72.

[67] Das Sterben und das Verwesen der Leiche ist von solcher sympathischen Kraft, daß man derselben mit tätigem Handeln entgegenwirken muß. Wenn jemand stirbt, muß dies allen im Hause schlafenden Leuten angesagt werden, sonst verfallen sie in einen Todesschlaf (Marsch) Vgl. 455. Das Vieh im Hause muß alsdann umgebunden werden, sonst gedeihet es schlecht (Ammerl.). Wenn ein Bienenhalter stirbt, muß sofort den Bienen der Tod »angesagt« werden, auch werden die Bienenkörbe ein wenig umgesetzt, sonst gedeihen die Bienen nicht, werden krank und sterben. Wenn die Leiche weggefahren wird, dreht man die Körbe um, so daß die Fluglöcher nach hinten zu stehen kommen (Dötl.). – Nach dem Tode eines[67] Hauswirtes muß man um die Obstbäume ein Band binden (Münsterl.), doch wohl auch, um dieselben auf sich zu beschränken und von dem Toten zu scheiden. – Das Totenhemd muß schon bei Lebzeiten einmal getragen werden, sonst soort (dörrt) der Flachs aus (Dötl.). – Wenn eine Leiche beerdigt wird, muß man, sobald der Zug aus der Haustür ist, die Tür schließen, sonst steht sie zum Ausbringen einer zweiten Leiche offen (Wildeshsn.). – Wenn in dem Hause eines Bienenhalters jemand stirbt, so muß man am Begräbnistage etwas aus dem Bienenstock dem Verstorbenen in den Sarg legen, dann geraten die Bienen und werden nicht gestohlen (Kimmen). Die Bedeutung dieses Tuns ist nicht recht erklärlich. – Wenn man sich die Haare hat schneiden lassen, muß man das Abgeschnittene verbrennen, sonst, wenn man es wegwirft und die Vögel tragen damit herum oder der Wind weht es weg, bekommt man Kopfweh.

Quelle:
Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg 1–2, Band 1, Oldenburg 21909, S. LXVII67-LXVIII68.
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