die Schwester Rownos trat herein. Sie trug aber kein dunkelblaues Kleid mit irgend einem Gürtel, sondern an ihrer Brust glänzte ein helles Waffenhemd, das wohlgereinigt schimmerte, und mit kurzen weiten Ärmeln über das Kleid ihrer Arme ging. Das andere Kleid außer dem Panzerhemde war schwarz und weitfaltig. An den Füßen hatte sie schwarze Stiefel. Ihr Haupt war mit einer schwarzen dicken Filzhaube bedeckt. Sonst trug sie eine Waffe nicht. Sie ging an den Männern vorüber zu Ludmila, und sagte: »Sei gegrüßt, Schwester.«

Dann ging sie zu Rowno, und sagte: »Ich bringe dir den Morgengruß.«

Und dann sagte sie zu Witiko gewendet: »Ich grüße Euch auch, Witiko, Ihr geht gegen Mähren.«

»Ich gehe in den Krieg«, antwortete Witiko.

»Du hast dich auch gerüstet«, sprach Rowno zu ihr.

Dimut antwortete: »Ihr werdet alle, die ihr es könnt, in das Feld gehen, ihr werdet dort genau er gründen, wo das[253] Recht ist, und werdet für das Recht mit eurem Leben streiten, und wenn es sein muß, euer Leben dafür lassen. Ich will tun, was ein Weib vermag, zu meinem Schutze soll wenigstens niemand benötigt sein. Das Rechte muß geschehen, wie es auf Erden und im Himmel gilt.«

»Du wirst immer klug handeln, meine Dimut«, sagte Rowno.

»So klug, wie es der Teil Klugheit verlangt«, entgegnete Dimut, »der mir geschenkt worden ist.«

Dann ging sie zu den bewaffneten Männern, und reichte ihnen die Hände.

»Ich muß jetzt fortgehen«, sagte Witiko.

»So gehe, und wir werden dich vielleicht noch erreichen«, entgegnete Rowno.

Witiko verabschiedete sich, verließ die Stube, suchte sein Pferd, und ritt über den Damm hinaus. Die Männer von Plan schlossen sich an, und gingen mit ihm. Als weit hinter Rownos Turm der Wald aus war, hörte der Schnee auf, und sie kamen am Abende in den Župenort Daudleb. Dort kaufte Witiko für Raimund ein Pferd, besorgte noch manches für seinen Zug, und die Männer beschlossen, eine Zeit auf Kundschaft hier zu bleiben.

Als Witiko in den Župenhof ging, war er verschlossen, es wurde ihm das Tor geöffnet, und er wurde, weil ihm der Torwart gesagt hatte, daß Lubomir fort sei, zu Boleslawa geführt, die mit Männern in dem Hause war. Witiko begrüßte sie, und sagte: »So ist Lubomir in seinem Alter fortgegangen?«

»Ja, er ist fortgegangen«, sagte Boleslawa. »Da es an der Zeit war, kam, wie es sich gebührt, unser Erstgeborner Moyslaw mit seinen Männern von seinem Hofe Chlum zu uns, dann kam unser Zweitgeborner Pustimir von seinem Felde und Walde in Dauby mit seinen Männern, dann kam auch der Drittgeborne Radosta mit seinen[254] Männern von Trebin, es kamen die Gatten Marias Euphemias und Boleslawas mit ihren Männern, Lubomir hatte seine eigenen Leute versammelt, der demütige Priester dieses Hauses hat sich auch zu trösten und zu helfen beigesellt, und sie gingen alle zu Wladislaw dem Herzoge.«

»Zu Wladislaw dem Herzoge?« fragte Witiko.

»Zu Wladislaw dem Herzoge«, entgegnete sie. »Du bist auch auf dem Zuge, Witiko, sei eingedenk, das Rechte zu tun.«

»Gehabt Euch wohl, erhabne Frau«, antwortete Witiko, »ich will das Rechte tun, das ich erkenne.«

»So tue es«, sagte sie, »und sei in andern Zeiten wieder einmal hier unser Gast.«

»Ich werde um Einlaß bitten, wenn alles vorüber ist, und sich das Tor mir nicht verschließt«, sagte er.

Er verabschiedete sich, und wurde wieder ins Freie geführt.

Die Männer des Waldes blieben zwei Tage in Daudleb. Am dritten zogen sie fort, und hielten ihre Nachtruhe in Podhrad, wo Sümpfe und Einöden waren.

Am folgenden Tage gingen sie nach Austi in wohlbebautes Land. Da blieben sie wieder zu kundschaften fünf Tage. In den Häusern waren wenige Männer, und die Leute, welche da waren, blieben in den Stuben. Auf den Wegen waren Bewaffnete und allerlei Volk, das gegen Mitternacht zog. Ctibor, der sonst bei Austi auf einem Hofe wohnte, war mit seinen Männern zu dem Herzoge Wladislaw gegangen.

Als sie erfahren hatten, daß nach Mitternacht hin die Kriegsheere stehen müssen, zogen sie in dieser Richtung weiter. Es begegneten ihnen Leute, die ihr Vieh nach dem Mittage und gegen die Wälder trieben. Sie hielten die Nachtherberge an dem Hofe Nacehrad.

Am nächsten Tage begegnete ihnen sehr viel Volk. Es säumte meistens seine Güter auf Pferden oder Ochsen in[255] fernere Gegenden, oder es trug, was ihm gehörte, auf dem eigenen Rücken. Da es Nachmittag geworden war, sahen sie in der Richtung von Abend her viele Menschen auf einem Wege kommen, der in den ihrigen ging, und sahen, daß sie ihnen den Weg verstellten. Es waren Männer, welche in hochgeschürzten Faltengewändern gingen, sie hatten schwere Stiefel an den Füßen, und auf den Häuptern hatten sie dicke Filzhauben, welche kaum die Augen sehen ließen, und dann mit einem Lappen über die Wangen und den Bart hinab gingen. Sie trugen Schwerter und Spieße. Wo die Wege sich vereinten, hielten sie an, sammelten sich auf dem Wege und dem Felde, und blickten auf Witiko und seine Schar. Sie wurden immer mehr. Dann kamen auch Reiter hinter ihnen, die Beinbekleidungen kürzere gegürtete Röcke und Filzhauben mit einer geraden Feder trugen, wie die Männer gekleidet waren, die den scharlachroten Prinzen begleitet hatten, ehe er Herzog geworden war. Einige hatten feine Gewänder andere gröbere und unscheinbarer an Farben. Sie trugen keine Lanzen aber alle hatten Schwerter, und viele trugen Schilde. Es waren mehrere sehr große und starke Männer unter ihnen. Sie sammelten sich ebenfalls neben den Fußgängern auf dem Felde. Endlich sprengte einer an den Reitern vorwärts, der eine graue Falkenfeder auf der schwarzen Haube und grüne Kleider hatte. Er ritt gegen Witiko und rief: »Was versperrst du hier den Weg, daß unsere Leute im Weiterziehen gehindert sind?«

»Ich versperre nicht deinen Weg«, rief Witiko entgegen, »siehst du nicht, daß unsere Richtung von Mittag nach Mitternacht geht, und daß ihr von Abend herein gekommen, und daß ihr es seid, die uns den Weg versperren?«

»Du hast deine Leute aufgestellt, daß sie uns be trachten«, rief der andere, »wir müssen uns also auch ordnen, daß[256] wir gerüstet sind, wenn ihr uns etwas anhaben wollt, und das ist es, wodurch du uns hinderst.«

»Du erkennst wohl, daß wir die wenigen euch die so vielen nicht angreifen werden«, entgegnete Witiko, »wenn du uns aber anfällst, so werden wir unsern Körper verteidigen, so gut wir es können. Diese aber sind nicht meine Leute, ich weiß nicht, was sie in der Zukunft tun werden, jetzt sind sie nur neben mir gegangen, weil wir aus der nämlichen Heimat sind.«

Während dieses Rufens waren immer mehr Reiter gekommen, und hatten sich neben den grünen Mann gestellt. Jetzt kamen zwei Saumpferde, eines vorn und eines hinten, sie trugen eine offene Sänfte, und in derselben saß ein Mann in ein sehr weites braunes mit Pelzwerk verbrämtes Kleid gehüllt, und unter der schwarzen Haube drangen weiße Haare herab, und auf das braune Kleid floß ein sehr langer weißer Bart. Der Mann war sehr alt, und sein Haupt war nach vorwärts geneigt. Da er zu dem grünen Reiter gekommen war, hielt die Sänfte an, der grüne Reiter stellte sich neben sie, und sagte: »Hochehrwürdiger Großvater, dort steht der Bote, welchen der kranke Herzog Soběslaw einmal in die Versammlung auf den Wyšehrad gesendet hat, er richtet seine Leute gegen uns, daß er uns etwa schädige.«

Der alte Mann hob sein Haupt empor, wendete sein Angesicht und seinen Körper gegen die Stelle, auf welcher Witiko stand, und sagte: »Sohn des Wok, ziehe deiner Wege, gehe zu Wladislaw dem Sohne Soběslaws oder zu andern Feinden des Herzoges, wir werden dich dort bekämpfen, hier ist nicht Zeit, daß wir dich vertilgen. Rühre keinen der Männer an, die um mich sind.«

Dann wendete er sich an den grünen Reiter, und sprach »Dalimil, sage den Leuten, daß sie weiter ziehen, und eine Säumnis nicht mehr eintreten lassen.«

Der grüne Reiter ritt gegen die Fußgänger vorwärts, der[257] alte Mann in der Sänfte aber nahm sein braunes Kleid fester an sich, und neigte sein Haupt wieder nach vorne, wie er es früher gehabt hatte.

Die Fußgänger und Reiter fingen an, sich wieder zu bewegen. Witiko aber rief: »Hochehrwürdiger Leche Bolemil, ich rühre keinen deiner Männer an, und wer weiß, ob unsere Wege nicht die gleichen sind.«

Bolemil antwortete nicht, sondern nickte nur mit dem Haupte.

Der Zug bewegte sich schneller, und die Pferde mit der Sänfte fingen zu gehen an. Hinter ihr kamen wieder Reiter. Witiko aber blieb stehen, bis alle vorüber waren, und man endlich auf dem fernen Wege kaum mehr einen der Männer erblicken konnte. Dann setzte er sich in Bewegung, und zog ihnen nach.

Er kam mit den Männern, die bei ihm waren, an dem Abende dieses Tages zu einem Hofe, der nicht weit von den Häusern stand, die den Namen Suchdol hatten. Sie beschlossen, da zu ruhen. In dem Hofe war kein Mensch, es waren die Türen und Tore eingeschlagen, es waren keine Vorräte da, kaum Futter für Witikos und Raimunds Pferd. Und als die Nacht gekommen war, erblickte man gegen Morgen die roten Scheine von entfernten Feuersbrünsten. Die Männer lagerten in dem Hofe, und aßen von den Nahrungsmitteln, welche sie in den Päcken mit sich geführt hatten. Als der Tag angebrochen war, sahen sie die Häuser von Suchdol deutlich; aber einige waren verbrannt, und andere zerstört. Von Suchdol gegen den Hof war ein Berg, beinahe gegen die Mittagseite gelegen, weit gedehnt und gestreckt, hie und da mit einigem Gebüsche und dann mit Wiesen und Feldern bedeckt. Er hieß Wysoka. Von ihm konnte man in entfernten Morgengegenden Rauchsäulen aufsteigen sehen, und in der Richtung zwischen Mitternacht und Abend sah man auch Rauch zu dem Himmel ziehen. Die[258] Männer versammelten den Hof, stellten in ihm Wachen auf, und sandten mehrere fort, um Kundschaft einzuziehen. Die Kundschafter kamen zurück, und sagten, daß vier oder sechs Wegestunden weit zwischen Mitternacht und Abend der Herzog mit seinem Heere sei, daß er es sammle und ordne, und daß gegen Morgen hin eine Tagereise oder mehr entfernt die Lechen, welche sich zusammen getan hatten, lagern, und daß sie Zuzüge und Verstärkungen rufen. Der Leche Načerat, der ein hoher Herr bei dem Herzoge Wladislaw gewesen sei, stehe an ihrer Spitze. Alle Häuser rings herum sind leer, viele sind verbrannt oder zerstört, die Menschen sind mit ihrem Vieh und ihrem Gute fortgezogen. Hie und da zeigen sich Bewaffnete, und manches Mal ein Mensch, der etwa ein Dieb oder ein anderer dieser Art sein kann.

Die Männer von Plan beschlossen, in dem Hofe zu bleiben, bis sie genauer erkundet hätten, was sich begebe. Sie gingen daran, das Gebäude besser zu befestigen.

Es waren indessen die milderen Tage des Lenzes gekommen, die Gesträuche, welche auf dem Berge Wysoka standen, bekamen grüne Blättchen, die Wiesen erhielten Gras, und die Wintersaaten sproßten. Die Felder, auf welchen die Sommersaaten stehen sollten, waren nicht bestellt worden.

Es war nun auch Rowno mit seiner Schar in die Gegend gekommen, und da die Männer von Plan streiften, trafen sie ihn, er ging mit ihnen samt den Seinen in den Hof, und vereinigte sich mit ihnen. Auf diese Art kam auch Osel mit seinen drei Knaben, Diet von Wettern, dann ein Mann, der an der Moldau in dem Hofe Attes wohnte, dann der von Hora, dann Wolf von Tusch und Wernhard von Ottau. Jeder hatte eine Schar mit sich. Es kamen dann auch die von Friedberg, von Horec, die Hlenici, und da sie Diet von Wettern und die aus dem Turme Rownos erfragten, gingen sie in den Hof, es kamen von[259] denen, die im neuen Kirchenschlage reuteten, die vom schwarzen Bache, vom Wangetschlage, vom Eckschlage, vom Rathschlage, dann kamen, die an der Moldau hinab saßen, wo bei Friedberg gereutet wurde, dann die von den Häusern an dem Moldaufelsen, welcher der Rosenberg geheißen wurde, wo Witiko einmal mit Florian ein Mittagsmahl gehalten hatte, dann einige von den Hütten, die mittagwärts von der Waldblöße des heiligen Thomas lagen. Von dem Häuschen im Wangetschlage, das Witikos Stamme gehörte, kam der Knecht Jakob mit einem lahmen Pferde.

Sie versammelten sich alle bei dem Hofe, und versprachen, zusammen zu halten. Sie lebten von den Nahrungsmitteln, die sie mitgebracht hatten, und richteten zu ihrem Getränke wieder den Brunnen des Hofes zurecht. Zugleich begannen sie, um den Raum Gräben zu machen, und sich durch Pfahlwerke zu schützen.

Eines Tages kam eine Schar schöner Reiter gegen den Hof. An ihrer Spitze war ein Jüngling in himmelblauem Gewande mit einer weißen Feder auf dem Haupte. Er ritt näher, und betrachtete den Hof und die Befestigungen um ihn. Witiko bestieg sein Pferd, ein Tor der Pfähle wurde geöffnet, und er ritt von einer großen Schar Fußgänger begleitet hinaus. Da er zu dem Jünglinge gekommen war, rief er aus: »Wladislaw, der Sohn des Herzogs Soběslaw!«

»Ja, ich bin es, den du genannt hast«, rief der Jüngling im blauen Kleide entgegen, »Witiko, der treue Freund meines Vaters, Witiko, den meine Mutter geehrt und beschenkt hat, wie freut sich mein Herz, daß ich dich sehe!«

Es kamen noch mehr Fußgänger aus dem Hause heraus, und alle stellten sich halbkreisartig hinter Witiko auf. Das gleiche taten die Reiter hinter Wladislaw.

»Nun ist die Zeit gekommen, Witiko«, sprach der Prinz,[260] »daß wir die Schmach auslöschen, die uns geschehen ist, daß wir den Hohn tilgen, der meinem Vater angetan worden ist, daß wir den Schmerz vergelten, den meine Mutter leiden mußte, und daß wir alles, was recht ist, wieder herstellen. Du und die Männer, die dir gehorchen, sind mit dazu erlesen.«

»Und wie wird das geschehen?« fragte Witiko.

»Es ist alles wohl geordnet und zum Gelingen bereit«, antwortete Wladislaw, »höre mich. Der uns den Herzogstuhl geraubt, und mich in die Untertänigkeit gestürzt hat, der nämliche hat mir auch meine Habe entrissen. Er hat mir das Herzogtum Olmütz, das ich besaß, genommen, und hat es Otto dem Sohne des schwarzen Otto gegeben, den er aus Rußland gerufen hatte. Mich zwang er nach Prag zu sich. Aber ich bin in dem vorvorigen Winter entflohen, und bin bei meinen königlichen Sippen in Ungarn gewesen. Indessen hat der, welchen sie noch bei dem Leben meines Vaters des ruhmreichen Herzoges Soběslaw gegen ihren Eid auf dem Wyšehrad zum Herzoge gewählt haben, die Rechte aller großen Lechen gekränkt, er hat sie bei Seite gesetzt, und hat ohne ihren Rat und Beistand gehandelt. Sie sind von ihm abgefallen, und die ihn eifrig gewählt haben, stehen jetzt gegen ihn. Načerat der große und mächtige ist jetzt in Mähren, eben so sein Sohn Dus und sein Bruder Znata. Dann ist der alte reiche Mikul, dann ist Jurata, dann ist der alte Rodmil, dann Groznata, Slawibor, Domaslaw, Kochan, Bohuš, dann der junge tapfere Milhost, Strich von Plaka, der junge Mikul, Bogdan, Beneš und die Mährer Drslaw, Mireta, Zibota, Soben, Treba, Stibor, und sehr viele andere. Ich bin zu ihnen gegangen, um Vergeltung zu üben. Sie haben einen Bund gestiftet, um eine andere Herrschaft einzuführen. Die Fürsten aus dem Stamme Přemysls sind dem Bunde beigetreten: Wratislaw der Herzog von Brünn, Konrad der Herzog von[261] Znaim, Otto der Herzog von Olmütz, welchen Wladislaw aus Rußland zurückgerufen hatte, dann die Söhne Bořiwoys des Oheims Wladislaws Leopold und Spitihněw. Sie haben alle Konrad von Znaim zum Herzoge von Böhmen und Mähren gewählt. Sein Heer steht nicht zwölf Wegestunden von hier gegen Morgen. Immer kommen noch Züge zu demselben, und wenn es gerüstet ist, werden alle Häupter zu ihm kommen, und werden gegen Wladislaw vorrücken, und ihn, der die Herren schwächen, und sich mit den kleinen Leuten und mit dem Volke stärken wollte, vertilgen.«

»Weißt du das ganz genau, und bist du nicht getäuscht worden, Wladislaw?« fragte Witiko.

»Die hier mit mir sind«, antwortete Wladislaw, »stammen aus den besten Geschlechtern, sie streifen, um die Lage und Begebnisse der Gegend zu erforschen, und sie können dir sagen, daß ich die Wahrheit rede.«

»Der hohe Prinz spricht wahr«, rief ein Mann in dunkelroten Kleidern, der in der vorderen Reihe des Zuges stand.

»Er spricht wahr«, riefen mehrere Stimmen.

»Du wirst auch, wenn du bei uns bist, Witiko«, sagte Wladislaw, »die Schrift sehen, in welcher alles verzeichnet ist. Sie enthält die Namen, die ich dir nannte, und in ihr sind die Rechte aufgeschrieben, welche der künftige Herzog denen gegeben hat, die ihn wählten, und die für ihn streiten wollen. Wir werden nur noch über die Felder von Suchdol reiten, wo wir in der Richtung gegen Abend sehen können. Du kannst indessen deine Leute ordnen, und dann mit uns ungefährdet zum Heere ziehen.«

»Du sagst, daß alle großen Männer der Länder mit euch sind?« fragte Witiko.

»So ist es«, entgegnete Wladislaw.

»Du hast Zdik den Bischof von Olmütz nicht genannt, welcher der eifrigste in jener Versammlung auf dem[262] Wyšehrad war, um die Wahl Wladislaws zum Herzoge von Böhmen und Mähren zu bewirken.«

»Zdik ist ein Verräter«, antwortete Wladislaw, »er hat schon wohl den Sinn und die Absichten meines Vetters Wladislaw gekannt, daß er die Herren unterdrücken, und die Kleinen und die Bischöfe empor bringen wird, darum hat er dessen Wahl so emsig befördert, und jetzt hat er seinen Bischofsitz und das Land Mähren verlassen, und ist in das Lager Wladislaws gegangen.«

»Du hast den alten Lechen Bolemil nicht genannt«, sagte Witiko.

»Der ist uralt, und führt keine Kriege mehr«, entgegnete Wladislaw.

»Er ist mit einer großen Schar von Fußgängern und Reitern zu dem Herzoge gezogen, ich habe ihn selber gesehen, und habe mit ihm gesprochen«, antwortete Witiko, »der Župan von Daudleb Lubomir ist mit seinen Scharen und mit denen seiner Söhne Moyslaw Pustimir und Radosta und mit denen seiner drei Töchtermänner zu dem Herzoge gegangen. Ctibor, welcher mit vielen Männern in den Gefilden von Austi wohnte, ist mit ihnen zu dem Herzoge gegangen. Weißt du etwas von Diwiš, dem Župane in Saaz?«

»Man erzählt, daß er bei dem Herzoge sei«, sagte Wladislaw, »allein das ändert nichts, wir werden sie alle niederwerfen.«

»Und Božebor und Wšebor und Nemoy und Chotimir und der alte Preda und Jurik und der alte Milota?« fragte Witiko.

»Es können nicht alle bei uns sein«, sagte Wladislaw, »die mehreren und die besten haben wir.«

»So wird der ehemalige Bischof Silvester, der deinetwegen Tränen in der Versammlung vergossen, und deinetwegen sein Amt niedergelegt hat, bei dir sein?« fragte Witiko.[263]

»Silvester ist ein gebrechlicher Mann«, entgegnete Wladislaw, »und hat sein Kloster nicht verlassen.«

»Wladislaw«, sagte Witiko, »von den Männern, die ihren Eid von Sadska gebrochen haben, sind nur diejenigen in Mähren, welche es nicht ihres Landes sondern ihres Nutzens willen getan haben, und sind nun ihrem neuen Eide wieder untreu. Ich habe es geahnt, da Načerat in der Versammlung auf dem Wyšehrad gesprochen hat, und ich habe es erkannt, als ich ihn bei einem Feste im Plakahofe sprechen gehört habe. Die Fürsten, die Söhne des Stammes Přemysl, sind ihrem eigenen Stamme untreu, da sie gegen den obersten Sohn des Stammes, dem sie unterworfen sind, dem sie gehorchen sollen, aufgestanden sind, um für sich Vorteile zu gewinnen, Otto der Sohn des schwarzen Otto, den der Herzog aus der Verbannung zurückgerufen hat, dem er das Herzogtum Olmütz gegeben hat, ist zur Untreue auch noch undankbar, Konrad, welcher gar keine Rechte auf den Fürstenstuhl besitzt, hat ihn zu kaufen versucht, weil er seinen Helfern, wie du sagst, in einer Schrift Zugeständnisse versprochen hat, die sie für ihren Beistand erlangen sollen, und du aber, Wladislaw, hast dich selber preisgegeben.«

»Witiko, du treuester Diener Soběslaws, du willst doch nicht von ihm abfallen?« rief der Prinz.

»Nicht von Soběslaw falle ich ab, ich bleibe ihm treu«, sagte Witiko, »dein Vater hat mich rufen lassen, als er auf dem Totenbette gesagt hat: Mein erstgeborner Sohn Wladislaw, du bist von dem deutschen Könige Konrad mit den Ländern Böhmen und Mähren belehnt, und von den Herren beider Länder auf dem Tage in Sadska anerkannt worden. Jetzt aber haben sie auf dem Wyšehrad deinen Vetter Wladislaw den Sohn meines verstorbenen Bruders des Herzoges Wladislaw für meinen Tod zum Herzoge gewählt. Unterwirf dich ihm, und gehorche ihm, daß die Sünden nicht werden, welche in meiner Jugend[264] gewesen sind. Načerat wird gegen Wladislaw nicht siegen. Ich habe mir die Worte tief in mein Gedächtnis geprägt, weil sie mir sehr merkwürdig erschienen waren. Dein Vater hat die Wahl seines Neffen anerkannt, und hat dir den Rat gegeben, dein Recht auf die Nachfolge in der Herrschaft der Länder hinzugeben, daß das Heil des Reiches nicht zerstörst werde. Du konntest den Willen deines Vaters nicht erfüllen, du hast ihm damals nichts zugesagt, du konntest mit den Waffen gegen deinen Vetter aufstehen, dein Recht aufrecht halten, das Heil des Landes in die Schanze schlagen: viele wären an deiner Seite gestanden, wahrscheinlich die besten, die jetzt gegen dich sind, und ich wäre gewiß unter deine Fahnen gegangen; du aber hast dein Recht selber hingeworfen, weil du in die Dienstbarkeit eines andern gegangen bist, der Herzog sein will. Jetzt lebt die Anerkennung deines Vaters für Wladislaw als Recht auf, das haben sie alle, welche für dich und das Recht auf dem Wyšehrad gesinnt gewesen waren, erkannt, der edle Diwiš, der treue Freund deines Vaters, der ihm vor den Verschwörern das Leben gerettet hat, Bolemil der weise alte Mann, der vor den Greueln der Nachfolgekriege so ängstlich gewarnt hatte, der gute Lubomir, der mir dem Boten deines Vaters Gehör von der Versammlung erbeten hatte, dann Wšebor, der die Leiden deines Vaters zu ehren gefleht hatte, Jurik, Chotimir, der Feldherr Smil, und vor allen der untadelige Bischof Silvester, dem für dich sein lauteres Leben zerstört ist, sie haben es erkannt, und stehen jetzt zu dem Rechte, das neu geworden ist, und das du selber durch dein Tun hervorgerufen hast. Du sagst, daß ich nicht treu bin. Bist du der treue Sohn deines Vaters, der sich in seiner Herrschaft gemäßigt hat, daß nicht das Volk durch die Großen gedrückt wurde, und daß er es nicht selber drücke, und der sich im Tode noch mehr zu mäßigen gewußt hat, indem er das Land über seine Kinder[265] stellte? Er hat dir den Rat und, ich kann sagen, den Befehl gegeben, dich zu fügen, er hat ihn dir nicht umsonst vor so vielen Zeugen gegeben, weil er gewollt hat, daß dir keiner beistehe, wenn du dich erhebest. Bist du der treue Sohn deiner Mutter, die ihrem toten Gatten angehangen hat, bis ihr das Herz gebrochen ist, und bist du der treue Prinz deiner selbst, da du der Aftermann eines Aftermannes geworden bist? Ich bin dem treu geblieben, was ich für meine Pflicht hielt. Ich sehe jetzt sehr klar, wo das Rechte und das Gute liegt, wie Boleslawa die edle Gattin Lubomirs gesprochen hat, ich sage mich auf immer los von dir, und bin von dieser Stunde an der Helfer und der Mann des Herzogs Wladislaw. Die hier um mich sind, haben mir nicht zu gehorchen, ich bin nur als ihr Heimatgenosse bei ihnen, ich bin nur ein einzelner für meine Beschlüsse, ich weiß nicht, was sie tun werden; aber wenn sie meinem Worte folgen, so werden sie zu dem Herzoge gehen; eines weiß ich aber ganz gewiß, daß, wenn du mir mit deinen Reitern nur ein Haar krümmen wolltest, sie mich als den treuen Heimatsmann nicht im Stiche lassen würden.«

Es waren, als Witiko redete immer mehr Männer aus dem Hofe und seiner Nähe herzu gekommen, sie standen dicht hinter ihm, hielten ihre Spieße in den Armen, und hefteten ihre Blicke auf den Prinzen.

Dieser aber rief: »So gehe zu Wladislaw, du treubrüchiger Hund, der du das Brod meines Vaters in Hostas Burg gegessen, und die Güte meiner Mutter erfahren hast; aber wisse, wenn ich dich im Kampfe treffe, so soll nicht ein Tropfen Blut in deinen Adern bleiben, den nicht die Erde trinkt, und wenn du jetzt mit deiner Rotte die Reiter, welche um mich sind, beschädigen wolltest, so werden wir mit unsern kriegsgeübten Schwertern eher eine unermeßliche Schmach unter euch anrichten, ehe ihr uns nur ein kleines Unheil zufügen könnt.«[266]

»Sei ruhig, Wladislaw«, sagte Witiko, »wenn du mich in dem Kampfe triffst, so tue mit mir, wie du Macht hast; wenn ich in den Kampf gehe, so ist es ja eben nicht, daß ich mir dadurch mein Leben sichern will; hier aber will ich dich nicht ergreifen. Wenn diese da um mich zu dem Herzoge gehen, werden wir dich in der Schlacht finden, und weil du Blut und Flammen über das unschuldige Land hervorrufen geholfen hast, da du der Dienstmann eines Aufrührers geworden bist, so werden wir dieses Land im Kampfe verteidigen, so gut oder so schlecht wir es verstehen, die wir vom Walde gekommen sind.«

»Das ist recht«, rief eine Stimme hinter Witiko.

»Das ist recht«, riefen sogleich viele Stimmen.

Wladislaw sagte nach diesen Rufen etwas auf seine Reiter zurück, sie machten eine halbe Wendung zur Seite, und ritten die Blicke auf Witikos Umgebung heftend fort. Als sie eine Strecke zurückgelegt hatten, wendeten sie ganz, und eilten davon. Sie ritten aber nicht gegen Abend, um, wie Wladislaw gesagt hatte, zu kundschaften, sondern gegen Morgen, von woher sie gekommen waren.

Witiko aber war ruhig stehengeblieben, die Männer hinter ihm auch.

Als die Reiter schon weit entfernt waren, und man nur mehr einen schwachen Staub erblicken konnte, wo sie ritten, wendete sich Witiko zu den Männern, und sagte: »Ihr habt es nun gehört, was sie wollen. Die Geschwätzigkeit dieses Mannes hat uns mehr geoffenbaret, als wir je auszukundschaften im Stande gewesen wären. Sie haben sogar ein Papier aufgesetzt, auf welchem geschrieben steht, was der neue Herzog den Fürsten und hohen Herren zahlen wird, wenn sie ihn auf den Herzogstuhl setzen, und den Preis wird nicht er entrichten, sondern das Volk und die kleinen Leute werden ihn zu tragen haben, deren Beschützung die hohen Herren dem Herzoge[267] Wladislaw so übel nehmen, wie dieser Mann da so eben gesagt hat. Darum sind die Söhne Přemysls dem Gesetze des Blutes zuwider aufgestanden, weil sie Raub wollen, darum ist der mächtige Herr und Leche Načerat nach Mähren gegangen, weil er den Vorteil, den er durch die Erhebung Wladislaws, der früher mit seinem Sohne und dessen Freunden umgegangen ist, nicht gefunden hat, und ihn nun bei Konrad sucht. Der weise Bolemil hat alles vorausgesehen, da er auf dem Wyšehrad gesagt hat, sie werden alle Mal wieder einen Herzog wählen, wenn ihnen der gewählte nicht recht tut. Ich weiß nun, was mir obliegt, ich brauche nicht länger hier auf Kundschaft zu verweilen, ich reite zu dem Herzoge. Was ihr auch tun wollt, so glaube ich, daß ihr nicht länger mehr bei diesem Hofe verweilen sollet, damit nicht die Mährer kommen, und euch belagern, und damit nicht eure Macht gelähmt oder vertilgt werde, die, wenn sie auch nicht groß ist, doch dort, wo sie einwirkt, zur Entscheidung beitragen kann.«

Nach diesen Worten sprang Rowno hervor, und rief: »Witiko von Plana, du Sohn deines Vaters Wok, du hast recht gesprochen; wenn du auch jung bist, so verstehst du doch schon, was ich gesagt habe. Sie wollen uns unterdrücken, sie wollen uns berauben, daß sie noch mehr prassen können, als bisher. Du meinst es gut mit denen, die nicht große Macht und großen Glanz haben, andere auszubeuten, und du meinst es gut mit dem Volke, das im Schweiße seines Angesichtes sein Brod erwirbt. Ich werde mein Pferd satteln lassen, und meine Reiter werden ihre Pferde satteln, und wir werden mit dir zu dem Herzoge reiten. Meine Fußgänger werden sich rüsten, und uns folgen.«

Dann trat Diet von Wettern hervor, und sagte: »Sie sollen uns nicht in unserem Besitze stören, den wir von unseren Vätern ererbt haben, und den wir erweitern wollen,[268] und den sie verschlingen wollen, wenn ihnen der neue Herzog mehr Macht gibt. Du siehst jetzt, Witiko, daß es wahr ist, was ich gesagt habe, daß Wladislaw der rechte Herzog ist, der uns schützt. Ich gehe mit meinen Reitern, die die Waldpferde haben, und mit meinen Fußgängern, die sich aus dem Walde Spieße geholt haben, mit dir zu dem Herzoge.«

Dann sagte Wernhard von Ottau: »Ich gehe mit meinen Leuten auch mit dir, Witiko, zu dem Herzoge.«

Hierauf trat Osel von Dub vor, und sprach: »Ich habe meinen drei Knaben die Haare festlich beschneiden lassen, daß sie in das Jünglingsalter eintreten, und tüchtig werden, ich habe sie mit mir in das Feld genommen; aber ich wollte eher, daß sie tot und blutig auf dem Felde liegen bleiben, als daß der Übermut geduldet würde, den jener blau gekleidete Knabe, der in der Sonne schimmerte wie ein Falter, vor uns dargelegt hat. Es ist nicht so geworden, wie wir in Rownos Turme gesprochen haben, Witiko, Diwiš, Bolemil, Lubomir sind nicht Verräter geworden, sondern Načerat, und die andern, die ich für Stützen gehalten habe. Möge dieser schurkische Načerat in den tiefsten Grund der Hölle fahren. Ich führe meine drei Knaben und meine Männer mit dir zu dem Herzoge, Witiko.«

»Ich gehe auch mit dir, Witiko«, sagte Wolf von Tusch.

Hierauf rief eine gewaltige Stimme in dem Haufen: »Lasset mich reden.«

»So rede, du Mann unter den Leuten«, rief Rowno, »und komme hervor.«

Da drängte sich unter den Männern, welche hinter Witiko standen, einer nach vorwärts, der groß gewachsen war, und breite Schultern hatte, die mit grobem grauen Wollzeuge bedeckt waren. Er hatte statt des Spießes nur eine eiserne Stange, und an seinem linken Arme hing mit einem Riemen eine eiserne Keule. Es war Peter Laurenz,[269] der Schmied von Plan. Da er heraus gekommen war, und im Freien stand, sprach er nicht.

»So rede nun«, sagte Rowno.

Der Mann suchte seine Stimme zu sammeln, wendete sich gegen die Leute, und sprach: »Männer von uns! ihr habt es gesehen, wie der junge Reiter gekommen ist, und was er da für Dinge gesagt hat, wie die großen Herren wachsen sollen. Das müssen wir nicht dulden. Witiko hat es recht gesagt und Rowno und Osel und die andern. Ihr wisset, wie der junge Witiko im Winter in seinem Hause in Plan die Einkehr genommen hat, und er ist da geblieben, und ist zwei Jahre da geblieben, und er wäre nicht fortgegangen, wenn er nicht in den Krieg gegangen wäre, und wir sind auch in den Krieg gegangen. Er hat das Gewand getragen wie wir, wir sind an seiner Leuchte gesessen, da es Winter war, er ist auch an unserer Leuchte gesessen, und hat uns nicht verachtet, und ich habe sein Pferd beschlagen, und er hat mit mir geredet, sein Haus steht bei uns, wir sollen ihn auch nicht verachten, und ihn zu unserm Führer wählen die von Plan, daß wir zusammenhalten und uns nicht zerstreuen.«

»Das ist recht«, rief Tom Johannes der Fiedler, »das hätte ich längst gesagt, und hätte es besser gesagt.«

»Wie hättest du es denn gesagt, du Fiedelbogentropf«, rief der Schmied, »und warum hast du es denn nicht gesagt, wenn du so vernünftig bist?«

»Streitet nicht«, rief David der Zimmerer, »Witiko soll uns führen, weil er es besser versteht als wir.«

»Er soll uns führen«, rief eine Stimme.

»Er soll uns führen, weil er mehr Verstand hat als ihr alle«, rief Tom Johannes der Fiedler, »ich hätte einen zierlichen Antrag gestellt.«

»So schweige du Geiger«, rief Christ Severin der Wollweber, »wir sollen zusammenhalten im Leben und Tode, daß wir etwas vorwärts bringen, und da soll uns Witiko führen.«[270]

»Er soll uns führen«, riefen viele Stimmen.

»Er soll uns führen«, wiederholten noch mehrere.

Dann war es still.

Dann sagte Witiko: »Liebe Freunde und Heimatgenossen, wir wollen von der Sache noch später reden, ich will euch, daß wir beisammen bleiben, zu dem Herzoge führen, und wir wollen hören, was er sagt. Und wenn es ihm genehm ist, und ihr es noch wollt, so will ich gerne getreu zu euch halten, und mich bestreben, daß ihr wirken könnt, wie es sich ziemt, und daß ihr nicht leichtfertiger Weise Schaden leidet.«

»Ja, so ist es«, rief Tom Johannes, »und das ist gut gesprochen.«

»So ist es«, rief eine Stimme.

»Er ist ein guter Mann«, rief ein anderer.

»Er soll uns führen«, riefen viele.

Dann, als es stille war, rief der von Hora: »Witiko, ich gehe mit dir zu dem Herzoge.«

Und dann sagte der von Attes: »Witiko, ich gehe auch mit dir zu dem Herzoge.«

Nun trat ein Mann hervor, der einen zähen Schaft von Ebereschen hatte, und ein weites geschürztes dunkles Gewand trug, und sagte: »Ich gehöre zu den Hlenici, und ich meine, wir sollen uns unter die Führerschaft Rownos stellen, der unser Nachbar ist.«

»Unter die Führerschaft Rownos«, riefen viele Stimmen.

Dann trat ein anderer Mann gleichfalls im weiten Gewande und mit einem Ebereschenschafte hervor, und sagte: »Ich gehöre nach Horec, und wir mit den Ebereschenschäften sollen alle zu Rowno stehen.«

»Zu Rowno«, riefen viele Stimmen.

Dann trat einer mit faltigen Lederstiefeln groben grauwollenen Beinbekleidungen einem Rocke desselben Stoffes mit Haften und einer schwarzen Filzhaube auf dem Haupte vor, und sagte: »Ich gehöre zu denen, die im[271] Kirchenschlage reuten, und meine, wir sollten zu Diet von Wettern stehen, bei dem wir nahe sind.«

»Zu Diet von Wettern«, riefen mehrere Stimmen.

Jetzt trat einer hervor, der feste Lederstiefel hatte, deren Sohlen mit Eisen beschlagen waren, der aber sonst gekleidet war wie der frühere. Er sagte: »Ich bin von dem schwarzen Bache, und wir, die wir an der Moldau sind, und die Ahornschafte tragen, die an der untern Moldau und die vom Eckschlage und vom Rathschlage, wir sollten zu denen von Plan und Witiko halten.«

»Zu Witiko«, riefen viele Stimmen.

»Und wir vom Wangetschlage«, sagte einer, ohne vorzutreten, »gehören zu Witiko, weil er ein Haus bei uns besitzt.«

»Zu Witiko«, riefen einige.

»Wir in Friedberg gehen auch zu Witiko, dessen Haus im Wangetschlage unser Nachbar ist«, rief einer.

»Wir gehen zu Witiko«, riefen ihm mehrere nach.

»Und wir, die wir von Friedberg an der Moldau hinab sind, gehören zu Friedberg«, rief eine Stimme aus dem Haufen.

»Zu Friedberg«, antworteten andere.

Jetzt rief niemand mehr.

Die Knechte Witikos Raimund und Jakob hatten indessen ihre Pferde gezäumt und gesattelt, sie ritten heraus, und stellten sich zu Witiko.

Witiko aber sagte: »Rowno, Diet von Wettern, Osel, und ihr andern, liebe Freunde, die Reiter, welche bei uns gewesen sind, kommen heute noch in das Lager ihrer Freunde. In der Nacht kann von dorther aus Zorn und Rache eine große Abteilung aufbrechen, und in den Frühstunden des Tages belagern sie diesen Hof. Ich meine, wir sollen in der Nacht beraten, uns ordnen, etwas Speise genießen, und ehe der Tag zu grauen beginnt, unsern Zug zu dem Herzoge antreten.«[272]

»So ist es gut, und so tun wir«, sagte Rowno.

»Wir tun so«, sagte Diet.

»So tun wir«, riefen alle.

»Die Männer müssen sich nun einteilen, wie sie gesagt haben«, sprach Witiko.

Der Haufen löste sich, und ordnete sich anders, viele gingen in den Hof, andere blieben heraußen. Witiko ritt in das Gebäude, und die Seinen begleiteten ihn.

Als der Abend gekommen war, hielten sie insgesamt Beratschlagung, dann aßen sie, dann ordneten sich die Männer, wie sie im Zuge zu gehen hatten, und ehe noch irgend ein Schein des Tages auf den Berg Wysoka fiel, begann der Zug.

Es waren drei Abteilungen, die Witikos, Rownos und Diets von Wettern. Osel führte ein Teilchen, das er zu Rowno stellte, darunter die drei Knaben, jeder mit einem Schwerte und jeder auf einem falben Pferdchen. Wernhard von Ottau, Wolf von Tusch und die von Hora und Attes und die vom Rosenberge waren noch besondere Häuflein; aber sie schlossen sich zu Abteilungen.

In der Mitte des Zuges waren die Karren mit der Habe, die teils von Pferden teils von Menschen gezogen wurden.

Sie gingen auf den Anhöhen zwischen Gesträuchen und auf Feldwegen, welche ihre Späher in den Tagen vorher erkundet hatten, dahin, damit, wenn Reiter auf sie eindringen wollten, dieselben schwer oder nur einzeln auf sie heran kommen könnten. Es kam aber keiner. Als die Morgenröte von Mähren her aufging, waren sie schon weit von ihrem Platze, und ehe die Sonne zum Abende neigte, stiegen sie zu der Ebene hinab, in welcher sich Wladislaws Lager befand, das weit verteilt war, und in dessen Mitte ein großes rosenfarbenes Banner wehte. Sie wurden, als man sie erkannt hatte, und als sie ihre Absicht angegeben hatten, zu denen gestellt, die von dem[273] Walde gekommen waren; denn der ganze Wald in seiner Länge hielt zu Wladislaw. Sie kamen zu denen, die weiter von Plan hinauf waren. Da standen die von Prachatic, die in den Schneehäusern wohnten, die in Wallernreut waren, die bis zu den Wildnissen des Ursprunges der kalten und warmen Moldau hinauf streiften, die vom Winterberge, die von dem Berge des reichen Gesteines, und andere.

Die Männer schritten daran, sich seßhaft einzurichten. Besonders suchten sie Stellen, auf welchen sie Feuer anzünden konnten, um an denselben kochen, und neben denselben ruhen zu können.

Witiko besorgte sein Pferd an einer guten Stelle, empfahl es dann der Obhut Jakobs und Raimunds, und verlangte zu dem Herzoge. Ein Mann von denen aus dem Walde, die schon länger da waren, erbot sich, ihn zu führen. Er ging voran, Witiko folgte. Sie kamen an allerlei Menschen vorüber. Zunächst waren noch die aus dem Walde. Sie hatten fast keine Zelte. Sie hatten sich trockene Stellen ausgesucht, hatten dort Feuer angezündet, welche mit Klötzen großer Bäume oder mit Zaunpfählen oder Dachbalken genährt wurden, und hatten sich auf grobe Hüllen zu den Feuern nieder gelegt. Einige kochten Speisen. Die Ahornschäfte oder die Schäfte aus Ebereschen oder die Spieße aus der Steinbuche staken in Spitzhaufen neben einander in der Erde. Die wenigen Pferde waren in Stände verteilt, und mit Decken verhüllt. Dann kamen die von den fruchtbaren Feldern in dem Abende des Landes. Sie hatten grobe Linnen über Stangen gebreitet, darunter zu ruhen. Witiko sah die Leute Bolemils. Sie waren alle bei einander. Die großen starken Männer, die er gesehen hatte, standen in einem Haufen, und blickten auf ihn. Den grünen Reiter sah er auch, der mit ihm gesprochen hatte, und mehrere, die an ihm vorüber gezogen waren. Es redete keiner von ihnen mit[274] ihm. Es war ein großes schönes Gezelt aus wachsgetränkter Leinwand da, welches aber leer und offen war, daß die Luft durchziehen konnte.

»Da drinnen wohnt ihr Führer Bolemil«, sagte der Mann, der bei Witiko war, »aber er ist jetzt bei dem Herzoge.«

Die Pferde der Männer standen in langen Reihen von Ständen dahin. Dann kamen die aus der Mitte des Landes. Sie hatten viele Zelte. Sie trugen die weiten Gewänder mit metallenen Gürteln hoch hinauf geschürzt, und hatten Hauben tief in Stirn und Nacken geschnitten. An den Zeltstangen hingen zahlreiche Bogen und Köcher so wie Schilde und andere Geräte. Tische und Bänke standen da, und Weiber verrichteten Hausgeschäfte. Dann kamen die Krieger von Prag. Sie hatten bunte Gezelte schöne Waffenkleider Schwerter Lanzen Schilde glänzende Kissen und Decken und mutige Pferde in langen Reihen. Die Pfeifer und Flötenspieler ließen fröhliche Weisen hören.

»Da gehest du nun über den breiten Raum, der hier leer ist, und von den Kriegsleuten, die auf ihm verteilt sind, wird dich einer fragen, und dich zu dem Herzoge führen«, sagte der Mann, der Witiko geleitet hatte, »das graue große und lange Gezelt, vor dem die Stange mit dem roten Banner ist, gehört dem Herzoge. Weiter hin, wo die Federn auf den Gezelten sind, lagern die von Dečin, welche Chotimir anführt, und dann sind die, welche von dem Riesengebirge gekommen sind. Den Rückweg zu unserem Lager wirst du schon allein finden.«

»Ich werde ihn finden«, sagte Witiko, »und ich danke dir für dein Geleite.«

»Nichts zu danken«, sagte der andere, und trat seinen Rückweg an.

Witiko ging auf dem Platze vor dem langen grauen Gezelte, davor das rosenfarbene Banner wehte, vorwärts, Hier war es weniger prunkend als in dem Lager der[275] Prager Krieger. Einige Abteilungen von Kriegern standen wohlgerüstet und geordnet da, manche Männer saßen auf den Pferden, Diener hielten ledige Pferde, und Geleite schienen auf Herren zu warten. Als Witiko in gerader Richtung gegen das graue Gezelt ging, trat ihm ein Mann aus einer Rotte, die mit ihren Speeren da stand, entgegen, und sagte: »Wer bist du, und wohin gehst du?«

»Ich bin Witiko von Přic, und gehe zu dem Herzoge«, antwortete Witiko.

»Du mußt hier warten«, sagte der Mann.

Witiko blieb stehen, und wartete.

Der Mann ging zur Rotte, und sagte einem etwas. Dieser trat vor, ging gegen das Gezelt, kam wieder zurück, und machte die Meldung. Der Mann, welcher Witiko aufgehalten hatte, trat nun wieder zu ihm, und sagte: »Du bist der rechte Witiko in dem ledernen Gewande, und darfst zu dem Herzoge gehen.«

Witiko schritt nun ungehindert bis zu dem grauen Gezelte. Vor demselben standen Krieger, und ein Mann in einem glänzenden Waffenkleide sagte zu Witiko: »Witiko, du mußt hier warten, bei dem Herzoge ist Rat.«

Witiko sah den Mann an, der seinen Namen genannt hatte, er kannte ihn aber nicht.

Er blieb bei den Kriegern stehen.

Nach einer Stunde kam ein junger schlanker Mann aus dem Gezelte. Er hatte schwarze Haare, auf denselben eine schwarze Haube mit einer kurzen grauen Reigerfeder, um die Brust hatte er ein schimmerndes Waffenhemd, und von dem stählernen Gürtel hing in rotsammetner steinbesetzter Scheide das Schwert. Witiko blickte gegen ihn, und rief: »Odolen!«

»Ja, du lederner Reiter, bist du endlich gekommen, du toller Kopf, gehe hinein, daß dich der Herzog strafe«, sagte der andere, nahm ihn bei der Hand, schüttelte sie[276] ihm, und sah ihm mit den schwarzen Augen freundlich in das Angesicht. Dann schob er mit dem andern Arme die Falte des Gezeltes bei Seite, und führte Witiko in das Innere.

Dasselbe war ein großer langer Raum, in welchem ein langer Tisch aus Tannenholz stand von vielen Feldstühlen umgeben. Witiko sah hier viele Leute, die er kannte. An dem oberen Ende des Tisches saß Wladislaw der Herzog. Sein Haupt war entblößt, und hatte die blonden Haare nieder gestrichen. Die schwarze Haube mit der kurzen geraden weißen Feder lag neben ihm auf dem Tische. Er hatte ein Panzerhemd an, und dunkelbraune Kleider. Der Gürtel war aus Metallfäden gewirkt, und das Schwert hatte eine braunsammetne Scheide ohne Steine. Neben ihm saß auf einem Stuhle der greise Bolemil in schwarzem Sammetgewande. Links von ihm und ein wenig weiter zurück stand Zdik der Bischof von Olmütz mit seinem braunen Barte und in Waffenrüstung. Dann saß Diwiš der Kastellan von Saaz in dunklem Gewande, und dann Lubomir in schwarzem Kleide mit dem weißen Barte und den weißen Haaren. Neben Bolemil standen zwei Äbte mit Kreuzen und in der Rüstung. Den einen erkannte Witiko als den von Kladrau, der ihn vor zwei Jahren in der Versammlung auf dem Wyšehrad vorgestellt hatte, den andern hielt er für den Abt von Břewnow. Hinter ihnen stand jener Priester Daniel in Rüstung, der das Kreuzlein beglaubigt hatte, welches Witiko nach Prag mitgegeben worden war. Dann sah er Ben, welcher in der Versammlung auf dem Wyšehrad der zweite Führer des Hauses gewesen war, und neben ihm Smil, den er auch in der Versammlung gesehen, und den er schon auf dem sächsischen Zuge als Kriegsanführer kennen gelernt hatte. Dann erblickte er noch Nemoy von Netolic und Ctibor von Austi, und an der Stelle, wo er herein gekommen war, standen junge[277] Männer, die er in jenem fröhlichen Ritte hinter der Župenstadt Chynow bei dem scharlachroten Reiter gesehen hatte, der jetzt Herzog war, Odolen, Welislaw, die zwei Söhne Smils, Ben der jüngere, Casta der jüngere. Sonst waren noch Männer und Herren da, welche Witiko nicht kannte. Vor dem Bischofe Zdik saß neben dem Herzoge ein Mann in schöner kirchlicher Kriegertracht, es war Otto der neuerwählte Bischof von Prag. Er schien den Ehrenplatz an der andern Seite des Herzogs dem greisen Bolemil überlassen zu haben. Neben dem Bischofe standen zwei junge Männer. Sie waren veilchenfarb gekleidet, hatten ein schimmerndes Waffenhemd, einen silbernen Gürtel, und auf dem Haupte eine veilchenfarbene Haube mit einer geraden grauen Feder. Sie waren die Brüder des Herzogs Diepold und Heinrich, die sich gleich gekleidet hatten. Dann waren noch Božebor und Wšebor da in Waffenhemden, die alten Männer Preda und Milota in weiten gegürteten Gewändern, dann Bartholomäus und Gervasius in kriegerischem Priesterschmuck, Chotimir und Předbor in Rüstungen, und mehrere andere.

Als Witiko eintrat, waren die meisten der Herren von ihren Sitzen schon aufgestanden, und sprachen mit einander.

Auf dem Tische neben dem Herzoge lagen mehrere Schriften.

Da Witiko durch die Zahl der jungen Männer, die am Eingange standen, vorwärts in den freien Raum getreten war, wurde es stiller, und manche Blicke wendeten sich auf ihn.

»Tritt näher, Witiko«, rief der Herzog.

Witiko ging bis zu dem Herzoge vorwärts, und verneigte sich. Dieser stand auf, reichte ihm die Hand, und sagte: »Sei willkommen. So bist du doch gekommen, dem schlimmen Herzoge zu dienen? Oder bringst du ihm die[278] Absage in eigener Person, wie du es getan hast, nachdem ihm andere in Prag gehuldigt hatten?«

»Nein, hoher Herr«, entgegnete Witiko, »ich bin gekommen, dir zu dienen, und bringe einige arme Waldleute mit.«

»Ich weiß es«, antwortete der Herzog, »es ist mir schon gesagt worden. Du bist in den Wald trotzen gegangen, Witiko, bist du nicht ein unvernünftiger Mann?«

»Ich habe die Vernunft in einer andern Gestalt als in der ihrigen nicht erkannt«, sagte Witiko.

»Da war gar keine Vernunft in gar keiner Gestalt, als du mich kennen lerntest«, entgegnete der Herzog, »aber du hättest die Zeit abwarten sollen.«

»Ich bin von dir fortgegangen, hoher Herr«, sagte Witiko, »weil ich dem Herzoge Soběslaw, wenn er auch tot war, dienen wollte, und weil, wenn auch Soběslaw seinem Sohne Wladislaw geraten und ihm geboten hatte, sein in Sadska erworbenes Nachfolgerecht auf dich zu übertragen, er es nicht getan hat, und mir sein Recht zu bestehen schien. Jetzt aber hat er es weggeworfen, und auf einen unbefugten Mann kommen lassen, und es fällt auf dich, weil du gewählt bist, und dich Soběslaw anerkannt hat, du bist der Herzog, und ich bin gekommen, meine Pflicht zu erfüllen.«

»Seht ihr, die ihr dort unten steht, ich habe es gesagt, daß er kommen wird«, entgegnete der Herzog, »und es freut mich, daß du es wahr gemacht hast, Witiko, du gutes junges Blut. Das Land bedarf der Ehre, und hier ist sie um mich versammelt. Du darfst nun so wie diese Männer, die du hier siehst, ohne daß dich meine Wachen aufhalten können, zu mir in mein Zelt kommen, wenn du willst. Du und dein Anhang werdet auf dem äußersten rechten Ende des Heeres sein, und Smil wird die Oberleitung bei euch übernehmen. Ihr könnet dann meinem treuen Diener Načerat begegnen, der von Mähren[279] gegen uns herüber kommen wird. Eure Untereinteilungen und Führerschaften möget ihr behalten, wie ihr sie eingerichtet habt, daß die beisammen sind, welche sich lieben, und sich wechelweise zu verteidigen geneigt sind. Jetzt gehabe dich wohl, Witiko, und komme bald wieder zu mir.«

Witiko verneigte sich, und trat zurück. Als er vor dem alten Bolemil vorüber ging, neigte er sich auch vor diesem.

Bolemil sagte zu ihm: »Du hast den rechten Weg gefunden, mein junger Knabe. Es freut mich deinetwillen.«

»Ich habe es ihm gesagt, daß er ihn finden wird«, sprach über den Tisch herüber Lubomir.

»Du hast gut getan wie auf dem Wyšehrad, mein Sohn«, sagte Diwiš.

Witiko ging bis zu den jungen Männern, die an der Tür standen. Sie umgaben ihn, begrüßten ihn, reichten ihm ihre Hände, und drückten die seinigen.

Der Herzog aber rief: »Ihr Herren, Bischöfe Prinzen Lechen Führer und andere! Wir haben beraten, und was beschlossen worden ist, wird in Vollzug gesetzt werden. Ich verabschiede euch für heute, daß ihr die Zeit dieses Tages noch für euch verwendet. Ich danke euch, und bitte euch, daß ihr dem Lande wieder zur Seite steht, wenn es eurer bedarf.«

Nach diesen Worten neigte er sich vor der Versammlung, nahm seine Haube von dem Tische, und setzte sie auf das Haupt.

Die Männer, die noch gesessen waren, erhoben sich, alle in der Versammlung grüßten gegen den Herzog, und begannen, sich aus dem Gezelte zu entfernen.

Die jungen Männer, welche an der Tür standen, wichen zu beiden Seiten zurück, und es gingen an ihnen die Bischöfe die Prinzen die Lechen die Führer und die älteren Männer hinaus. Da dieses geschehen war, nahmen die[280] jüngeren Witiko in die Mitte, und führten ihn auch in das Freie. Dort warteten sie wieder. Den Prinzen Diepold und Heinrich wurden von Dienern ihre Pferde zugeführt, sie bestiegen dieselben, und ritten mit einem Gefolge nach ihrem Lager. Die Bischöfe gingen zu ihren Pferden, und ritten in einem Geleite von Priestern und Dienstmännern gegen ihre Gezelte. Bolemil wurde in die Sänfte gehoben, von vielen, die mit ihm in das Lager gekommen waren, umringt, von den Sänftenmännern gehoben, und fortgetragen. Lubomir ging zu Witiko, blickte ihn freundlich an, und sagte: »Wenn alles vorüber ist, und uns Gott erhalten hat, dann komme wieder nach Daudleb, Witiko, und nimm eine gern gegebene Gastfreundschaft an.«

»Ich werde kommen, wenn es Gott gefällt«, antwortete Witiko, »und werde wieder wie früher Eure gütigen Worte hören.«

Dann trat Lubomir zu den Seinigen zurück, und seine Söhne und seine Töchtermänner umringten ihn. Sie stiegen alle zu Pferde, und schlugen den Weg in ihr Lager ein.

Smil sagte zu Witiko: »Wir werden unser Werk mit einander schon in Eintracht vollführen, junger Kriegsmann.«

Dann ging er zu seinem Gefolge.

Die andern zerstreuten sich alle nach ihren Richtungen.

Jetzt fingen auch die jungen Männer an, den Platz zu verlassen.

Odolen Welislaw, die Söhne Smils, Casta und Ben die jüngeren, denen sich noch einige junge Krieger anschlossen, erboten sich, Witiko zu den Seinigen zu begleiten. Er sagte, daß er kein Pferd mit sich genommen habe. Sie ließen also ihre Pferde auch bei ihren Dienern zurück, und gingen mit ihm auf dem Wege, auf dem er hergekommen war, zu den Waldleuten.[281]

Die Männer von Plan hatten indessen für Witiko ein Zelt errichtet. Sie hatten grobe Wolltücher, wie sie an Säcken oder Bündeln auf den Gepäckkarren hatten, über schiefe Stangen gedeckt, und im Innern aus Pfählen und Brettern ein Bänklein ein Tischlein und ein Lager gemacht, auch stand die kleine Truhe darinnen, in welcher Witiko seine Feldhabe hatte. Vor dem Gezelte brannte ein Feuer, und an demselben kochte der rotwangige Neffe des Schmiedes von Plan Urban eine Speise. Die Knechte Witikos Jakob und Raimund halfen ihm. Weiterhin brannten noch mehrere Feuer, an denen Leute lagerten. Als die Männer von Plan Witiko in dem Geleite der jungen Krieger mit den schönen Gewändern kommen sahen, standen viele auf, und blickten erstaunt auf sie. Die Begleiter Witikos aber schüttelten ihm die Hand, verabschiedeten sich, er dankte ihnen, und sie gingen wieder zu dem Zelte des Herzoges und zu ihren Pferden zurück.

Witiko ging in das Zelt, besah es, und dankte denen, die es errichtet hatten. Dann ruhte er ein Weilchen. Hierauf aß er mit mehreren von der Speise, die bereitet worden war, und sah nach seinem Pferde.

Dann ging er an der Zeile dahin, und betrachtete auch noch die anderen Dinge, welche errichtet worden waren. Da hatten sich einige Männer zusammen ein Obdach gemacht, oder einer allein hatte sich eine Haut oder dergleichen gespannt, oder sie hatten für ihren Obmann gesorgt. Rowno hatte ein geräumiges Zelt, so auch Diet von Wettern, Osel war mit seinen drei Söhnen in einem, dann der von Ottau von Tusch und andere.

Es war indessen Abend geworden, und es begann zu dunkeln. Zu dem großen Feuer, welches vor Witikos Zelte brannte, kamen nun Männer, wie sie in Winterabenden zu seiner Leuchte in dem steinernen Hause gekommen waren. Er reichte ihnen Brod und Salz, und sie nahmen[282] es. Sie setzten sich an das Feuer, und es wurde von verschiedenen Dingen gesprochen. Als die neunte Stunde sein mochte, entfernten sie sich, und suchten, so weit es anging, die Ruhe. Witiko legte sich im Zelte auf sein Lager. Daneben hatten Raimund und Jakob auf der Erde Schlafstellen.

Am frühesten Morgen sprach Witiko mit Rowno und Diet, was zu tun sei, und riet, daß man die Anordnung und Aufstellung der Männer bewirken, und sehr gut einüben möge. Die beiden andern waren einverstanden. Witiko stellte die, welche sich zu ihm gesellt hatten, auf. Rechts an diese schlossen sich die Leute Rownos, und von diesen wieder rechts waren die, welche zu Diet gehörten. Die Reiter wurden zwischen den Fußgängern in kleinen Häuflein aufgestellt, wie es ersprießlich schien. Unter den Reitern war Osel mit seinen drei Söhnen. Als die Aufstellung vollendet war, löste man sie auf, bildete sie wieder, löste sie wieder auf, bildete sie wieder, und tat dieses mehrere Male, und sagte den Männern, daß man diese Übung alle Tage so lange machen werde, bis jeder genau seinen Platz kenne, und sich alles schnell ohne Wirrnis fügen könne. Die Männer begriffen dieses, und willigten ein. Von Witiko weiter gegen den Herzog zu waren Leute aus dem Waldsaume hauptsächlich aus der Gegend des Plakahofes. Dann kamen die Leute Bolemils. Von Diet gegen rechts waren noch die ferneren Waldleute aus Prachatic Winterberg und weiterhin. Alle diese nahmen an den Übungen nicht Teil, weil sie andern Unterführern gehorchten.

Gegen den Mittag kam Smil mit seinen beiden Söhnen und einer Schar von Reitern zu den Leuten des Waldes, und kündigte sich ihnen als ihr Oberführer an, der nun hier bei ihnen bleiben, und unter ihnen lagern wolle. Er sammelte sogleich einen Rat von mehreren Männern. Da waren Witiko, Rowno, Diet von Wettern, Osel, Wolf[283] von Tusch, Wernhard von Ottau, Witislaw von Hora, Hermann von Attes, Wyhon von Prachatic, Wenzel von Winterberg und noch andere. Sie berieten die Aufstellung und Einteilung der Männer. Es wurde die beibehalten, welche schon gemacht worden war. Nur die Reiter stellte Smil anders.

Am Nachmittage wurden ihm und seinen Söhnen und seinem Geleite Zelte gemacht.

An jedem Tage wurden die Übungen fortgesetzt. Zu der andern Zeit durften die Männer auch herum gehen, und sehen, was außerhalb ihres Platzes geschehe, wie sie sich dort übten, oder erlustigten, oder wie neue Zuzüge kamen, oder Lebensmittel eingebracht wurden.

Witiko ging öfter zu dem Herzoge. Auch die andern Unterführer wurden zu ihm beschieden.

Der Herzog kam auch mehrere Male mit seinem Geleite zu den Waldleuten, besah ihre Aufstellung und Einteilung, prüfte sie, belobte sie, munterte sie zu Übungen auf, und sprach mit mehreren.

Die jungen Männer besuchten zuweilen Witiko, und er besuchte sie wieder.

So war der zwanzigste Tag des Monates April gekommen.

An diesem Tage wurde die Weisung gegeben, sich für den zweiten Tag zum Abzuge gegen den Feind zu rüsten. Im ganzen Lager wurde die Weisung vollführt. Die Zelte wurden abgebrochen, die Wagen geladen, und die Leute geordnet.

Mit dem Morgengrauen des zweiundzwanzigsten Tages des Monates April begann die Bewegung. Sie war so geordnet, wie das Lager geordnet gewesen war. Die Waldleute gingen voran. Sie hatten Pfeifer mit langen geraden Pfeifen, die helle Töne gaben. Zunächst hinter ihnen gingen und ritten die aus dem Waldsaume, und hatten Sackpfeifer und Flötenspieler. Weiter von denen kamen Bolemils[284] Leute mit Trompeten und Hörnern, und weiter die andern.

Als der Mittag dieses Tages schien, kamen Witiko und Rowno und Diet, und die zu ihnen gehörten, auf dem Berge Wysoka an. Der Hof, den sie früher besetzt gehabt hatten, war nun verbrannt und zerstört. Sie gingen an ihm vorüber, weiter mittagwärts, um auf dem Grün des Berges zu lagern.

Gegen Ende des Tages war das ganze Heer auf dem Berge angekommen.

Der nächste Tag wurde dazu verwendet, sie so aufzustellen, wie die Kampfbereitschaft es forderte. Sie lagerten nun in dieser Ordnung.

Da der Morgen des vierundzwanzigsten Tages des Monates April angebrochen war, konnte man die Scharen der Verbündeten sehen, und die weißen Banner derselben in dem Grün des Landes erblicken.

Es trafen hierauf Boten von den Feinden ein, welche Friedensfähnlein trugen, und berichteten, daß mehrere der großen Herren und Lechen, die bei Konrad wären, zu Wladislaw kommen wollten, um mit ihm den Streit friedlich beizulegen.

Bolemil, der herbeigetragen wurde, sagte: »Höre sie, Herr, vielleicht ist doch noch der morgige Tag zu wenden.«

Der Herzog sagte: »Ich werde sie hören.«

Er ließ Friedensfahnen aufstellen, und melden, daß die Lechen kommen sollen.

Er berief die Seinen zusammen. Es war auf dem Platze vor dem verbrannten Hofe. Er und die Herren saßen auf Stühlen, die jüngeren Männer standen, und hinter ihnen im großen Kreise waren Reiter und erlesene Fußgänger aufgestellt.

Gegen den Mittag erschienen die Lechen. Sie kamen mit einem großen Gefolge von Reitern heran. Als sie gegen den Herzog ritten, wurde ihnen das Zeichen zum Halten[285] gegeben. Sie hielten. Die Herren stiegen von den Pferden, die Reiter stellten sich hinter ihnen dicht geschart auf. Die Herren näherten sich dem Herzoge. An ihrer Spitze ging in ein weites geschürztes rotsammetnes Gewand gekleidet entblößten Hauptes Načerat, neben ihm war der alte Mikul und der alte Rodmil, dann war Znata der Bruder Načerats, sie waren auch in weite geschürzte Gewänder gekleidet. Dann waren noch Domaslaw, Slawibor, Drslaw und Jurata in Rüstung. Alle hatten die Häupter entblößt.

»Setzt euch, und bedeckt euch«, sagte der Herzog.

Sie setzten sich auf die Stühle, die dem Herzoge und den Seinigen gegenüber aufgestellt waren, und bedeckten ihre Häupter.

»Es rede, wer von Euch zum Reden erlesen ist«, sagte der Herzog.

Da erhob sich Načerat, entblößte neuerdings sein Haupt, und wollte sich dem Herzoge nähern.

»Načerat«, rief dieser, »im Feldrate raten wir immer sitzend und bedeckt, und wir wollen es heute auch so halten.«

Načerat befolgte die Weisung, und sprach dann von seinem Sitze: »Erlauchter Sprößling des geheiligten Stammes Přemysl, hochgeehrter Sohn des ruhmreichen und milden und gütigen Herzoges Wladislaw! mich sendet Konrad der Herzog der Länder Böhmen und Mähren an dich, und bietet dir seinen liebreichen Gruß als Vetter und Herr, es bieten dir die liebreichen Grüße Wratislaw von Brünn, Otto von Olmütz, Spitihněw und Leopold, dann Wladislaw der Sohn des letzten ehrwürdigen Herzoges Soběslaw lauter Vettern von dir und Sprossen des heiligen Stammes Přemysl. Sie wollen dir nur Liebes und Gutes, sie wollen, daß kein Blut vergossen werde, und daß keine weitere Habe mehr von den armen Leuten dieser Länder zu Grunde gehe, als zu ihrem großen Schmerze[286] und zu unser aller Schmerze schon zu Grunde gegangen ist. Sie lassen dich durch mich fragen, was du begehrest, damit diese Heere, welche sich jetzt gegenüber stehen, sich friedlich als Kinder der nämlichen Länder vereinigen, und dann auseinander gehen. Sie werden mit Freude erfüllen, was dein Herz wünschet.«

»Načerat«, antwortete der Herzog, »Diener der Länder Böhmen und Mähren, der du oft im Rate dieser Länder geredet hast! daß du auch hier wie im Rate reden darfst, danke dem alten Manne mit den weißen Haaren neben mir, den ich verehre wie einen Vater, und den du in der Versammlung auf dem Wyšehrad sprechen gehört hast. Meinen lieben Vettern sage meine Wünsche. Sie sollen das Heer entlassen, und von mir dem Herzoge von Böhmen und Mähren für sich und ihre Verbündeten um Gnade flehen.«

»Hoher erlaubter Herr«, entgegnete Načerat, »du sagst Unmögliches. Konrad von Znaim ist der Herzog der Länder Böhmen und Mähren, er steht mit einem sehr großen Heere vor dir, wie kann es einen andern Herzog geben? Er wird dir mit vieler Liebe Znaim und weitere Ländereien erteilen.«

»Und wie ist Konrad von Znaim der Herzog der Länder Böhmen und Mähren geworden?« fragte der Herzog.

»Er ist von den erhabenen Söhnen des Stammes Přemysl und von den großen und mächtigen Lechen und Herren dieser Länder dazu gewählt worden«, antwortete Načerat.

»Hier sitzt mein Bruder Diepold, ein Sohn des Stammes Přemysl«, entgegnete der Herzog, »neben ihm sitzt Heinrich mein Bruder, ein Sohn des Stammes Přemysl, dann bin ich selber auch ein Sohn des Stammes Přemysl, dort sitzt Otto der Bischof von Prag, neben ihm sitzt Zdik der Bischof von Olmütz, dann sitzen die Äbte von Kladrau Wilimow und Břewnow, dann sitzt Daniel der[287] Propst von Prag, und es sitzen andere Priester und Diener Gottes hier. Da sitzt der ehrwürdigste Leche der Länder, Bolemil, dessen Redlichkeit, wie sie sagen, nicht gebeugt werden kann, dann sitzt Lubomir, dann Diwiš, Wšebor, Chotimir, Preda, Milota, und wie du sie weiterhin alle kennest, haben die auch zu Konrads Erhöhung mitgewählt?«

»Sie sind gegen den Herzog in den Waffen«, sagte Načerat, »und ich bin von ihm als Bote zu ihnen gesendet, um ihnen Liebes zu bieten.«

»Am vierten Tage des Monates Hornung des Jahres 1140«, entgegnete der Herzog, »ist von allen Lechen Herren und Wladyken der Länder Böhmen und Mähren nicht bloß von einem Teile auf dem Wyšehrad ein Herzog gewählt worden, am siebenzehnten Tage des nämlichen Monates ist er auf den Fürstenstuhl gesetzt worden. Wohin ist jener Herzog gekommen, und wann ist Konrad auf den Fürstenstuhl gesetzt worden?«

»Es erfüllet mich mit großem Schmerze, was ich jetzt sagen muß, hoher und erlauchter Herr«, antwortete Načerat, »jener Herzog hat geschworen, daß er die Rechte der Länder schützen und achten werde, und es ist, da er den Fürstenstuhl inne hatte, anders geworden. Die Lechen waren gekränkt, und haben, weil durch den Wegfall des Beschworenen die Wahl nichtig geworden war, den erhabenen Fürsten des Stammes Přemysl Konrad zum Herzoge gewählt. Auf den Fürstenstuhl ist er noch nicht gesetzt, aber er ist jetzt auf dem Wege nach Prag, um dort auf denselben gesetzt zu werden.«

»Hast du die völlige Macht, mit mir vollständig und bis in das Reine abzuhandeln und abzuschließen, Načerat?« fragte der Herzog.

»Ich habe diese Macht«, antwortete Načerat.

»Nun so höre, und handle, und schließe auf folgende Dinge mit mir ab«, entgegnete der Herzog, »oder wenn[288] du nicht abschließen kannst oder willst, so verkündige die Dinge denen, die dich gesandt haben. Ich verzeihe den Fürsten des Stammes Přemysl, daß sie sich gegen mich erhoben haben, und belasse sie in ihren Besitzungen und Rechten, ich verzeihe den Priestern Lechen und Herren ihre Empörung gegen mich, und belasse sie in ihren Besitzungen Rechten Ämtern und Würden, ich verzeihe jedem, der gegen mich aufgestanden ist, und werde ihn nicht verfolgen und schädigen, wenn sie sich unterwerfen, die Waffen niederlegen, und die Verzeihung verlangen.«

»Auf diese Dinge kann ich nicht abhandeln und abschließen«, erwiderte Načerat; »denn Konrad ist der Herzog der Länder Böhmen und Mähren, und muß es bleiben.«

»Hochehrwürdige Bischöfe Äbte Priester und Diener des Herrn, Söhne Přemysls Diepold und Heinrich, ehrwürdige Lechen Wladyken und Männer, die ihr um mich versammelt seid«, sagte der Herzog, »habe ich genug getan?«

Otto der Bischof von Prag stand auf, und sagte: »Bolemil möge reden.«

Der Bischof Zdik sagte: »Es rede Bolemil.«

»Bolemil rede«, riefen mehrere Stimmen.

Es wurde stille, Bolemil neigte das Haupt mit den weißen Haaren, und sagte nichts. Nach einer Weile erhob er es, sah den Herzog an, und sprach: »Es ist genug.«

»Es ist genug«, riefen die Stimmen um den Herzog.

»Hebe dich hinweg, Načerat«, sagte der Herzog, »doch halt. Wenn du nicht auf dem höchsten Baume hängst, so dankst du es meinem Wunsche, Blutvergießen zu vermeiden, weshalb ich die Unterhandlung zuließ. Dein Geschick wird dich ereilen. Meinst du, durch die Wahl allein wird der Herzog? Mich hat auch Soběslaw anerkannt. Du bist nie an der Spitze eines Volkes gestanden, das dir traut, das sein Wohl in deine Hände legt, und dem dein[289] Gewissen entgegen schlägt, du weißt daher nicht, was in das Herz kömmt, wenn man diese Pflicht übernimmt. Du kennst nur dein Gelüste und die Macht, die du gegen das Volk ausüben möchtest. Du bist nicht das Land, Načerat, und wenn ich jetzt, um das Blut zu schonen, das fließen wird, nachgäbe, so hättet ihr, die ihr Herzoge macht, den Erfolg für euch, der Fürstenstuhl würde in eurer Hand ein Spielzeug, mit dem ihr handeltet, und das Land würde in unabsehliche Verwirrung und Blutvergießung gestürzt werden. Ja, ich will das Land schützen und schirmen, wie ich es geschworen habe, aber gegen euch und euren Übermut. Und wenn mein Vorgänger der ehrwürdige Soběslaw euren Willen nicht tat, und wenn dessen Vorgänger mein gütiger und milder Vater euren Willen nicht tat, und wenn ich bisher deinen Willen nicht tat, Načerat, so werde ich diesen Willen und den Willen derer, die gegen mich in den Waffen stehen, jetzt noch weniger tun. Ihr habt die Zeit gewählt, in welcher der Markgraf Leopold von Österreich tot und sein Bruder Heinrich in die neuen Wirrsale mit Baiern verwickelt ist; aber wenn mir der allmächtige Gott das Leben schenkt, so werde ich die Mittel gegen euch erstreben, bis ich den letzten Zug meines Atems getan habe, und auf euren Seelen liegt das Elend, das entstehen wird. Jetzt gehe.«

»Möge immer Segen und Heil auf deinem Haupte ruhen, erlauchter Herr«, entgegnete Načerat, »ich verabschiede mich, und gehe zu dem Herzoge.«

Načerat erhob sich bei diesen Worten von seinem Sitze, neigte sich in seinem rotsammetnen Kleide vor dem Herzoge, und wendete sich zum Gehen. Die um ihn waren, wendeten sich gleichfalls, setzten wie er ihre Hauben, die sie zum Abschiedsgruße gelüftet hatten, wieder auf das Haupt, gingen zu ihren Pferden, bestiegen sie, vereinigten sich mit ihrer Begleiterschar, und ritten mit dieser davon.[290]

»Jetzt rüstet die Schlacht«, riefen zahlreiche Stimmen um den Herzog.

»Es ist noch nicht genug«, sagte der Herzog, »Otto, Bischof von Prag, tritt her zu mir, Daniel, du Priester des Herrn, und tretet hervor Chotimir, Jurik, Nemoy und Ctibor, besteigt schnelle Rosse, nehmt die hundert Reiter meiner Gezelte zur Begleitung, und reitet in Hast mit dem Friedensfähnlein zu Konrad von Znaim und den andern Fürsten des Stammes Přemysl. Wir wissen nicht, ob Načerat ihnen das Rechte von uns sagen wird, und ob er uns das Rechte von ihnen gesagt hat, ihr aber sprecht: Wladislaw der Herzog von Böhmen und Mähren verzeiht jedem Menschen, der an diesem Tage gegen ihn in den Waffen steht, er läßt einem jeden Ämter Würden Besitzungen Rechte, die er hat, und es soll alles sein, wie es zuvor gewesen ist, wenn die Waffen niedergelegt werden, und man zu seiner Pflicht zurückkehrt. Der Herzog tut dieses darum, daß nicht Menschen, welche dieselbe Sprache reden, dieselben Kleider haben, dieselben Fluren bewohnen, dieselben Voreltern zählen, dieselben Gesichtszüge tragen, sich zerfleischen. Ist aber einmal das Blut unseres Landes geflossen, dann muß es gesühnt werden, und die Strafe muß folgen, so hart sie verdient wird. Zu Otto von Olmütz aber sagt: Der Herzog Wladislaw hat dir, den er aus der Verbannung durch eigene Boten zurück geholt hat, das Herzogtum Olmütz gegeben: was kann dir zu Teil werden, Otto, wenn du betest, daß dir gemessen werde, wie du andern gemessen hast? Wenn ihr gesprochen habt, erwartet die Antwort. Unterwerfen sie sich, so reitet mit gehobenen Friedensfähnlein in dieses Lager; verweigern sie es, so senket die Fähnlein, daß wir es von weitem sehen, und uns richten können.«

»Wir werden deine Sendung vollbringen, hoher Herr«, sagte der Bischof von Prag.

Dann entfernten sich die Männer, um ihren Weg anzutreten.[291]

Im späten Nachmittage kamen sie mit gesenkten Fähnlein.

Als sie vor dem Herzoge standen, sagte Otto der Bischof von Prag: »Hoher Herr, sie haben deinen Antrag verworfen, und verlangen, daß du kommest, und Konrad huldigest.«

Chotimir warf sein Friedensfähnlein von dem Pferde in das Gras, und sagte: »Daniel hat zu ihnen Worte gesprochen, wie die Priester aus den heiligen Büchern; aber es war vergebens, und sie mögen in die Hölle fahren, die Hunde.«

»Es ist genug«, sagte der Herzog, »kommt zum Rate über die Schlacht.«

Sie setzten sich nun vor dem verbrannten Hofe zum Rate.

Als er geendet war, sagte der Herzog: »So sei also die Ordnung, wie wir beschlossen haben. Nun esse jeder, und bete, und ruhe unter dem Zelte, wenn er ein Zelt hat, auf der Decke, wenn er eine Decke hat, und auf dem Grase, wenn ihm Gras hinreicht. Und ehe der Morgenhimmel sich grau färbt, werden die Zelte und die Wagen und die Geräte hinter uns gebracht, und wir stehen da. Und sobald unsere Späher sich auf uns zurückziehen, und wir die Banner der Gegner vor uns sehen, dann beginnen wir mit der Hilfe Gottes des Allmächtigen, was not tut. Der Ruf des Tages sei: Heiliger Markus!«

Die Männer entfernten sich hierauf von dem Rate, und sie und das Heer genossen ihre Abendspeise, und ruhten dann einige Stunden in der Schlachtordnung.

Ehe der Tage graute, wurden die Hindernisse zurück gebracht, und die Männer stellten sich auf. Witiko nahm seine Waffen, er hatte über seinem Lederkleide das Panzerhemd Adelheids, und sein Schwert hing an dem Gürtel, den sie ihm gesendet hatte. Auf dem Haupte trug er seine Lederhaube, und von dem Sattel seines Pferdes hing heute ein kleiner Schild, den er vorgerichtet hatte. Er bestieg sein Pferd, und ordnete auf seinem Platze seine[292] Leute. Er sagte nur die Worte: »Männer, wir gehören zusammen, und wollen beisammen ausharren.«

»Beisammen ausharren«, riefen alle.

Dann stieg er von dem Pferde, und blieb neben ihm unter seinen Leuten stehen. Rechts von ihm stand Rowno mit den Seinigen, und mit Osel und den drei Knaben, dann weiter Diet von Wettern und die andern. Die Waldleute hatten ein rosenrotes Banner von Wladislaw erhalten, und es wehte über ihnen. Links von Witiko befanden sich die aus der Gegend des Plakahofes und des Waldsaumes mit einem rosenroten Banner. Dann waren die Bolemils mit einem rosenroten Banner. Dann stand der Bischof Zdik und Ben mit den Männern der Mitte, dann Lubomir, dann war Diepold mit denen von Prag, und weiterhin, jeder mit einem rosenroten Banner. Dann war der Herzog mit auserlesenen Kriegern. Er hatte das große Banner, das vor seinem Zelte gewesen war. Dann war Chotimir von Dečin, dann Diwiš von Saaz, dann Božebor und Jurik, jeder mit dem roten Banner. Sie standen alle auf dem Berge Wysoka, und man konnte an den roten Seidenbannern die Seinigen absehen.

Als der Morgen helle geworden war, sah man die Feinde gegen den Rand des Berges. Sie hatten weiße Banner, und ihre Reihe war lange hin gedehnt und sehr groß.

Jetzt ging die Sonne auf, und da fielen die Männer von Plan, die um Witiko waren, auf die Kniee, und beteten. Witiko kniete auch nieder, und betete. Und die von Rowno fielen auf die Kniee, und beteten, und die von Diet, und alle weiterhin. Die aber links von Witiko aus der Gegend des Plakahofes und des Waldsaumes knieten nicht. Die Männer des Waldes murrten darüber.

Die Völker unten am Rande des Berges, welche dieselben Kleider hatten, dieselben Vorfahren zählten, dieselben Gesichtszüge trugen, wie die auf dem Berge, rückten nun langsam vor.[293]

Witiko trat zu dem Haupte seines Pferdes, liebkoste es, wie man ein vertrautes, vernünftiges Geschöpf liebkoset, und sagte: »Nur heute bleibe treu.«

Das Pferd gab Zeichen auf die Liebkosung zurück.

Dann nahm er den Schild von dem Sattel, und fügte ihn an den linken Arm. Er war weiß, und hatte in der Mitte eine dunkle fünfblättrige Waldrose. Witiko sagte laut, daß es seine Nachbarn hörten: »Wenn es wahr ist, Rose, daß du schon einmal geblüht hast, so blühe wieder.«

Dann bestieg er sein Pferd, stellte sich unter die Seinen, zog sein Schwert, und blieb unter ihnen stehen.

Jetzt kam Smil mit seinen zwei Söhnen und einem Geleite von Reitern nach vorwärts. Er war in sehr schönen grünen Sammet gekleidet, hatte ein schimmerndes Waffenhemd, Steine auf der Schwertscheide und einen Stein an der weißen Feder seiner Haube. Sein Pferd war schwarz mit einer scharlachroten Decke. Seine Söhne trugen auch grüne Gewänder aber lichtere, sie hatten glänzende Waffenhemden und rötlichfalbe Pferde wie einstens bei Chynow.

Smil ritt eine Strecke an den Waldleuten hin, dann hob er sein Schwert, und rief: »Gelobt sei Gott der Herr, ich grüße euch Männer und Brüder, wir wollen einander treulich helfen, und allen hilft Gott.«

Dann stellte er sich zum Befehle unter sie.

Die Reihe der Feinde kam nun so nahe, daß man die Kleider sehen konnte, und daß man zwischen den Kleidern das Schimmern von Panzern zu erblicken vermochte. Sie trugen weiße Abzeichen an sich. Sie erhoben jetzt ein großes Geschrei. Die Männer des Waldes waren ganz still, sie schlossen sich dicht an einander, senkten die Schäfte waagrecht, hielten ihre Köpfe tief, daß sich die Pfeile an den dicken hereingezogenen Filzhauben fingen, und gingen wie überhaupt das Heer Wladislaws vorwärts, indem sie mit ihren schweren Stiefeln in die Erde[294] drückten. Und wie der Zusammenstoß folgte, war das Herangehen der Feinde geendet, die Feinde waren nun selber ein Schild gegen die fliegenden Speere und Pfeile, und die Waldmänner drückten vorwärts.

Smil ragte in seinem Schmucke unter ihnen hervor, und lenkte die Ordnung.

Gegen die Männer aus der Gegend des Plakahofes und des Waldsaumes links von Witiko, die nicht zu dem Gebete niedergekniet waren, wurden von den Feinden keine Pfeile gesendet. Aber gegen Smil mehrte sich der Andrang, und es kamen Männer in Panzern zu Pferde, darunter der rothaarige Beneš, der junge Bohuš, der blonde Soben, der hochgewachsene Treba und der junge Stibor. Und sie wurden immer mehr. Aber Smil hielt sie mit seinen Reitern auf, und die zu Fuße neben ihm standen fest, und ließen den Drang nicht vorwärts. Da flog hinter den Panzerreitern ein Pfeil hervor Smil in das Angesicht, daß er tot von dem Pferde fiel. Er wurde von zwei Reitern aufgefangen, und hinter die Reihe getragen. Seine zwei Söhne ritten nun stürmend zur Rache vor; aber sie sanken schnell hinter einander zu Boden, daß die ledigen falben Pferde in die Reihen liefen. Jetzt kam Diet mit den Reitern der Waldpferde zu Hilfe. Die Pferde waren kleiner und schmächtiger als die der Panzerreiter, es kam Rowno mit seinen Männern, Osel mit den drei Knaben, Wernhard von Ottau und Witiko mit mehreren Reitern. Die kleinen Waldpferde flogen sofort unter die Panzerreiter, und Stan der Oheim Rownos stach den blonden Soben vom Pferde, ein Reiter Diets durchbohrte den jungen Bohuš, Treba fiel von der Lanze eines niederen Mannes, und Rowno schlug Stibor zurück. Beneš wich, und es wurde der Platz frei, auf dem die jungen Söhne Smils lagen. Ihre Körper wurden aufgehoben und hinter die Reihe getragen.

Witiko ritt nun schnell zu Rowno rechts, und dann zu[295] Diet und zu Wernhard und weiter bis zu Wyhon von Prachatic, und ermahnte zum Vorwärtsgehen, und gab Zeichen zu denen von Winterberg und Bergreichenstein, daß sie vorwärts gehen.

Die Männer des Waldes, auf deren Angesichtern der Zorn zu erblicken war, gingen vorwärts, sie zerstießen nun noch mehr mit ihren schwerbeschlagenen Stiefeln den Boden, und rannten nieder, was sich ihnen entgegen stellte, daß das Grün des Wysokaberges, auf dem sie oft, da sie sich in dem Hofe aufhielten, gegangen waren, sich mit Blut tränkte, und die zarten Gesträuche, die sie damals gesehen hatten, vom Blute rieselten.

Die rosenfarbene seidene Fahne, welche ihnen Wladislaw gegeben hatte, und welche ein starker Mann von Prachatic trug, war schon tief unten gegen den Rand des Berges, und wie Witiko links schaute, sah er das rosenfarbene Banner bei Bolemil auch schon gegen den Rand des Berges, und dann das von Lubomir auch schon, und das von Zdik und von Diepold, und das große seidene rosige Banner des Herzogs ragte fast im Herzen des Feindes, und dann das von Chotimir und Diwiš, und so fort.

»Wir siegen, wir siegen«, tönten mehrere Stimmen.

Da rief links von Witiko, wo die von der Gegend des Plakahofes und des Waldsaumes standen, welche nicht zu dem Gebete niedergekniet waren, eine laute Stimme, daß sie weithin vernehmlich war: »Rette sich, wer kann.«

Und die Reiter, welche an jener Stelle standen, flohen auf den Ruf der Stimme zurück oder zu den Feinden, die Fußgänger warfen die rote Fahne auf den Boden, und rannten zu den Feinden.

Witiko rief: »Laßt sie fliehen, jetzt ist die Ehre erst rein, und die Waldleute werden sie wahren. Schmied von Plan, drücke unsere Leute links, Osel, rücket links, Rowno, Diet, schreit es weiter nach rechts zu denen von Ottau und von Attes und von Prachatic und von Winterberg,[296] daß sie links rücken, zieht euch auch ein wenig zurück, daß der Kreis kleiner wird, laßt die Reiter zuerst auf den Platz jagen, daß das Offene weniger sichtlich ist, alle Heiligen im Himmel hassen den Verrat, ich eile an den Rand der Lücke, um Hilfe zu holen.«

Und als er diese Worte gerufen hatte, flog er mit seinem grauen Pferde über das Grün des Berges durch Gesträuche und Unebenheiten, wie er das Pferd im Walde gelehrt hatte, daß die Zweige fast den Bauch des Tieres streiften, bis er zu Scharen Bolemils kam, von deren Seite sich die Verräter losgelöst hatten. Die hohen Männer Bolemils saßen auf den Pferden, hatten ihr Banner tief in den Feind getragen, und kämpften mit ihm. Bolemil saß hoch in der offenen Sänfte, welche Pferde trugen, auf denen Reiter saßen. Er hatte den schönsten Schlachtschmuck an, trug ein Panzerhemd und schimmernde Steine auf der Haube. Die weißen Haare des Hauptes und des Bartes flossen auf das Waffenkleid. Er führte aus der Sänfte den Befehl. Die Reiter hatten den Verrat ihrer Nachbarn gemerkt, sie zogen sich kämpfend langsam zurück, und drückten gegen rechts.

»Bolemil«, rief Witiko, »lasse deine Leute gegen rechts gehen, Verräter haben einen Platz geräumt, der gefüllt werden muß, sende zuerst die Reiter, und lasse die Fußgänger folgen.«

»Mein Sohn«, entgegnete Bolemil, »ich weiß alles, und habe an Dalimil die Befehle schon gegeben. Reite links zu Lubomir.«

Und Witiko ritt zu Lubomir, und sagte ihm die Sache, und er ritt dann zu dem Bischofe Zdik, der sein Banner hart an den Feinden hatte, und berichtete ihm, und er ritt zu Ben; aber er fand Ben nicht mehr, derselbe war gefallen, und lag weit hinter den Reihen, wo man die Zelte gelassen hatte. Witiko ritt nun zu Diepold und von da zu dem Herzoge. Der Herzog hatte sein großes Banner[297] an der Stelle, welche die Mitte der feindlichen Reihe bezeichnete. Um ihn waren seine Reiter und erlesenen Männer. Odolen ganz in schwarze Kleider getan mit einer schwarzen Feder auf der Haube und in ein schwarzes glanzloses Waffenhemd gehüllt, war auf seinem schwarzen Pferde mitten in den Feinden, er warf nieder, was sich ihm nahte, und die Männer um ihn lüfteten den Raum. Neben ihm war Welislaw in blauem Gewande und mit guten Reitern, und weitete die Straße in die Feinde. Dann war Casta, der mit Reitern die Wucht der feindlichen Reiter drängte. Dann war Ctibor mit seinen Männern zu Pferde und neben ihm Beneda und der junge Zwest. Sie durchbrachen die Mauer der feindlichen Reiter. Dann war Bohuslaw, der junge Jurik, Sezima und Wecel. Um den Herzog, welcher in einem dunkelbraunen Gewande und in einem matten Waffenhemde und einer Spangenhaube ohne Feder auf einem schwarzen Rosse saß, waren Heinrich sein Bruder, Otto der Bischof von Prag, die drei Äbte und der Probst Daniel, Nemoy von Netolic, der alte Milota, Bartholomäus, der alte Preda, Gervasius und Wšebor. Dem Herzoge gegenüber in den Reihen der Feinde war Konrad von Znaim, den die Mährer zum Herzoge von Böhmen und Mähren gewählt hatten, Wratislaw von Brünn, Otto von Olmütz, Spitihněw der Sohn Bořiwoys des Oheims des Herzoges, der alte Mikul, der alte Rodmil, Domaslaw mit roten Federn auf dem Haupte, Slawibor, Bogdan, Mireta, Strich und Jurata. Sie hatten das große weiße Banner ihres gewählten Herzoges bei sich.

Witiko kam auf seinem Pferde zu dem Herzoge geflogen, und rief: »Herzog Wladislaw, die von der Gegend des Plakahofes und des Waldsaumes unter Sohen, die zwischen Smil und Bolemil standen, haben dein Banner weggeworfen, und sind zu dem Feinde gegangen. Es ist ein Raum geworden, der erfüllt sein muß. Smil ist tot, und[298] seine zwei Söhne sind tot; aber Rowno und Diet und Osel und ich und die andern halten die Waldleute zusammen, sie folgen uns, und werden stehen; aber lasse rechts rücken, daß sie nicht von dir getrennt werden.«

»Witiko«, sagte der Herzog, »wir haben schon die Kunde des Verrates, und Befehle sind erteilt worden; du hast ihn genauer genannt, und der Raum zwischen dir und Bolemil ist zu ordnen. Nemoy, lasse Botenreiter zu Odolen und zu Welislaw und zu Ctibor und den andern gehen, daß sie sich zurückziehen und fester schließen, die Reihe muß kürzer werden, wir selbst müssen zurückgehen. Heinrich, schicke Boten nach links zu Chotimir und zu Diwiš mit seinem Sohne Zdeslaw und zu Božebor und Jurik, und lasse sagen, daß sie langsam zurück gehen und rechts drücken, und den Schluß mit der rechten Seite halten. Gott wird das Recht segnen. Witiko, nimm die zweihundert Reiter der blauen Fähnlein von mir, Wecel, überbringt ihnen den Befehl, reite mit ihnen zu dem öden Platze, und bedecke ihn mit rennenden Reitern, daß ihn die Feinde nicht fest mit Männern bestellen können, bis wir uns wieder geschlossen haben. Eile von dannen. Und ihr, Männer und Herren um mich, geht zurück, und haltet den Schluß, daß die Feinde nicht eindringen können, wir werden uns ohne die zweihundert behelfen, wenn wir fest in dem engeren Raume sind. Mit Gott und dem heiligen Markus.«

Witiko ritt zu den Reitern mit den blauen Fähnlein, und dann an ihrer Spitze, was ihre Pferde zu laufen vermochten, dahin, und wies ihnen mit seinem grauen Pferde den Weg. Er kam an Diepold vorbei, an denen, wo Ben, der jetzt tot war, befehligt hatte, an denen von Zdik, an Lubomir mit seinen Söhnen Schwiegersöhnen und ihren Scharen, und an der Sänfte des alten Bolemil. Dann traf er an den Platz der Plakaverräter. Da lagen die hohen Reiter Bolemils tot und zerstreut auf dem Felde, und[299] ihre Rosse und ihre Feinde lagen umher. Sie hatten die Aufgabe, den Platz rein zu erhalten, mit dem Verluste ihres Lebens erfüllt. Bolemil ordnete eben Fußgänger auf den Platz ab. Witiko ritt vorwärts gegen rechts. Da kam ihm eine Rotte Fußgänger entgegen, er konnte die Abzeichen nicht erkennen, und rief: »Heiliger Markus!« sie antworteten: »Swatopluk«, er stieß gegen sie, und warf sie. Dann ritt er weiter, und kam wieder auf Fußgänger, die Swatopluk riefen, und er warf sie wieder. Und dann kam er auf einen großen Haufen von Fußgängern, die das Wort Swatopluk hatten, er griff sie an, und hieb sie zum Teile nieder, und zerstreute sie zum Teile. Dann kamen Männer mit langen Schäften gegangen. Er schrie gegen sie: »Heiliger Markus!« und sie schrien entgegen: »Heiliger Markus!«

»Peter Laurenz, Schmied von Plan«, rief Witiko.

»Ja, Witiko, mein junger Kriegsmann, wir sind es«, rief der Schmied, »deine Nachbarn alle, die an der Leuchte gesessen waren, und fest hinter uns kommen die des Rowno und von Wettern und von Friedberg und die Waldleute alle. Wir haben uns verabredet, daß wir uns nicht auseinander lassen wollen, wir hatten viel zu tun, uns so fest zu stellen, wie wir jetzt sind, wir gehen zu den Leuten des Herzogs, von denen sie uns haben reißen wollen.«

»So folget mir«, sagte Witiko.

Er schwenkte mit den Reitern herum, ritt wieder links, und die Männer gingen hinter ihm her, und wenn sich feindliche Haufen eindrängen wollten, so warfen sie dieselben auseinander, und gingen weiter, bis sie zu Scharen kamen, die riefen: »Heiliger Markus!« Es waren die Bolemils, sie fügten sich an, und die Reihe war wieder geschlossen. An die Stelle der Reiter, die gefallen waren, stellte Witiko die zweihundert mit den blauen Fähnlein.

Und wie sie geordnet waren, und wie die Glieder sich festigten,[300] kam eine große Schar von Reitern aus den Feinden gegen sie, und drängte nach vorwärts. Sie waren sehr schön gekleidet, hatten feurige Rosse, und es schimmerten viele Panzer.

»Ha, da kommen sie nun in größter Zahl und Pracht, daß sie den Platz mit Gewalt haben, den ihnen der Verrat zugedacht hat«, rief Předbor, der in den blauen Fähnlein war, »haltet Stand.«

»Haltet Stand«, rief Witiko.

Und als die Feinde näher kamen, und die Reihe des Herzogs geordnet sahen, hielten sie plötzlich an, und warteten ein Weilchen. Es war ein Mann unter ihnen, der den größten Schlachtenschmuck hatte. Er war in ein gegürtetes Gewand von grauem Sammet mit silbernen Verzierungen gekleidet. Darüber trug er ein schimmerndes Panzerhemd und einen Gürtel mit Steinen, und von einem funkelnden Steine an der schwarzen Haube stieg eine weiße Feder empor. Zu Seiten seiner Wangen sah man graue Haare. Es war Načerat. Er saß auf einem goldlichten Pferde. An seiner Rechten war Znata sein Bruder in scharlachrotem Gewande mit Silberverzierungen einem Waffenhemde und steinbesetztem Geschmeide. Er saß auf einem schwarzen Pferde. Zur Linken Načerats war sein Sohn Dus. Er war in blasses Blau von Sammet gekleidet, das mit Silber geziert war, er hatte ein glänzendes Waffenhemd, der Gürtel und die Schwertscheide waren mit spiegelnden Steinen besetzt, auf der blauen Haube waren funkelnde Steine und eine weiße Feder. Unter der Haube quollen die blonden Haare hervor. Sein Pferd war milchweiß. Dann war der junge Milhost da in grünem Waffenschmucke, dann der junge Mikul, auch grün, dann der junge Rodmil in braunem Gewande, dann Drslaw in Dunkelblau, dann Zibota in Scharlachrot, und dann Männer und Knechte Načerats und Znatas in kriegerischem Schmucke.[301]

Načerat rief herüber: »Bolemil, du tust nicht gut, du hast den Mann, der jetzt von euch Herzog genannt wird, in der Versammlung auf dem Wyšehrad verworfen, und jetzt verwirfst du den, welchen du damals gewählt hast: Wladislaw den Sohn Soběslaws.«

»Načerat«, antwortete Bolemil, »rufe nicht dein Geschick. Der Herzog hat gesagt, es wird dich ereilen, und wenn mein Enkel Dalimil nicht tot auf dem Felde läge, so hätte es dich schon ereilt.«

»Es wird ihn auch so ereilen, den verdammten Satansvater der Heuchelei und der Lügen, der ganz Böhmen haben möchte und Mähren«, rief eine dröhnende Stimme aus den blauen Fähnlein.

Es war der großgewachsene schwarzhaarige Předbor, der gerufen hatte. Er richtete sich im Sattel empor, und legte zum Fluge ein.

»Mit mir, ihr guten Reiter«, rief er.

»Vorwärts mit dem heiligen Markus«, rief Witiko, und in der nächsten Frist waren die Reiter an den Feinden, und die Schwerter waren handgemein.

Mit zornesrotem Angesichte und glühenden Augen stürmte Předbor vorwärts, er stürzte alles auf seinem Wege nieder, und war in wenigen Augenblicken bei Načerat.

Kaum zwei Hiebe wurden gewechselt, da sank der Arm Načerats, er wankte auf dem Pferde, und sein graues Gewand färbte sich von innen heraus rot.

»Gebt Raum«, schrie Znata, und eilte hinzu.

»Gebt Raum«, schrie der Sohn Načerats, und war auch da, und mit ihm waren Milhost und der junge Mikul.

Wie aus Entsetzen wich man zurück, und der Kampf ruhte einen Augenblick.

Die Männer nahmen Načerat von dem Pferde, senkten ihn gegen die Erde, und beugten sich über ihn.

Er aber sagte nur die Worte: »Silvester, Silvester.«[302]

Dann trat Schaum und Blut vor seinen Mund, und er starb.

Männer aus seinem Gefolge trugen ihn zurück, und wie der Raum von der Leiche frei war, begann wieder der Kampf. Znata sprang zu Pferde, und stürmte wütend vorwärts. An seiner Seite war Drslaw. Dus der Sohn Načerats war auch schon auf dem Pferde, und drang vor. Předbor verwundete Znata, daß er zurückgetragen werden mußte, und stürzte Drslaw in sein Blut. Die übrig gebliebenen Reiter Bolemils hatten sich gesammelt, und mordeten jetzt mit Wut und Rachgier in den Feinden.

Dus der Sohn Načerats hatte sich gegen links gewendet, wo neben Witikos Reitern die Waldmänner standen, und die Schäfte nach vorwärts hielten. Er suchte durch die Fußgänger eine Lücke in die Reihe zu gewinnen. Hinter ihm waren die Jünglinge Milhost und Mikul und die Anhänger Načerats. Er schlug eine Lanze seitwärts. Der erste Mann, der vor ihm stand, war Norbert von Plan. Hinter Norbert stand Zacharias, und hinter Zacharias der Jüngling Urban. Norbert sank in sein Blut. In diesem Augenblicke hörte man von hinten eine furchtbare Stimme rufen: »Rühre den Knaben nicht an.«

Es war Peter Laurenz der Schmied von Plan, welcher gerufen hatte.

Der Sohn Načerats aber drang gegen Zacharias den Vordermann des Jünglings Urban. Da sah man eine eiserne Keule gegen seine Stirne fliegen. Dus der Sohn Načerats sank auf seinem Pferde gegen rückwärts, sein rosiges Antlitz ward aschfarb, und in diesem Augenblicke strömte das Blut auf seine schönen Kleider und auf die milchweiße Farbe seines Pferdes. Milhost und Mikul suchten ihn aufzufangen, er entglitt ihnen aber, und stürzte auf die Erde. Da jetzt wieder an dieser Stelle der Kampf auf die Zeit eines Augenblicks ruhte, konnten die Seinen die[303] besudelte und entstellte Leiche des Jünglings nach rückwärts bringen. Der Schmied holte sich seine Keule.

Die Waldmänner schlossen die Lücke ihrer Reihe, welche Dus, der Sohn Načerats, gemacht hatte, wieder, und suchten sie jetzt fester zu erhalten. Der Kampf ging fort. Witiko leitete die Reiter mit den blauen Fähnlein, und rief seine Befehle auf die Fußgänger rechts. Milhost, da er sich von der durch Dus gemachten Lücke ausgeschlossen sah, schrie: »Witiko, du meineidiger Schurke, hätten sie dich doch auf den höchsten Baum gehängt.«

Als er diese Worte kaum vollendet hatte, stach ihn ein Waldschaft durch die Brust, Blut stürzte auf sein grünes goldgewirktes Kleid, und er fiel über das Haupt seines Pferdes in das Gras. Der Jüngling Mikul wurde gleich nach ihm gestürzt. Jetzt kamen auch die kleinen Waldpferde Diets und Rownos. Zibota wurde noch gestürzt, mehrere Männer Načerats wurden noch gestürzt, und die glänzenden Reiter, jetzt auch ohne Führer, wendeten sich, und flohen zurück.

Die Männer unter Bolemil Witiko und weiter rechts hatten nun Ruhe. Der Platz vor ihnen war leer. Sie suchten jetzt durch Fühlung gegen links zu erfahren, ob die Reihe des Herzogs zusammenhänge. Da kam eine Botschaft von ihm, daß die Reihe wieder fest gefügt sei, und daß sie sie halten sollten. Die Botschaft ging gegen rechts weiter. Wirklich konnte man die rosenfarbenen Seidenbanner fort und fort an der Reihe sehen, wie sie in Abständen standen, und wie die hohe Fahne des Herzoges ragte; aber sie waren näher bei einander, die Reihe war sehr kurz geworden, und sie standen nicht mehr unten an dem Rande des Berges sondern wieder oben, wo am Morgen begonnen worden war. Die weißen Banner des Feindes rückten auch wieder geordnet vor, und der Kampf begann an den ganzen Reihen der Heere. Stunde an Stunde verfloß, Männer von großem Ansehen, Reichtum,[304] Würden und Ämtern fielen auf die Erde, Männer von geringerer Bedeutung sanken auf das zertretene Gras, und niedere unbekannte Leute gingen zu Grunde: aber der Raum des Kampfes wurde nicht verändert. Die Feinde des Herzoges hatten die größere Zahl, ihre Zahl war durch die Verräter noch vermehrt worden, und sie hatten die Begierde, ihre Sache zur Entscheidung zu bringen: die Männer des Herzoges hatten den besseren Stand des Ortes, und hatten das Recht. Die letzte Kraft wurde verwendet, die Sonne neigte bereits zum Untergange, man hatte nicht geruht und nichts genossen, Leib und Seele war ermattet, und der Kampf erlosch. Die Reihen von beiden Seiten schwankten zurück, daß ein Raum wurde. Man stand, und es war, als könnte man sich nicht regen.

Die Heere standen nicht wie solche, welche ruhen, und wieder zum Kampfe vorwärts gehen wollen, sondern wie solche, die ausgerungen haben.

Einzelne Rotten und Abteilungen wichen zurück, und der Raum vergrößerte sich.

Kundschafter schlichen hinvor, um zu erspähen, was die Gegner etwa beginnen wollten.

Und als der Raum immer größer wurde, und als man erfahren hatte, daß die aus Mähren gegen ihr Lager zurück drängten, ließ Wladislaw seine Männer auch zurück gehen. Sie waren jetzt wieder wie am Morgen vor dem verbrannten Hofe in der Nähe der Häuser, welche Suchdol hießen.

Ganze Scharen sanken in das Gras, und ehe sie nach Speise und Trank fragten, suchten sie das Nächste zu erlangen, was not tat, Ruhe.

Witiko war unter den Männern des Waldes, die zu ihm gehörten. Sie lagen, oder saßen auf der Erde. Einige hatten ihren Sack geöffnet, und langten Brod, oder was sie hatten, hervor, um zu essen, andere ruhten bloß. Man[305] hatte in einem großen Kruge Wasser aus dem Bache herzu gebracht, weil der Brunnen unbrauchbar war, und die Männer tranken aus dem Kruge.

»Es wird doch nötig sein, liebe gute und getreue Heimatgenossen«, sagte Witiko, »so ermüdet wir auch sind, daß einige von uns zu der Stelle gehen, wo wir mit den Feinden gekämpft haben, sobald man nämlich dahin gelangen kann, um zu sehen, wer aus den Unsrigen dort etwa verwundet oder gar tot liege, daß wir ihm beistehen, oder, wenn er ausgelebt hat, ihn, so es sich tun läßt, begraben. Indessen können wir unter uns hier sehen, wer etwa fehle.«

Auf diese Worte erhoben sich Maz Albrecht und Lambert und Urban und andere junge Männer, und Lambert sagte: »Wir sind nicht so ermüdet, es ist nicht der Rede wert, wir können schon gehen.«

»Es haben sich schon etliche fortgeschlichen«, sagte Christ Severin, »ihr könnt ihnen nachgehen. Wir müssen uns einander beistehen, und daß wir zu Hause keinen Vorwurf haben.«

Die jungen Männer hielten ihr Stück Brod, das sie aßen, in der Hand, und gingen fort.

Witiko sandte nun auch eine Botschaft zu Rowno und Diet und den andern, und erfuhr, daß sie dicht an ihm zur Rechten gelagert seien, sich erquicken, und auch schon nach ihren Verwundeten und Toten gesendet haben.

Nach einer Weile kam von dem Herzoge Wladislaw die Nachricht, daß die Männer sich lagern dürften, daß sie aber in der Ordnung bleiben sollten, welche sie in der Schlacht gehabt haben, daß sie Speise und Trank genießen möchten, daß sie, wenn die Nacht komme, schlafen dürften, und dann des weitern, was geschehen würde, gewärtig sein sollten. Die Führer seien nach kurzer Frist zu dem Herzoge zu einer Beratung geladen.[306]

Die Männer richteten sich nun bequemer zur Ruhe, suchten Lagerstellen zu bereiten, zündeten hie und da Feuer an, und Witiko brachte sein Pferd an eine gute Stelle, und versorgte es reichlich mit Hüllen.

Dann ging er zu dem Herzoge.

Er ging an den Leuten vorbei, wie sie sich in der Schlachtordnung befunden hatten, da er zu dem Herzoge um Hilfe geritten war; aber die Reihe war jetzt wieder um viel viel kürzer als damals, teils, weil der Männer weniger geworden waren, teils, weil sie sich tiefer zurück gelagert hatten, teils weil manche in die Zelte, die noch hinter den Reihen in dem Lager standen, rückwärts gegangen waren.

Der Herzog befand sich vor dem abgebrannten Hofe. Viele Stühle waren auf den Platz gebracht worden. Eine große Anzahl von Männern war um ihn. Einige saßen, mehrere aber standen. Gleich nach Witiko waren auch Rowno und Diet angelangt. Als alle versammelt waren, stand der Herzog in seinem braunen Gewande und in seinem matten Waffenhemde von seinem Stuhle auf, und sprach: »Da sind wir wieder auf dem Platze, auf welchem wir gestern mit den Verrätern verhandelt haben. Es liegt ein schwerer Tag dazwischen. Gott hat das Recht nicht sinken lassen, wenn er es auch noch weiter prüft. Der Verrat hat unser Werk vereitelt, doch das seine nicht vollbracht. Wir sind in der festgefügten Ordnung, in welcher wir in der Schlacht gewesen waren, zurück gegangen, und stehen nun am Beginne fernerer Mühen. Ich habe die Wachen ausgestellt, die den Raum um uns durchblicken, ich habe die Kundschafter ausgesendet, die alles durchforschen sollen, ich habe Männer abgeordnete die nach den Toten und Verwundeten suchen sollen. Die edlen Toten, die eine ferne Grabstätte haben, werden wir fortsenden, eben so die Verwundeten, welche eine Reise vertragen. Für die Beerdigung und Pflege der[307] andern ist die Einleitung getroffen worden, und es wird noch weiter geschehen, was die Umstände zulassen. Die Kundschafter haben gemeldet, daß die Feinde wieder ihr Lager bezogen haben, aus dem sie am Morgen gegen uns ausgerückt sind. Ich habe gesagt, daß doch einige von uns, wenn sie nicht gar zu ermüdet sind, zu beiden Seiten des Heeres ausgesendet würden, um zu erforschen, ob die Feinde nicht in der Nacht an uns vorübergehen, und uns die Wege verlegen könnten.«

»Es ist geschehen, hoher Herr«, sagte Chotimir, »junge Reiter und Fußgänger haben sich zu diesem Geschäfte erboten, sie werden sich zu Zeiten ablösen, und berichten.«

»Es ist gut«, sagte der Herzog. »Ehe wir zu dem schreiten, was ferner zu tun ist, lasset uns den Dank abstatten. Männer, Herren, teure Freunde! habet den Dank des Landes, habet meinen Dank. Lasset uns zuerst von denen sprechen, die selber nicht mehr sprechen können. Smil und Ben liegen tot auf der Erde, zwei edle tapfere Männer und Führer unserer Heere. Ihr Werk ist vollbracht, und die Geschichten werden von ihnen reden. Smils Söhne sind hingestreckt. Die guten Jünglinge haben ausgeführt, was sie oft gesagt haben, daß sie sich gegenseitig ihr Leben schützen wollen. Sie haben es sich gegenseitig bis zum Tode geschützt. Dalimil, der Enkel des alten hochehrwürdigen Lechen Bolemil hat sein Leben zum Opfer gebracht, daß auf dem Platze neben ihm der Verrat nicht siegreich wurde. Andere Enkel werden die Tat den Urenkeln, und diese sie andern Urenkeln erzählen. Pustimir, der Sohn unsers teuern väterlichen Mannes Lubomir, hat für die Sache, die er sich erwählt, seinen Geist zum Himmel gesendet. Und mehrere werden sein, die wir noch nicht kennen, und deren Namen uns heute noch werden genannt werden. Den Toten gibt Gott im Himmel die Ruhe und auf Erden den Ruhm. Jedem[308] Freunde, er sei hoch oder gering, der heute auf diesem Berge verstummen mußte, folgt unser Gebet, und bleibt ihm sein Lohn in der Ewigkeit.«

»In der Ewigkeit«, sagten die Anwesenden mit leiser Stimme nach.

»Und nun zu den Lebenden«, fuhr der Herzog fort. »Otto Bischof von Prag, ich danke dir für deine Taten und deine Worte.«

»Ich glaube, ich bin auf der Seite des Rechtes gestanden«, sagte der Bischof.

»Ich glaube es, so mir der Allmächtige helfe«, sagte der Herzog.

Dann fuhr er fort: »Zdik Bischof von Olmütz, ich sage dir meinen Dank, du hast, als Ben an deiner Seite gefallen war, den Streit geleitet.«

»Ich habe den Mann beweint, hoher Herr«, antwortete Zdik, »die Schlacht hast du geführt, wie ich wußte, daß du sie führen wirst.«

»Ich danke dir Daniel, Propst von Prag, für deine Taten und Worte«, sagte der Herzog.

»Die Taten sind gering, die Worte halfen nicht«, entgegnete Daniel, »möge mein Gebet kräftiger sein, daß dieser Streit ohne zu großes Unheil für die Länder beendigt werde.«

»Ich danke euch, Äbte von Břewnow, Kladrau und Wilimow, und allen Priestern«, fuhr der Herzog fort, »und ich sage euch meinen Dank, Brüder Diepold und Heinrich, Söhne Přemysls, ihr seid die einzigen aus dem Stamme, die treu geblieben sind.«

»Wir werden es auch immer bleiben«, sagte Diepold.

»Ich weiß es«, entgegnete der Herzog.

Dann fuhr er fort: »Bolemil, du vielerfahrener Mann, der immer seiner Treue folgt, und sie auch übt, wo sie ihn schmerzt, du Mann, der so viele Dienste verrichtete, von der Zeit meines Großvaters, des Königs Wratislaw,[309] an bis auf heute, wo du weit über deine Zeit hinaus geholfen hast, habe meinen Dank. Mein Dank ist viel zu klein für deine Tat und deinen Verlust.«

»Hoher Herr«, antwortete Bolemil, »ich habe gewußt, was geschehen wird, es konnte uns nicht erspart werden. Als ich von dem Sterbebette Soběslaws gehört hatte, wußte ich auch, was ich tun werde, und habe mich darauf vorbereitet. Meine Sippen und Männer liegen auf dem Felde erschlagen. Die leben, mögen um sie trauern. Ich werde bald mit ihnen vereint sein. Sorge nur, Herr, daß dieser Streit kurz daure.«

»Wir werden sorgen, daß es so sei«, sagte der Herzog.

Nach diesen Worten war eine kleine Stille.

Dann sprach der Herzog: »Lubomir, du hast tiefes Herzeleid erfahren. Ich danke dir, und traure mit dir.«

»Wenn ich wieder in Daudleb bin, mein erhabener Herr«, antwortete Lubomir, »und wenn ich dort allein an meinem Tische sitze, und meine Kinder, die in andern Fluren sind, zähle, so zähle ich auch Pustimir mit, obwohl er jetzt weit von mir ist, und dann zähle ich die Enkel, und auch die von ihm, und tröste Boleslawa, weil er heldenmütig gestorben ist. Er ruhe friedlich, Herr, und möge der Streit mit den geringsten Opfern des unschuldigen Landes enden.«

»Euch, Chotimir, Diwiš, Božebor, Jurik, euch Führern danke ich«, fuhr der Herzog fort, »ihr habt festgehalten, wo der Verlust einer Handbreit Erde ein großes Unglück gewesen wäre, und ihr habt eure Männer stark geschart wie die Glieder einer Eisenkette zurück geführt. Diwiš, du bist immer treu, und dein Sohn Zdeslaw folgt dir. Euch Männer Milota Preda Wšebor hat das Alter nicht abgehalten, auf dem Felde der Ehre zu sein. Předbor, ich danke dir. Denken wir nicht mehr im Zorne dessen, mit dem du gestritten, und der gestern noch in der Fülle des reichsten Mannes dieser Länder und in der Fülle[310] des Lebens hier vor uns gesprochen hat, und jetzt sich mit einem Häufchen Erde begnügt. Nemoy, du bist ein Nachbar Bolemils, und strebst seinen Tugenden nach, und du Ctibor hältst es wie Lubomir, an den du grenzest, du hast deine Leute genommen, und sie zum Schutze des Fürstenstuhles geführt. Casta, du hast immer gesagt, daß du für deine Freunde in den Tod gehen könntest, rufe dein Schicksal nicht, es hätte dir heute bald für mich willfahrt. Pflege deine Wunde, daß ich dir bald einen Gegendienst tun kann. Welislaw, wie kannst du wagen, hieher zu kommen? Dich haben sie halb tot vom Felde getragen, und nun sitzest du hier, und trotzest deiner Wunde? Du bist der Genosse meiner Jugend gewesen, willst du mich in meinen Mannesjahren verlassen?«

»Solche Dinge heilen in der Tätigkeit am ehesten«, versetzte Welislaw.

»Ich werde dir den Arzt zugeben, der dir nicht mehr von der Seite darf«, sagte der Herzog, »und denke, daß ich nicht Männer brauche, die sich so sinnlos dem Feinde entgegen werfen.«

»Dich muß ich auch schmähen, Odolen«, fuhr der Herzog fort, »ich sehe, daß es wahr ist, was deine Feinde sagen, daß du Berge umwerfen möchtest, um zu stürmen. Hast du keine Wunde empfangen?«

»Welislaw, der mir in allem zuwider handelt, hat sie mir weggenommen«, sagte Odolen.

»Sezima Wecel Zwest«, sagte der Herzog, »habt meinen Dank, ich weiß, was ihr getan habt. Jurik, du bist immer in der Nähe deines Vaters, du bist in einer guten Schule, aber sie ist nicht ohne Gefahr. Beneda, du hast dir dein Lob verdient.«

»Witiko, Rowno, Diet, und ihr andern Männer des Waldes«, fuhr er dann fort, »wie danke ich euch. Ihr habt einen harten Teil bestanden. Bei euch hat man den[311] Versuch gemacht, alles zu gewinnen. Man hat euch abtrennen wollen, wie man einen Tropfen Wasser von der Hand schüttelt; ihr aber seid gewesen wie das Pech eures Waldes, und seid kleben geblieben. Ich werde doch noch diesen Wald einmal sehen, und euch in ihm wieder danken können. Wer sind die Knaben?«

Osel trat vor, und sprach: »Wenn du die Männer des Waldes Pech heißest, hoher Herr, so sind diese junges Pech. Ich heiße Osel, wohne in Dub im Walde, und bin ihr Vater. Sie haben sich von einer falben Stute drei falbe Pferdlein auferzogen, und in der Sonnenwende habe ich ihnen die Haare beschnitten, daß sie Jünglinge werden, und habe sie jetzt in den Krieg mitgenommen, daß sie gegen den Übermut der Lechen streiten, und lieber einem einzigen dienen lernen, der uns wohl will. Ich habe sie auf diesen Platz geführt, daß sie dich sehen, und es zu Hause erzählen.«

»Nenne mir die Namen der Knaben«, sagte der Herzog.

Osel antwortete: »Dieser ist Olen der älteste, dann kömmt Diš, der um ein Jahr jünger ist, und dann Os, der wieder um ein Jahr später kam.«

»Die zwei jüngsten bluten ja«, sagte der Herzog.

»Ein wenig«, entgegnete Osel, »ich habe es schon angesehen, es ist nichts. Sie sind nicht träge gewesen, aber kindisch. Der älteste tut auch das Seine, wenn gleich das Zeichen ausblieb.«

»Sorge, daß du auf deine schönen Knaben siehest, Osel«, sagte der Herzog, »damit sie Männer werden.«

»Im Walde lernt man früh ein hartes Leben«, antwortete Osel.

»Meine Kinder«, entgegnete der Herzog, »ich werde euch schon wieder sehen, und dann müßt ihr mir eure falben Pferdlein zeigen, und in eurem Walde müßt ihr mir eure schönen Bäume zeigen.«

»Ja«, antwortete Olen.[312]

»Männer, Priester, Prinzen, Lechen, Wladyken, Freunde«, fuhr der Herzog fort, »ermüdet noch nicht. Wir haben der ersten Pflicht genügt, der des Dankes, laßt uns nun auch zu der zweiten gehen, der des Rates, was nun ferner zu tun sei. Die Feinde sind in das Lager gegangen, wir auch, die Feinde sind erschöpft, wir auch, die Feinde haben schwere Verluste gehabt, wir auch, und die unsrigen sind durch den schimpflichen Verrat, der auf lange Zeit dieses Land verdüstern wird, noch größer geworden, als sie sonst gewesen wären, die Zahl der Feinde ist die größere, die der Unsern die kleinere, und sie ist durch den Verrat noch kleiner, die der Feinde größer geworden, die Feinde haben ein böses Gewissen, weil sie zum Verrate gegriffen haben, unser Bewußtsein ist gut, sie kämpfen für Raub und Vorteil, und wählen jedes Mittel des Blutvergießens und der Zerstörung, wir streiten zum Schutze des Landes, und müssen alles sparen, was dem Lande kostbar ist, sie haben die ungünstigere Stellung im Tale, wir die günstigere auf der Höhe: wir können heldenmütig den Kampf wieder aufnehmen, und mit Gott den Sieg erringen, oder ruhmreich erliegen: oder wir können in eine sichrere Stellung gehen, uns verstärken, und dann mit genügender Macht die Entscheidung suchen. Wie weit wir heute geschmolzen sind, läßt sich noch nicht genau sagen, nur im allgemeinen überschauen. So wird es im Vergleiche auch bei den Feinden sein. Und nun Otto Bischof von Prag rede.«

»Zur Schonung des Blutes und Lebens des Landes soll größere Sicherheit gesucht werden«, sagte der Bischof.

»Und du Zdik?« fragte der Herzog.

»Ich meine das gleiche«, antwortete Zdik der Bischof von Olmütz.

»Und Daniel?« sagte der Herzog.

»Das gleiche«, antwortete der Propst Daniel.

»Und du, ehrwürdiger Bolemil?« fragte der Herzog.[313]

»Ich habe schon gesagt«, antwortete Bolemil, »sorge, daß dieser Streit kurz daure, hoher Herr. In dem, was auf dem Wyšehrad geschah, lag das Übel, nämlich, daß man zu dem Wählen griff, wie man bei deinem Vater zu dem Wählen gegriffen hatte. Was damals gekommen ist, mußte wieder kommen, und ist gekommen. Der sterbende Soběslaw hat alles gewußt, da er gesagt hat: Načerat wird gegen Wladislaw nicht siegen. Ergreife jedes Mittel, das die größte Sicherheit des Sieges über den Feind gibt.«

»Und Lubomir?« fragte der Herzog.

»Suche die größte Sicherheit für das Land«, sagte Lubomir.

»Und Diwiš?« fragte der Herzog.

»Ich spreche wie Bolemil«, sagte Diwiš.

»Und was sagt Chotimir?« fragte der Herzog.

»Chotimir sagt das gleiche«, antwortete der Gefragte.

»Und Wšebor?« fragte Wladislaw.

»Ich rede wie meine Freunde. Suche mit Macht, den Streit eines Schlages zu enden«, antwortete Wšebor.

»Und Jurik?« fragte der Herzog.

»Die Männer, welche gegen uns in den Waffen sind, suchen den Raub«, sagte Jurik, »darum haben sie schon die Schrift aufgesetzt, in der enthalten ist, was ihnen ihr Herzog für ihre Beihilfe zusagen mußte. Sie ergriffen deshalb jedes Mittel, zu ihrem Ziele zu gelangen, wie schon heute ihr Verrat gezeigt hat. Wider solche Männer ist schwerer streiten als wider ehrliche Gegner, weil man nicht die gleichen Mittel will. Darum sage ich wie Bolemil: wähle die Wege größter Sicherheit.«

»Und was sprechen meine andern alten Räte?« fragte der Herzog.

Und Milota und Božebor und die Äbte und Bartholomäus sprachen für die größte Sicherheit.

Preda sprach gleichfalls dafür.[314]

»Und euch Prinzen frage ich erst jetzt, weil ihr jünger seid«, sagte der Herzog.

»Ich rede für größere Sicherheit«, antwortete Diepold.

»Ich für morgige Entscheidung«, sagte Heinrich.

»Und ihr dort weiterhin?« fragte der Herzog.

»Für morgige Entscheidung«, rief Zwest.

»Für morgige Entscheidung«, rief Jurik der Sohn Juriks.

»Für morgige Entscheidung«, rief Beneda.

»Morgen Schlacht, und ganz gewisser Sieg«, schrie Odolen.

»Morgen Schlacht, morgen Schlacht«, riefen nun mehrere Stimmen der jungen Männer.

»Es ist gut«, sagte der Herzog, »ihr wollt die Schlacht und ruhmreichen Sieg oder ruhmreichen Untergang. Ich rede als Ritter wie ihr. Ihr dürft euer Leben hinwerfen; ich der Herzog aber darf euer Leben nicht hinwerfen, und das Heil des Landes nicht auf die Spitze stellen. Wir gehen in unsere feste Stadt Prag, in welcher der Fürstenstuhl steht, festigen die Mauern um ihn und um uns noch mehr, und suchen Verstärkungen zu gewinnen, wie wir sie nur immer zu gewinnen vermögen. Haben wir dann die Macht, die letzte und gewisse Entscheidung herbeizuführen, so treten wir an den Feind, und suchen diese letzte Entscheidung, aber Entscheidung für uns. Ihr, meine jungen Männer, zeigt hier die größere Tapferkeit, nämlich die, euern Mut zu zügeln, und folgt dem Rate der Alten, die auch tapfer aber auch weise sind.«

»Es wird so gut sein«, sagte Bolemil.

»Es ist gut«, sagte Otto der Bischof von Prag.

»So tun wir«, sagte Zdik der Bischof von Olmütz.

»So tun wir«, sagte Lubomir.

»Pflegt einige Stunden in der Nacht der Ruhe«, sprach der Herzog, »dann, ehe der Tag scheint, brechen wir auf, es wird die Weisung erfolgen. Und nun noch eines. Es wird ein bißchen Abendkost bei mir bereitet, und wohl[315] auch noch ein Wein wird vorhanden sein. Wer es mit mir teilen will, ist abends willkommen. Jetzt, Herren, seid für euern Rat bedankt.«

Die Männer begannen sich zu zerstreuen.

»Führt mich hinweg«, sagte Welislaw, »ich bin weder zum Rate noch zur Schlacht tauglich.«

Zwei Männer führten ihn von dannen.

Witiko ging zu den Seinigen. Rowno, Diet, Osel, und die andern gingen auch zu ihren Waldleuten.

Nun, da der Herzog mit den Führern beraten hatte, ging er auch noch zu den Kriegern. Er ging längs der ganzen Reihen, besah die Männer, sprach mit ihnen, tröstete die Verwundeten, und ermunterte die andern.

Als er zu Witiko kam, stellte dieser seine Leute auf.

»Witiko«, sagte der Herzog, »wir rechnen noch einmal eigens für den heutigen Tag ab.«

Dann sprach er zu den Leuten: »Männer des Waldes, ihr habt eigentlich den Tag gerettet. Ich sage euch den größten Dank. Ich will mir eure Angesichter einprägen, daß ich sie wieder kenne, wenn ich sie sehe. Haben wir diese Sache geendet, will ich eurer gedenk sein, und ihr sollt keinen undankbaren Herzog an mir finden.«

»Der junge Witiko hat die Sache geführt, als Smil gestorben war«, sagte Stephan der Wagenbauer.

»Ich weiß es«, antwortete der Herzog, »und gedenke es ihm.«

»Wir gehen nach Prag, um die Stadt zu verteidigen«, fuhr er fort, »bis wir wieder angreifen. Ihr wer det wollen in euern Wald gehen?«

»Mit Gewährung, Herr Herzog«, sagte der Schmied von Plan, »wir konnten auf diesem Berge nicht von dir abgetrennt werden, weil wir wieder zu dir gingen, als die Lügner vom Plakahofe davon gelaufen waren, sonst hätten wir unser Vorhaben nicht ausgeführt. Wir werden schier alle mit dir nach Prag gehen, wenn du uns zu essen[316] geben kannst; denn das Brod und das Rauchfleisch in unseren Säcken ist zur Neige. Und sie werden uns die Stadt so wenig nehmen können, wie diesen Berg, und etwa reißen wir ihnen dann den Flimmer und die schönen Steine vom Leibe, die sie prahlerisch angelegt haben.«

»Wer mit mir nach Prag geht, wird die Lebensmittel erhalten, die wir haben«, sagte der Herzog.

»Dann ist es schon recht«, entgegnete der Schmied.

In diesem Augenblicke kamen einige Männer herbei, und trugen den Fiedler Tom Johannes.

»Wer ist der Mann?« fragte der Herzog.

»Das ist der Fiedler von Plan«, sagte Paul Joachim, »und die ihn tragen, haben wir um unsere Leute auf die Kampfstelle geschickt.«

»Ist er tot?« fragte der Herzog.

»Nein, mein guter Mann«, antwortete der Fiedler, »aber der Fiedelbogen wird wohl krumm bleiben.«

»Ich werde sogleich jemanden senden, der für dich sorgen soll«, sprach der Herzog.

Dann sagte er etwas zu einem Manne seines Geleites, der sich darauf entfernte.

»Dieser wird einen Arzt bringen«, sagte der Herzog.

»Habt ihr noch mehr Verwundete?« fragte er dann.

»Der ist der letzte, welchen wir herauf getragen haben« sagte Maz Albrecht, »den armen Norbert haben sie zu einem Strauche hingelegt, den Zimmerer David und Veit Gregor haben wir zur Pflege hergetragen, Christ Severin der Wollweber und Mathias und Urban sind selber gegangen. Sie haben schon Tücher mit Wasser um, und Philipp ist um Kräuter gegangen.«

»Der Arzt wird alle in Pflege nehmen«, sagte der Herzog, »und nun ruhet ein Weile, und wer nach Prag gehen will, wird in der Nacht das Zeichen erfahren.«

Nach diesen Worten entfernte er sich, und ging zu[317] Rowno und Diet und zu den andern, um ihnen zu danken.

Als es Abend war, gingen viele zu dem Herzoge, das kleine Mahl zu teilen. Mehrere saßen in dem Gezelte, andere standen. Die Kundschafter meldeten, daß die Feinde Späher ausgesandt haben, die erfahren sollen, ob sie nicht in der Finsternis der Nacht von dem Heere des Herzogs Wladislaw würden umgangen werden können.

»Desto sicherer ist unser Zug«, sagte Wladislaw.

Als das Mahl aus war, verabschiedeten sich die Männer, und gingen, die Ruhe zu suchen.

Witiko begab sich zu seinem Pferde, und wusch ihm mit Wein, den er sich verschafft hatte, die Gelenke.

Dann legte er sich auf seine Schlafstelle.

Und nun war Ruhe und Stille in dem Lager des Herzogs, nur daß die Wachen sich regten, Kundschafter streiften, und die Feuer gemach verbrannten.

Dieser Tag war der fünfundzwanzigste des Monates April des Jahres 1142 gewesen.

Ehe der Morgen graute, wurde ein Zeichen, welches kein Laut war, durch das Lager gesendet, zum Aufbruche bereit zu sein.

Und noch in der Dunkelheit setzte sich der Zug nach Prag in Bewegung.

Quelle:
Adelbert Stifter: Gesammelte Werke in sechs Bänden, Band 5, Wiesbaden 1959, S. 162-318.
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