Neunter Absatz

[234] Polyphilus er suchet die Macarie / durch ein Schreiben / ihm eine Besuchung zu erlauben: die ihm solches durch ein Antwort-Schreiben / bewilliget. Ihre. Klage / und Gemüts-Verwirrung. Der Atychintide Gespräche / mit dem Polyphilus: welcher sich krank stellet / und heimlich nach Soletten reitet.


Polyphilus und Agapistus verließen den Tycheno bey seiner Mutter / und giengen gleichfalls mit einander nach ihrem Schlaf-Gemach. Sie hatten dasselbe kaum erreichet / da sagte Polyphilus / was mache ich nun /mein Freund! daß ich zu Macarie komme? mich wegen der Verleumdung zu entschuldigen / und ihr mein Schäfer-Gelübde zu eröffnen? dann hier werde ich nicht lang dauren / weil ich sehe / daß die Königin in ihrer vorigen Torheit fortfähret. Ihr habt ja gesehen / Agapistus! was sie mir diesen Abend vor Blicke verliehen. Pfuy der Laster! die ein solches Alter beflecken! Agapistus lachte / und sagte: Er habe solches wol wargenommen / und wolte ihm selbst nicht rahten / lang da zu bleiben / weil doch seine Gegenwart nur ihre Liebe vermehren würde.[234] Was aber die Reise zu Macarie belanget / (thäte er hinzu) wird es gefärlich seyn / sie ungefär zu überfallen: theils wegen ihrer Furcht / theils wegen des Grams der Inwohner. Demnach wäre mein Raht / man schriebe ein Brieflein / und schickte es ihr morgen / mit dem Tag /durch Serveten: der alsbald Antwort / und zugleich Erlaubnus dieser Besuchung zurück bringen könte. Diesen Vorschlag ließe ihm Polyphilus gefallen / und schriebe an Macarie folgendes:


Aller liebstes Hertz!


Nachdem der versöhnte Himmel / sich meiner wieder erbarmet / und mich nach unbilliger Verschliessung /nunmehr in die Freyheit und nach Sophoxenien wieder kehren lassen / befinde ich / daß die gefärliche Nachreden / so ich von Phormena mir Unmut vernommen / zusamt der daher rührenden Furcht / auch andere wichtige Angelegenheiten / welche diesem Papier nicht zu vertrauen / unsere Zusammenkunfft notwendig erfordern: die mich in meiner Angst trösten / und sie / Allerliebste! in ihrem Zweiffel / (vielleicht auch vergeblicher Furcht) aufrichten möchte. Zwar habe ich gestern die nichtige Hoffnung mich bethören / ja verführen lassen / daß ich der widerkehrenden Phormena entgegen geritten / vermeinend / euch / mein Kind anzutreffen: allein / die wiedrige Zeit und das verhasste Unglück / haben meinen verdunkelten Augen den Schein ihres Verlangens entnommen / und dagegen tausend Betrübnis dem Herzen gegeben.[235] Mein liebstes Kind kan leicht gedenken / mit was Kummer ich mein Pferd wieder wenden müssen; wie ich die Zeit und das widrige Glück verflucht / welches mir durch seinen Betrug den Weg verleget / daß ich nicht zu derselben gelanget / die sich doch etwan meinetwegen so weit heraus bemühet / und / welches mich am meinsten schmerzet / sich vergeblich bemühet. Ach schönstes Kind! leget mir die Schuld nicht bey / die ich nicht ändern können. Gleichwol muß ich sehen / wie die Widerwärtigkeit des Glückes / unser Lieben / zum Ziel seiner Grausamkeit gesteckt: indem es uns so nahe zusammen geführet / daß ich dieselbe meiner Gegenwart auch durch einen Piststol Schuß verstandigen können und dannoch die Zusammenkunfft verwehret. Nun! ich muß leiden / und zu frieden seyn mit allem / was der Himmel über mich beschlossen / und mich damit trösten / daß etwan / zu Verhütung böser Nachreden / das Glück es so gefüget habe: als welches mehr eine geheime als öffemliche Zusammenkunfft / und sonderlich denen ertheilet / die sich uns gleichen / in einer solchen Liebe / davon jederman seine müssige Zunge reden / und seinen verboßten Sinn rathen lässet. Welcher Ursache wegen /ich eben ihre Gegenwart häfftig verlange: die sie mir hoffentlich nicht versagen wird / sondern / ihrem erleuchten Verstande nach / mir eine Zeit eröffnen / die uns beyde heimlich beseelige. Indessen / allerliebstes Kind! lasse sie sich durch keine falsche Reden verführen /[236] sondern wäge selbige zuvor ab / mit dem / wessen sie von meiner Wenigkeit / durch eigne Erfahrung / versichert ist: alsdann wird sie leicht verstehen / was ein wolgemeintet Raht / oder ein lasterhafftes Zeugnus zu nennen sey. Alle Kümmernus aber ihr völliger zu benehmen / bitte ich nochmals / mich mit ihrer erwünschten Gegenwart zu erfreuen / weil ich /doch / sonder sie zu sehen / nicht länger lieben kan. Sie lebe wohl / meine Allerschönste! und liebe ihr Eigentum / den biß zu ihrer Gegenwart bekümmerten

Polyphilus.


Diesen Brief gabe er dem Servetus / mit Befehl / selbigen des andern Tages der Macarie zu überbringen /und / so bald es müglich / mit einer Antwort zurücke zu kommen. Hierauf begabe er sich mit dem Agapistus zu Ruhe. Wiewol er / auch aus Furcht / Macarie möchte ihme die Besuchung versagen / und dem Verleumden gläuben / wenig schlaffen kunte. Daher er /folgenden Morgens / mehr verdüstert / als munter /wieder aufstunde / und selbigen Tag mit der Atychintide verdrießlicher Gesellschafft zubringend / auf der Macarie Antwort begierigst wartete.

Es war aber Servetus sehr früh / und noch im dunkeln / der Morgenröte zuvor kommend / abgelauffen /also daß er mit früher Tagzeit zu Soletten ankame /und die Macarie an einem künstlichen Gewirke arbeitend fande. Er grüste sie demütig / und überreichte ihr / neben einem schönen Gruß / den Brief seines Herrn: welchen sie / nach freundlichem[237] Dank / mit Freuden erbrache und ablase / und über dessen Begehren sich etwas bestürzt erzeigte. So will dann Polyphilus / (fragte sie den Bringer) zu mir kommen? Wann es die schönste Macarie erlauben wird: antwortete Servetus. Was werden aber (versetzte Macarie) die hiesige Inwohner darzu sagen? Müssen sie es dann eben erfahren? (sagte Servetus) Er kan sich ja /wie das letzte mal / verkleiden / und in einem Gasthof herbergen. Diese Insul ist einsam / (sagte Macarie) und wann er nur auf der Gassen gesehen wird / so erweckt es einen Argwahn und Nachfrage: was wird dann geschehen / wann er in meine Wonung kommet? So kan er bey der Nacht kommen / (erwiederte Servetus) und im Gasthof eine andere Angelegenheit vorwenden. Sie lasse ihr nur gefallen / geehrte Macarie! ihme mit etlichen Zeilen den Zutritt zu erlauben. Wir können noch diesen Abend herüber kommen / und werde ich mich auf dem Wege nicht säumen. Wir wollen der Gefahr schon vorbeugen / und sie von aller Sorge befreyen. Durch diesen Vorschlag / wurde die ohndas-liebende und verlangende Macarie vollends gewonnen / daß sie in diese Besuchung willigte / und an den Polyphilus diese Antwort verfasste.


Mein Polyphilus!


Ob es wol unnötig scheinet / wegen etlicher ungegründten Reden sich zu betrüben / so muß ich doch erfahren / daß euch solche nicht wenig bewegen / so gar / daß ihr deßwegen mir euren Boten sendet: da ich doch ans euren offtmaligen Reden geschlossen / daß ihr euch[238] keine Nachrede / wie gefärlich sie auch sey /würdet verdrießen lassen. Sie sind auch nicht wehrt /daß ihr darum wemmert: und habe ich / sie euch auf solche Art / zu eröffnen / nit erlaubet. Unterdessen verstehe ich aus eurem Brieflein / daß ihr unsere Zusammenkunfft für hochnötig achtet. Wiewol es nun sehr gefärlich / auch solche geheim zu halten / fast unmüglich ist / so muß doch die Noth der Furcht weichen. Ich stelle es demnach in sein Belieben / wie er solche Besuchung anstelle. Will er aber / weil Talypsidamus allbereit verdächtig / dißmal anderstwo einkehren / und mich alsdann vorsichtig besuchen /würde es vielleicht der sicherste Weg seyn. Indessen bitte ich / einen frölichen Muht zu fassen. Es lassen sich viel Widerwärtigkeiten mit Gedult überwinden. Ich kehre mich auch nicht an aller Leute reden / sondern verharre / so lang ich lebe /

Seine gantzergebene Freundin /

Macarie.


So bald Servetus dieses Brieffein erhalten / eilete er damit auf Sophoxenien / die Macarie in zweifelhafften Gedanken und Anschlägen hinterlassend. Dann /wann sie ihres Liebsten Brief durchlase / und seiner so sehnlichen Bitte nachdachte / wurde sie von Liebe und Verlangen so eingenommen / daß sie seiner Ankunft kaum erwarten kunte. Sie klagte die Sonne an /daß sie ihr zu langsam lieffe / und glaubte / daß dieser Tag länger / als sonst zehen wäre. So bald sie sich aber wieder erinnerte / in wieviel Betrübnus sie diese Liebe allbereit gestürzet[239] / wie hefftig sie jederman davor warnete / und was Gefahr diese seine Besuchung mit sich führe / wurde sie wieder so voll Furcht und Sorge / daß sie berenete / was sie ihm erlaubet /und ihren Brief ungeschrieben wünschete. Wie wird (sagte sie) diese Besuchung abermals neuen Verdacht und Argwahn erregen / da ich aus vorigen mich kaum ein wenig entrissen? Was wird Adalgis gedencken /wann sie horet / daß Polyphilus bey Macarien gewesen? wird sie nicht meine Falschheit schelten / und meine Laster verdammen? Also stürtzet mich ja diese verblendete Liebe in Schimpf und Verachtung / und beraubet mich alles erworbenen Tugend-Ruhmes.

Ach Liebe! Liebe! (sagte sie ferner) in was vor Unglück hastu mich schon verleitet? was Hertzenleid habe ich allbereit deinetwegen gefühlet? und wie viel Schmertzen habe ich von der Stunde an empfunden /da ich den Polyphilus zu meinem Verderben gesehen? Warum habe ich dich doch so lang geheget / und begehre dich auch noch jetzt nicht zu verlassen? Ein Kranker suchet doch Artzney / und ein Verwundter das Heil-Pflaster: Aber ich / fliehe die Abwesenheit /als die beste Arzney vor die Liebe / und suche / das Eisen aufs neue in die fast-geheilte Liebes-Wunden zustossen. Ach Macarie! renne doch nicht so muthwillig in dein Verderben! Diß ist der Tag / da du dich / entweder aller dieser Last / welche dich drücket / entladen / auch in die vorige Freyheit und ruhige Einsamkeit dich setzen / oder noch tieffer in die Dienstbarkeit der Liebe versenken kanst. Derowegen ermuntere dein Gemüte / welches durch die Liebe / zu allen[240] nutzlichen und notwendigen Geschäfften schläffrig und untüchtig gemacht worden / und laß mehr die Tugend als die Liebe / mehr die Klugheit als die Begierde / in deinen Gedanken herschen. Zerbrich das Joch / daran du dich so müde gearbeitet / und bitte den Polyphilus / deine Einsamkeit durch Liebe nicht ferner zu verstören. Liebet er dich / so wird er auch deine Wolfart lieben / und sein Verlangen mit dem Zaum der Tugend anhalten: biß sich etwan das Glück günstiger gegen uns erweiset / oder er selbst erkennet / daß die Freyheit nützlicher als die Liebe sey.

Solche und dergleichen Worte / führte damals Macarie. Aber / ach! wie nichtig sind die Gedanken der Verliebten / und wie vergeblich ihre Anschläge! Ein einiger Blick vom Polyphilus / wird kräfftig genug seyn / allen diesen Vorsatz zu Boden zu reissen. Wir werden sehen / wie sie sich in seiner Gegenwart anstellet / der nun nicht lang mehr aussen bleiben wird. Dann es war inzwischen Servetus in der Sophoxenischen Gegend angekommen / da eben die Königin /nach der Malzeit / mit dem Polyphilus sich an ein Fenster gesteuret hatte / und ihm auf unterschiedliche Art ihre Gewogenheit entdeckte: die er aber alle / sich gantz einfällig und unwissend stellend / abgeleinet.

Mein Polyphilus! (sagte sie) wie freudig stehet nun meine Wonung / nachdem sie den jenigen wieder erlauget / welcher sie vormals aus den Wellen gerissen /und dem Liecht des Himmels wieder gegeben. Ich selbst / die ich / seit eurer unglücklichen Gefängnus /fast erstorben war / empfinde in eurer Gegenwart ein neues Leben. Ach! daß es[241] doch dem Himmel gefallen hätte / mir einen solchen Sohn zu geben / oder daß Tycheno / welchen ich zum Sohn erwählet / eure Vollkommenheit hätte! Glaubet mir / daß ich euch mehr gewogen bin / als ich zeigen kan; und seyt versichert /daß ich euch keine Bitte / wie hoch sie auch sey / versagen könte.

Wiewol diese Erbietungen / dem Polyphilus lauter Spieße und Nägel in seinem Hertzen waren / so muste er sich doch anderst stellen / und ihrer Torheit etwas nachgeben. Durchleuchtigste Königin! (sagte er) ich muß freylich bekennen / daß dero gnädige Vorsorge und Gewogenheit gegen E. M. Diener viel grösser sey / als mein Verdienst / und daß ich selbige nicht anderst / als mit tiefstem Dank / zu erwiedern vermöge. Ich verpflichte mich aber auf ewig zu gehorsamsten Diensten / und wünsche hierzu vermögsam erfunden zu werden. Ach mein Polyphilus! (versetzte die Königin) ihr habt noch wenig guten Willen empfangen: ich bin aber bereit / künfftig zu ersetzen / was bißher versäumt worden.

In solchem Gespräche / sahe Polyphilus den Servetus gegen dem Schloß daher kommen: dessen Botschafft er unverlängt zu vernehmen verlangte. Er leitete aber die Atychintide vom Fenster ab / damit sie dessen nicht warnehmen / oder nach seiner Verrichtung fragen möchte. Hiernächst bemühete er sich auf unterschiedliche Weise / von ihr loß zu kommen. Als sie aber immer wieder anfienge zu reden / ward er betrübt und ungedultig / daß er ganz erblassete / und keine Antwort mehr von sich gabe; wodurch die Königin bewogen wurde / zu fragen: ob ihm etwas mangele / daß er sich so[242] anbleiche? Polyphilus ergriffe dieses zu seinem Vorteil / sich abzudrehen / und sagte: Er wisse selber nicht / wie ihm geschehe / und befinde sich etwas unpäßlich. Worauf ihm Atychintide gantz erschrocken befahle / sich zu Bette zu verfügen: ob es sich ändern möchte. Diesem Befehl zu gehorsamen / name er alsbald Abschied / und eilete nach seinem Zimmer: woselbst er den Agapistus und Servetus auf ihn wartend fande. Als er diesen / wegen seiner Verrichtung / fragte / ward ihme / neben einem Gruß von Macarien / ihr Brief eingehändigt. Er lase selbigen begierig durch / und hatte kaum das Ende ersehen / da finge er schon an den Agapistus um Raht zu fragen / wie er noch heute nach Soletten kommen möchte / weil es Macarie begehrte.

Indem sich dieser ein wenig bedachte / kame Melopharmis ins Zimmer / und fragte / auf Befehl der Königin / wie sich Polyphilus befinde? Gar wol! (versetzte er mit Lachen) wann ich nur auch Mittel wüste / heute zu Macarie zu kommen / um welcher willen ich allein mich krank angestellet. Habt ihr dann Erlaubnus / (fragte Melopharmis) sie zu besuchen? Freylich! antwortete Polyphilus / ihr zugleich den Brief zeigend: und bate er folgends um aller ihrer Freundschafft willen / die sie ihm so offt und sonderlich im Gefängnus versprechen lassen / ihme hierinn hülfliche Hand zu bieten. Hierüm dürffet ihr nicht bitten / (versetzte Melopharmis) weil ich euch zu viel höhern Dingen verbunden bin. Lasset nur Serveten das Pferd voraus führen / und folget ihr fein still hernach / biß ihr zu ihm kommet: so will ich indessen die Atychintide aufhalten / daß sie euch nicht sihet / und bey[243] ihr vorgeben / ihr hättet Artzney eingenommen /und würdet nicht zur Tafel kommen. Aber hütet euch /daß ihr nicht über die Zeit aussenbleibt! Dann / wann sie euch morgen besuchet / und nicht finden solte /würdet ihr mich / samt euch / verdächtig machen / und in alle Ungnade stürtzen. Ach nein! (sagte Polyphilus) ich will gewiß morgen früh wieder hier seyn: helffet mich nur heut entschuldigen! ich werde es mit allem Dank erkennen.

Also wünschte ihm Melopharmis Glück zur Reise /mit Bitte / die Macarie zu grüßen / und verfügte sich hierauf wieder zur Königin. Sie berichtete dieselbe /wie daß Polyphilus / nach ihrer Meinung / noch etwas von dem Schrecken und Zorn der Gefängnus empfinde: weßwegen sie ihm Artzney eingegeben / die ihn hoffentlich bald wieder zu recht bringen würde. Atychintide erschrack so sehr über dieser Zeitung / daß sie weder essen noch schlaffen kunte / und Melopharmis gnug zu thun hatte / sie wieder aufzurichten und abzuhalten / daß sie nicht / noch selbigen Abend / ihn zu besuchen gienge. Polyphilus hingegen / hatte alsbald den Servetus mit dem Roß voran geschicket /sich darauf angekleidet / und nach genommenem freundlichen Abschied von Agapistus (welcher ihm tausend Glück bey Macarie wünschte) ganz heimlich sich auf den Weg begeben. Als er wieder zum Servetus gekommen / saß er gleich zu Pferd / und ritte nach der Insul Soletten / mit Freude und Verlangen angefüllet. Unterwegs ergetzte er sich mit der Macarie Brief / den er etlichmal durchlase / und den Servetus öffters fragte / wie sich Macarie erwiesen / und ob er auch ein angenehmer Gast seyn werde? So[244] viel ich spüren können / (antwortete dieser) wird ihr des Herrn Gegenwart gar lieb seyn: nur fürchtet sie / es werde selbige bey den Inwohnern neue Ungelegenheit erregen; weßwegen ich ihr versprochen / daß alles heimlich geschehen solte. So will ich dann (sagte Polyphilus) mich anstellen / als ob ich den Galesio (also hieße einer von den Vornemsten zu Soletten) zu besuchen käme / und euch / in Gegenwart unsers Wirts /befehlen / mich bey demselben anzumelden: ihr aber müsset zu Macarien gehen / und unter des Galesio Namen / die Antwort zu rück bringen. Servetus versprache solches in acht zu nehmen. Polyphilus aber dichtete inzwischen / wie er seiner Macarie zusprechen / seine Gefängnus entschuldigen / sich aus den verleumderischen Nachreden entwickeln / und um Bewilligung des Hirtenstandes anhalten wolte.

Als er nun endlich der Insul genahet / ließe er /damit er nicht erkant würde / sein Pferd durch den Servetus im Wirtshause vor dem Ufer einstellen / und nachmals sich mit ihm übersetzen: da er in einem unbekanten Gasthof die Herberg name. Er hieße den Wirt eine Malzeit zurichten / und fragte ihn / in welcher Gegend Galesio wohne / bey dem er eine Besuchung abzulegen hätte. Als nun der Wirt ihm hiervon Bericht gegeben / befahl er dem Servetus / in dessen Gegenwart / dahin zu gehen / und seine Besuchung anzumelden: der dann / abgeredter massen / zur Macarie gienge / und des Polyphilus Gegenwart ansagte. Nachdem er zur Antwort empfangen / daß sie seiner erwarten wolle / und solches den Polyphilus berichtet / machte der sich alsbald auf / und gienge nach Macarien Wonung[245] / das jenige zu erlangen / wornach er seither so manche Stunde und mit so vielen Seufzern sich gesehnet hatte.

Quelle:
Maria Katharina Stockfleth: Die Kunst- und Tugend-gezierte Macarie, 2 Bände, Band 2, Nürnberg 1673, S. 234-246.
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